Vinzenz von Lérins, Mahnschrift – Eine spätantike Schrift höchst aktuell


Heiliger Vinzenz von Lérins, Kirchenvater
Heiliger Vinzenz von Lérins, Kirchenvater

von Wolf­ram Schrems*

Anzei­ge

Seit eini­gen Jahr­zehn­ten betrach­tet man eine pro­fun­de Ver­wir­rung im Den­ken. Sie hängt mit der aus dem Dar­wi­nis­mus stam­men­den Vor­stel­lung von der „Trans­for­ma­ti­on“ zusam­men. Es han­delt sich um ein mitt­ler­wei­le typi­sches New-Age-Ideo­lo­gem, wonach sich eine Sache in eine ande­re „ent­wickeln“ kön­ne. Aus­ge­hend vom Dar­wi­nis­mus, nach dem man mein­te, „aus“ den Amphi­bi­en wür­den sich die Rep­ti­li­en ent­wickeln, und „aus“ dem Affen der Mensch, schlos­sen man­che, Ana­lo­ges gel­te auch für Ideo­lo­gien, Mei­nun­gen und Wis­sen­schaf­ten (außer natür­lich für den Dar­wi­nis­mus selbst). Heu­te hat man bei­spiels­wei­se die Hoff­nung, der Islam wer­de sich zu einem fried­li­chen „Euro-Islam“ „ent­wickeln“. Und schließ­lich sagen man­che, das Chri­sten­tum hät­te sich auch „wei­ter­ent­wickelt“ und das II. Vati­ka­ni­sche Kon­zil habe alte Posi­tio­nen obso­let gemacht. Der Car­thu­sia­nus-Ver­lag brach­te 2011 die ein­schlä­gi­ge Abhand­lung von Vin­zenz von Lérins, das soge­nann­te Com­mo­ni­to­ri­um, „Mahn­schrift“ (ca. 430), in einer aus­führ­lich ein­ge­lei­te­ten und kom­men­tier­ten zwei­spra­chi­gen Aus­ga­be auf den Buchmarkt.

Die Nüchternheit des überzeitlich Gültigen gegen die Euphorie der „Moderne“

Aber wie soll ein Trak­tat aus der Anti­ke „moder­ne“ Fra­gen adäquat behan­deln können?

Nun, genau da liegt das Pro­blem einer von „Evo­lu­ti­ons­ge­dan­ken“ ver­ne­bel­ten „Moder­ne“.

Denn „moder­ne Fra­gen“ gibt es nicht. Es gibt nur die über­zeit­li­chen Fra­gen des Men­schen nach dem Guten, Wah­ren und Schö­nen und vor allem die nach sei­nem ewi­gen Heil.

Vinzenz von Lerins Commonitorium
Vin­zenz von Lérins „Com­mo­ni­to­ri­um“

Seit der Offen­ba­rung Got­tes in Jesus Chri­stus sind die­se Fra­gen geklärt, der Weg zum Heil eröff­net, alle Alter­na­tiv- und Gegen­vor­schlä­ge dazu daher ins Unrecht gesetzt.

Die Fra­ge, die sich aber stellt, ist, wie der Gläu­bi­ge legi­ti­me Ent­fal­tun­gen der Glau­bens­leh­re von häre­ti­schen Neue­run­gen unter­schei­den kann. Vin­zenz von Lérins (geb. um 380, gest. zwi­schen 440 und 450), Mönch des Klo­sters der Insel Lérins (spä­ter nach dem Grün­der­abt St. Hono­rat benannt), fünf Kilo­me­ter vor der fran­zö­si­schen Mit­tel­meer­kü­ste, bot dazu in sei­ner „Mahn­schrift“ eine her­vor­ra­gen­de Orientierung.

