(Rom) „Che vi sia ciascun lo dice, dove sia nessun lo sa“, läßt Lorenzo Da Ponte den Don Alfonso in Mozarts Oper „Così fan tutte“ singen. Was dort auf die „Weibertreue“ gemünzt ist, stellte der Vatikanist Sandro Magister in Zusammenhang mit dem von Kardinal Walter Kasper betonten „Bußweg“ für wiederverheiratete Geschiedene. „Jeder weiß davon zu schwatzen; Doch wo er ist? Das weiß man nicht.“
Der französische Dominikaner Thomas Michelet, Doktorand an der Theologischen Fakultät der Universität Freiburg im Üchtland, deckt alle Widersprüche rund um den „Phönix aus Arabien“ auf, den die Kasperianer in das Vorbereitungspapier für die Bischofssynode im Herbst hineingeschrieben haben.
Pater Michelet lenkt die Aufmerksamkeit auf eine „obskure Passage“ (Sandro Magister) im Instrumentum laboris der Synode über die Familie im kommenden Oktober.
Mangels lateinischem Original gilt italienische Fassung als „authentisch“?
„Obskur“ ist die Stelle im Paragraph 123 des Arbeitspapiers. In Ermangelung eines lateinischen Originals muß die italienische Ausgabe als „authentisch“ angenommen werden. Die deutsche Übersetzung lautet: „Um das angesprochene Thema angehen zu können, gibt es im Hinblick auf die zivil wiederverheirateten Geschiedenen, welche unwiderruflich in einer neuen Partnerschaft leben, bezüglich der Idee eines Prozesses der Versöhnung oder eines Bußweges unter der Autorität des Bischofs eine gewisse Übereinstimmung.“
In der englischen Übersetzung ist von „a great number agree that a journey of reconciliation or penance“ die Rede.
In der italienischen Fassung heißt es jedoch: „c’à un comune accordo sulla ipotesi di un itinerario di riconciliazione o via penitenziale“, zu übersetzen als „es besteht Übereinstimmung“, „man ist sich einig“ oder „es herrscht Einvernehmen“.
Die spanischen, französischen und portugiesischen Übersetzungen folgen mit „existe un común acuerdo“, „un commun accord“ und „existe um comum acordo“ dem italienischen Text.
Wann und wie kam angebliche „Übereinstimmung“ zustande?
Der Theologe Michelet merkt dazu an, daß nicht ersichtlich sei, wo diese angebliche „Übereinstimmung“ zustande gekommen und festgestellt worden sein soll.
Vor allem aber, so der junge Dominikaner, sei die behauptete „Übereinstimmung“ inhaltlich alles andere als klar. Wie beim Phönix aus Arabien rede zwar jeder darüber, doch was er ist, das wisse niemand genau.
Diese mangelnde Klarheit berge die Gefahr, daß auch das Schlußdokument der Synode zweideutig werde, so Pater Michelet. Damit wäre aber das Tor zu unterschiedlichen pastoralen Praktiken offen, was die Einheit der Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe selbst dann untergraben würde, wenn diese den Worten nach im Dokument bekräftigt wird.
Aus diesem Grund bestehe dringender Klärungsbedarf, was unter dem von Kardinal Kasper in die Diskussion eingeführten „Bußweg“ zu verstehen sei. Denn nach Kaspers Vorstellung sollte dieser „Bußweg“ den wiederverheirateten Geschiedenen die Tür zum Kommunionempfang öffnen, obwohl diese ihnen offiziell eigentlich verschlossen bliebe.
„Bußweg“ oder „ordo paenitentium“?
Pater Michelet legte bereits im vergangenen Frühjahr in der renommierten theologischen Fachzeitschrift Nova & Vetera der Theologischen Fakultät der Schweizer Universität den Vorschlag vor, wiederzubeleben, was die frühe Kirche als ordo paenitentium für jene kannte, die sich in einem dauerhaften Zustand befanden, der von der göttlichen Ordnung abweicht. Ein Weg zu einer wirklichen Bekehrung, der viele Jahre oder auch ein Leben lang dauern kann.
Nun meldete sich der Dominikaner erneut zu Wort und wirft Kardinal Kasper und dessen Anhängern, die den wiederverheirateten Geschiedenen die Zulassung zur Kommunion gewähren wollen, vor, daß ihr Vorschlag nicht wie behauptet der Barmherzigkeit Gottes entspreche, sondern das exakte Gegenteil dessen sei und vielmehr der Barmherzigkeit Gottes widerspreche.
Kaspers Vorschlag: Zivilehe als einzige Sünde mit Vergebung ohne Abkehr von der Sünde
Mehr noch: Ein Zugeständnis, wie es Kardinal Kasper vertritt, würde aus der Zivilehe „die einzige Sünde machen, für die es möglich ist, Vergebung zu erlangen ohne vorher auf die Sünde verzichtet zu haben“. Damit würden gleich drei Sakrament direkt an der Wurzel angegriffen und untergraben: das Sakrament der Ehe, der Eucharistie und der Buße.
Der ordo paenitentium der frühen Kirche sei etwas ganz anderes gewesen. Er sei, so Pater Michelet, in Übereinstimmung mit den Geboten Jesu und der kirchlichen Überlieferung erfolgt.
Die in italienischer Sprache verfaßte Kritik am Instrumentum laboris von Pater Thomas Michelet veröffentlichte Sandro Magister.
Der erste Aufsatz von Pater Michelet „Synode sur la famille: la voie de l’ordo paenitentium“ erschien in französischer Sprache in Nova & Vetera 90/1 (2015), S. 55–80.
Widerspruch vom „Fels der Barmherzigkeit“ gegen Kaspers „neue Barmherzigkeit“
Pater Michelet gehört dem Dominikanerkonvent von Sainte-Baume (okzitanisch Santo Baumo) in der Provence an, wörtlich der „Heiligen Grotte“ der heiligen Maria Magdalena, die der örtlichen Überlieferung nach die Provence evangelisierte. Gesichert ist, daß der heilige Wüstenvater Johannes Cassianus 415 an dieser Stelle eine erste Mönchsgemeinschaft in Europa gründete, die noch im Frühmittelalter die Bendiktinerregel annahm.
Im 13. Jahrhundert wurde, so die Annahme, das Grab Maria Magdalenas wiederentdeckt. Die Heilige Grotte, bereits zuvor ein bedeutender Wallfahrtsort, wurde zur wichtigsten Wallfahrt der Provence. 1295 übertrug Papst Bonifaz VIII. die Betreuung des Heiligtums den Dominikanern. Während der französischen Revolution litt der Wallfahrtsort großen Schaden. Die Kirche wurde entweiht, die Sakraldarstellungen zerstört und die Heilige Grotte in „Termophylen“ umbenannt. Nach dem Sturz Napoleons begann die Wiederherstellung und wurden die Wallfahrten wieder aufgenommen.
Der Berg, in dem sich die „Heilge Grotte“ befindet, wird seit alters auch „Fels der Barmherzigkeit“ genannt. Das entscheidende Stichwort in der Argumentation von Kardinal Kasper, das den Sainte Baumer Dominikaner, Pater Michelet, herausforderte, der am „Fels der Barmherzigkeit“ lebt und wirkt.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons/Sainte-Baume