
Von Sandro Magister
(Rom) Die Maßregelung von Roms Bürgermeister Ignazio Marino überdeckte beim Rückflug von Philadelphia nach Rom in den italienischen Medien die anderen Antworten von Papst Franziskus auf die Journalistenfragen. [1]Der linksdemokratische Bürgermeister der Ewigen Stadt sei weder von ihm noch von einer anderen Stelle des Vatikans zum Papst-Besuch in den USA eingeladen worden, stellte Papst Franziskus mit … Continue reading
Die interessanteste unter den Journalistenfragen betraf die beiden Motu Proprio, mit denen Franziskus das Ehenichtigskeitsverfahren reformierte.
Jean-Marie Guénois von Le Figaro fragte den Papst, “was er jenen antwortet, die mit dieser Reform die faktische Schaffung einer ‘katholischen Scheidung’ befürchten“.
So beginnt die Antwort:
“Bei der Reform der Prozesse, der Modalitäten, habe ich die Tür zum Verwaltungsweg geschlossen, durch welche die Scheidung hätte eindringen können. Und man kann sagen, daß jene, die an eine ‚katholische Scheidung‘ denken, sich irren, weil dieses jüngste Dokument der Scheidung die Tür verschlossen hat, die über den Verwaltungsweg – das wäre leichter gewesen – eindringen hätte können. Es wird immer ein Rechtsweg sein.“
Dann fuhr Franziskus fort:
„Das wurde von der Mehrheit der Synodenväter bei der Synode des Vorjahres gefordert: die Prozesse verschlanken, weil es Prozesse gab, die 10–15 Jahre dauerten. Ein Urteil und noch ein anderes Urteil; und dann, wenn es zur Berufung kommt, die Berufung, und dann noch eine andere Berufung … Und es hört nie auf. Das doppelte Urteil, wenn es [das erste] gültig war und es keine Berufung gab, wurde von Papst Lambertini eingeführt, Benedikt XIV., weil es in Mitteleuropa – ich sage nicht welches Land – einige Mißbräuche gab, und um diese zu stoppen, hat er das eingeführt. Aber es ist keine wesentliche Sache für den Prozeß. Die Prozesse ändern sich. Die Rechtsprechung ändert sich zum Besseren, sie verbessert sich immer. In jenem Moment war es notwendig jenes zu tun. Dann wollte Pius X. verschlanken und machte etwas, hatte aber nicht die Zeit oder die Möglichkeit es zu tun. Die Synodenväter haben darum gebeten: die Verschlankung der Ehenichtigkeitsverfahren. Dazu möchte ich etwas sagen. Dieses Dokument, dieses Motu proprio erleichtert die Prozesse in der Dauer, aber es ist keine Scheidung, weil die Ehe ist unauflöslich, wenn sie Sakrament ist: Aus Mangel an Freiheit, zum Beispiel, oder aus Mangel an Reife oder wegen Geisteskrankheit … Es gibt viele Gründe, die nach einer Überprüfung, einer Untersuchung, dazu führen, zu sagen: ‚Nein, da ist kein Sakrament gegeben‘. Zum Beispiel weil diese Person nicht frei war. Ein Beispiel, das jetzt nicht so verbreitet ist, aber in gewissen Teilen der Gesellschaft ist es üblich – zumindest in Buenos Aires war es so : die Ehen, wenn die Verlobte schwanger wurde. ‚Ihr müßt heiraten‘. Ich, in Buenos Aires, habe den Priestern empfohlen – aber mit Nachdruck – , fast habe ich es verboten, unter diesen Bedingungen die Hochzeit abzuhalten. Wir nennen sie die ‚schnellen Hochzeiten‘, um den Schein zu wahren. Und das Kind wird geboren und einige Ehen gehen gut, aber es gibt keine Freiheit! Und dann gehen sie schlecht, sie trennen sich … ‚Ich bin gezwungen worden die Ehe einzugehen, weil ich diese Situation zudecken mußte.‘ Das ist ein Nichtigkeitsgrund. Es gibt viele Nichtigkeitsgründe; Sie können sie im Internet suchen, dort finden sich alle.“
Gerichtsweg oder Verwaltungsweg – ist das die Frage?
Wie man sieht, macht Papst Franziskus am Beginn seiner Antwort im „Verwaltungsweg“ der Nichtigkeitsverfahren „den Weg aus, auf dem die Scheidung eindringen kann“. Und er nimmt für sich das Verdienst in Anspruch, diese Gefahr abgewendet zu haben, indem er die Nichtigkeitsverfahren im Bereich der Gerichte gehalten hat.
In Wirklichkeit aber, kann der Unterschied zwischen Verwaltungs- und Gerichtsweg sehr verschwommen sein.
