Papst Franziskus warnt vor „konspirativer Hermeneutik“


Syn­oden-Anmer­kun­gen von Giu­sep­pe Nar­di (1)

Anzei­ge

(Rom) Mit einer über­ra­schen­den, nicht ange­kün­dig­ten Wort­mel­dung warn­te Papst Fran­zis­kus am ver­gan­ge­nen Diens­tag die Bischofs­syn­ode vor einer „kon­spi­ra­ti­ven Her­me­neu­tik“, wie der päpst­li­che Haus­va­ti­ka­nist Andrea Tor­ni­el­li auf Vati­can Insi­der berich­te­te. Der Papst kri­ti­sier­te damit angeb­lich kol­por­tier­te Ver­schwö­rungs­theo­rien und Kom­plott­ge­rüch­te. Sein der­zeit in Sachen Bischofs­syn­ode eng­ster Ver­trau­ter, der Jesu­it Anto­nio Spa­da­ro von der Civil­tà  Cat­to­li­ca sorg­te dafür, daß die päpst­li­che Kri­tik öffent­lich bekannt wurde.

Doch spä­te­stens da beginnt die Sache zu hinken.

Gefühl manipuliert zu werden – Schlechte Stimmung unter den Synodalen

Zunächst bedeu­tet die impro­vi­siert ein­ge­scho­be­ne Wort­mel­dung des Pap­stes, daß unter den Syn­oden­vä­tern offen­bar inten­siv dar­über gespro­chen wird, daß eine unsicht­ba­re Regie die Bischofs­syn­ode zu mani­pu­lie­ren ver­sucht, oder noch schlim­mer, die Syn­oda­len an der Nase her­um­führt. So inten­siv jeden­falls, daß der Papst sich per­sön­lich genö­tigt sah, sei­ne Auto­ri­tät in die Waag­scha­le zu wer­fen, um Ruhe ein­keh­ren zu las­sen. Aller­dings ist zu bezwei­feln, daß der gewünsch­te Effekt erreicht wer­den konnte.

Aus dem Mund Spa­da­ros klingt die Sor­ge vor einer „kon­spi­ra­ti­ven Her­me­neu­tik“, eine gewun­de­ne Form um Ver­schwö­rungs­theo­rien zu mei­nen, wenig glaub­wür­dig. Spa­da­ro ist in den umstrit­te­nen Syn­oden­fra­gen selbst Par­tei. Unter sei­ner Lei­tung bezog die römi­sche Jesui­ten­zeit­schrift in den ver­gan­ge­nen andert­halb Jah­ren ein­sei­tig Posi­ti­on zugun­sten der Kas­per-The­sen einer „neu­en Barmherzigkeit“.

Auf­grund der für die Zeit­schrift gel­ten­den Vor­zen­sur durch den Hei­li­gen Stuhl ist aus­zu­schlie­ßen, daß dies ohne die Zustim­mung und das Wol­len von Papst Fran­zis­kus gesche­hen konn­te. Wenn die Civil­tà  Cat­to­li­ca seit ihrer Grün­dung vor mehr als 150 Jah­ren die Posi­ti­on des Hei­li­gen Stuhls wie­der­gibt, gilt eben­so als gesi­chert, daß sie zur Syn­ode die Posi­ti­on von Papst Fran­zis­kus widerspiegelt.

Spadaros „Geheimsynode“ im Auftrag des Papstes

Die Synode des Papstes und der Verdacht von Synodalen
Die Syn­ode des Pap­stes und der Ver­dacht von Synodalen

In den bei­den Wochen vor Syn­oden­be­ginn lei­te­te Spa­da­ro, den Papst Fran­zis­kus per­sön­lich zum Syn­oda­len ernann­te, eine Arbeits­grup­pe aus 30 Jesui­ten, die unter Aus­schluß der Öffent­lich­keit am Sitz der Civil­tà  Cat­to­li­ca zu den Syn­oden­the­men arbei­te­te. Da der Vati­kan bis­her weder die Exi­stenz die­ser Grup­pe bestä­tig­te noch deren Auf­trag nann­te, kann von einer „Geheim­syn­ode“ gespro­chen wer­de, die unab­hän­gig von der Bischofs­syn­ode zu den­sel­ben The­men tagte.

