(Rom) Nach der kalten Dusche, den die Waldenser-Synode den Versöhnungsbemühungen von Papst Franziskus verabreichte, herrscht Katzenjammer im Umfeld des Papstes und unter katholischen Ökumene-Beauftragten. Mit Blick auf die Waldenser bemüht man sich, Wasser auf das Feuer zu gießen. Wenn progressive Kirchenvertreter nervös werden, beginnen sie sich gewöhnlich an ihren „konservativen“ Standesgenossen abzureagieren. Auch das geschieht derzeit. „Die kalte Antwort der Waldenser gefällt den Feinden der Ökumene“, lautete die alarmierende Deutung von Bischof Domenico Mogavero von Mazara del Vallo.
Die abschlägige Antwort auf die Vergebungsbitte des Papstes stärke die „konservativsten Kreise“ im Vatikan, so der sizilianische Bischof, der sich schon immer in der ersten Reihe für den interreligiösen Dialog stark machte. „Die Falken fürchten die Befriedung“, so Msgr. Mogavero.
Seine Worte galten allerdings nicht nur der Waldenser-Synode, die dem Papst mit einem Nein antwortete, sondern ebenso ungenannten „konservativen“ Katholiken, die – wer auch immer – mit der Entscheidung der Waldenser-Synode nichts zu tun haben. Wörtlich meinte der Bischof: „Die Kälte [der Antwort] enthülle die Kommunikationsschwierigkeiten. Es genügt nicht eine Tür zu öffnen, um jene eintreten zu lassen, die standhalten. Die Falken jeder Kirche verbarrikadieren sich im Stolz und fürchten die Befriedung in dem einen Glauben.“
„Angst vor Veränderung“
Den konservativsten vatikanischen Hierarchien würde die Waldenser-Bremsung für die Beziehungen zwischen „den getrennten Brüdern“ nicht mißfallen, wiederholt auch der Theologe Gianni Gennari. Die „Öffnungen“ von Franziskus „sind allen lästig, für die Ökumene ein verbotenes Wort bleibt“. So sei es auch Kardinal Bea ergangen, der „während des Konzils beleidigt und verleumdet wurde, weil er den Protestanten die Hand reichte“. Das seien sie Überreste jener, so Gennari, die „dachten, exkommuniziert zu sein, wenn sie einen Waldensertempel betraten, weil sie eine Todsünde begangen hätten“.
„Franziskus“ hingegen, so der Theologe, habe „die Demut und den Mut, die Verantwortung seiner Verfolger-Vorgänger anzuerkennen: Nicht er ist der Schlächter, so wie die Waldenser von heute nicht die Opfer sind“. Papst Franziskus folge darin Johannes XXIII, der „zunächst in Venedig, dann auch in Rom, ein Sekretariat für die Ökumene einrichtete, das – vor und nach dem Konzil – die Wende der katholischen Kirche für die Einheit begleitete, die Franziskus mit neuer Leidenschaft fortsetzt“.
„An der Ökumene werden wir beurteilt“
Der Frust bei den Ökumene-Beauftragten sitzt tief. Mit dem Waldenser-Nein hatte man offenbar nicht gerechnet. Da es sich die Ökumenismus-Vertreter selbst verbieten, die Waldenser zu kritisieren, werden die Hiebe in andere Richtungen ausgeteilt. Ins selbe Horn wie Mogavero und Gennari bläst auch Marinella Perroni, Vorsitzende der Koordinierungsstelle der italienischen Theologinnen. Perroni lehrt Neues Testament an Päpstlichen Athenäum Sant’Anselmo in Rom. „Die Behauptung religiöser Selbstgenügsamkeit hat das Interesse für die Einheit der Kirchen dramatisch zurückgehen lassen. Wir Katholiken können nicht verlangen, daß die Waldenser die prophetischen Schritte von Franziskus unterstützen: An der Ökumene werden wir beurteilt werden.“
In progressiven Kreisen Roms geht ein anderes Gespenst um, das die Nervosität erhöht. Das Nein der Waldenser schlug auch deshalb wie eine Kanonenkugel in Rom ein, weil es keine zwei Monate mehr bis zur Bischofssynode sind, und die negative Antwort „mitten in die Widerstände gegen den Reformer-Papst platzte“, so der progressive Vatikanist Giacomo Galeazzi.
„Jene, die in der Kirche mit Horror an das Konzil denken, weil sie es ablehnen, sehen in der Öffnung nicht eine Schritt in Richtung Einheit, sondern ein Aufgeben kirchlicher Souveränität zugunsten eines Protestantisierungsprozesses“, so Galeazzi.
„Wir Katholiken haben die ökumenische Linie von Franziskus zu unterstützen“, so die Theologinnen-Koordinatorin Perroni, und zwar ohne etwas zu fordern oder uns etwas von den anderen Kirchen zu erwarten. „Die Gesten sind immer zweideutig, die Symbole mehrdeutig: Über alles muß man diskutieren, um einen Schritt vorwärts zu machen. Die Trennung der Kirchen hat eine vielgliedrige Realität geschaffen. Es braucht ein gemeinsames biblisch-theologisches Nachdenken, eine liturgisch-sakramentale Gemeinsamkeit und ein rechtliches Abkommen“. Das Waldenser-Nein stellt einen Dämpfer dieser Pläne dar.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican Insider