Das Schreiben der Kardinäle an Papst Franziskus – Chronologie der Fakten


(Rom) Die Auf­re­gung um das Beschwer­de­schrei­ben von drei­zehn Kar­di­nä­len, die auch Syn­oda­len der in Rom tagen­den Bischofs­syn­ode über die Fami­lie sind, hält an. Vor­der­grün­dig wird über die Unter­zeich­ner gerät­selt, das durch das Schrei­ben aus­ge­lö­ste inner­kirch­li­che Erd­be­ben geht jedoch auf den Inhalt der Beschwer­de zurück.

Anzei­ge

In den ver­gan­ge­nen bei­den Tagen gab es erheb­li­che Bestre­bun­gen, vom Wich­ti­gen, dem Inhalt, abzu­len­ken und die Fra­ge nach den Namen der Unter­zeich­ner hervorzuheben.

Zur bes­se­ren Ori­en­tie­rung daher eine kur­ze Chro­no­lo­gie mit den Fakten:

12. Oktober 2015

1.

Der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster berich­tet, daß drei­zehn Kar­di­nä­le-Syn­oda­len am Mon­tag, dem 5. Okto­ber, dem ersten Tag der Syn­oden­ar­bei­ten, Papst Fran­zis­kus ein Beschwer­de­schrei­ben über­ga­ben. Die Über­ga­be erfolg­te durch Kar­di­nal Geor­ge Pell, den Prä­fek­ten des Wirt­schafts­se­kre­ta­ri­ats am Mon­tag­nach­mit­tag. Magi­ster ver­öf­fent­lich­te den ihm zuge­spiel­ten Wort­laut des Schrei­bens voll­in­halt­lich und die Liste der ihm genann­ten drei­zehn Unterzeichner.

Die Kar­di­nä­le brin­gen dar­in ihre „Sor­gen“ und „Beden­ken“ zum Aus­druck und tre­ten als Spre­cher für „vie­le“ wei­te­re Syn­oden­vä­ter auf. Die wich­tig­sten Punk­te des Schreibens:

Papst Franziskus und die Synode
Papst Fran­zis­kus und die Synode

- Die Kar­di­nä­le ver­wer­fen das Instru­men­tum labo­ris, das Papst Fran­zis­kus der Syn­ode als Grund­la­gen­pa­pier vor­setz­te, nach dem die gesam­ten Syn­oden­ar­bei­ten statt­fin­den und das Schluß­do­ku­ment ver­faßt wer­den soll­te. Es ent­hal­te meh­re­re „pro­ble­ma­ti­sche Abschnit­te“, müs­se – wenn schon – einer grund­le­gen­den Über­ar­bei­tung unter­zo­gen wer­den, denn so wie es ist, sei es als Grund­la­ge für das Schluß­do­ku­ment unge­eig­net und daher inakzeptabel.

- Die Kar­di­nä­le kri­ti­sie­ren die von Papst Fran­zis­kus ein­ge­führ­ten Ver­fah­rens­re­geln, nach denen die Syn­ode statt­fin­det, die erst kurz vor Syn­oden­be­ginn bekannt­ge­ge­ben wur­den. Die neu­en Pro­ze­du­ren schrän­ken die offe­ne Dis­kus­si­on ein und zwän­gen die Syn­oda­len in eine bestimm­te Rich­tung, jene des „pro­ble­ma­ti­schen“ Instru­men­tum labo­ris. Die Ein­fluß­mög­lich­kei­ten der Syn­ode auf ihr eige­nes Schluß­do­ku­ment wur­den gegen­über bis­he­ri­gen Syn­oden stark ein­ge­schränkt. Über­haupt darf die Syn­ode im Gegen­satz zu frü­her nur mehr über das Schluß­do­ku­ment abstim­men, nach dem Mot­to „neh­men oder las­sen“. Das Redak­ti­ons­ko­mi­tee für das Schluß­do­ku­ment wur­de von Papst Fran­zis­kus ohne Mit­wir­kung der Syn­ode ernannt.

- Die Kar­di­nä­le äußern den Ver­dacht, daß die Ände­rung der Ver­fah­rens­re­geln objek­tiv eine Ver­schlech­te­rung dar­stellt und nur des­halb erfolg­te, um „zu wich­ti­gen umstrit­te­nen The­men vor­ge­fer­tig­te Ergeb­nis­se“ zu erzielen.