Laut einem, offi­zi­ell unbe­stä­tig­ten, offe­nen Geheim­nis hat­te also die­se im Auf­trag des Pap­stes und unter der Lei­tung eines sei­ner eng­sten Ver­trau­ten tagen­de Jesui­ten­syn­ode ein Doku­ment zu erar­bei­ten, das von Papst Fran­zis­kus am Ende der Bischofs­syn­ode als Schluß­do­ku­ment prä­sen­tiert wird. Damit wür­den die Syn­oden­vä­ter völ­lig sinn­los debat­tie­ren und bera­ten, da ihre Wort­mel­dun­gen und ihre Rat­schlä­ge an den Papst letzt­lich kei­ne Rol­le spielen.

An die­ser Stel­le könn­te der Vor­wurf einer Ver­schwö­rungs­theo­rie vor­ge­bracht wer­den. Kann er das aber wirklich?

Franziskus selbst läßt Warnung vor „konspirativer Hermeneutik“ ins Leere laufen

Villa Malta der Jesuiten
Vil­la Mal­ta der Jesuiten

Die War­nung von Papst Fran­zis­kus vor einer „kon­spi­ra­ti­ven Her­me­neu­tik“ muß des­halb ins Lee­re gehen, weil er selbst durch eine Rei­he von Gesten, Wort­mel­dun­gen und Ent­schei­dun­gen und nicht zuletzt auch durch sein Schwei­gen erst den Nähr­bo­den dafür geschaf­fen hat.

Der Begriff Ver­schwö­rungs­theo­rie ist kein Syn­onym für die Nicht­exi­stenz von gehei­men Stra­te­gien, Abspra­chen, ver­deck­ten Aktio­nen oder auch Ver­schwö­run­gen. Zen­tra­les Schutz­mit­tel gegen fal­sche Ver­schwö­rungs­theo­rien ist Ver­trau­en. Das aber hat der Papst durch kon­spi­ra­tiv anmu­ten­de Par­al­lel­ak­tio­nen, durch Signa­le ein­sei­ti­ger Par­tei­nah­me und durch die Wei­ge­rung, ein kla­res Bekennt­nis zur Unauf­lös­lich­keit der Ehe in Theo­rie und Pra­xis abzu­le­gen, selbst untergraben.

Papst Fran­zis­kus selbst ebne­te der hete­ro­do­xen Ein­sei­tig­keit den Weg, indem er Kar­di­nal Wal­ter Kas­per zum Rela­tor des Kar­di­nals­kon­si­sto­ri­ums vom 20. Febru­ar 2014 ernann­te. Und zwar nur ihn allein. Wie der deut­sche Kar­di­nal spä­ter bekannt­gab, wuß­te der Papst vor­ab genau, was Kas­per vor­tra­gen wür­de, was des­sen Bil­li­gung vor­aus­setzt. Die Bestä­ti­gung sei­ner Zustim­mung lie­fer­te Fran­zis­kus durch sein über­schweng­li­ches „Dan­ke, Dan­ke“, mit dem er am näch­sten Mor­gen, nach­dem im Kar­di­nals­kol­le­gi­um hef­ti­ge Kri­tik an Kas­pers-The­sen laut gewor­den war, auf die Aus­füh­run­gen des deut­schen Kar­di­nals reagier­te und die­sem vor den stau­nen­den Kar­di­nä­len beschei­nig­te, eine „Theo­lo­gie auf den Knien zu betrei­ben“. Daß nicht eine „offe­ne“ Dis­kus­si­on geführt, son­dern eine geziel­te Stra­te­gie ver­folgt wur­de, fand rund um die Kas­per-Rede rei­che Bestä­ti­gung. Ein Vor­gang, der um so schwer­wie­gen­der ist, als die Grund­la­ge der Kas­per-The­se eine nach­ge­wie­se­ne Ver­zer­rung der Kir­chen­vä­ter und der Kir­chen­ge­schich­te ist.

Kas­per war es auch, der in die­ser Früh­pha­se bekannt­gab, daß die Bischofs­syn­ode nicht nur zum Dis­ku­tie­ren oder gar Bekräf­ti­gen der katho­li­schen Leh­re ein­be­ru­fen wer­de, son­dern um etwas zu ver­än­dern. Ein Hin­weis, der seit­her mehr­fach von den Kas­pe­ria­nern wie­der­holt wur­de, zuletzt in den ver­gan­ge­nen Tagen von Syn­oden-Son­der­se­kre­tär Bru­no For­te und Kuri­en­erz­bi­schof Celli.