Der ursprüng­li­che Anlaß des Wer­kes könn­te eine Abgren­zung vom Spät­werk des hl. Augu­sti­nus gewe­sen sein (wie man­che Gelehr­te mei­nen). Die­ses wur­de von man­chen wegen des­sen Radi­ka­li­sie­rung der Gna­den­leh­re und der Prä­de­sti­na­ti­on als ille­gi­ti­me Neue­rung emp­fun­den. Es könn­te sich aber auch gegen Schü­ler des hl. Augu­sti­nus gerich­tet haben, die die Leh­re ihres Mei­sters in das Absur­de geführt haben.

Wie auch immer der kon­kre­te Anlaß gewe­sen sein mag, das Com­mo­ni­to­ri­um wur­de ein Klas­si­ker für das Tra­di­ti­ons­prin­zip und die Fra­ge nach der Ent­wick­lung des Glau­bens. John Hen­ry New­man hat es für sein gran­dio­ses Werk „An Essay on the Deve­lo­p­ment of Chri­sti­an Doc­tri­ne“ (1845, Neu­auf­la­ge 1878) auf­ge­grif­fen. Die kirch­li­che Lehr­au­tori­tät hat es an ver­schie­de­nen Stel­len rezipiert.

„Quod ubique, quod semper, quod ab omnibus“

Die­se Merk­re­gel ist das erste, was man nor­ma­ler­wei­se mit Vin­zenz asso­zi­iert. Sie dient als Kri­te­ri­um für den Glau­ben der Kir­che in Abgren­zung von Abwei­chun­gen oder Neu­erfin­dun­gen aller Art:

„‚In der katho­li­schen Kir­che ist in beson­de­rem Maße dafür Sor­ge zu tra­gen, dass wir das fest­hal­ten, was über­all, was immer, was von allen geglaubt wur­de: das ist näm­lich wahr­haft und eigent­lich katho­lisch‘ (comm. 2,5). Noch­mals kom­pri­miert Vin­zenz sei­nen soge­nann­ten ersten Kanon, indem er des­sen Ele­men­te prä­gnant mit den Begrif­fen Uni­ver­sa­li­tät (uni­ver­si­tas), Alter (anti­qui­tas) und Kon­sens (con­sen­sio) umschreibt (…)“ (81).

Vin­zenz exem­pli­fi­ziert die­ses Prin­zip, indem er es auf Häre­si­en sei­ner Zeit oder der unmit­tel­ba­ren Ver­gan­gen­heit anwen­det (Aria­nis­mus, Dona­tis­mus, Nestorianismus).

Glaubensprüfung: Häresie gegen organische Entwicklung

Von beson­de­rem Inter­es­se ist die Inter­pre­ta­ti­on einer Stel­le aus dem mosai­schen Gesetz. In Deu­te­ro­no­mi­um (Dtn) 13, 2 – 6 warnt Moses vor Pro­phe­ten und Traum­deu­tern, die ande­re Göt­ter bzw. frem­de Leh­ren ein­füh­ren wol­len. Auf die Geschich­te des Neu­en und end­gül­ti­gen Bun­des umge­legt heißt das: Gott läßt das Auf­tre­ten fal­scher Pro­phe­ten zu, um die Glau­bens­treue sei­nes Vol­kes zu prü­fen. Vin­zenz weist dar­auf hin, daß es oft ernst­haf­te und anson­sten mora­lisch unta­de­li­ge Leu­te sind, die ille­gi­ti­me Neue­run­gen ein­füh­ren, unter ihnen Prie­ster und Bischö­fe. In der Zeit, als das Com­mo­ni­to­ri­um geschrie­ben wur­de, waren Ter­tul­li­an (gest. um 220) und Orig­e­nes (gest. um 254) bereits klas­si­sche Bei­spie­le für ver­dienst­vol­le Autoren, die aber den­noch Irr­leh­ren zum Opfer gefal­len sind.

Abtei Notre Dame de Lerins. Auf der Insel vor der Südküste Frankreichs lebte der Kirchenvater.
Abtei Not­re Dame de Lerins. Auf der Insel vor der Süd­kü­ste Frank­reichs leb­te der Kirchenvater.

Vin­zenz sagt nun, daß die­se Vor­komm­nis­se den Glau­ben der Katho­li­ken testen sollen.