- Auf­ga­be der Syn­ode ist es, die „Wür­de der Ehe und der Fami­lie zu stärken“.

- Die­sen Auf­trag sehen die Kar­di­nä­le im Umkehr­schluß durch die von Papst Fran­zis­kus durch­ge­führ­ten Ände­run­gen gefähr­det, indem die Syn­ode und mit ihr die Kir­che auf den Weg der „libe­ra­len pro­te­stan­ti­schen Kir­chen“ geführt wer­den soll, der jedoch direkt in den „Kol­laps“ führe.

Euer Heiligkeit,

wäh­rend die Syn­ode über die Fami­lie beginnt und mit dem Wunsch, daß sie frucht­bar der Kir­che und Ihrem Dienst dient, ersu­chen wir Sie respekt­voll, eine Rei­he von Sor­gen zu berück­sich­ti­gen, die wir von ande­ren Syn­oden­vä­tern gesam­melt haben und die wir teilen.

Das Vor­be­rei­tungs­pa­pier der Syn­ode, das Instru­men­tum labo­ris, das wohl eini­ge bewun­derns­wer­te Hin­wei­se ent­hält, ent­hält aber auch Abschnit­te, für die es von Vor­teil wäre, wenn man sie einem sub­stan­ti­el­len Über­den­ken und einer Über­ar­bei­tung unter­zie­hen wür­de. Die neu­en Pro­ze­du­ren, nach denen die Syn­ode statt­fin­det, schei­nen einen über­zo­ge­nen Ein­fluß auf die Ent­schei­dun­gen der Syn­ode und auf das Syn­oden­schluß­do­ku­ment zu neh­men. Eben­so­we­nig kann das Instru­men­tum, so wie es ist und ange­sichts der von uns von vie­len Syn­oden­vä­tern gesam­mel­ten Beden­ken über ver­schie­de­ne pro­ble­ma­ti­sche Abschnit­te, ange­mes­sen als rich­tungs­wei­sen­der Text oder als Grund­la­ge für das Schluß­do­ku­ment dienen.

Die neu­en Syn­oden­pro­ze­du­ren wer­den in eini­gen Krei­sen als Man­gel an Offen­heit und genui­ner Kol­le­gia­li­tät gese­hen wer­den. In der Ver­gan­gen­heit dien­te der Pro­zeß zur Ein­brin­gung von Pro­po­si­tio­nen und ihre Abstim­mung dem wert­vol­len Zweck, die Ori­en­tie­rung der Syn­oden­vä­ter zu mes­sen. Das Feh­len der Pro­po­si­tio­nen und der ent­spre­chen­den Dis­kus­sio­nen und Abstim­mun­gen scheint eine offe­ne Debat­te zu ent­mu­ti­gen und die Dis­kus­si­on in die Cir­culi mino­res zu ver­ban­nen; daher erscheint es uns dring­lich, daß die Redak­ti­on der Pro­po­si­tio­nen, die von der gan­zen Syn­ode abzu­stim­men sind, wie­der­her­ge­stellt wer­den soll­te. Die Abstim­mung über das Schluß­do­ku­ment kommt im Pro­zeß der völ­li­gen Über­ar­bei­tung und Aus­bes­se­rung des Tex­tes zu spät.

Zudem hat das Feh­len einer Betei­li­gung der Syn­oden­vä­ter an der Zusam­men­set­zung der Redak­ti­ons­kom­mis­si­on erheb­li­ches Unbe­ha­gen aus­ge­löst. Ihre Mit­glie­der wur­den ohne Bera­tung ernannt und nicht gewählt. Eben­so soll­te jeder, der Teil der Redak­ti­on irgend­ei­nes Tex­tes auf der Ebe­ne der Cir­culi mino­res ist, gewählt und nicht ernannt werden.

Die­se Tat­sa­chen haben ihrer­seits die Sor­ge ent­ste­hen las­sen, daß die neu­en Pro­ze­du­ren nicht dem tra­di­tio­nel­len Geist und der Ziel­set­zung einer Syn­ode ent­spre­chen. Man ver­steht nicht, war­um die­se Ände­run­gen der Pro­ze­du­ren not­wen­dig sein sol­len. Einer gewis­sen Anzahl von Syn­oden­vä­tern erscheint der neue Pro­zeß dar­auf abge­stimmt, zu wich­ti­gen umstrit­te­nen The­men vor­ge­fer­tig­te Ergeb­nis­se zu erleichtern.