Kasperianer lediglich Synonym für Bergoglianer?

Wenn von Kas­pe­ria­nern die Rede ist, so darf nicht ver­hehlt wer­den, daß man rich­ti­ger­wei­se eigent­lich von Berg­o­glia­nern spre­chen müß­te. Die Annah­me, der Papst sei blo­ßer Zuschau­er, super par­tes, der der Rich­tung um Kas­per eben ein biß­chen mehr Spiel­raum las­se als ande­ren, geht an der Wirk­lich­keit vor­bei. Es geht auch nicht um Kas­per oder Spa­da­ro. Es geht um Inhal­te. Kas­per oder Spa­da­ro sind dabei Weg­ge­fähr­ten und Instru­men­te zur Umset­zung einer Idee.

Es steht die Annah­me und zugleich Sor­ge im Raum, der Papst habe kon­kre­te Vor­stel­lun­gen zur Ehe- und Moral­leh­re, die er wegen der zu erwar­ten­den Wider­stän­de, die er sich ohne­hin in die­sem Aus­maß nicht erwar­tet hat­te, nicht offen äußert. Weder das ange­streb­te Ziel noch die Beweg­grün­de dafür. Damit ver­bun­den ist der Ver­dacht auf ein Ver­steck­spiel, ein Tak­tie­ren, mög­li­cher­wei­se sogar ein Hin­ter­ge­hen und Täuschen.

Der Papst soll­te sich als Letz­ter dar­über wundern.

Geheime päpstliche Parallelaktionen

Papst Franziskus mit Synodalen
Papst Fran­zis­kus mit Synodalen

Für den 5.–19. Okto­ber 2014 hat­te Fran­zis­kus die drit­te außer­or­dent­li­che Bischofs­syn­ode der jün­ge­ren Kir­chen­ge­schich­te ein­be­ru­fen, um über Ehe und Fami­lie zu spre­chen. Gleich­zei­tig beauf­trag­te er, geheim, bereits am 27. August, und damit mehr als einen Monat vor Syn­oden­be­ginn, eine Kom­mis­si­on von Kir­chen­recht­lern, ein­schnei­den­de Refor­men zum Ehe­nich­tig­keits­ver­fah­ren aus­zu­ar­bei­ten. Davon erfuhr die Öffent­lich­keit, auch die alten und neu­en Syn­oden­vä­ter, erst im Sep­tem­ber 2015, als der Papst – wie­der­um im Allein­gang und wie­der­um einen Monat vor Beginn einer von ihm ein­be­ru­fe­nen ordent­li­chen Bischofs­syn­ode – die­se Refor­men ein­führ­te, die am kom­men­den 8. Dezem­ber in Kraft tre­ten. Kri­ti­ker spre­chen in die­sem Zusam­men­hang offen von der Ein­füh­rung einer „katho­li­schen Schei­dung“.

Mit ande­ren Wor­ten: Der Papst rief Kar­di­nä­le und Bischö­fe zusam­men, um über ein The­ma zu spre­chen und um ihn, so die offi­zi­el­le Auf­ga­be, zu bera­ten, wäh­rend er par­al­lel und geheim bereits im Allein­gang ent­schie­den hat­te und sei­ne Ent­schei­dung noch vor Syn­oden­be­ginn in die Tat umsetzte.

War­um also soll­te der Ver­dacht unbe­grün­det sein, der Papst könn­te auch zu ande­ren Fra­gen, die von der Syn­ode dis­ku­tiert wer­den, gleich ver­fah­ren? Die Bischofs­syn­ode und die Beto­nung der „Kol­le­gia­li­tät“ nur ein Schein? Man­chen Syn­oda­len ist die­ser Ver­dacht gekom­men und sie äußer­ten ihn so laut, daß es bis zu den Ohren des Pap­stes hör­bar wurde.

Daß die­ser Ver­dacht nicht ein­fach in das Reich der Ver­schwö­rungs­theo­rien abge­scho­ben wer­den kann, dazu hat Fran­zis­kus ent­schei­dend bei­getra­gen. Die War­nung aus sei­nem Mund vor einer „kon­spi­ra­ti­ven Her­me­neu­tik“ kann daher wenig Wir­kung ent­fal­ten und schon gar nicht beruhigen.

