(Rom) Die Aufregung um das Beschwerdeschreiben von dreizehn Kardinälen, die auch Synodalen der in Rom tagenden Bischofssynode über die Familie sind, hält an. Vordergründig wird über die Unterzeichner gerätselt, das durch das Schreiben ausgelöste innerkirchliche Erdbeben geht jedoch auf den Inhalt der Beschwerde zurück.
In den vergangenen beiden Tagen gab es erhebliche Bestrebungen, vom Wichtigen, dem Inhalt, abzulenken und die Frage nach den Namen der Unterzeichner hervorzuheben.
Zur besseren Orientierung daher eine kurze Chronologie mit den Fakten:
12. Oktober 2015
1.
Der Vatikanist Sandro Magister berichtet, daß dreizehn Kardinäle-Synodalen am Montag, dem 5. Oktober, dem ersten Tag der Synodenarbeiten, Papst Franziskus ein Beschwerdeschreiben übergaben. Die Übergabe erfolgte durch Kardinal George Pell, den Präfekten des Wirtschaftssekretariats am Montagnachmittag. Magister veröffentlichte den ihm zugespielten Wortlaut des Schreibens vollinhaltlich und die Liste der ihm genannten dreizehn Unterzeichner.
Die Kardinäle bringen darin ihre „Sorgen“ und „Bedenken“ zum Ausdruck und treten als Sprecher für „viele“ weitere Synodenväter auf. Die wichtigsten Punkte des Schreibens:
- Die Kardinäle verwerfen das Instrumentum laboris, das Papst Franziskus der Synode als Grundlagenpapier vorsetzte, nach dem die gesamten Synodenarbeiten stattfinden und das Schlußdokument verfaßt werden sollte. Es enthalte mehrere „problematische Abschnitte“, müsse – wenn schon – einer grundlegenden Überarbeitung unterzogen werden, denn so wie es ist, sei es als Grundlage für das Schlußdokument ungeeignet und daher inakzeptabel.
- Die Kardinäle kritisieren die von Papst Franziskus eingeführten Verfahrensregeln, nach denen die Synode stattfindet, die erst kurz vor Synodenbeginn bekanntgegeben wurden. Die neuen Prozeduren schränken die offene Diskussion ein und zwängen die Synodalen in eine bestimmte Richtung, jene des „problematischen“ Instrumentum laboris. Die Einflußmöglichkeiten der Synode auf ihr eigenes Schlußdokument wurden gegenüber bisherigen Synoden stark eingeschränkt. Überhaupt darf die Synode im Gegensatz zu früher nur mehr über das Schlußdokument abstimmen, nach dem Motto „nehmen oder lassen“. Das Redaktionskomitee für das Schlußdokument wurde von Papst Franziskus ohne Mitwirkung der Synode ernannt.
- Die Kardinäle äußern den Verdacht, daß die Änderung der Verfahrensregeln objektiv eine Verschlechterung darstellt und nur deshalb erfolgte, um „zu wichtigen umstrittenen Themen vorgefertigte Ergebnisse“ zu erzielen.
- Aufgabe der Synode ist es, die „Würde der Ehe und der Familie zu stärken“.
- Diesen Auftrag sehen die Kardinäle im Umkehrschluß durch die von Papst Franziskus durchgeführten Änderungen gefährdet, indem die Synode und mit ihr die Kirche auf den Weg der „liberalen protestantischen Kirchen“ geführt werden soll, der jedoch direkt in den „Kollaps“ führe.
Euer Heiligkeit,
während die Synode über die Familie beginnt und mit dem Wunsch, daß sie fruchtbar der Kirche und Ihrem Dienst dient, ersuchen wir Sie respektvoll, eine Reihe von Sorgen zu berücksichtigen, die wir von anderen Synodenvätern gesammelt haben und die wir teilen.
Das Vorbereitungspapier der Synode, das Instrumentum laboris, das wohl einige bewundernswerte Hinweise enthält, enthält aber auch Abschnitte, für die es von Vorteil wäre, wenn man sie einem substantiellen Überdenken und einer Überarbeitung unterziehen würde. Die neuen Prozeduren, nach denen die Synode stattfindet, scheinen einen überzogenen Einfluß auf die Entscheidungen der Synode und auf das Synodenschlußdokument zu nehmen. Ebensowenig kann das Instrumentum, so wie es ist und angesichts der von uns von vielen Synodenvätern gesammelten Bedenken über verschiedene problematische Abschnitte, angemessen als richtungsweisender Text oder als Grundlage für das Schlußdokument dienen.