Damit ist natür­lich auch aus­ge­sagt, daß der katho­li­sche Glau­be ein – wenn man das so sagen will – „demo­kra­ti­sches“ Ele­ment besitzt: Alle, auch Papst, Bischö­fe und Prie­ster müs­sen sich an die­sel­ben Glau­bens­in­hal­te, an die­sel­ben Gebo­te und an die­sel­ben lit­ur­gi­schen Vor­schrif­ten hal­ten. Es gibt kei­ne Geheim­leh­ren, die nur ver­schwo­re­nen Zir­keln zugäng­lich wären. Alle Glau­bens­leh­ren, die schrift­li­chen und die münd­li­chen sind der gesam­ten Kir­che anver­traut und sind grund­sätz­lich jeder­mann zugänglich.

Dabei gibt es eine legi­ti­me Ent­wick­lung im Sin­ne der Aus­fal­tung des ein­schluß­wei­se Geglaub­ten. Die Leh­re von der Unbe­fleck­ten Emp­fäng­nis ist z. B. eine sol­che legi­ti­me, orga­ni­sche Ent­fal­tung, da sie im (münd­lich und schrift­lich geof­fen­bar­ten) Glau­bens­gut ange­legt ist.

Fied­ro­wicz führt aus:

„Daher bedien­te sich auch Vin­zenz die­ses Ver­glei­ches mit der natür­li­chen Ent­fal­tung des Leben­di­gen, indem er das Wachs­tum zunächst des mensch­li­chen Lei­bes, dann des pflanz­li­chen Samens anführ­te (comm. 23,4–12), um die Kom­pa­ti­bi­li­tät der Unwan­del­bar­keit des Wesens und der all­mäh­li­chen Aus­for­mung der Gestalt auf­zu­wei­sen, aber auch homo­ge­nen Fort­schritt und sub­stan­ti­el­le Ver­än­de­rung von­ein­an­der abzu­gren­zen“ (116).

Neuerung als vermeintliche „Aufklärung“ – sehr aktuell

Vinzenz von Lerins
Vin­zenz von Lérins (um 380–440/450)

Vin­zenz beruft sich auf die klas­si­sche Stel­le 1 Tim 6, 20, in denen von den „Neue­run­gen“ einer so genann­ten „Erkennt­nis“ bzw. „Wis­sen­schaft“ (gr. gno­sis, lat. sci­en­tia) gewarnt wird. Die­se War­nung war also schon 20 bis 30 Jah­re nach der Him­mel­fahrt Chri­sti von­nö­ten. Tra­di­ti­ons­pro­zes­se gehen erfah­rungs­ge­mäß schnell von­stat­ten. Eben­so sind schon in der frü­hen Kir­chen­ge­schich­te Ver­fäl­schun­gen der ursprüng­li­chen Bot­schaft aufgetaucht.

Vin­zenz bezieht sich also auf den ersten Timo­theus­brief des Völ­ker­apo­stels, wenn er schreibt:

Mei­de, spricht er, die unhei­li­gen Wort­neue­run­gen. Er sagt nicht ‚die alten Leh­ren‘, nicht ‚die her­kömm­li­chen Leh­ren‘; viel­mehr zeigt er deut­lich auf, was dar­aus als Gegen­satz folgt: denn wenn die Neue­rung zu mei­den ist, so ist am Alten fest­zu­hal­ten, und wenn die Neue­rung unhei­lig ist, so ist das Her­kom­men gehei­ligt. Und die Anti­the­sen der fälsch­lich so genann­ten Erkennt­nis, spricht er. Ein wahr­haft fal­scher Name für die Leh­ren der Häre­ti­ker: so wird die Unwis­sen­heit mit dem Namen des Wis­sens, der Nebel­dunst mit dem Namen der Auf­klä­rung und die Fin­ster­nis mit dem Namen des Lich­tes über­schminkt“ (261).