Es genügt die beeindruckende Ähnlichkeit zwischen dem Gerichtsweg des „schnellen“ Verfahrens, dem Eckstein der von Franziskus dekretierten Reform, mit dem Verwaltungsweg zu vergleichen, den Kardinal Angelo Scola, Erzbischof von Mailand im Vorfeld der Synode von 2014 vorgeschlagen hatte.
Der Vorschlag von Kardinal Scola im Wortlaut:
„Es ist zu wünschen, daß irgendein Weg gefunden werden kann, um die Ehenichtigkeitsverfahren – im vollen Respekt aller notwendigen Prozeduren – zu beschleunigen und um die zutiefst pastorale Natur dieser Prozesse offensichtlicher werden zu lassen.
Auf dieser Linie könnte die kommende außerordentliche Versammlung empfehlen, daß der Papst das Bischofsamt aufwertet. Im Besonderen könnte sie empfehlen, daß er die Durchführbarkeit des Vorschlags prüft, die ohne Zweifel komplex ist, einem außergerichtlichen kanonischen Verfahren leben zu schenken, das als letzten Schiedsrichter nicht einen Richter oder ein Richterkollegium hätte, sondern vielmehr den Bischof oder einen von ihm ernannten Delegierten.
Ich meine damit ein von einem Gesetz der Kirche geregeltes Verfahren mit festgelegten Methoden zum Sammeln und Bewerten der Beweise. Beispiele für bereits derzeit vom Kirchenrecht vorgesehene Verwaltungsverfahren sind die Verfahren für die Lösung des Ehebandes weil nicht vollzogen (Canones 1697–1706) oder aus Glaubensgründen (Canones 1143–1150) oder auch die außergerichtlichen Strafverfahren (Canon 1720).
Hypothetisch könnte man die Berufung auf folgende Optionen erkunden: das Vorhandensein, in jeder Diözese oder in mehreren kleinen Diözesen zusammen, eines Beratungsdienstes für Katholiken, die Zweifel bezüglich der Gültigkeit ihrer Ehe haben. Von da ausgehend könnte ein kanonisches Verfahren eingeleitet werden, um die Gültigkeit des Ehebandes zu prüfen, das von einem eigens dazu Beauftragen durchgeführt wird (mit der Hilfe von qualifiziertem Personal wie den vom Kirchenrecht vorgesehenen Notaren. Dieses Verfahren wäre ernsthaft in der Sammlung der Beweise, die dem Bischof zusammen mit der Meinung des Beauftragten, des Ehebandverteidigers und einer Person, die dem Antragsteller beisteht, weitergeleitet würden. Der Bischof (der diese Verantwortung auch an eine andere Person delegieren könnte) wäre gerufen, darüber zu entscheiden, ob diese Ehe nichtig ist oder nicht (und könnte dazu verschiedene Experten konsultieren, bevor er seine Meinung abgibt). Es wäre immer für einen der Ehepartner möglich, gegen diese Entscheidung den Heiligen Stuhl anzurufen.“
So „ausgetüftelt, daß er faktisch die sogenannte katholische Scheidung begünstigt“
Was aber anderes ist der „schnellere“ richterliche Prozeß, den Papst Franziskus eingeführte hat, wenn nicht eine Pausenabdruck der von Kardinal Scola vorgeschlagenen Verwaltungsprozedur?
Daraus folgt: Wenn es einen „Weg gibt, durch den die Scheidung eindringen kann“, dann ist er es nicht, weil er entweder „Verwaltungsweg“ oder „Rechtsweg“ ist, sondern weil er auf eine solche Weise ausgetüftelt ist, daß er faktisch die sogenannte „katholische Scheidung“ begünstigt.
Nach dem Urteil vieler, scheinen die beiden Motuproprien von Papst Franziskus, wenn man sie vollständig liest, in ihren zahlreichen Widersprüchen, genau in diese Richtung zu weisen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican Insider
-
↑1 | Der linksdemokratische Bürgermeister der Ewigen Stadt sei weder von ihm noch von einer anderen Stelle des Vatikans zum Papst-Besuch in den USA eingeladen worden, stellte Papst Franziskus mit erstaunlicher Direktheit fest. „Marino sieht sich als Katholik und kam als solcher nach Philadelphia.“ Zunächst war anderes aus dem Umfeld von Bürgermeister Marino behauptet worden. Nach den Papst-Worten rudete man im Bürgermeisteramt auf dem römischen Kapitol zurück. Nie habe jemand von einer Einladung des Papstes gesprochen. Im Zuge der Vorbereitungen zum Weltfamilientreffen sei mit dem Erzbischof von Philadelphia eine Delegation der Stadt nach Rom gekommen. So hätten sich Kontakte ergeben und eine Einladung zu einem Gegenbesuch. |
---|