Die neuen Synodenprozeduren werden in einigen Kreisen als Mangel an Offenheit und genuiner Kollegialität gesehen werden. In der Vergangenheit diente der Prozeß zur Einbringung von Propositionen und ihre Abstimmung dem wertvollen Zweck, die Orientierung der Synodenväter zu messen. Das Fehlen der Propositionen und der entsprechenden Diskussionen und Abstimmungen scheint eine offene Debatte zu entmutigen und die Diskussion in die Circuli minores zu verbannen; daher erscheint es uns dringlich, daß die Redaktion der Propositionen, die von der ganzen Synode abzustimmen sind, wiederhergestellt werden sollte. Die Abstimmung über das Schlußdokument kommt im Prozeß der völligen Überarbeitung und Ausbesserung des Textes zu spät.
Zudem hat das Fehlen einer Beteiligung der Synodenväter an der Zusammensetzung der Redaktionskommission erhebliches Unbehagen ausgelöst. Ihre Mitglieder wurden ohne Beratung ernannt und nicht gewählt. Ebenso sollte jeder, der Teil der Redaktion irgendeines Textes auf der Ebene der Circuli minores ist, gewählt und nicht ernannt werden.
Diese Tatsachen haben ihrerseits die Sorge entstehen lassen, daß die neuen Prozeduren nicht dem traditionellen Geist und der Zielsetzung einer Synode entsprechen. Man versteht nicht, warum diese Änderungen der Prozeduren notwendig sein sollen. Einer gewissen Anzahl von Synodenvätern erscheint der neue Prozeß darauf abgestimmt, zu wichtigen umstrittenen Themen vorgefertigte Ergebnisse zu erleichtern.
Schließlich, und vielleicht mit größtem Nachdruck, haben verschiedene Synodenväter die Sorge zum Ausdruck gebracht, daß eine Synode, die geplant ist, um eine lebenswichtige pastorale Frage zu behandeln – nämlich die Würde der Ehe und der Familie zu stärken – vom theologisch/doktrinellen Problem der Kommunion für standesamtlich wiederverheiratete Geschiedene beherrscht werden könnte. Wenn sich das bewahrheiten sollte, würde das unvermeidlich noch weit grundlegendere Fragen aufwerfen, wie die Kirche auf ihrem Weg das Wort Gottes, ihre Doktrin und ihre Disziplin in den Veränderungen der Kultur interpretieren und anwenden sollte. Der Kollaps der liberalen protestantischen Kirchen, beschleunigt durch das Aufgeben von Schlüsselelementen des Glaubens und der christlichen Praxis im Namen einer pastoralen Anpassung, rechtfertigt eine große Zurückhaltung in unseren Synodendiskussionen.
Heiligkeit, wir bringen diese Gedanken in einem Geist der Treue vor und danken Ihnen, daß Sie sie in Betracht ziehen.
In Treue Ihre in Jesus Christus
Kardinal George Pell, Präfekt des Wirtschaftssekretariats (Australien)
Kardinal Gerhard Müller, Präfekt der Glaubenskongregation (Deutschland)
Kardinal Robert Sarah, Präfekt der Gottesdienstkongregation (Guinea)
Kardinal Carlo Caffarra, Erzbischof von Bologna (Italien)
Kardinal Thomas Collins, Erzbischof von Toronto (Kanada)
Kardinal Timothy Dolan, Erzbischof von New York (USA)
Kardinal Willem Eijk, Erzbischof von Utrecht (Niederlande)
Kardinal Wilfrid Fox Napier, Erzbischof von Durban (Südafrika) und stellvertretender Synodenvorsitzender
Kardinal Jorge Urosa Savino, Erzbischof von Caracas (Venezuela)
Kardinal Peter Erdö, Erzbischof von Esztergom-Budapest (Ungarn) und Generalberichterstatter der Bischofssynode
Kardinal Mauro Piacenza, Großpönitentiar und ehemaliger Präfekt der Kleruskongregation (Italien)
Kardinal Angelo Scola, Erzbischof von Mailand (Italien)
Kardinal Andre Vingt-Trois, Erzbischof von Paris (Frankreich)
2.