Die „Auf­klä­rung“ ist hier also ein Eti­kett für eine Ideo­lo­gie, die den über­lie­fer­ten Glau­ben neu deu­ten und damit erset­zen soll. Häu­fig ist es der Typ arro­gan­ter Exper­te, der den Hin­ter­wäld­lern erklärt, wie es wirk­lich geht – damals wie heute:

Das 20. Jahr­hun­dert bie­tet beson­ders in Gestalt „pro­mi­nen­ter“ Kon­zils­theo­lo­gen rei­ches Anschau­ungs­ma­te­ri­al für sol­che ille­gi­ti­men Hohen­prie­ster des „Exper­ten­tums“, die auf die ein­fa­chen Gläu­bi­gen her­ab­schau­en und tra­di­ti­ons­ori­en­tier­te Fach­kol­le­gen ver­spot­ten und verleumden.

Vin­zenz von Lérins hat dage­gen eine wahr­haft pasto­ra­le, seel­sor­ger­li­che Ein­stel­lung, wenn er den Völ­ker­apo­stel para­phra­siert und eine gleich­sam klas­si­sche For­mu­lie­rung findet:

„Durch dei­ne Erklä­rung soll kla­rer ver­stan­den wer­den, was zuvor dunk­ler geglaubt wur­de. Durch dich sol­len die Nach­kom­men die glück­li­che Ein­sicht in das erhal­ten, was die alte Zeit vor­her ver­ehr­te, ohne es zu ver­ste­hen. Den­noch leh­re das­sel­be, was du gelernt hast, so dass du, falls du es neu sagst, nichts Neu­es sagst [ut cum dicas nove, non dicas nova]“ (265).

Resümee

Das Werk ist allen ans Herz zu legen, die sich für die Fra­ge nach der Ent­wick­lung der kirch­li­chen Leh­re inter­es­sie­ren. Es setzt zwar ein erheb­li­ches Pro­blem­be­wußt­sein in theo­lo­gi­schen Fra­gen und mehr als ein rudi­men­tä­res Basis­wis­sen in Kir­chen­ge­schich­te vor­aus, ande­rer­seits wird der Stoff durch Ein­lei­tung und Kom­men­tar gut erläutert.

Das Werk ist her­vor­ra­gend aus­ge­ar­bei­tet. Umfang­rei­che Biblio­gra­phie, Per­so­nen­in­dex und Sach­in­dex machen das Buch zu einer wis­sen­schaft­li­chen Quel­le. Zwei, drei klei­ne Unacht­sam­kei­ten fal­len nicht ins Gewicht.

Die Arbeits­lei­stung des Her­aus­ge­bers und der Über­set­ze­rin ist über­aus ein­drucks­voll. Letz­te­rer ist ein flüs­si­ger und gut les­ba­rer deut­scher Text gelungen.

Möge es eine wei­te Ver­brei­tung finden.

Vin­zenz von Lérins, Com­mo­ni­to­ri­um, Mit einer Stu­die zu Werk und Rezep­ti­on her­aus­ge­ge­ben und kom­men­tiert von Micha­el Fied­ro­wicz, über­setzt von Clau­dia Bar­thold, Car­thu­sia­nus-Ver­lag, Mülheim/​Mosel 2011, 368 S. www​.car​thu​sia​nus​.de

*MMag. Wolf­ram Schrems, Linz und Wien, katho­li­scher Theo­lo­ge und Phi­lo­soph, Katechist

Bild: Car­thu­sia­nus Verlag/​Fraternité de St. Vin­cent de Lérins

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8 Kommentare

  1. Das ist problematisch:

    1. Was geglaubt wer­den soll, ist nach der Leh­re der Kir­che aus­schließ­lich das, was durch den Stell­ver­tre­ter Chri­sti als zu Glau­ben­des defi­niert wird.
    Die Leh­re Vin­zenz von Lerins stellt eine theo­lo­gi­sche Mei­nung dar, NICHT die Leh­re der Kir­che – auch wenn man dar­auf teil­wei­se bis heu­te Bezug nahm. 

