(Paris) Frankreich lehrt, wie sich die Welt dreht und verwirrt. Für eine Vizebürgermeisterin, Sozialistin und „praktizierende Mohammedanerin“ fordert die Staatsanwaltschaft drei Monaten Gefängnis, weil sie sich geweigert hatte, eine „Homo-Ehe“ zu schließen.
Sabrina Hout wurde bei den Kommunalwahlen 2014 für die regierende Sozialistische Partei von Staatspräsident Francoise Hollande in den Gemeinderat des VIII. Secteur von Marseille gewählt. Eigentlich sollte der Fall mit einer Abmahnung erledigt sein. Doch es kam anders. Die Marseiller Staatsanwältin Marie Blanche Regnier fordert drei Monate Gefängnis und eine Strafgeld von 1.500 Euro wegen „Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung“. Die junge Bezirks-Vizebürgermeisterin in der nach Paris zweitgrößten Stadt Frankreichs bezeichnet sich selbst als „praktizierende Mohammedanerin“ und verlangt „Respekt für ihre religiösen Überzeugungen“.
„Homo-Ehen“-Gesetz sieht keine Gewissensverweigerung vor
Sabrina Hout ist der erste Fall in Frankreich, wo ein Staatsvertreter vor Gericht gestellt wird, seit 2013 die Sozialistische Partei, der Hout angehört, die „Homo-Ehe“ (Marriage pour tous) legalisierte. Das von Staatspräsident Hollande gewollte Gesetz sieht keine Klausel für die Gewissensverweigerung vor.
Als sich am 16. August 2014 zwei Lesben im Rathaus des VIII. Secteur einfanden, um eine „Homo-Ehe“ einzugehen, bat Hout, die für den Bereich Familie zuständig ist, einen anderen Gemeinderat, sie zu vertreten. Das wäre allerdings aus rechtlichen Gründen nicht möglich gewesen. Hout mußte daher die entsprechenden Dokumente für das Paar unterzeichnen, ließ sich aber an der eigentlichen Zeremonie mit dem formalen Akt vertreten.
„Statt Katholiken und Faschisten hatten wir junge, moderne, linke Mohammerdanerin vor uns“
Die Vizebürgermeisterin wurde hausintern denunziert. Die „Homo-Ehe“ der Lesben wurde zunächst annulliert, dann nachträglich bestätigt. Die Folge war, daß sie gegen die Vizebürgermeisterin Anzeige erstatteten. Bezirksbürgermeisterin Samia Ghali, algerischer Abstammung, ebenfalls Mohammedanerin und Sozialistin wie Hout, entzog ihrer Kollegin alle Zuständigkeiten. Die Staatsanwaltschaft leitete ein Verfahren wegen Urkundefälschung ein.
Am 29. September wird Hout erfahren, ob die Richter der Forderung der Staatsanwaltschaft folgen. Die Staatsanwältin bezeichnete in ihrem Plädoyer den Kampf der beiden Lesben als „rechtmäßig und richtig“.
Der Rechtsanwalt der beiden Klägerinnen, Philipe Vouland, drängt ebenfalls auf eine Verurteilung, „um ein Zeichen zu setzen“. Wörtlich sagte er: „Im Kampf für die Ehe für alle, haben sich die [Homo-]Vereinigungen erwartet, die Klinge mit den braven Heterosexuellen, den Katholiken, Sexisten und Faschisten kreuzen zu müssen. Statt dessen sind wir auf eine junge, linke Frau, Single, modern und Mohammedanerin gestoßen.“
Homo-Organisationen stempelten Hout zum „homophoben Monster“
Hout erklärte vor Gericht, sie habe „nie jemand diskriminieren wollen“, sondern wollte nur ihre religiöse Überzeugung gewahrt wissen. Unterstützung findet sie bei der Bürgermeister-Vereinigung Maires pour l’enfance. Diese kritisieret, daß das Taubira-Gesetz zur Legalisierung der „Homo-Ehe“ den Artikel 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention verletze, die jeder Person Gedankenfreiheit, Gewissensfreiheit und Religionsfreiheit zusichert.
Präsident Hollande hatte am 20. November 2012 den französischen Bürgermeistern versichert: „Das Gesetz wird für alle angewandt, doch im Respekt vor der Gewissensfreiheit“.
2015 ist davon nichts mehr zu hören. Die Homo-Organisationen haben Sabrina Hout zum „homophoben Monster“ gestempelt. „Sie haben mich beleidigt, indem sie mich als homophob beschimpften, was überhaupt nicht stimmt. Ich habe die Hölle durchgemacht. Mein Namen stand in allen Zeitungen… In der Arbeit wurde ich auf jede nur denkbare Weise beschimpft, sogar als Terroristin und Dschihadistin!“
Das Lesbenpaar Claude und Helene hofft gegen Sabrina Hout ein Urteil zu erreichen, das „ein Exempel für die Umsetzung des Gesetzes ist“.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Tempi