Schließ­lich, und viel­leicht mit größ­tem Nach­druck, haben ver­schie­de­ne Syn­oden­vä­ter die Sor­ge zum Aus­druck gebracht, daß eine Syn­ode, die geplant ist, um eine lebens­wich­ti­ge pasto­ra­le Fra­ge zu behan­deln – näm­lich die Wür­de der Ehe und der Fami­lie zu stär­ken – vom theologisch/​doktrinellen Pro­blem der Kom­mu­ni­on für stan­des­amt­lich wie­der­ver­hei­ra­te­te Geschie­de­ne beherrscht wer­den könn­te. Wenn sich das bewahr­hei­ten soll­te, wür­de das unver­meid­lich noch weit grund­le­gen­de­re Fra­gen auf­wer­fen, wie die Kir­che auf ihrem Weg das Wort Got­tes, ihre Dok­trin und ihre Dis­zi­plin in den Ver­än­de­run­gen der Kul­tur inter­pre­tie­ren und anwen­den soll­te. Der Kol­laps der libe­ra­len pro­te­stan­ti­schen Kir­chen, beschleu­nigt durch das Auf­ge­ben von Schlüs­sel­ele­men­ten des Glau­bens und der christ­li­chen Pra­xis im Namen einer pasto­ra­len Anpas­sung, recht­fer­tigt eine gro­ße Zurück­hal­tung in unse­ren Synodendiskussionen.

Hei­lig­keit, wir brin­gen die­se Gedan­ken in einem Geist der Treue vor und dan­ken Ihnen, daß Sie sie in Betracht ziehen.

In Treue Ihre in Jesus Christus

Kar­di­nal Geor­ge Pell, Prä­fekt des Wirt­schafts­se­kre­ta­ri­ats (Austra­li­en)
Kar­di­nal Ger­hard Mül­ler, Prä­fekt der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on (Deutsch­land)
Kar­di­nal Robert Sarah, Prä­fekt der Got­tes­dienst­kon­gre­ga­ti­on (Gui­nea)
Kar­di­nal Car­lo Caf­farra, Erz­bi­schof von Bolo­gna (Ita­li­en)
Kar­di­nal Tho­mas Coll­ins, Erz­bi­schof von Toron­to (Kana­da)
Kar­di­nal Timo­thy Dolan, Erz­bi­schof von New York (USA)
Kar­di­nal Wil­lem Eijk, Erz­bi­schof von Utrecht (Nie­der­lan­de)
Kar­di­nal Wil­frid Fox Napier, Erz­bi­schof von Dur­ban (Süd­afri­ka) und stell­ver­tre­ten­der Synodenvorsitzender
Kar­di­nal Jor­ge Uro­sa Savi­no, Erz­bi­schof von Cara­cas (Vene­zue­la)
Kar­di­nal Peter Erdö, Erz­bi­schof von Esz­t­er­gom-Buda­pest (Ungarn) und Gene­ral­be­richt­erstat­ter der Bischofssynode
Kar­di­nal Mau­ro Pia­cen­za, Groß­pö­ni­ten­ti­ar und ehe­ma­li­ger Prä­fekt der Kle­rus­kon­gre­ga­ti­on (Ita­li­en)
Kar­di­nal Ange­lo Sco­la, Erz­bi­schof von Mai­land (Ita­li­en)
Kar­di­nal And­re Vingt-Trois, Erz­bi­schof von Paris (Frank­reich)

2.

Die Zusam­men­set­zung des umstrit­te­nen, von Papst Fran­zis­kus ernann­ten und am 2. Okto­ber bekannt­ge­ge­be­nen Redak­ti­ons­ko­mi­tees der Rela­tio fina­lis:

Kar­di­nal Loren­zo Bal­dis­se­ri, Gene­ral­se­kre­tär der Synode
Erz­bi­schof Bru­no For­te, Erz­bi­schof von Chie­ti-Vas­to und Son­der­se­kre­tär der Synode
Pater Adol­fo Nico­las Pachon SJ, Gene­ral­obe­rer des Jesuitenordens
Titu­lar­erz­bi­schof Vic­tor Manu­el Fer­nan­dez, Rek­tor der Päpst­li­chen Katho­li­schen Uni­ver­si­tät von Argentinien
Kar­di­nal John Atcher­ley Dew, Erz­bi­schof von Wellington
Bischof Mar­cel­lo Semer­a­ro, Bischof von Alba­no, Sekre­tär des C9-Kardinalsrats
Kar­di­nal Donals Wuerl, Erz­bi­schof von Washington
Kar­di­nal Oswald Gar­ci­as, Erz­bi­schof von Bombay
Bischof Mathieu Made­ga Leboua­ke­han, Bischof von Moui­la (Gabun)
Kar­di­nal Peter Erdö, Erz­bi­schof von Esz­t­er­gom-Buda­pest und Gene­ral­be­richt­erstat­ter der Synode

Die erklär­ten Unter­stüt­zer der „neu­en Barm­her­zig­keit“, alle­samt gleich­zei­tig auch Ver­trau­te von Papst Fran­zis­kus, haben im Komi­tee eine erdrücken­de Mehrheit.

3.

Kurz dar­auf befragt, will Vati­kan­spre­cher Pater Feder­i­co Lom­bar­di das Schrei­ben nicht bestä­ti­gen: „Es muß der Papst sein, der sagt, ob er die­ses Doku­ment erhal­ten hat oder nicht“.

Eini­ge Stun­den spä­ter läßt Lom­bar­di die Jour­na­li­sten wis­sen, daß die Erz­bi­schö­fe von Mai­land und Paris, Kar­di­nal Sco­la und Kar­di­nal Vingt-Trois mit­ge­teilt haben, das Schrei­ben nicht unter­zeich­net zu haben. Damit bestä­tig­te der Vati­kan­spre­cher gleich­zei­tig die Exi­stenz des Schrei­bens. Am spä­ten Vor­mit­tag bestrei­tet auch Kar­di­nal Pia­cen­za die Unter­schrift. Am Nach­mit­tag folgt das Demen­ti von Kar­di­nal Erdö.

4.

Gleich­zei­tig bestä­tigt Kar­di­nal Pell mit einer Erklä­rung an den Natio­nal Catho­lic Regi­ster, das Schrei­ben unter­zeich­net zu haben. Dar­in heißt es einer­seits: „es scheint Feh­ler sowohl im Inhalt wie in der Unter­zeich­ner­li­ste zu geben“. Ande­rer­seits bekräf­tigt Kar­di­nal Pell zwei zen­tra­le, im Beschwer­de­schrei­ben vor­ge­brach­te „Sor­gen“ und prä­zi­siert sie.

Sor­ge 1: Eine „Min­der­heit“ wol­le „die Leh­ren der Kir­che ändern“ zum Kom­mu­nion­emp­fang, obwohl „es kei­ne Mög­lich­keit für eine Ände­rung der Leh­re gibt“.

Sor­ge 2: „Die Zusam­men­set­zung des Redak­ti­ons­ko­mi­tees der Rela­tio fina­lis und die Pro­ze­dur, mit der sie den Syn­oden­vä­tern vor­ge­legt und abge­stimmt wird“.

Bereits in sei­ner Wort­mel­dung in der Syn­ode­nau­la am spä­ten Nach­mit­tag des 5. Okto­ber hat­te Kar­di­nal Pell die­se und die ande­ren im Beschwer­de­brief dar­ge­leg­ten „Sor­gen“ aus­ge­spro­chen. Beson­ders kri­ti­sier­te er am Syn­oden­be­ginn das Instru­men­tum labo­ris, das Grund­la­ge der Dis­kus­si­on und des Schluß­do­ku­ments sein soll.

Am Mor­gen des 6. Okto­ber ergrif­fen sowohl Papst Fran­zis­kus als auch Syn­oden­ge­ne­ral­se­kre­tär Kar­di­nal Loren­zo Bal­dis­se­ri uner­war­tet vor der Syn­ode das Wort. Sie ant­wor­te­ten Punkt für Punkt auf die im Beschwer­de­schrei­ben vor­ge­brach­ten „Sor­gen“, die sie zurück­wie­sen. Das Beschwer­de­schrei­ben erwähn­ten sie dabei nicht. Papst Fran­zis­kus warn­te vor einer „kon­spi­ra­ti­ven Her­me­neu­tik“. Wor­te, die als direk­te Ant­wort auf die von den Kar­di­nä­len am Vor­tag schrift­lich vor­ge­brach­ten Sor­gen zu sehen ist.