    2. Bezug­neh­mend auf die Prin­zi­pi­en des Kanons von Vin­zens von Lerin, spal­te­te sich die Alt­ka­tho­li­sche Kir­che nach dem Vati­ca­num I ab – es wur­de nicht immer, über­all und allen geglaubt, dass der Papst unfehl­bar leh­re. An die­sem Fak­tum wird die Irrig­keit einer Bezug­nah­me auf Vin­zenz sicht­bar, wenn damit Wider­stand gegen den Papst recht­fer­ti­gen will. 

    3. Ein Papst kann sehr wohl Din­ge ver­kün­den, die von gewich­ti­gen Zeu­gen und Vätern abge­lehnt wur­den. Berühmt das Dog­ma von der unbe­fleck­ten Emp­fäng­nis. Hei­li­ge und Kir­chen­leh­rer haben es abge­lehnt – einschl. des Hl. Tho­mas. Es ist dann irrele­vant, was eine gro­ße Zahl vor­her gemeint oder gedacht hat!

    4. Es ist ein Irr­tum zu glau­ben, die zu glau­ben­de Wahr­heit sei in Wahr­heit schon im Alter­tum über­all und jedem klar gewesen.
    Sie war es nicht!
    Wie­so sonst gan­ze Kir­chen­spal­tun­gen des­we­gen und wie­so die erbit­ter­ten Auseinandersetzungen?
    Wenn gan­ze Kir­chen­re­gio­nen weg­bre­chen um die­ser Fra­gen wil­len, und dies schon kurz nach Chri­stus, dann kann man unmög­lich davon aus­ge­hen, dass sie immer, über­all und von allen geglaubt wurden.

    Wenn nur das Lehr­amt die Voll­macht hat, das, was geglaubt wer­den muss, ver­bind­lich zu for­mu­lie­ren, dann kann es nicht zuvor schon ohne­hin weit­ge­hend nach dem Kon­sens­prin­zip klar gewe­sen sein, son­dern zeigt, dass nichts sem­per ubi­que et ab omni­bus geg­alubt wur­de – war­um sonst Lehr­ent­schei­de in die­ser Vollmacht?

    Das Vor­han­den­sein stark ver­tre­te­ner theo­lo­gi­scher Mei­nun­gen ist kein Wahrheitskriterium.

    5. Man gerät hier bereits mit einem Fuß in den Bereich der Irr­leh­re – auf der Basis des Vin­zenz: Es stimmt zwar – nach Pastor aeter­nus – dass kein Papst sich über das, was über­lie­fert ist, hin­weg­set­zen darf. Aber was VERBINDLICH über­lie­fert ist, ist das, was das Lehr­amt als zu Glau­ben­des vor­ge­legt hat – nicht das, was viel­leicht sonst noch an theo­lo­gi­schen Mei­nun­gen oder mysti­schen Erfah­run­gen ver­schrift­lich wur­de. Erst die lehr­amt­li­che Bestä­ti­gung gibt einer sol­chen Mei­nung den Cha­rak­ter der „Über­lie­fe­rung“.

    Gemes­sen wer­den darf also nicht an dem, was eine Mehr­heit der Väter schrieb, Mot­to: Je älter desto wah­rer, son­dern logisch und geist­lich aus­schließ­lich an dem, was mit hohen Gra­den an Gewiss­heit bereits defi­niert wurde.

    • 6. Die Tran­for­ma­ti­ons­leh­re geht kei­nes­wegs auf Dar­win zurück. Das ist sach­lich kurz­sich­tig und falsch.

      Sie lief das gesam­te Zeit­al­ter seit Chri­stus mit. Im Abend­land beson­ders in den Geheim­leh­ren der Alche­mi­sten, die von einer aus­ge­präg­ten Trans­mu­ta­ti­ons­leh­re aus­gin­gen. Die­se Ideen haben sich in allen eso­te­ri­schen Phi­lo­so­phien fort­ge­setzt. Selbst in unse­ren Mär­chen­bü­chern schlug sich das nie­der: der Zau­be­rer ver­wan­delt die Prin­zes­sin in eine häss­li­che Krö­te und zurück. 