Die Zusammensetzung des umstrittenen, von Papst Franziskus ernannten und am 2. Oktober bekanntgegebenen Redaktionskomitees der Relatio finalis:
Kardinal Lorenzo Baldisseri, Generalsekretär der Synode
Erzbischof Bruno Forte, Erzbischof von Chieti-Vasto und Sondersekretär der Synode
Pater Adolfo Nicolas Pachon SJ, Generaloberer des Jesuitenordens
Titularerzbischof Victor Manuel Fernandez, Rektor der Päpstlichen Katholischen Universität von Argentinien
Kardinal John Atcherley Dew, Erzbischof von Wellington
Bischof Marcello Semeraro, Bischof von Albano, Sekretär des C9-Kardinalsrats
Kardinal Donals Wuerl, Erzbischof von Washington
Kardinal Oswald Garcias, Erzbischof von Bombay
Bischof Mathieu Madega Lebouakehan, Bischof von Mouila (Gabun)
Kardinal Peter Erdö, Erzbischof von Esztergom-Budapest und Generalberichterstatter der Synode
Die erklärten Unterstützer der „neuen Barmherzigkeit“, allesamt gleichzeitig auch Vertraute von Papst Franziskus, haben im Komitee eine erdrückende Mehrheit.
3.
Kurz darauf befragt, will Vatikansprecher Pater Federico Lombardi das Schreiben nicht bestätigen: „Es muß der Papst sein, der sagt, ob er dieses Dokument erhalten hat oder nicht“.
Einige Stunden später läßt Lombardi die Journalisten wissen, daß die Erzbischöfe von Mailand und Paris, Kardinal Scola und Kardinal Vingt-Trois mitgeteilt haben, das Schreiben nicht unterzeichnet zu haben. Damit bestätigte der Vatikansprecher gleichzeitig die Existenz des Schreibens. Am späten Vormittag bestreitet auch Kardinal Piacenza die Unterschrift. Am Nachmittag folgt das Dementi von Kardinal Erdö.
4.
Gleichzeitig bestätigt Kardinal Pell mit einer Erklärung an den National Catholic Register, das Schreiben unterzeichnet zu haben. Darin heißt es einerseits: „es scheint Fehler sowohl im Inhalt wie in der Unterzeichnerliste zu geben“. Andererseits bekräftigt Kardinal Pell zwei zentrale, im Beschwerdeschreiben vorgebrachte „Sorgen“ und präzisiert sie.
Sorge 1: Eine „Minderheit“ wolle „die Lehren der Kirche ändern“ zum Kommunionempfang, obwohl „es keine Möglichkeit für eine Änderung der Lehre gibt“.
Sorge 2: „Die Zusammensetzung des Redaktionskomitees der Relatio finalis und die Prozedur, mit der sie den Synodenvätern vorgelegt und abgestimmt wird“.
Bereits in seiner Wortmeldung in der Synodenaula am späten Nachmittag des 5. Oktober hatte Kardinal Pell diese und die anderen im Beschwerdebrief dargelegten „Sorgen“ ausgesprochen. Besonders kritisierte er am Synodenbeginn das Instrumentum laboris, das Grundlage der Diskussion und des Schlußdokuments sein soll.
Am Morgen des 6. Oktober ergriffen sowohl Papst Franziskus als auch Synodengeneralsekretär Kardinal Lorenzo Baldisseri unerwartet vor der Synode das Wort. Sie antworteten Punkt für Punkt auf die im Beschwerdeschreiben vorgebrachten „Sorgen“, die sie zurückwiesen. Das Beschwerdeschreiben erwähnten sie dabei nicht. Papst Franziskus warnte vor einer „konspirativen Hermeneutik“. Worte, die als direkte Antwort auf die von den Kardinälen am Vortag schriftlich vorgebrachten Sorgen zu sehen ist.
5.
