Politische „Ökumene“ zwischen Finanztechnokraten und Globalisierungskritikern?


Weltfinanz Volksbewegungen Globalisierung
Welt­fi­nanz – Glo­ba­li­sie­rung – Volksbewegungen

(Rom) Papst Fran­zis­kus hat sich an die Spit­ze der anti­ka­pi­ta­li­sti­schen „Volks­be­we­gun­gen“ gestellt. Sei­ne Reden an die Ver­tre­ter der „Bewe­gungs­lin­ken“ im Herbst 2014 in Rom und im ver­gan­ge­nen Juli in Boli­vi­en waren dies­be­züg­lich sehr deut­lich. Wie paßt das zusam­men mit der Tat­sa­che, daß aus­ge­rech­net mit sei­nem Pon­ti­fi­kat das Gotha der Tech­no­kra­ten der Welt­fi­nanz im Vati­kan Ein­zug gehal­ten habe? Ver­such einer bruch­stück­haf­ten Spurenlese.

Wer sind die „Volksbewegungen“?

Anzei­ge

Wer sind aber die­se „Volks­be­we­gun­gen“? Sie sind ein bun­ter Hau­fen. Gemein­sam ist ihnen, daß sie sich – wenn auch nicht dog­ma­tisch – von der insti­tu­tio­na­li­sier­ten sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Reform­lin­ken abgren­zen, die auch Regie­rungs­lin­ke genannt wird. Sie sehen sich selbst als macht­fer­ne, außer­par­la­men­ta­ri­sche Basis­lin­ke mit einer auf­fäl­li­gen Nähe zur alten ortho­do­xen, kom­mu­ni­sti­schen Lin­ken. In Wirk­lich­keit gibt es eine rege Zusam­men­ar­beit mit der Regie­rungs­lin­ken, dann bevor­zugt mit derem lin­ken Flü­gel. Die kom­mu­ni­sti­sche Link wird ohne Berüh­rungs­äng­ste als inte­gra­ler Teil der „Volks­be­we­gun­gen“ akzep­tiert. Unter gewis­sen Vor­zei­chen läßt sich eine Neu­auf­la­ge des Gegen­sat­zes zwi­schen Men­sche­wi­ken und Bol­sche­wi­ken erkennen.

Der von den „Volks­be­we­gun­gen“ beton­te „Ant­ago­nis­mus“ gegen­über dem „System“ ist um so leich­ter mit einer gewis­sen Glaub­wür­dig­keit zu ver­tre­ten, seit sich in der west­li­chen Demo­kra­tie bür­ger­li­che, selbst christ­de­mo­kra­ti­sche Par­tei­en gesell­schafts­po­li­tisch sozi­al­de­mo­kra­ti­sie­ren und Sozi­al­de­mo­kra­ten sich wirt­schafts­po­li­tisch ver­bür­ger­li­chen, im Nadel­streif­an­zug auf­tre­ten, im Mit­tel­meer eine Jacht vor Anker lie­gen haben, in der Tos­ka­na urlau­ben und zum Teil unver­schämt abkas­sie­ren nach dem Vor­bild eines Bill Clin­ton, der sich für einen Auf­tritt mit einer 30minütigen Belang­los­re­de schon mal eine hal­be Mil­li­on Dol­lar auf die Hand drücken läßt. Das ist ein Teil der Nach­kriegs­ame­ri­ka­ni­sie­rung Euro­pas, denn die ame­ri­ka­ni­sche Lin­ken, nicht zufäl­lig „libe­ral“ genannt, waren schon immer Nadelstreifsozialisten.

Neoliberalismus als Synonym für jedwede Regierungspartei?

