(Jerusalem) Israels Staatspräsident Reuven Rivlin besuchte gestern das Benediktinerkloster Tabgha am See Genezareth, das Mitte Juni Zielscheibe eines Brandanschlags jüdischer Extremisten war. Das Kloster ist von deutschen Benediktinern bewohnt und gehört zur Dormitio-Abtei in Jerusalem. Begleitet wurde das Staatsoberhaupt vom Lateinischen Patriarchen von Jerusalem Fouad Twal. Der Patriarch begrüßte den Besuch, kritisierte aber gleichzeitig den Mauerbau durch das christliche Cremisantal zwischen Betlehem und Jerusalem.
Abt Gregory Collins sprach von einem „ermutigenden Zeichen“ für die Fortsetzung der Versöhnungsbemühungen. Zum Kloster gehört eine Begegnungsstätte für jüdische und arabische Jugendliche. Staatspräsident Rivlin hatte noch am Tag nach dem Attentat den Abt des Benediktinerklosters telefonisch kontaktiert, um ihm sein Bedauern auszusprechen und den Anschlag zu verurteilen.
Staatspräsident bezeichnet Attentat als „Akt der Blasphemie“
Bei seinem Besuch in Tabgha sprach Rivlin von einem „Akt der Blasphemie“.
In den vergangenen zwei Jahren häuften sich Angriffe gegen christliche Einrichtungen, besonders Kirchen und Klöster, durch jüdische Extremisten, die der radikalen Siedlerbewegung nahestehen. Wegen des Brandanschlages auf das Kloster in Tabgha wurde Anklage gegen drei junge jüdische Männer erhoben.
Beim Besuch des Staatspräsidenten am See Genezareth waren auch der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Msgr. Fouad Twal, der Kustos der Franziskanerkustodie des Heiligen Landes, Pater Pierbattista Pizzaballa, der Apostolische Nuntius Erzbischof Giuseppe Lazzarotto und Vertreter der deutschen Botschaft anwesend.
Ein Sprecher des Benediktinerordens sprach von einem Schaden von 1,6 Millionen Euro und forderte den Staat Israel auf, sich am Wiederaufbau zu beteiligen.
Die Klosterkirche von Tabgha befindet sich an der Stelle, an der Jesus die erste Brotvermehrung wirkte.
Patriarch protestiert gegen Mauerbau durch das Cremisantal
Patriarch Twal kritisierte mit scharfen Worten, daß Israel den Mauerbau durch das Cremisantal zwischen Betlehem und Jerusalem fortsetzt. Anfang Juli hatte der Oberste Gerichtshof Israels überraschend die Fortsetzung der Bauarbeiten gutgeheißen. 2004 war der Mauerbau vom Internationalen Gerichtshof verurteilt worden.
Das Cremisantal ist ein christliches Tal zwischen den beiden heiligen Städten und eine grüne Lunge für das unter großer Bevölkerungsdichte stöhnende palästinensische Umland. Das Tal gehört dem Salesianerorden, der dort 1883 auf den Ruinen eines byzantinischen Klosters aus vorislamischer Zeit ein Männerkloster errichtete. Bald darauf wurde im Tal auch ein Frauenkloster gegründet. Das Tal ist bekannt wegen des Wein- und Olivenanbaus der Salesianer. Diese errichteten dort Schulen und Werkstätten zur Ausbildung der arabischen Jugend. Die Einrichtungen stehen sowohl Christen als auch Moslems offen. Von der Landwirtschaft im Tal leben die 58 christlichen Familien von Beit Jala.
Die Mauer wird nicht nur die beiden Klöster trennen, sondern auch alle Schul- und Ausbildungseinrichtungen. Die Umwege, um auf die andere Seite der Mauer zu gelangen, sind unzumutbar weit und umständlich. Gleiches gilt für die Christen von Beit Jala, die auf der einen Seite der Mauer wohnen werden, während die landwirtschaftlichen Gründe auf der anderen Seite liegen werden. Schüler und Arbeiter werden von den Schulen und dem Arbeitsplatz abgeschnitten. Patriarch Twal sprach von der „Zerstörung einer intakten friedlichen Gemeinschaft, die älter ist als der Staat Israel“.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Asianews