5.

Nach Kar­di­nal Pell bestä­tigt am Nach­mit­tag des 12. Okto­ber auch Kar­di­nal Wil­frid Fox Napier, der Erz­bi­schof von Dur­ban in Süd­afri­ka, in einem Inter­view mit John Allen, Micha­el O’Loughin und Ines San Mar­tin für die Inter­net­sei­te Crux (USA), das Schrei­ben unter­zeich­net zu haben. Kar­di­nal Napier ist einer der vier dele­gier­ten Vor­sit­zen­den der Syn­ode (offi­zi­el­ler Vor­sit­zen­der ist der Papst, der die­se Auf­ga­be aber delegiert).

Kar­di­nal Napier bekräf­tigt im Frei­mut die im Schrei­ben genann­ten „Sor­gen“, die „vie­le Syn­oden­vä­ter“ hät­ten. Es wer­de nicht das Recht des Pap­stes kri­ti­siert, das Redak­ti­ons­ko­mi­tee ernen­nen zu kön­nen. „Um einen aus­ge­wo­ge­nen Aus­druck der Syn­ode zu haben, auch des­sen, was die Kir­che in Afri­ka wirk­lich berück­sich­tigt sehen möch­te“, soll­ten ande­re Per­so­nen in das Redak­ti­ons­ko­mi­tee beru­fen wer­den. „Wir möch­ten nicht wie­der die­sel­be Art von Per­so­nen dort sehen, die bereits beim vori­gen Mal dort waren und uns den Schmerz ver­ur­sacht haben, den wir hat­ten.“ Eine deut­li­che Anspie­lung auf den Kon­flikt um den Zwi­schen­be­richt der Syn­ode 2014, der mit Nach­druck die pro­gres­si­sti­sche Agen­da wider­spie­gel­te und höchst umstrit­te­ne Pas­sa­gen über die Schei­dung und Homo­se­xua­li­tät enthielt.

Kar­di­nal Napier wie­der­hol­te auch die Kri­tik am Instru­men­tum labo­ris und die Sor­ge, daß es zu viel Ein­fluß und Gewicht auf die Syn­oden­ar­bei­ten und das Schluß­do­ku­ment habe. „Es ist, als wür­de das Instru­men­tum labo­ris der grund­le­gen­de Text blei­ben und nicht das, was aus den Dis­kus­sio­nen und Syn­oden­ar­bei­ten her­vor­geht“. Dies, weil Papst Fran­zis­kus die Mög­lich­keit abge­schafft hat, wäh­rend der Syn­ode Pro­po­si­tio­nen (Vor­schlä­ge) zu unter­brei­ten und von der Syn­ode abstim­men zu lassen.

Die Lawi­ne an Medi­en­an­fra­gen bezüg­lich der neu­en Ver­fah­rens­re­geln für die Syn­ode wür­den die tat­säch­li­chen Sor­gen in der Syn­ode­nau­la wider­spie­geln, so der Kar­di­nal: „Die Ver­un­si­che­rung ist ziem­lich all­ge­mein, sonst wür­det Ihr alle nicht die­sel­ben Fra­gen stel­len“. Nicht ein­mal die Syn­oden­vä­ter wür­den ver­ste­hen, so Kar­di­nal Napier, wie das Schluß­do­ku­ment der Syn­ode genau zustan­de kommt und eben­so­we­nig, was Papst Fran­zis­kus dann damit beab­sich­tigt. Eine Unsi­cher­heit, die berech­tig­te Zwei­fel und Sor­ge bezüg­lich des Ergeb­nis­ses auf­kom­men lasse.

„Die­se Art von Unsi­cher­heit besorgt mich: In wel­che Rich­tung gehen die Arbei­ten wirk­lich, wenn man nicht weiß, wel­ches das Ziel ist?“, so der Erz­bi­schof von Dur­ban. Auf die Fra­ge, ob er befürch­te, daß das Ergeb­nis bereits fest­ge­legt wor­den sei, ant­wor­tet Kar­di­nal Napier: „Wir sind soweit, daß sich das schwer sagen läßt“. Wo ein kla­res Nein die Ant­wort sein müß­te, bekräf­tig­te der Kar­di­nal die „all­ge­mein Verunsicherung“.