Nach Kardinal Pell bestätigt am Nachmittag des 12. Oktober auch Kardinal Wilfrid Fox Napier, der Erzbischof von Durban in Südafrika, in einem Interview mit John Allen, Michael O’Loughin und Ines San Martin für die Internetseite Crux (USA), das Schreiben unterzeichnet zu haben. Kardinal Napier ist einer der vier delegierten Vorsitzenden der Synode (offizieller Vorsitzender ist der Papst, der diese Aufgabe aber delegiert).
Kardinal Napier bekräftigt im Freimut die im Schreiben genannten „Sorgen“, die „viele Synodenväter“ hätten. Es werde nicht das Recht des Papstes kritisiert, das Redaktionskomitee ernennen zu können. „Um einen ausgewogenen Ausdruck der Synode zu haben, auch dessen, was die Kirche in Afrika wirklich berücksichtigt sehen möchte“, sollten andere Personen in das Redaktionskomitee berufen werden. „Wir möchten nicht wieder dieselbe Art von Personen dort sehen, die bereits beim vorigen Mal dort waren und uns den Schmerz verursacht haben, den wir hatten.“ Eine deutliche Anspielung auf den Konflikt um den Zwischenbericht der Synode 2014, der mit Nachdruck die progressistische Agenda widerspiegelte und höchst umstrittene Passagen über die Scheidung und Homosexualität enthielt.
Kardinal Napier wiederholte auch die Kritik am Instrumentum laboris und die Sorge, daß es zu viel Einfluß und Gewicht auf die Synodenarbeiten und das Schlußdokument habe. „Es ist, als würde das Instrumentum laboris der grundlegende Text bleiben und nicht das, was aus den Diskussionen und Synodenarbeiten hervorgeht“. Dies, weil Papst Franziskus die Möglichkeit abgeschafft hat, während der Synode Propositionen (Vorschläge) zu unterbreiten und von der Synode abstimmen zu lassen.
Die Lawine an Medienanfragen bezüglich der neuen Verfahrensregeln für die Synode würden die tatsächlichen Sorgen in der Synodenaula widerspiegeln, so der Kardinal: „Die Verunsicherung ist ziemlich allgemein, sonst würdet Ihr alle nicht dieselben Fragen stellen“. Nicht einmal die Synodenväter würden verstehen, so Kardinal Napier, wie das Schlußdokument der Synode genau zustande kommt und ebensowenig, was Papst Franziskus dann damit beabsichtigt. Eine Unsicherheit, die berechtigte Zweifel und Sorge bezüglich des Ergebnisses aufkommen lasse.
„Diese Art von Unsicherheit besorgt mich: In welche Richtung gehen die Arbeiten wirklich, wenn man nicht weiß, welches das Ziel ist?“, so der Erzbischof von Durban. Auf die Frage, ob er befürchte, daß das Ergebnis bereits festgelegt worden sei, antwortet Kardinal Napier: „Wir sind soweit, daß sich das schwer sagen läßt“. Wo ein klares Nein die Antwort sein müßte, bekräftigte der Kardinal die „allgemein Verunsicherung“.
13. Oktober 2015
1.
In Rom hatte kurz nach Mitternacht bereits der neue Tag begonnen, als in New York die progressive Jesuitenzeitschrift America nachlegte. Autor des Artikels ist der Rom-Korrespondent der Zeitschrift, Gerard O’Connell, und Ehemann der argentinischen Journalistin Elisabetta Piqué. Piqué gilt als Freundin von Papst Franziskus, über den sie eine von ihm autorisierte Biographie „Francisco. Vida y Revolucion“ (Franziskus. Leben und Revolution) veröffentlichte.
Unter Berufung auf „informierte Kreise“ bestätigen die New Yorker Jesuiten das Beschwerdeschreiben der Kardinäle. Sie bestätigen auch, daß das Schreiben von dreizehn Kardinälen unterzeichnet wurde, allesamt Synodalen, darunter auch zwei US-Amerikaner.
Anstelle der vier Kardinäle, die eine Unterschrift dementierten, nennt America vier andere Namen: den US-Amerikaner Kardinal Daniel DiNardo, den Kenianer Kardinal John Njue, den Mexikaner Kardinal Norberto Rivera Carrera und den Italiener Kardinal Elio Sgreccia.
