Der Kniefall: Vatikan distanziert sich von Kim Davis


Papst Franziskus und Kim Davis, die County-Beamtin, deren Besuch dem Kirchenoberhaupt gar nicht recht war.
Papst Franziskus und Kim Davis, die County-Beamtin, deren Besuch dem Kirchenoberhaupt gar nicht recht war.

(Rom/​Washington) Der Papst-Besuch in den USA, ohne­hin schon reich an wider­sprüch­li­chen Signa­len, wur­de um einen wei­te­ren Wider­spruch reicher.

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Am 30. Sep­tem­ber, zwei Tage nach­dem Papst Fran­zis­kus sei­nen USA-Besuch been­det hat­te und nach Rom zurück­ge­kehrt war, wur­de bekannt, daß er am 24. Sep­tem­ber in der Bot­schaft des Vati­kans in Washing­ton Kim Davis zu einer Pri­vat­au­di­enz emp­fan­gen hat­te. Die Nach­richt ent­fach­te in den USA hef­ti­ge öffent­li­che Debat­te. Offen­bar zu hef­ti­ge Debat­te, denn der Vati­kan leg­te nun den Rück­gang ein und distan­zier­te sich von Kim Davis. Und das so kate­go­risch, daß es pein­lich wirkt und – weit schwer­wie­gen­der – gera­de­zu ein Dolch­stoß für die vom Papst eben erst selbst gefor­der­te Aner­ken­nung der Gewis­sens­ver­wei­ge­rung als Men­schen­recht ist.Kim Davis, die Stan­des­be­am­tin aus dem Staat Ken­tucky, wur­de meh­re­re Tage ein­ge­sperrt, weil sie sich der vom Ober­sten Gerichts­hof bun­des­weit ver­ord­ne­ten Ein­füh­rung der „Homo-Ehe“ ver­wei­gert hat­te. Davis wur­de damit zur Sym­bol­ge­stalt des christ­li­chen Wider­stan­des aus Gewis­sens­grün­den gegen die Homo-Poli­tik von US-Prä­si­dent Barack Oba­ma. Kim Davis wur­de damit zum Sym­bol des Rechts auf Gewis­sens­ver­wei­ge­rung und dafür, daß eine Poli­tik im Namen einer fal­schen Tole­ranz in die Unter­drückung führt. Ent­spre­chend auf­ge­wühlt und kon­tro­vers erfolgt in den USA die öffent­li­che Debat­te zum Fall Davis.

Wie die Coun­ty-Sekre­tä­rin über ihren Anwalt mit­tei­len ließ, habe sie der Papst in ihrer Hal­tung bestärkt und ihr Mut gemacht. Wört­lich sag­te der Papst: „Dan­ke für Ihren Mut“ und schenk­te Davis einen Rosen­kranz mit der Bit­te, auch für ihn zu beten. Die Begeg­nung soll­te, so Davis Anwalt Mathew Sta­ver, auf Wunsch des Vati­kans bis zum Ende des Papst-Besuchs geheim­ge­hal­ten wer­den, damit sich die­ser „nicht ganz auf Kim Davis kon­zen­triert“. Ent­spre­chend mach­te Davis die Ein­la­dung in die Nun­tia­tur erst spä­ter bekannt.

Treffen von Davis mit Papst sorgte für großes Aufsehen in den USA

Das Bekannt­wer­den der gehei­men Begeg­nung mit dem Papst sorg­te in den US-Medi­en für gro­ßes Auf­se­hen. Offen­bar zu gro­ßes Auf­se­hen, denn der Vati­kan ruder­te gestern, Frei­tag, ener­gisch zurück.

Vati­kan­spre­cher Pater Feder­i­co Lom­bar­di SJ ver­öf­fent­lich­te im Namen des Hei­li­gen Stuhls eine Pres­se­er­klä­rung. Ori­gi­nal­text ist dabei die eng­li­sche Fas­sung und rich­tet sich damit direkt an die US-Öffent­lich­keit. Die Erklä­rung lau­tet vollständig:

Die kur­ze Begeg­nung mit Frau Kim Davis und dem Papst in der Nun­tia­tur von Washing­ton pro­vo­zier­te eine Rei­he von Dis­kus­sio­nen und Kommentaren.

Mit dem Ziel zu einem objek­ti­ven Ver­ständ­nis des­sen bei­zu­tra­gen, was gesche­hen ist, kann ich prä­zi­sie­ren, daß:

Der Papst in der Nun­tia­tur von Washing­ton nach­ein­an­der meh­re­re Dut­zend Per­so­nen getrof­fen hat, die von der Nun­tia­tur ein­ge­la­den waren, um ihn anläß­lich sei­ner Ver­ab­schie­dung vor sei­ner Abrei­se von Washing­ton nach New York City zu grü­ßen, wie dies bei allen Rei­sen des Pap­stes geschieht. Es han­del­te sich um sehr kur­ze Höf­lich­keits­grü­ße, denen sich der Papst mit sei­ner für ihn cha­rak­te­ri­sti­schen Freund­lich­keit und Bereit­wil­lig­keit zur Ver­fü­gung stell­te. Die ein­zi­ge „Audi­enz“, die vom Papst in der Nun­tia­tur gewährt wur­de, galt einem sei­ner alten Schü­ler mit des­sen Familie.