13. Oktober 2015

1.

In Rom hat­te kurz nach Mit­ter­nacht bereits der neue Tag begon­nen, als in New York die pro­gres­si­ve Jesui­ten­zeit­schrift Ame­ri­ca nach­leg­te. Autor des Arti­kels ist der Rom-Kor­re­spon­dent der Zeit­schrift, Gerard O’Connell, und Ehe­mann der argen­ti­ni­schen Jour­na­li­stin Eli­sa­bet­ta Piqué. Piqué gilt als Freun­din von Papst Fran­zis­kus, über den sie eine von ihm auto­ri­sier­te Bio­gra­phie „Fran­cis­co. Vida y Revo­lu­ci­on“ (Fran­zis­kus. Leben und Revo­lu­ti­on) veröffentlichte.

Unter Beru­fung auf „infor­mier­te Krei­se“ bestä­ti­gen die New Yor­ker Jesui­ten das Beschwer­de­schrei­ben der Kar­di­nä­le. Sie bestä­ti­gen auch, daß das Schrei­ben von drei­zehn Kar­di­nä­len unter­zeich­net wur­de, alle­samt Syn­oda­len, dar­un­ter auch zwei US-Amerikaner.

Anstel­le der vier Kar­di­nä­le, die eine Unter­schrift demen­tier­ten, nennt Ame­ri­ca vier ande­re Namen: den US-Ame­ri­ka­ner Kar­di­nal Dani­el DiNar­do, den Kenia­ner Kar­di­nal John Njue, den Mexi­ka­ner Kar­di­nal Nor­ber­to Rive­ra Car­rera und den Ita­lie­ner Kar­di­nal Elio Sgreccia.

Die Jesui­ten­zeit­schrift zitiert eine Rei­he von Stel­len aus dem Beschwer­de­brief, für den sie sich nicht auf die Ver­öf­fent­li­chung von San­dro Magi­ster beruft, son­dern auf eige­ne Quel­len. Die Zita­te stim­men alle mit dem von Magi­ster ver­öf­fent­lich­ten Text überein.

2.

Weni­ge Stun­den spä­ter wird die „Echt­heit“ des Schrei­bens von der argen­ti­ni­schen Tages­zei­tung La Naci­on bestä­tigt. Autorin des Arti­kels ist Eli­sa­bet­ta Piqué, die sich dafür auf „gut­in­for­mier­te Krei­se im Vati­kan“ beruft. Der Tenor der Arti­kel von Piqué (La Naci­on) und ihrem Mann (Ame­ri­ca) rich­tet sich gegen das Beschwer­de­schrei­ben: „Ein Schrei­ben erhöht die Intri­gen in der Synode“.

Damit steht fest, daß das Ori­gi­nal gegen­über dem von Magi­ster ver­öf­fent­lich­ten Wort­laut viel­leicht klei­ne Unter­schie­de auf­wei­sen kann, daß es das Schrei­ben aber gibt, und daß es an sei­nem Inhalt kei­nen Zwei­fel geben kann.

3.

Bei der täg­li­chen Pres­se­kon­fe­renz ver­liest Vati­kan­spre­cher Lom­bar­di eine offen­sicht­lich impro­vi­sier­te Erklä­rung zum Beschwer­de­schrei­ben der Kardinäle:

„Wer die­ses Schrei­ben Tage spä­ter [nach sei­ner Über­ga­be an den Papst] ver­öf­fent­licht hat, hat einen Akt der Stö­rung voll­bracht, die von jenen, die es unter­schrie­ben haben, nicht gewollt war …
Daß Anmer­kun­gen zur Metho­dik der Syn­ode, die neu ist, gemacht wer­den kön­nen, erstaunt nicht. Doch ein­mal fest­ge­legt, gibt es die Ver­pflich­tung aller, sie auf die best­mög­li­che Wei­se anzu­wen­den. Eini­ge der Unter­zeich­ner sind auch gewähl­te Mode­ra­to­ren der Cir­culi mino­res und arbei­ten dort inten­siv, und das all­ge­mei­ne Kli­ma ist posi­tiv … Arbei­ten wir wei­ter, ohne uns ver­wir­ren zu lassen.“

4.

