Unerklärliche Zensur – Vatikanverlag legt Tagungsband über Kaiser Konstantin den Großen vor


In hoc signo vinces - Zensur im Vatikan gegen Konstantin den Großen
In hoc sig­no vin­ces – Zen­sur im Vati­kan gegen Kon­stan­tin den Großen

(Rom) „Die Unver­schämt­heit jener, die offen­kun­dig zum Scha­den für die Wahr­heit nach ideo­lo­gi­schem Sche­ma vor­ge­hen, wird immer besorg­nis­er­re­gen­der“, so Corr­ri­spon­den­za Roma­na. Im Vati­kan­ver­lag erschien vor kur­zem der Tagungs­band mit den Refe­ra­ten einer Tagung über Kai­ser Kon­stan­tin den Gro­ßen und die Kon­stan­ti­ni­sche Wen­de. Ein Tagungs­band mit kurio­sen Über­ra­schun­gen, die eine bedenk­li­che Zen­sur erken­nen lassen.

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Vom 18.–21. April 2012 fand anläß­lich des 1700-Jah­res­ta­ges der Schlacht an der Mil­vi­schen Brücke im Vati­kan eine inter­na­tio­na­le Histo­ri­ker­ta­gung über die Gestalt Kai­ser Kon­stan­tins des Gro­ßen statt. Die Tagung hat­te noch der bis 2009 amtie­ren­de Vor­sit­zen­de des Päpst­li­chen Komi­tees für Geschichts­wis­sen­schaf­ten, Kar­di­nal Wal­ter Brand­mül­ler, initi­iert. Renom­mier­te Refe­ren­ten spra­chen über zen­tra­le The­men, die von der Bekeh­rung des Kai­sers bis zum Ver­hält­nis zwi­schen den Chri­sten und dem Römi­schen Reich, von der Visi­on Kon­stan­tins bis zum Sieg in der ent­schei­den­den Schlacht am 28. Okto­ber 312 reichten.

Referat von Professor de Mattei verschwunden

Vor kur­zem ist im Vati­kan­ver­lag unter dem Titel „Kon­stan­tin der Gro­ße. Zu den Wur­zeln Euro­pas“ der Tagungs­band erschie­nen und wur­de im Augu­sti­nia­num in Rom vor­ge­stellt. Unter den „bedeu­tend­sten Exper­ten zum The­ma“, wie der amtie­ren­de Vor­sit­zen­de des Päpst­li­chen Komi­tees für Geschichts­wis­sen­schaf­ten dar­in schreibt, befand sich auch der Histo­ri­ker Rober­to de Mat­tei, der im Rah­men eines viel­be­ach­te­ten Refe­rats die „arche­ty­pi­sche Bedeu­tung der Schlacht an der Mil­vi­schen Brücke“ auf­zeig­te. Das Refe­rat von Pro­fes­sor de Mat­tei ist jedoch ver­schwun­den. Es fin­det sich nicht im Tagungs­band, in dem die Refe­ra­te ver­öf­fent­licht wur­den. De Mat­tei wur­de auch nicht zur Vor­stel­lung des Ban­des ein­ge­la­den, was als zusätz­li­che per­sön­li­che Zurück­set­zung durch den Ver­lag zu bewer­ten ist.

“Wie ist eine so uner­klär­li­che Zen­sur mög­lich?“, frag­te Cor­ri­spon­den­za Roma­na. Man­chem mag es eini­ge Bauch­schmer­zen ver­ur­sacht haben, daß Pro­fes­sor de Mat­tei die Visi­on Kon­stan­tins, das leuch­ten­de Zei­chen in Kreu­zes­form über der Son­ne mit dem Schrift­zug „In hoc sig­no vin­ces“ als echt bezeich­ne­te. In einer Zeit, in der selbst an katho­li­schen Theo­lo­gi­schen Fakul­tä­ten, von Prie­ster-Pro­fes­so­ren die Echt­heit der Wun­der Jesu bestrit­ten wird, „weil natur­wis­sen­schaft­lich nicht mög­lich“, mag sich jemand davon pro­vo­ziert gefühlt haben.

Vision und Sieg Konstantins von „archetypischer Bedeutung“

Konstantin der Große
Kon­stan­tin der Große

Die Bauch­schmer­zen man­cher wer­den noch zuge­nom­men haben, als de Mat­tei auf­zeig­te, daß in der Visi­on des Kai­sers und deren Fol­gen ein Modell für die nach­fol­gen­den Jahr­hun­der­te zu erken­nen ist, und damit auf­griff, was der hei­li­ge Papst Pius X. im Apo­sto­li­schen Schrei­ben Uni­ver­si chri­sti­fi­de­li­bus aus­sag­te, mit dem er am 8. März 1913 das Kon­stan­ti­ni­sche Jubi­lä­um im Geden­ken an das histo­ri­sche Ereig­nis bekanntgab:

„Damals erlang­te die strei­ten­de Kir­che end­lich den ersten jener Tri­um­phe, die in jeder ihrer Epo­chen kon­stant auf die Ver­fol­gun­gen aller Art folg­ten und stell­te von jenem Tag an der Gesell­schaft des Men­schen­ge­schlechts immer grö­ße­re Wohl­ta­ten bereit.“