Wirk­lich zum Tra­gen konn­te die­se Uni­for­mie­rung der poli­ti­schen Eli­ten erst seit dem Zusam­men­bruch des Ost­blocks kom­men. Dabei schien es Anfang der 90er Jah­re, als sei die poli­ti­sche Lin­ke, wel­cher Aus­prä­gung auch immer, defi­ni­tiv des­avou­iert. Daß dem nicht so wur­de, ver­dankt die Sozi­al­de­mo­kra­tie den Libe­ra­len, die ihr bereit­wil­lig die Hand zu einer neu­en Alli­anz reich­ten unter einer Bedin­gung, den Klas­sen­kampf auf­zu­ge­ben und den neo­li­be­ra­len Kapi­ta­lis­mus der Ära Clin­ton zu akzep­tie­ren. Damit wur­de unter der Ägi­de der Demo­kra­ti­schen Par­tei der USA deren Modell in Euro­pa eta­bliert, das Neo­li­be­ra­lis­mus zum Syn­oym für (fast) jede Regie­rungs­par­tei zu machen ver­sucht, auch für die euro­päi­sche Sozi­al­de­mo­kra­tie. Ein Modell, das inzwi­schen in alle Welt expor­tiert wird.

Die „ant­ago­ni­sti­sche“ Lin­ke sieht in der neo­li­be­ra­len Wen­de der Regie­rungs­lin­ken Ver­rat und sucht nach Wegen, poli­ti­schen Ein­fluß für einen alter­na­ti­ven Weg zurück­zu­ge­win­nen. Papst Fran­zis­kus sei­ner­seits besetz­te den Begriff „Volks­be­we­gun­gen“ und will unter die­ser Bezei­chung die lin­ken glo­ba­li­sie­rungs­kri­ti­schen Grup­pen sammeln.

Papintern als neue Komintern

Internationales Treffen des Papstes mit den Volksbewegungen in Bolivien
2. Inter­na­tio­na­les Tref­fen der „Volks­be­we­gun­gen“, zu dem Papst Fran­zis­kus in Boli­vi­en ein­ge­la­den hat

Am ver­gan­ge­nen 13. März rief der kom­mu­ni­sti­sche ita­lie­ni­sche Phi­lo­soph Gian­ni Vat­ti­mo, ein Star der lin­ken Glo­ba­li­sie­rungs­kri­tik, im voll­be­setz­ten Teat­ro Cer­van­tes von Bue­nos Aires zur Papin­tern als Nach­fol­ge­or­ga­ni­sa­ti­on der Kom­in­tern auf. Er for­der­te für den „gewalt­lo­sen Kampf gegen den Kapi­ta­lis­mus“ eine neue kom­mu­ni­stisch-papi­sti­sche Inter­na­tio­na­le unter der Füh­rung von Papst Franziskus.

Im Kon­text des christ­li­chen Abend­lan­des sei der Kapi­ta­lis­mus ent­stan­den, so Vat­ti­mo – wobei er im Kapi­ta­lis­mus ein nicht-christ­li­ches Phä­no­men zu sehen scheint -, wes­halb der Kapi­ta­lis­mus auch nur über das Chri­sten­tum besiegt wer­den kön­ne. Nur Papst Fran­zis­kus kön­ne in die­sem „unglei­chen Kampf“ der „natür­li­che Anfüh­rer“ sein, um „die kapi­ta­li­sti­sche, impe­ria­li­sti­sche, nord­ame­ri­ka­ni­sche Finanz­herr­schaft zu besie­gen“. Kuri­en­bi­schof Mar­ce­lo Sanchez Sor­on­do, ein enger Ver­trau­ter von Papst Fran­zis­kus, saß sicht­lich zufrie­den und zustim­mend daneben.

Seit dem ersten Jahr sei­nes Pon­ti­fi­kats fiel auf, daß Papst Fran­zis­kus ziel­stre­big und ohne Berüh­rungs­äng­ste die Nähe zur radi­ka­len Lin­ken such­te (sie­he „Der Papst ist kein Lin­ker, aber er spricht wie ein Lin­ker“ – Fran­zis­kus emp­fing radi­ka­le Lin­ke Euro­pas). Es wur­de über einen latein­ame­ri­ka­ni­schen Anti-Grin­go-Reflex spe­ku­liert. Doch die Sache scheint tie­fer zu lie­gen und weder ein Zufall zu sein noch ein bloß emo­ti­ver Impuls.