Vati­kan­spre­cher Lom­bar­di ver­such­te zudem ver­geb­lich eine Ent­wir­rung der Ver­wir­rung um das Schlußdokument.
Die Kar­di­nä­le hat­ten am 5. Okto­ber mit ihrem Beschwer­de­schrei­ben Kri­tik am Schluß­do­ku­ment vor­ge­bracht, an des­sen Inhalt, sei­nem Zustan­de­kom­men und sei­nem Stellenwert.
Am 9. Okto­ber ließ Kar­di­nal Luis Tag­le (Mani­la), ein enger Ver­trau­ter von Papst Fran­zis­kus und einer der vier dele­gier­ten Syn­oden­vor­sit­zen­den, auf der Pres­se­kon­fe­renz zum all­ge­mei­nen Erstau­nen plötz­lich offen, ob es über­haupt einen Schluß­be­richt geben werde.
Am 10. Okto­ber wie­der­hol­te Vati­kan­spre­cher Lom­bar­di die Wor­te Tagles. Seit­her herrscht völ­li­ge Verwirrung.
Nun erklär­te Lom­bar­di, „Medi­en­spe­ku­la­tio­nen“ ent­ge­gen­tre­ten zu wol­len, daß es am Syn­oden­en­de kei­nen Schluß­be­richt oder über­haupt kein Schluß­do­ku­ment geben wer­de. Die angeb­li­chen „Medi­en­spe­ku­la­tio­nen“ waren aller­dings von Kar­di­nal Tag­le und hoch­of­fi­zi­ell von ihm selbst ausgegangen.
Der Vati­kan­spre­cher wört­lich: „Die Rela­tio fina­lis wird am Mor­gen des Sams­tag, 24. Okto­ber in der Syn­ode­nau­la prä­sen­tiert. Am Nach­mit­tag stimmt die Ver­samm­lung über ihn ab“. Das Doku­ment wer­de, wie für Syn­oden üblich, dem Papst über­ge­ben, der dann dar­über ent­schei­den wer­de. „Was wir heu­te nicht genau wis­sen, ist, wie der Papst befin­den wird: ob er uns wie letz­tes Jahr sagt ‚Ver­öf­fent­lich das sofort‘, oder ob er sagt ‚Dan­ke­schön, den Bericht behal­te ich und mache ein Apo­sto­li­sches Schrei­ben dar­aus‘. Er könn­te auch sagen: ‚Ich den­ke eini­ge Tage dar­über nach, und dann ver­öf­fent­li­chen wir ihn“.

Lom­bar­di bestä­tig­te letzt­lich die Sor­ge der beschwer­de­füh­ren­den Syn­oden­vä­ter, daß ihnen erst am Vor­mit­tag des 22. Okto­ber (15. Gene­ral­kon­gre­ga­ti­on) ein fer­ti­ger Text als Rela­tio fina­lis vor­ge­legt wird, daß sie am Nach­mit­tag des­sel­ben Tages (16. Gene­ral­kon­gre­ga­ti­on) ihre schrift­li­chen Anmer­kun­gen dazu abge­ben müs­sen, daß der 23. Okto­ber tagungs­frei ist und daß die Syn­oda­len erst am 24. Okto­ber erfah­ren wer­den, wie die End­fas­sung der Rela­tio fina­lis aus­se­hen wird (17. Gene­ral­kon­gre­ga­ti­on), über die sie bereits am Nach­mit­tag abzu­stim­men haben (18. Generalkongregation).

5.

Der mexi­ka­ni­sche Kar­di­nal Rive­ra Car­rera erklärt, das Schrei­ben nicht unter­zeich­net zu haben.

14. Oktober 2015

1.

Magi­ster schreibt zur Bestä­ti­gung des Schrei­bens und sei­nes Inhalts durch Ame­ri­ca und La Naci­on: „Das ver­bie­tet nicht, daß das wirk­lich dem Papst über­reich­te Schrei­ben eini­ge klei­ne Vari­an­ten ent­hal­ten könn­te. Der Form nach, nicht dem Inhalt.“

Der Inhalt, so Magi­ster, wur­de durch die Stel­lung­nah­men der Kar­di­nä­le Pell und Napier detail­liert bestä­tigt. „Unter vie­len Syn­oden­vä­tern herrscht eine ver­brei­te­te und wach­sen­de Unru­he wegen der Beharr­lich­keit, mit der ihnen als Dis­kus­si­ons­grund­la­ge das Instru­men­tum labo­ris auf­ge­zwun­gen wird, das sich von Tag zu Tag mehr als unge­eig­net erweist, und wegen der Sor­ge, daß es mit sei­nen Zwei­deu­tig­kei­ten auch die Rela­tio fina­lis erfaßt, deren Aus­ar­bei­tung in den Hän­den einer Kom­mis­si­on liegt, die allein von oben her­ab ernannt wur­de und in der die Neue­rer eine erdrücken­de Mehr­heit haben“.