      Die Trans­mu­ta­ti­on oder auch Trans­for­ma­ti­on ist uner­läss­li­cher Bestand­teil der vor­christ­li­chen Vor­stel­lungs­wel­ten der Kel­ten und Ger­ma­nen und fun­diert auch bei den heu­ti­gen Eso­te­ri­kern deren Nei­gung zur Annah­me vie­ler Wahr­hei­ten, die alle irgend­wie inein­an­der über­ge­hen etc. etc. Bis hin zur Trans­for­ma­ti­on des Selbst ins Nir­wa­na, das als Auf­lö­sung aller schein­ba­ren Wider­sprü­che gese­hen wer­den kann.
      Wir fin­den die pro­blem­lo­se Vor­stel­lung von Trans­mu­ta­tio­nen auch in allen heid­ni­schen Kul­tu­ren. Teil­wei­se über­la­gert sich das mit Emana­ti­ons­leh­ren, in denen ein Auf- und Abstieg der Ver­wand­lun­gen vom Höhe­ren zum Nied­ri­ge­ren (bzw. umge­kehrt) gedacht wird.

      Der „Ent­wick­lungs­ge­dan­ke“ in die­sem Sin­ne ist also zen­tra­le Kraft heid­ni­schen und anti­christ­li­chen Denkens.

      7. Weil das so ist, kann nicht der Kon­sens Maß­stab des Glau­bens sein. Das ist der ein­zi­ge Grund, war­um ein Papst uner­läss­lich ist.
      Natür­lich kann jeder Gläu­bi­ge theo­lo­gi­sche Mei­nun­gen ent­wickeln – es ist auch in Ord­nung, neue Begrif­fe ein­zu­füh­ren. Das wur­de ja viel­fach recht­gläu­big gemacht!
      So kamen neue Begrif­fe auf wie „Herz-Jesu“ (die­se Woche aktu­ell). Das kann­te man ja Jahr­hun­der­te so nicht. 

      Rele­vant ist hier auch nicht, ob nun immer und über­all und durch alle eine Ein­seh­bar­keit in den Begriff vor­lag, son­dern ob das Lehr­amt ihn als „legi­ti­me“ Ent­wick­lung anerkennt.

      Es ist auch im Rah­men des Recht­gläu­bi­gen, Älte­res zurück­zu­las­sen – berühm­te Debat­te hier der Fili­o­que-Streit. Es sind ja die Vin­zen­zia­ner, die dar­auf behar­ren, das habe vor­her nicht hin­ein­ge­hört und sei ja schließ­lich sogar als Nicht-Aus­ge­spro­che­nes kon­zi­li­ar abge­seg­net worden…

      Man kommt hier in schwie­rig­ste Gefil­de. Letz­te Klar­heit gibt es also doch nur dadurch, dass ein Papst mit oder ohne Kon­zil eine Defin­ti­on vor­legt. Punkt.

      Fehlt ein Papst bricht jeg­li­che Gewiss­heit über kurz oder lang weg – da hilft kein Rück­griff, denn der rech­te Glau­be ohne leben­di­ges Lehr­amt ist lang­fri­stig unmög­lich, wenn nicht der Him­mel eingreift.