Daß die radi­ka­le Lin­ke gesell­schafts­po­li­tisch (zu Fra­gen der Abtrei­bung, Ver­hü­tung, Ehe, Fami­lie, Homo­se­xua­li­tät, Eutha­na­sie) nicht min­der ant­ago­ni­stisch tickt, nur in die­sem Fall nicht gegen das Kapi­tal, son­dern gegen die Kir­che, ist dem Jesui­ten auf dem Papst­thron durch­aus bewußt. Das ist ein Aspekt, der erklärt, wes­halb der argen­ti­ni­sche Papst die „nicht ver­han­del­ba­ren Wer­te“ demon­stra­tiv ad acta leg­te und dies die Welt auch wis­sen ließ. Die Bot­schaft ist ange­kom­men. Ein Teil der Bewe­gungs­lin­ken ist zwar noch skep­tisch, doch Vat­ti­mo beton­te in Bue­nos Aires, daß es nicht um eine reli­giö­se Fra­ge, son­dern um eine poli­ti­sche Alli­anz gehe. Der Papst mag dies viel­leicht anders sehen, streicht es jedoch nicht hervor.

Setzt Papst Franziskus auf die richtigen Kräfte?

2. Internationales Treffen der "Volksbewegungen" mit Papst Franziskus
2. Inter­na­tio­na­les Tref­fen der „Volks­be­we­gun­gen“ mit Papst Franziskus

Papst Fran­zis­kus wirkt in sei­nen Bünd­nis­plä­nen ganz Jesu­it. Das Ergeb­nis die­ser Akti­vi­tä­ten ist indes noch unge­wiß. Zahl­rei­che Fra­gen ste­hen im Raum, für die man sich der­zeit mit Rät­sel­ra­ten statt einer Ant­wort begnü­gen muß. Zwei davon sei­en genannt, von denen eine sogar wie ein augen­schein­li­cher Wider­spruch wirkt.

Die Kir­che hat nach dem Zwei­ten Welt­krieg unter dem Ein­druck des Kal­ten Krie­ges frei­wil­lig dar­auf ver­zich­tet, einen drit­ten Weg zwi­schen Kapi­ta­lis­mus und Kom­mu­nis­mus zu for­mu­lie­ren. Sie akzep­tier­te grund­sätz­lich die Demo­kra­tie und den ihr bis dahin im Letz­ten fremd geblie­be­nen Kapi­ta­lis­mus, ver­such­te ihn aller­dings, als „sozia­le Markt­wirt­schaft“ zu bän­di­gen. Nach dem Zusam­men­bruch des „Rea­len Sozia­lis­mus“ ent­le­dig­te sich der tri­um­phie­ren­de Kapi­ta­lis­mus schnell die­ser Rück­sicht­nah­men auf die Kir­che und nahm mit unge­heu­rer Geschwin­dig­keit wie­der jene Züge an, nur noch radi­ka­ler, von denen sich die Kir­che immer fern­ge­hal­ten hat­te und denen sie bei­spiels­wei­se im Mit­tel­al­ter mit der Ent­wick­lung eines christ­li­chen Bank­we­sens durch den Fran­zis­ka­ner­or­den ein Gegen­mo­dell ent­ge­gen­ge­setzt hat­te. Setzt Papst Fran­zis­kus aber wirk­lich auf die rich­ti­gen Kräf­te, wenn er eine Liai­son mit der radi­ka­len Lin­ken sucht? Abge­se­hen davon ste­hen nicht alle Glo­ba­li­sie­rungs­kri­ti­ker links, kei­nes­wegs. Doch in ande­re Rich­tun­gen gab es bis­her aus der Umge­bung des Pap­stes kei­ne Kontaktaufnahmen.