Unter den Syn­oden­vä­tern geht die Sor­ge um, daß sie auf­grund der geän­der­ten Ver­fah­rens­re­geln am Ende über eine vom Instru­men­tum labo­ris kor­rum­pier­te Rela­tio fina­lis nur mehr im Block abstim­men kön­nen nach dem Mot­to „alles oder nichts“. Eine Vor­gangs­wei­se, die vie­le Syn­oda­len als Zwang emp­fin­den und dar­über empört sind.

2.

Die­se Unru­he lastet seit Beginn auf den Syn­oden­ar­bei­ten. Die War­nung von Papst Fran­zis­kus vor einer „kon­spi­ra­ti­ven Her­me­neu­tik“ ist im direk­ten Zusam­men­hang mit dem Beschwer­de­schrei­ben zu sehen. Sie zeigt, daß Papst Fran­zis­kus sich der Bedeu­tung des Beschwer­de­schrei­bens sofort bewußt wur­de und die Not­wen­dig­keit sah, so schnell wie mög­lich sei­ne Auto­ri­tät dage­gen ins Feld zu füh­ren. Die Wort­wahl „kon­spi­ra­ti­ve Her­me­neu­tik“ bestä­tigt, daß der Papst die Trag­wei­te der Kri­tik erfaßt hat, die ihm vor­wirft, hin­ter den Kulis­sen die Syn­ode in eine bestimm­te Rich­tung zwin­gen zu wollen.

„Dadurch daß das Schrei­ben der drei­zehn Kar­di­nä­le ans Licht kam, samt der dar­aus fol­gen­den Explo­si­on der Dis­kus­si­on, wur­de den Syn­oden­vä­tern eine kon­kre­te­re Mög­lich­keit zurück­ge­ge­ben, die Pro­zes­se und das Ergeb­nis die­ser ent­schei­den­den Ver­samm­lung der Welt­kir­che direkt zu len­ken“, so Magister.

3.

Nach aktu­el­lem Stand wur­de das Schrei­ben von fol­gen­den zwölf Kar­di­nä­len unterzeichnet:

Kar­di­nal Geor­ge Pell, Prä­fekt des Wirt­schafts­se­kre­ta­ri­ats (Austra­li­en)
Kar­di­nal Ger­hard Mül­ler, Prä­fekt der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on (Deutsch­land)
Kar­di­nal Robert Sarah, Prä­fekt der Got­tes­dienst­kon­gre­ga­ti­on (Gui­nea)
Kar­di­nal Car­lo Caf­farra, Erz­bi­schof von Bolo­gna (Ita­li­en)
Kar­di­nal Tho­mas Coll­ins, Erz­bi­schof von Toron­to (Kana­da)
Kar­di­nal Timo­thy Dolan, Erz­bi­schof von New York (USA)
Kar­di­nal Wil­lem Eijk, Erz­bi­schof von Utrecht (Nie­der­lan­de)
Kar­di­nal Wil­frid Fox Napier, Erz­bi­schof von Dur­ban (Süd­afri­ka) und stell­ver­tre­ten­der Synodenvorsitzender
Kar­di­nal Jor­ge Uro­sa Savi­no, Erz­bi­schof von Cara­cas (Vene­zue­la)
Kar­di­nal Dani­el DiNar­do, Erz­bi­schof von Gal­ve­ston-Hou­ston und stell­ver­tre­ten­der Vor­sit­zen­der der Ame­ri­ka­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz (USA)
Kar­di­nal John Njue, Erz­bi­schof von Nai­ro­bi (Kenia)
Kar­di­nal Elio Sgreccia, eme­ri­tier­ter Prä­si­dent der Päpst­li­chen Aka­de­mie für das Leben.

Die Iden­ti­tät des drei­zehn­ten Unter­zeich­ners ist unbekannt.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Vati​can​.va (Screen­shot)

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