Was die Schlacht von Saxa Rubra betrifft, ist „der mili­tä­ri­sche und poli­ti­sche Tri­umph“, so Pro­fes­sor de Mat­tei in sei­nem Refe­rat, „nicht von der wun­der­ba­ren Schau­ung Kon­stan­tins zu tren­nen“. Und wei­ter: „Chri­stus selbst for­der­te Kon­stan­tin und des­sen Legio­nen auf, in Sei­nem Namen zu kämp­fen. Damit stell­te Er den Grund­satz auf, daß es recht­mä­ßig ist, im Namen Got­tes zu kämp­fen, wenn die Sache gerecht ist und der Krieg zum hei­li­gen Krieg erklärt wird. Die Schlacht vom 28. Okto­ber bewies nicht nur die Recht­mä­ßig­keit für die Chri­sten, im Heer zu die­nen, son­dern erklär­te instinc­tu divi­ni­ta­tis den ersten hei­li­gen Krieg der christ­li­chen Ära.“

„In hoc signo vinces“ bedeutet nicht nur „inneren Sieg über die Sünde, sondern auch den öffentlichen, bewaffneten Sieg“

So bin­det das Mot­to „In hoc sig­no vin­ces“ das „Signum Cru­cis, das Sym­bol des Kreu­zes an einen Sieg, der nicht nur der inne­ren Sieg über die unge­ord­ne­ten Lei­den­schaf­ten und über die Sün­de ist, son­dern auch ein öffent­li­cher, bewaff­ne­ter, mili­tä­ri­scher Sieg.“

Obwohl die­se Aus­sa­gen von Pro­fes­sor de Mat­tei durch die Quel­len detail­liert belegt wur­den, schei­nen sie jeman­dem im Vati­kan, ob im Päpst­li­chen Komi­tee für Geschichts­wi­sen­schaf­ten, dem Vati­kan­ver­lag oder noch an höhe­rer Stel­le, nicht ins Bild gepaßt zu haben. Einen Refe­ren­ten als aus­ge­wie­se­nen Sach­ken­ner zu einer Tagung ein­zu­la­den und dann sein Refe­rat ohne jede Begrün­dung still­schwei­gend zu unter­schla­gen und den Namen des Refe­ren­ten nicht ein­mal zu nen­nen, ist nicht nur ein per­sön­li­cher Affront, und nicht nur ein Bruch aller intel­lek­tu­el­len und aka­de­mi­schen Gepflo­gen­hei­ten, son­dern Zen­sur. Eine Mani­pu­la­ti­on, hin­ter der sich eine Geschichts­fäl­schung verbirgt.

Cor­ri­spon­den­za Roma­na stellt die Fra­ge anders­rum: „Wer hat noch Angst vor Kon­stan­tin dem Großen?“

Zweites Referat auch verschwunden

Tagungsband
Tagungs­band

Nicht nur de Matt­eis Refe­rat ist ver­schwun­den. Auch das Refe­rat von Pro­fes­sor Gian­lui­gi Fal­chi von der Late­ran­uni­ver­si­tät fin­det sich nicht im Tagungs­band. Pro­fes­sor Fal­chi sprach über die Reli­gi­ons­frei­heit und die Tau­fe Kon­stan­tins. In die­sem Fall lie­ße sich noch eine „plau­si­ble“ Erklä­rung fin­den, da der Histo­ri­ker in der Zwi­schen­zeit ver­stor­ben ist und daher sei­nen Text nicht mehr für die Druck­le­gung durch­se­hen konn­te. Eine völ­li­ge Til­gung recht­fer­tigt das aller­dings eben­so­we­nig. Es gehört durch­aus zur Pra­xis in sol­chen Fäl­le die Refe­ra­te mit einer Anmer­kung den­noch zu veröffentlichen.

Der Fall von Pro­fes­sor de Mat­tei bie­tet hin­ge­gen kei­ner­lei „plau­si­ble“ Erklä­rungs­mög­lich­keit. Daher bleibt nur die Ver­mu­tung, daß der Inhalt des Refe­rats nicht ins Bild jener eil­fer­ti­gen Distan­zie­rung von der „Kon­stan­ti­ni­schen Wen­de“ paßt, in der sich auch zahl­rei­che Kir­chen­ver­tre­ter üben.

Wenn aus der Schlacht an der Mil­vi­schen Brücke, wie der Vor­sit­zen­de des Päpst­li­chen Komi­tees für Geschichts­wis­sen­schaf­ten, der fran­zö­si­sche Prä­mon­stra­ten­ser Ber­nard Ardu­ra, in sei­nem Vor­wort zum Tagungs­band schreibt, wirk­lich eine „neue Welt“ und ein Euro­pa her­vor­ging, „in dem die Wer­te der Men­schen­wür­de, der Gewis­sens­frei­heit, der Reli­gi­ons­frei­heit und der Kult­frei­heit auf­blüh­ten“, ist es schwer ver­ständ­lich, daß all das gleich­zei­tig im Zusam­men­hang mit die­ser Tagung durch Zen­sur mit Füßen getre­ten wird, die gera­de die­se Grund­sät­ze her­vor­he­ben wollte.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana

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