Globalisierungskritiker und Millionengagen für Finanzberaterfirmen?

Die zwei­te Fra­ge lau­tet: Wenn Papst Fran­zis­kus der neue Welt­füh­rer im Kampf gegen die „Dik­ta­tur des Gel­des“ (Gian­ni Vat­ti­mo) sein will, war­um begann dann mit sei­nem Pon­ti­fi­kat auch im Vati­kan ein Wett­lauf, die erle­sen­sten und kost­spie­lig­sten Bera­ter­fir­men der Welt in Sachen Finanz­kon­trol­le und ‑orga­ni­sa­ti­on zu enga­gie­ren wie McK­in­sey, Pro­mon­to­ry, Ernst&Young und KPMG, die ein Spit­zen­pro­dukt der Glo­ba­li­sie­rung sind? Die Hono­rar­no­ten der Finanz­be­ra­ter gehen in die Millionen.

Die Welt als „glo­ba­les Dorf“ macht sie unent­behr­lich und vor allem sind sie es selbst, die sich immer unent­behr­li­cher machen. Ein System aus Effi­zi­enz und Gewinn­stre­ben, das sich selbst stän­dig neu erfin­det und an Macht zunimmt. Kein Finanz­mi­ni­ster kommt mehr ohne sie aus, weil er – im Gegen­satz zu ihnen – längst den Durch­blick ver­lo­ren hat. Aus die­sem Grund schrei­ben die Bera­ter­fir­men die Geset­ze bereits selbst, die dann von der Poli­tik nur mehr abge­seg­net wer­den. Auch in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land. Die Poli­tik hängt in zen­tra­len Berei­chen am Gän­gel­band eines Dut­zend inter­na­tio­na­ler Bera­tungs­un­ter­neh­men, die in wes­sen Inter­es­se arbeiten?

Widersprüchliche Strategie des Papstes gegenüber den „Supermächten der Weltfinanz“

Die "Global Players" des internationalen Finanzsektors zogen mit Papst Franziskus im Vatikan ein
Die „Glo­bal Play­ers“ des inter­na­tio­na­len Finanz­sek­tors zogen mit Papst Fran­zis­kus im Vati­kan ein

Mit Papst Fran­zis­kus hiel­ten die Glo­bal Play­ers des Finanz­sek­tors im Vati­kan Ein­zug. Neben McK­in­sey ist die Pro­mon­to­ry Finan­cial Group eine ande­re der gro­ßen Bera­ter­fir­men, die inter­na­tio­nal die Sze­ne beherr­schen und laut Insi­dern inzwi­schen mehr Macht haben, als man­che Regie­rung. Seit Mai 2013, kei­ne zwei Mona­te nach der Wahl von Papst Fran­zis­kus, hat sich das Unter­neh­men mit Haupt­sitz in Washing­ton in der Vatik­an­bank IOR breit­ge­macht. Sie prü­fen sämt­li­che Ope­ra­tio­nen und erhal­ten damit, wahr­schein­lich als ein­zi­ge, den per­fek­ten Über­blick über die Bank. Und Wis­sen ist bekannt­lich Macht. Der­sel­ben Über­prü­fung ist auch die Apo­sto­li­sche Güter­ver­wal­tung des Vati­kans unter­wor­fen (sie­he Der Vati­kan unter Papst Fran­zis­kus ein Para­dies der Bera­ter und Homo-Lob­by­is­mus: McK­in­sey, Ernst & Young, KPMG… und alle arbei­ten für den Vati­kan).