Einseitige Wegbereitung

Von der Geheim­syn­ode der Jesui­ten im päpst­li­chen Auf­trag wur­de bereits gespro­chen. Ver­trau­ens­bil­den­de Maß­nah­men sehen anders aus. Die Ver­su­che des Syn­oden-Gene­ral­se­kre­ta­ri­ats durch zwei­fel­haf­te Fra­ge­bö­gen und ihre noch zwei­fel­haf­te­re Hand­ha­be, die Ver­su­che der Civil­tà  Cat­to­li­ca durch ein­sei­ti­ge Arti­kel, die Ver­su­che der Syn­oden­lei­tung durch eine rigi­de und ein­sei­ti­ge Infor­ma­ti­ons­po­li­tik 2014 und erneut 2015, die Kir­che in eine bestimm­te Rich­tung zu drän­gen, tun das Ihre dazu. Kas­per selbst ver­wies im Zusam­men­hang mit der schon zur Bischofs­syn­ode 2014 laut wer­den­den Kri­tik an der vati­ka­ni­schen Infor­ma­ti­ons­po­li­tik direkt auf Papst Fran­zis­kus.

Auf „klei­ne­re“ Schau­plät­ze in die­sem unter­ir­di­schen Spiel soll gar nicht ein­ge­gan­gen wer­den, wie dem Tele­fon­an­ruf des Pap­stes bei einer Argen­ti­nie­rin, die mit einem „wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen“ zusam­men­lebt. So, übri­gens die deut­sche Wort­neu­schöp­fung für insti­tu­tio­na­li­sier­ten Ehe­bruch, die sich mehr an zivil­recht­li­chen, denn kir­chen­recht­li­chen Vor­ga­ben ori­en­tiert. Das argen­ti­ni­sche Ehe­paar posaun­te jeden­falls unwi­der­spro­chen in alle Welt, der Papst habe sie „ermu­tigt“, was bedeu­tet, daß ihr Sta­tus unver­än­dert fort­ge­setzt wer­den könne.

Es emp­fiehlt sich den Arti­kel Die Bischofs­syn­ode, der Regis­seur, die Akteu­re – Chro­no­lo­gie eines ver­such­ten Para­dig­men­wech­sels nachzulesen.

Das Schweigen des Papstes

Zumin­dest erin­nert sei dar­an, daß gera­de die­ser Papst, der ein gebo­re­ner Kom­mu­ni­ka­tor ist und ein natür­li­ches Gespür für geeig­ne­te Situa­tio­nen, für Gesten und deren maxi­ma­le Brei­ten­wir­kung hat, sich der Zusam­men­hän­ge sei­ner Hand­lun­gen bewußt sein muß.

Schließ­lich wider­spricht noch ein weit wich­ti­ge­rer Punkt der päpst­li­cher War­nung vor einer „kon­spi­ra­ti­ven Her­me­neu­tik“: das päpst­li­che Schwei­gen. Papst Fran­zis­kus hät­te es seit dem 20. Febru­ar 2014 in der Hand, jeder­zeit durch eine klä­ren­de Aus­sa­ge alle Zwei­fel an sei­ner Hal­tung zu den wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen und zur Homo­se­xua­li­tät vom Tisch zu fegen. Jeder­zeit. Wenn er trotz mehr­fa­cher Auf­for­de­rung von Kar­di­nä­len, von Bischö­fen, von katho­li­schen Medi­en, von katho­li­schen Lai­en in ver­schie­de­nen Appel­len, zuletzt einen, der von 800.000 Katho­li­ken unter­zeich­net wur­de und einen ande­ren von mehr als 140 Kon­ver­ti­ten, dar­un­ter zwei ehe­ma­li­ge pro­te­stan­ti­sche Bischö­fe, den­noch schweigt, besteht in der Tat Grund zur Sorge.

Eine Sor­ge, die der Papst mit weni­gen Wor­ten auch am Diens­tag­mor­gen vor der ver­sam­mel­ten Syn­ode aus­räu­men hät­te kön­nen, anstatt vor einer „kon­spi­ra­ti­ven Her­me­neu­tik“ zu warnen.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Vati​can​.va/​W​i​k​i​c​o​m​m​ons (Screen­shots)

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