Die Jesuitenzeitschrift zitiert eine Reihe von Stellen aus dem Beschwerdebrief, für den sie sich nicht auf die Veröffentlichung von Sandro Magister beruft, sondern auf eigene Quellen. Die Zitate stimmen alle mit dem von Magister veröffentlichten Text überein.
2.
Wenige Stunden später wird die „Echtheit“ des Schreibens von der argentinischen Tageszeitung La Nacion bestätigt. Autorin des Artikels ist Elisabetta Piqué, die sich dafür auf „gutinformierte Kreise im Vatikan“ beruft. Der Tenor der Artikel von Piqué (La Nacion) und ihrem Mann (America) richtet sich gegen das Beschwerdeschreiben: „Ein Schreiben erhöht die Intrigen in der Synode“.
Damit steht fest, daß das Original gegenüber dem von Magister veröffentlichten Wortlaut vielleicht kleine Unterschiede aufweisen kann, daß es das Schreiben aber gibt, und daß es an seinem Inhalt keinen Zweifel geben kann.
3.
Bei der täglichen Pressekonferenz verliest Vatikansprecher Lombardi eine offensichtlich improvisierte Erklärung zum Beschwerdeschreiben der Kardinäle:
„Wer dieses Schreiben Tage später [nach seiner Übergabe an den Papst] veröffentlicht hat, hat einen Akt der Störung vollbracht, die von jenen, die es unterschrieben haben, nicht gewollt war …
Daß Anmerkungen zur Methodik der Synode, die neu ist, gemacht werden können, erstaunt nicht. Doch einmal festgelegt, gibt es die Verpflichtung aller, sie auf die bestmögliche Weise anzuwenden. Einige der Unterzeichner sind auch gewählte Moderatoren der Circuli minores und arbeiten dort intensiv, und das allgemeine Klima ist positiv … Arbeiten wir weiter, ohne uns verwirren zu lassen.“
4.
Vatikansprecher Lombardi versuchte zudem vergeblich eine Entwirrung der Verwirrung um das Schlußdokument.
Die Kardinäle hatten am 5. Oktober mit ihrem Beschwerdeschreiben Kritik am Schlußdokument vorgebracht, an dessen Inhalt, seinem Zustandekommen und seinem Stellenwert.
Am 9. Oktober ließ Kardinal Luis Tagle (Manila), ein enger Vertrauter von Papst Franziskus und einer der vier delegierten Synodenvorsitzenden, auf der Pressekonferenz zum allgemeinen Erstaunen plötzlich offen, ob es überhaupt einen Schlußbericht geben werde.
Am 10. Oktober wiederholte Vatikansprecher Lombardi die Worte Tagles. Seither herrscht völlige Verwirrung.
Nun erklärte Lombardi, „Medienspekulationen“ entgegentreten zu wollen, daß es am Synodenende keinen Schlußbericht oder überhaupt kein Schlußdokument geben werde. Die angeblichen „Medienspekulationen“ waren allerdings von Kardinal Tagle und hochoffiziell von ihm selbst ausgegangen.
Der Vatikansprecher wörtlich: „Die Relatio finalis wird am Morgen des Samstag, 24. Oktober in der Synodenaula präsentiert. Am Nachmittag stimmt die Versammlung über ihn ab“. Das Dokument werde, wie für Synoden üblich, dem Papst übergeben, der dann darüber entscheiden werde. „Was wir heute nicht genau wissen, ist, wie der Papst befinden wird: ob er uns wie letztes Jahr sagt ‚Veröffentlich das sofort‘, oder ob er sagt ‚Dankeschön, den Bericht behalte ich und mache ein Apostolisches Schreiben daraus‘. Er könnte auch sagen: ‚Ich denke einige Tage darüber nach, und dann veröffentlichen wir ihn“.
Lombardi bestätigte letztlich die Sorge der beschwerdeführenden Synodenväter, daß ihnen erst am Vormittag des 22. Oktober (15. Generalkongregation) ein fertiger Text als Relatio finalis vorgelegt wird, daß sie am Nachmittag desselben Tages (16. Generalkongregation) ihre schriftlichen Anmerkungen dazu abgeben müssen, daß der 23. Oktober tagungsfrei ist und daß die Synodalen erst am 24. Oktober erfahren werden, wie die Endfassung der Relatio finalis aussehen wird (17. Generalkongregation), über die sie bereits am Nachmittag abzustimmen haben (18. Generalkongregation).