Füh­ren­de Ver­tre­ter von Pro­mon­to­ry sit­zen inzwi­schen an zen­tra­len Schalt­he­beln der Vatik­an­bank. Der neue Gene­ral­di­rek­tor Rodol­fo Mar­ran­ci kommt direkt von Pro­mon­to­ry. Eliza­beth McCaul, Lei­ter der Pro­mo­to­ry-Nie­der­las­sung New York, und Raf­fae­le Cosi­mo, Lei­ter der Pro­mon­to­ry-Nie­der­las­sung Euro­pa, sind heu­te Seni­or Advi­ser der Vatik­an­bank. Von Über­see kommt auch Anto­nio Mon­ta­re­si, der als neu­er Chief Risk Offi­cer der Bank des Hei­li­gen Stuhls tätig ist. Eine Funk­ti­on, die es zuvor nicht gab. Bei Pro­mo­to­ry arbei­tet, nach sei­ner Lehr­zeit bei Gold­man Sachs, auch Lou­is-Vic­tor Dou­ville de Frans­su, des­sen Vater Jean-Bap­ti­ste neu­er Prä­si­dent der Vatik­an­bank ist.

„Gegen­über den Super­mäch­ten der Welt­fi­nanz dop­pelt sich Papst Fran­zis­kus“, so der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster. „Auf der einen Sei­te knüp­pelt er sie uner­bitt­lich, wie auch in der Enzy­kli­ka Lau­da­to si, aller­dings immer in einer sehr all­ge­mei­nen Form, ohne daß man je ver­steht, ob sein Fall­beil auch Mario Draghi und der Euro­päi­schen Zen­tral­bank, Chri­sti­ne Lag­ar­de und dem Welt­wäh­rungs­fonds sowie Janet Yel­len und der Fede­ral Reser­ve gilt.
Auf der ande­ren Sei­te ruft er aus­ge­rech­net das Gotha der Welt­fi­nanz­tech­no­kra­tie, um die Finan­zen des Vati­kans in Ord­nung zu brin­gen, ange­fan­gen bei der Vatik­an­bank IOR, die inzwi­schen fak­tisch der Pro­mon­to­ry Finan­cial Group mit Sitz in Washing­ton über­ge­ben wurde.“

Promontory’s Auftrag? – Fleck auf der weisen Weste

Pro­mon­to­ry hat heu­te welt­weit eine exklu­si­ve Stel­lung inne. Die Grup­pe „arbei­tet an der Gren­ze zwi­schen Öffent­li­chem und Pri­va­tem wie ein Schat­ten­kon­trol­leur und ‑regu­la­tor, der von den ame­ri­ka­ni­schen Behör­den ein­ge­setzt wird, um über die Bera­tungs­tä­tig­keit bis zu den unsicht­bar­sten Ope­ra­tio­nen der Ban­ken aller Län­der vor­zu­drin­gen. Euge­ne A. Lud­wig lei­te­te wäh­rend der Prä­si­dent­schaft von Bill Clin­ton das Office of the Compt­rol­ler of the Cur­ren­cy der US-Regie­rung, das unter ande­rem für die Über­wa­chung des natio­na­len Kre­dit­we­sens ein­schließ­lich Über­prü­fung der Zah­lungs–, der Wett­be­werbs– und der Funk­ti­ons­fä­hig­keit der US–amerikanischen Kre­dit­in­sti­tu­te zustän­dig ist. Heu­te ist er Chef von Pro­mon­to­ry. Eine gan­ze Rei­he von Ver­tre­tern der U.S. Secu­ri­ties and Exch­an­ge Com­mis­si­on wech­sel­ten zu Pro­mon­to­ry.

Die blü­ten­wei­se Weste von Pro­mon­to­ry, ein uner­bitt­li­cher Arm des Geset­zes zu sein, hat am 3. August aller­dings einen Fleck bekom­men. Das Finanz­mi­ni­ste­ri­um des Staa­tes New York unter­sag­te dem Finanz­kon­troll­un­ter­neh­men jede wei­te­re Tätig­keit im Staat. Pro­mon­to­ry wird vor­ge­wor­fen, Geld­über­wei­sun­gen der eng­li­schen Stan­dard Char­te­red Bank in Dubai zugun­sten von Emp­fän­gern im Iran nicht blockiert zu haben, obwohl gegen den Iran Sank­tio­nen ver­hängt sind.