  2. Ein Aus­zug aus dem „Com­mo­ni­to­ri­um“ bez. der im Arti­kel erwähn­ten Glaubensprüfung:
    -
    „Mit­hin ist jener ein 
    wah­rer und ech­ter Katho­lik, der die Wahr­heit Gottes, 
    der die Kir­che, der den Leib Chri­sti liebt, 
    der der gött­li­chen Reli­gi­on, der dem katho­li­schen Glauben 
    nichts vorzieht, 
    nicht das Anse­hen irgend­ei­nes Menschen, 
    nicht Zunei­gung, nicht Talent, 
    nicht Bered­sam­keit und nicht Philosophie, 
    son­dern, dies alles geringschätzend 
    und im Glauben 
    fest­ge­grün­det, stand­haft bleibt und ent­schlos­sen ist, 
    nur das, was nach sei­ner Über­zeu­gung die katho­li­sche Kir­che all­ge­mein von alters her fest­ge­hal­ten hat, 
    fest­zu­hal­ten und zu glauben, 
    das aber, wovon er findet, 
    daß es spä­ter von einem ein­zel­nen ohne Rück­sicht auf die Gesamtheit 
    oder im offe­nen Gegen­satz zu allen Hei­li­gen als neu und unbe­kannt ein­ge­führt wurde, 
    nicht als zur Religion, 
    son­dern viel­mehr als zur Ver­su­chung gehö­rig betrachtet, 
    in einem sol­chen Fal­le beson­ders durch Aus­sprü­che des 
    seli­gen Apo­stels Pau­lus beraten. 
    Denn dar­über schreibt er im ersten Korintherbriefe: 
    Es muß auch Häre­ti­ker geben, damit die Bewähr­ten unter euch offen­bar werden ; 
    als woll­te er sagen: 
    Des­we­gen wer­den die Urhe­ber der Häre­si­en nicht sofort von Gott ausgerottet,
    damit die Bewähr­ten offen­bar werden, 
    das heißt, damit es offen­kun­dig werde, 
    wie stand­haft, treu und fest ein jeder in der Lie­be zum katho­li­schen Glau­ben sei. 

    Und wahr­lich, 
    wenn irgend­ei­ne Neue­rung auftaucht, 
    zeigt sich sofort die Schwe­re der Frucht­kör­ner und die Leich­tig­keit der Spreu; 
    da wird ohne gro­ße Mühe von der Ten­ne entfernt, 
    was, ohne Gewicht zu haben, auf der Ten­ne lag. 
    Eini­ge flie­gen sofort ganz davon; 
    ande­re, die nur ent­fernt wur­den, fürch­ten sich vor dem Unter­gan­ge, fürch­ten aber auch die Rückkehr, 
    ver­wun­det, halb­tot und halb­le­bend, da sie so viel Gift getrun­ken haben, 
    daß es weder tötet noch sich ver­dau­en läßt, weder zu ster­ben nötigt noch leben läßt. 
    O jäm­mer­li­cher Zustand! 
    Von wel­cher Sor­gen­last, von welch hef­ti­gen Stür­men wer­den sie hin- und hergetrieben! 
    Denn bald wer­den sie dahin, wohin der Wind sie treibt, 
    vom Trie­be des Irr­tums fort­ge­ris­sen; dann wie­der wer­den sie, 
    zu sich selbst zurück­keh­rend, wie abpral­len­de Wogen zurückgeworfen. 
    Bald geben sie in wag­hal­si­ger Ver­mes­sen­heit auch dem ihre Zustimmung, 
    was als unsi­cher erscheint; 
    bald aber schrecken sie in törich­ter Furcht auch vor dem zurück, was sicher ist, unent­schie­den, wohin sie gehen, wohin sie zurück­keh­ren, was sie erstre­ben, was sie flie­hen, was sie fest­hal­ten, was sie preis­ge­ben sollen. 

    Die­se Bedräng­nis eines zwei­feln­den und schwan­ken­den Her­zens ist allerdings 
    für sie eine Arz­nei der gött­li­chen Barm­her­zig­keit, wenn sie ver­nünf­tig sind. 
    Denn des­halb wer­den sie außer­halb des siche­ren Hafens des katho­li­schen Glaubens 
    von man­nig­fal­ti­gen Stür­men der Gedan­ken geschüttelt, 
    gepeitscht und fast zu Tode gehetzt,
    damit sie die hoch­ge­spann­ten Segel ihres über­mü­ti­gen Sin­nes einziehen, 
    die sie zu ihrem Unheil von den Win­den ihrer Neue­run­gen hat­ten schwel­len lassen, 
    und damit sie sich in den so sichern Anker­platz ihrer sanf­ten und guten Mut­ter zurückziehen, 
    dar­in blei­ben und vor­erst jene bit­tern und trü­ben Flu­ten ihrer Irr­tü­mer wie­der von sich geben, 
    um dann vom Stro­me leben­di­gen und spru­deln­den Wassers
     trin­ken zu kön­nen. Ver­ler­nen sol­len sie zu ihrem Heile, 
    was sie zum Unhei­le gelernt haben, 
    und von der gan­zen Leh­re der Kir­che das erfassen, 
    was mit dem Ver­stan­de erfaßt wer­den kann, und das glauben,
    was nicht erfaßt wer­den kann.“
    -