Der Papst ist daher nicht auf Details der Situa­ti­on von Frau Davis ein­ge­gan­gen und sei­ne Begeg­nung mit ihr darf daher nicht als eine Unter­stüt­zung für ihre Posi­ti­on in allen ihren beson­de­ren und kom­ple­xen Fol­gen betrach­tet werden.

Vatikan bestätigt Treffen, minimiert es aber zur Unkenntlichkeit

Vati­kan­spre­cher Lom­bar­di bestä­tig­te einer­seits alles, was die New York Times am 30. Sep­tem­ber unter Beru­fung auf Davis-Anwalt Mathew Sta­ver berich­tet hat­te, mini­mier­te jedoch des­sen Trag­wei­te. Laut der Vati­kan-Erklä­rung wur­de Kim Davis von der Apo­sto­li­schen Nun­tia­tur in Washing­ton ein­ge­la­den, wäh­rend der Vati­kan von ihrer Anwe­sen­heit gewis­ser­ma­ßen nichts gewußt habe. Ein­la­dun­gen der Nun­tia­tu­ren erfol­gen meist auf Emp­feh­lun­gen des ört­li­chen Episkopats.

Zudem habe es sich nur um eine rei­ne Höf­lich­keits­ge­ste gehan­delt, die Dut­zen­den Per­so­nen galt, „wie dies“ eben „bei allen Rei­sen des Pap­stes geschieht“.  Die Begeg­nung wird gera­de­zu als flüch­tig dar­ge­stellt. Im Gegen­satz zu ame­ri­ka­ni­schen Tei­len der Kir­che, will Papst Fran­zis­kus nicht mit dem Fall Kim Davis in Ver­bin­dung gebracht wer­den. Nun ist es grund­sätz­lich pein­lich, zuerst jeman­den als Gast ein­zu­la­den, und sich dann von ihm zu distanzieren.

Der Vati­kan­spre­cher hät­te die Sache auch anders klä­ren kön­nen und die Distan­zie­rung mit einer Bekräf­ti­gung der For­de­run­gen nach einer Aner­ken­nung des Rechts auf Gewis­sens­ver­wei­ge­rung ver­knüp­fen kön­nen. Einem Recht, von dem Papst Fran­zis­kus aus­führ­lich auf dem Rück­flug nach Rom sprach, was nach Bekannt­wer­den der Begeg­nung mit Kim Davis mit deren Fall in Ver­bin­dung gebracht wurde.

Wer wollte Treffen und wer intervenierte nachträglich dagegen?

Wenn die Apo­sto­li­sche Nun­tia­tur und hin­ter ihr mut­maß­lich die ame­ri­ka­ni­schen Bischö­fe eine Begeg­nung von Kim Davis mit dem Papst wünsch­ten, wer hat dann in den zwei Tagen seit deren Bekannt­wer­den in Rom so ener­gisch inter­ve­niert, daß es zu einer so kate­go­ri­schen Distan­zie­rung kam? Wer sieht im Vati­kan die von Papst Fran­zis­kus kaum über­seh­bar betrie­be­ne Annä­he­rungs­po­li­tik an den links­li­be­ra­len Main­stream, reprä­sen­tiert von Barack Oba­ma und der UNO, durch die „klei­ne“ Stan­des­be­am­tin Kim Davis aus Ken­tucky gefährdet?

Von wem sich wer distan­ziert und auch von wem nicht, gibt Aus­chluß über eine Linie (sie­he Kampf gegen Men­schen­han­del, Kampf für Gen­der-Ideo­lo­gie – Von wem sich der Vati­kan distan­ziert und von wem nicht).

Läßt Papst Franziskus kalt im Regen stehen?

Schließ­lich hat die Distan­zie­rung noch eine kaum abseh­ba­re Fol­ge: Wer auf­grund sei­nes christ­li­chen Glau­bens und sei­nes Gewis­sens im Rin­gen um die „nicht ver­han­del­ba­ren Wer­te“ (Bene­dikt XVI.) das Recht auf Gewis­sens­ver­wei­ge­rung in Anspruch nimmt, darf sich kei­ne Unter­stüt­zung durch die Kir­che, jeden­falls nicht einer von Papst Fran­zis­kus geführ­ten Kir­che erwarten.

Der Bei­geschmack ist dop­pelt bit­ter, denn Fran­zis­kus hat­te auf dem Rück­flug aus den USA wört­lich gesagt:

„Ich kann aber sagen, daß die Gewis­sens­ver­wei­ge­rung ein Men­schen­recht ist. Sie ist ein Recht. Und wenn eine Per­son die Ver­wei­ge­rung aus Gewis­sens­grün­den nicht zuläßt, ver­wei­gert sie ein Recht. Die Gewis­sens­ver­wei­ge­rung muß in jede Rechts­ord­nung hinein.“

For­dert die Kir­che einer­seits Men­schen zum kon­kre­ten Han­deln auf, läßt sie dann aber kalt im Regen stehen?

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: CNK

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