Die Sus­pen­die­rung im Staat New York betrifft nicht die Akti­vi­tä­ten im Vati­kan. Den­noch han­delt es sich um einen schwer­wie­gen­den Image­scha­den für das Unter­neh­men, wenn­gleich die Hin­ter­grün­de für die Ent­schei­dung des New Yor­ker Finanz­mi­ni­ste­ri­ums noch nicht ganz klar sind. Pro­mon­to­ry hat ange­kün­digt, gegen die Ent­schei­dung beim Ober­sten Gerichts­hof des Staa­tes Rekurs einzulegen.

„Papst überzeugt, daß die Welt das Opfer eines internationalen Finanzimperiums ist“

Der Hei­li­ge Stuhl kom­men­tier­te das Ereig­nis nicht. „Die Irri­ta­ti­on von Jor­ge Mario Berg­o­glio kann man sich jedoch leicht vor­stel­len“, so Magi­ster. „Der Vor­fall wird die Über­zeu­gung von Papst Fran­zis­kus wei­ter ver­stär­ken, daß die Welt die Beu­te eines inter­na­tio­na­len Finanz­im­pe­ri­ums ist, des­sen ein­zi­ges Ziel der Pro­fit und des­sen Instru­ment das ‚Aus­son­dern‘ der wach­sen­den Zahl der Armen ist“, so der Vatikanist.

Es ist nicht bekannt, ob Papst Fran­zis­kus das Buch von Tho­mas Piket­ty „Der Kapi­ta­lis­mus des 21. Jahr­hun­derts“ gele­sen hat, aber er teilt des­sen Grund­the­se einer struk­tu­rel­len Zunah­me der Ungleichheit.

Papst: Mittelstand bald unbedeutend – Naomi Klein interpretiert im Vatikan Öko-Enzyklika

LGBT-Kollektiv Teilnahme mit Papst Franziskus
Ver­tre­ter des offi­zi­ell ein­ge­la­de­nen LGBT-Kol­lek­tivs beim Tref­fen mit Papst Fran­zis­kus in San­ta Cruz

Am 12. Juli von einem deut­schen Jour­na­li­sten auf dem Rück­flug von Para­gu­ay gefragt, gab der Papst zu, daß es ein „Feh­ler“ war, in sei­ner Ana­ly­se die Mit­tel­schicht zu ver­nach­läs­si­gen, füg­te aber hin­zu, daß die­se ohne­hin „immer klei­ner wird“, weil sie durch die Pola­ri­sie­rung zwi­schen Rei­chen und Armen auf­ge­rie­ben werde.

„Es spielt kei­ne Rol­le, daß die rea­len Zah­len das Gegen­teil aus­sa­gen. Er, der Papst, hat ent­schie­den, auf wel­cher Sei­te er steht. Er ver­sam­mel­te um sich, was er ‚Volks­be­we­gun­gen‘ nennt, das erste Mal im Vati­kan und das zwei­te Mal in San­ta Cruz in Boli­vi­en: die Glo­ba­li­sie­rungs­geg­ner, die Occu­py Wall Street, die Indi­gna­dos, die Coca­le­ros, kurz­um eine Viel­zahl von Rebel­len gegen die Herr­schaft des Kapi­tals, in denen er die Avant­gar­de einer neu­en Mensch­heit sieht“, so Magister.

Die von ihm bei den bei­den Anläs­sen gehal­te­nen Reden stel­len das poli­ti­sche Mani­fest von Papst Fran­zis­kus dar. Es ist kein Zufall, daß der argen­ti­ni­sche Kuri­en­bi­schof Sanchez Sor­on­do, der dem Papst in die­ser Fra­ge am näch­sten steht, Nao­mi Klein, den Welt­star der Glo­ba­li­sie­rungs­geg­ner rekru­tier­te, um im Vati­kan die Öko-Enzy­kli­ka Lau­da­to si zu kommentieren.

