(Washington) In den USA versuchen homophile Gruppen und Medien die Distanzierung des Vatikans von Kim Davis auszuschlachten und den Keil tiefer zu treiben. Gesucht wird ein „Schuldiger“ für die Einladung von Davis in die Apostolische Nuntiatur. Dieser ist von Amtswegen schnell gefunden: der Apostolische Nuntius. Er lädt offiziell zu den Papst-Begegnungen ein. Das ist beim Papst-Besuch in jedem Land so. „Erzbischof im Mittelpunkt des Geheimnisses um das päpstliche Treffen mit Kim Davis“, titelte die New York Times. Gemeint ist der Apostolische Nuntius, Titularerzbischof Carlo Maria Viganò.
Erzbischof Viganò war 2011 von Papst Benedikt XVI. auf den prestigeträchtigen Posten eines Nuntius nach Washington geschickt worden, nachdem er Kritik an der Verwaltung der Vatikanstadt geübt hatte.
Kim Davis-Begegnung gab erfolgreichem Papst-Besuch „dissonanten Ton“
Der Nuntius äußerte sich nicht dazu, doch Einladungen, wie jene an Kim Davis, erfolgen in der Regel auf Empfehlung der Ortsbischöfe. Natürlich könnte und kann der Nuntius seine eigenen Entscheidungen treffen.
Aus dem Umfeld des Papstes wird dem Nuntius vorgeworfen, daß die Einladung von Davis dem Papstbesuch, der so erfolgreich verlaufen sei, einen dissonanten Ton verpaßt habe. Er habe den Papst in die gesellschaftspolitischen Schlachtfelder hineingezogen, die dieser gerade meiden wollte, so die New York Times.
Das linksliberale Medienflaggschiff sieht hinter der Davis-Einladung den Versuch der enttäuschten „Konservativen“, die vom Schwerpunkt des Papstes auf soziale Fragen „frustriert“ gewesen seien, dessen Schwerpunkt doch noch in Richtung Religionsfreiheit und Widerstand gegen die „Homo-Ehe“ zu verschieben.
Um die gewünschte Harmonie mit dem liberalen US-Establishment wiederherzustellen, ging der Vatikan gleich doppelt auf Distanz zu Kim Davis. Zunächst Vatikansprecher Lombardi, dann zusätzlich noch dessen Assistenz für die englischsprachige Presse, Rosica. Dazu sei man wegen der Einladung an Kim Davis gezwungen gewesen, eine Einladung, die – mit anderen Worten – besser nie stattgefunden hätte.
Darstellung des Vatikans „totaler Unsinn“
Seither stehen sich zwei völlig konträre Darstellungen gegenüber. Einerseits der Bericht über die Begegnung von Kim Davis und ihrem Ehemann, andererseits jene des Vatikans.
Mathew Staver, der Rechtsbeistand von Kim Davis, sagte in einem Interview, daß die Darstellung des Vatikans „absoluter Unsinn“ sei, um hinzuzufügen: „Jemand versucht, einige Leute unter den Bus zu werfen“. Mit anderen Worten: Der Vatikan fällt jemand in den Rücken oder läßt jemanden über die Klinge springen. Laut New York Times sei dieser Jemand Nuntius Viganò.
Unterdessen gab Rechtsanwalt Staver Details zur Begegnung von Kim Davis mit dem Papst bekannt. Nuntius Viganò habe persönlich Kim Davis am 14. September kontaktiert und zu einem privaten Treffen mit dem Papst für den 24. September nach Washington eingeladen. Das Treffen sei kurz darauf ausdrücklich bestätigt worden.
Kim Davis und Staver waren der festen Überzeugung, daß die Einladung direkt von Papst Franziskus komme.
Staver war im vergangenen April am Rande einer Kundgebung gegen die Legalisierung der „Homo-Ehe“ in Washington dem Apostolischen Nuntius vorgestellt worden. Der Rechtsanwalt hielt dort eine Rede zur Verteidigung von Ehe und Familie, für die sich der Nuntius anschließend bedankt habe.
Was bleibt ist ein irritierendes Einknicken vor dem linksliberalen Mainstream
Papst Franziskus ist wegen des Davis-Vorfalls mit dem Nuntius unzufrieden. Die Frage sei dabei sekundär, ob Viganò die Sprengkraft des Treffens von Kim Davis mit dem Papst in der gesellschaftspolitisch aufgeheizten Stimmung in den USA unterschätzt oder Rom gar über die Einladung von Kim Davis im Dunkeln gelassen hatte. Oder hatte man in Rom die Radikalität der Homo-Lobbyisten unterschätzt, die keine andere Meinung gelten lassen wollen, und hoffte den amerikanischen „Konservativen“ – neben den großen und glatten Auftritten an der Seite von Präsident Obama – eine kleine Aufmerksamkeit zuteil werden zu lassen?
Die Frage, wer was genau warum entschieden oder es sich dann anders überlegt hat, wird vielleicht nie geklärt werden können. Das Trauerspiel um die Begegnung von Kim Davis mit Papst Franziskus offenbart eine seltsam anmutende Bereitschaft der Kirche, vor den tonangebenden Kräften zurückzuweichen, gerade so, als gehe eine Angst um im Vatikan vor dem linksliberalen Mainstream. Oder sollte es am Ende doch eine Form von Geistesverwandtschaft sein, die mit dem argentinischen Papst in Rom Einzug gehalten hat? Der Fall Davis wirft Fragen auf, die weit über den unmittelbaren Fall der County-Beamtin aus Kentucky hinausgehen.
Eine Homo-Petition fordert inzwischen die sofortige Abberufung von Msgr. Viganò von seinem Posten als Apostolischer Nuntius. In drei Monaten wird der Nuntius 75 und muß wegen Erreichung der Altersgrenze seinen Rücktritt einreichen. Das bedeutet nicht, daß der Papst diesen annehmen muß. In den USA zeigen sich Beobachter, laut New York Times, aber sicher, daß das Gesuch von Erzbischof Viganò angenommen werde.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: apostolicnunciatureunitedstates