    • Nicht mit einem Wort wird die Not­wen­dig­keit der cathe­dra sapi­en­tiae erwähnt!

      Die Begrif­fe „Neue­rung“ und „siche­rer Anker­platz“ sind unscharf, pathe­tisch und sogar poe­tisch, aber man kann sie nicht ein­deu­tig zurodnen.
      Das hilft also nichts.

      Das „Offen­bar­wer­den der Bewähr­ten“ – ja auch das: was soll ein „Bewähr­ter“ sein?
      Einer, der schon alles vor­her rich­tig weiß oder glaubt? Oder einer, der sich im Pro­zess der Aus­ein­an­der­set­zung nicht irre­ma­chen lässt, indem er die Din­ge „in sei­nem Her­zen bewegt“? So wie Maria?

      Der anhand der gei­sti­gen Kämp­fe und mit­hil­fe des kon­kre­ten Lehr­am­tes und des Hl. Gei­stes in ihm selbst sein Ver­ständ­nis der Din­ge über­haupt erst differenziert?

      Wenn das der Fall ist, kann es nicht mehr sein, das das, quod sem­per ubi­que ab omni­bus „geglaubt“ wur­de, das Kri­te­ri­um ist.
      Man muss einen Ent­fal­tungs­be­griff schon auf jeden Ein­zel­nen (den, der sich „bewährt“, was ja ein Pro­zess ist) anwenden.

      Und wie ich oben schon sag­te: die Kir­che ist vol­ler „Neue­run­gen“ von Anfang an. das ist nicht das Pro­blem! das Pro­blem ist, ob die Neue­rung legi­tim ist oder nicht.

      Und das kann nur voll­mäch­tig der Papst defi­nie­ren – nie­mand sonst auf Erden.

  3. zeitschnur@ …und das kann nur voll­mäch­tig der Papst defi­nie­ren… Die Fra­ge ist, tut er es auch ?
    Zur Zeit wer­den angeb­li­che “ Neue­run­gen “ dis­ku­tiert und geplant. Wird Papst Fran­zis­kus hier
    deut­lich und klar defi­nie­ren und somit der Wahr­heit dienen ?

    Möge Gott es geben !

    • Moment – ich sag­te nicht, dass ein Papst nicht vom Glau­ben abfal­len kann. Das hat auch die Kir­che nie bestrit­ten. Die Zusa­ge, dass er den Hl. Geist als Füh­rer hat, geht ja nicht über sei­nen Kopf hinweg.

      Wenn ein Papst Schrift­stel­len wider­spricht oder gar Dog­men leug­net oder Sakra­men­te auf­löst, dann ist er vom Glau­ben abgefallen.

      Da dies aber so ist, haben wir ein Pro­blem: wir kön­nen selbst kei­ne defi­ni­ti­ven Ent­schei­dun­gen zu dem Zeit­ge­sche­ne tref­fen, haben aber auch kei­nen Papst mehr.

      Für mich ist es das Ende – ich sag­te es schon öfter.
      Es gibt, nach­dem nun schon mehr als 50 Jah­re ver­stri­chen sind und auch bei allen Päp­sten des 20. Jh vor dem Kon­zil dunk­le Stel­len sind, nach mensch­li­chem Ermes­sen zu spät.

      Zu spät, weil es auch unmög­lich ist, hier noch irgend­wie Land zu sehen – zu wirr sind die gei­sti­gen Linien.

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