5.
Der mexikanische Kardinal Rivera Carrera erklärt, das Schreiben nicht unterzeichnet zu haben.
14. Oktober 2015
1.
Magister schreibt zur Bestätigung des Schreibens und seines Inhalts durch America und La Nacion: „Das verbietet nicht, daß das wirklich dem Papst überreichte Schreiben einige kleine Varianten enthalten könnte. Der Form nach, nicht dem Inhalt.“
Der Inhalt, so Magister, wurde durch die Stellungnahmen der Kardinäle Pell und Napier detailliert bestätigt. „Unter vielen Synodenvätern herrscht eine verbreitete und wachsende Unruhe wegen der Beharrlichkeit, mit der ihnen als Diskussionsgrundlage das Instrumentum laboris aufgezwungen wird, das sich von Tag zu Tag mehr als ungeeignet erweist, und wegen der Sorge, daß es mit seinen Zweideutigkeiten auch die Relatio finalis erfaßt, deren Ausarbeitung in den Händen einer Kommission liegt, die allein von oben herab ernannt wurde und in der die Neuerer eine erdrückende Mehrheit haben“.
Unter den Synodenvätern geht die Sorge um, daß sie aufgrund der geänderten Verfahrensregeln am Ende über eine vom Instrumentum laboris korrumpierte Relatio finalis nur mehr im Block abstimmen können nach dem Motto „alles oder nichts“. Eine Vorgangsweise, die viele Synodalen als Zwang empfinden und darüber empört sind.
2.
Diese Unruhe lastet seit Beginn auf den Synodenarbeiten. Die Warnung von Papst Franziskus vor einer „konspirativen Hermeneutik“ ist im direkten Zusammenhang mit dem Beschwerdeschreiben zu sehen. Sie zeigt, daß Papst Franziskus sich der Bedeutung des Beschwerdeschreibens sofort bewußt wurde und die Notwendigkeit sah, so schnell wie möglich seine Autorität dagegen ins Feld zu führen. Die Wortwahl „konspirative Hermeneutik“ bestätigt, daß der Papst die Tragweite der Kritik erfaßt hat, die ihm vorwirft, hinter den Kulissen die Synode in eine bestimmte Richtung zwingen zu wollen.
„Dadurch daß das Schreiben der dreizehn Kardinäle ans Licht kam, samt der daraus folgenden Explosion der Diskussion, wurde den Synodenvätern eine konkretere Möglichkeit zurückgegeben, die Prozesse und das Ergebnis dieser entscheidenden Versammlung der Weltkirche direkt zu lenken“, so Magister.
3.
Nach aktuellem Stand wurde das Schreiben von folgenden zwölf Kardinälen unterzeichnet:
Kardinal George Pell, Präfekt des Wirtschaftssekretariats (Australien)
Kardinal Gerhard Müller, Präfekt der Glaubenskongregation (Deutschland)
Kardinal Robert Sarah, Präfekt der Gottesdienstkongregation (Guinea)
Kardinal Carlo Caffarra, Erzbischof von Bologna (Italien)
Kardinal Thomas Collins, Erzbischof von Toronto (Kanada)
Kardinal Timothy Dolan, Erzbischof von New York (USA)
Kardinal Willem Eijk, Erzbischof von Utrecht (Niederlande)
Kardinal Wilfrid Fox Napier, Erzbischof von Durban (Südafrika) und stellvertretender Synodenvorsitzender
Kardinal Jorge Urosa Savino, Erzbischof von Caracas (Venezuela)
Kardinal Daniel DiNardo, Erzbischof von Galveston-Houston und stellvertretender Vorsitzender der Amerikanischen Bischofskonferenz (USA)
Kardinal John Njue, Erzbischof von Nairobi (Kenia)
Kardinal Elio Sgreccia, emeritierter Präsident der Päpstlichen Akademie für das Leben.
Die Identität des dreizehnten Unterzeichners ist unbekannt.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va (Screenshot)