Die poli­ti­sche Uto­pie von Papst Fran­zis­kus ist wenig post­mar­xi­stisch, aber sehr argen­ti­nisch. Das ent­schei­den­de Wesens­merk­mal ist ein aus­ge­präg­ter Popu­lis­mus, der sei­ne Wur­zeln in der „Volks­theo­lo­gie“, der „Argen­ti­ni­schen Schu­le“ der Befrei­ungs­theo­lo­gie, hat. Eine Theo­lo­gie, die vom Jesui­ten Juan Car­los Scan­no­ne, dem Leh­rer Berg­o­gli­os ver­tre­ten wird.

„Volkstheologie“ der Erklärungsschlüssel?

Papst mit "seinen" Volksbewegungen in Santa Cruz
Papst mit „sei­nen“ Volks­be­we­gun­gen in San­ta Cruz

Der Histo­ri­ker Rober­to de Mat­tei schrieb 2013, weni­ge Tage nach der Wahl von Papst Fran­zis­kus: „Die Opti­on für die Armen von Kar­di­nal Berg­o­glio wur­zelt vor allem in den Leh­ren von Lucio Gera und Rafa­el Tel­lo, den Ver­tre­tern einer Volks­theo­lo­gie, deren Wesens­merk­mal die Erset­zung der Ideo­lo­gie des bewaff­ne­ten Kamp­fes durch eine prak­ti­zier­te Armut ist. Car­los Pagni, der in der argen­ti­ni­schen Tages­zei­tung La Nación vom 21. März die ‚Regie­rungs­me­tho­de Berg­o­glio‘ ana­ly­sier­te, erklärt die theo­lo­gi­schen Grün­de, war­um die „Peri­phe­rie“ eine zen­tra­le Stel­lung in der ideo­lo­gi­schen Land­schaft des Erz­bi­schofs Berg­o­glio ein­nimmt. Die ‚Armen‘ sind dem­zu­fol­ge pri­mär nicht eine hilfs­be­dürf­ti­ge sozio­lo­gi­sche Rea­li­tät, son­dern ein theo­lo­gi­sches Sub­jekt, von dem man ler­nen soll: ‚Die­se päd­ago­gi­sche Hal­tung hat eine reli­giö­se Wur­zel: das Ver­hält­nis des [armen] Vol­kes zu Gott wäre ursprüng­li­cher, weil die mate­ri­el­le Ver­un­rei­ni­gung [in die­sem Ver­hält­nis] fehlt‘.“

Ob die Anhän­ger der „Volks­be­we­gun­gen“ es auch so sehen? Fest steht, daß für Papst Fran­zis­kus, das „Volk“ in sich gut ist und es daher an sei­ner Sei­te zu ste­hen gilt. In der theo­lo­gi­schen und nicht sozio­lo­gi­schen Les­art der „Volks­theo­lo­gie“ liegt viel­leicht auch der Schlüs­sel, war­um Papst Fran­zis­kus einer­seits jene links­ra­di­ka­len Glo­ba­li­sie­rungs­geg­ner um sich schart, in denen er die „Avant­gar­de einer neu­en Mensch­heit“ zu sehen glaubt, und gleich­zei­tig die Vati­kan­finan­zen den Tech­no­kra­ten der kri­ti­sier­ten Welt­fi­nanz überträgt.

Das Ergeb­nis die­ser zwei­glei­si­gen Hal­tung gegen­über der Glo­ba­li­sie­rung ist frei­lich völ­lig offen. Ein Grund dafür liegt auch dar­in, daß Signa­le aus­ge­sen­det wer­den, die Bot­schaft aber (viel­leicht absicht­lich) ambi­va­lent bleibt.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Movi­mi­en­to Popu­la­res (Screenshot)/katholisches.info (Mon­ta­ge)

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