
von Wolfram Schrems*
Seit einigen Jahrzehnten betrachtet man eine profunde Verwirrung im Denken. Sie hängt mit der aus dem Darwinismus stammenden Vorstellung von der „Transformation“ zusammen. Es handelt sich um ein mittlerweile typisches New-Age-Ideologem, wonach sich eine Sache in eine andere „entwickeln“ könne. Ausgehend vom Darwinismus, nach dem man meinte, „aus“ den Amphibien würden sich die Reptilien entwickeln, und „aus“ dem Affen der Mensch, schlossen manche, Analoges gelte auch für Ideologien, Meinungen und Wissenschaften (außer natürlich für den Darwinismus selbst). Heute hat man beispielsweise die Hoffnung, der Islam werde sich zu einem friedlichen „Euro-Islam“ „entwickeln“. Und schließlich sagen manche, das Christentum hätte sich auch „weiterentwickelt“ und das II. Vatikanische Konzil habe alte Positionen obsolet gemacht. Der Carthusianus-Verlag brachte 2011 die einschlägige Abhandlung von Vinzenz von Lérins, das sogenannte Commonitorium, „Mahnschrift“ (ca. 430), in einer ausführlich eingeleiteten und kommentierten zweisprachigen Ausgabe auf den Buchmarkt.
Die Nüchternheit des überzeitlich Gültigen gegen die Euphorie der „Moderne“
Aber wie soll ein Traktat aus der Antike „moderne“ Fragen adäquat behandeln können?
Nun, genau da liegt das Problem einer von „Evolutionsgedanken“ vernebelten „Moderne“.
Denn „moderne Fragen“ gibt es nicht. Es gibt nur die überzeitlichen Fragen des Menschen nach dem Guten, Wahren und Schönen und vor allem die nach seinem ewigen Heil.

Seit der Offenbarung Gottes in Jesus Christus sind diese Fragen geklärt, der Weg zum Heil eröffnet, alle Alternativ- und Gegenvorschläge dazu daher ins Unrecht gesetzt.
Die Frage, die sich aber stellt, ist, wie der Gläubige legitime Entfaltungen der Glaubenslehre von häretischen Neuerungen unterscheiden kann. Vinzenz von Lérins (geb. um 380, gest. zwischen 440 und 450), Mönch des Klosters der Insel Lérins (später nach dem Gründerabt St. Honorat benannt), fünf Kilometer vor der französischen Mittelmeerküste, bot dazu in seiner „Mahnschrift“ eine hervorragende Orientierung.
Der ursprüngliche Anlaß des Werkes könnte eine Abgrenzung vom Spätwerk des hl. Augustinus gewesen sein (wie manche Gelehrte meinen). Dieses wurde von manchen wegen dessen Radikalisierung der Gnadenlehre und der Prädestination als illegitime Neuerung empfunden. Es könnte sich aber auch gegen Schüler des hl. Augustinus gerichtet haben, die die Lehre ihres Meisters in das Absurde geführt haben.
Wie auch immer der konkrete Anlaß gewesen sein mag, das Commonitorium wurde ein Klassiker für das Traditionsprinzip und die Frage nach der Entwicklung des Glaubens. John Henry Newman hat es für sein grandioses Werk „An Essay on the Development of Christian Doctrine“ (1845, Neuauflage 1878) aufgegriffen. Die kirchliche Lehrautorität hat es an verschiedenen Stellen rezipiert.
„Quod ubique, quod semper, quod ab omnibus“
Diese Merkregel ist das erste, was man normalerweise mit Vinzenz assoziiert. Sie dient als Kriterium für den Glauben der Kirche in Abgrenzung von Abweichungen oder Neuerfindungen aller Art:
„‚In der katholischen Kirche ist in besonderem Maße dafür Sorge zu tragen, dass wir das festhalten, was überall, was immer, was von allen geglaubt wurde: das ist nämlich wahrhaft und eigentlich katholisch‘ (comm. 2,5). Nochmals komprimiert Vinzenz seinen sogenannten ersten Kanon, indem er dessen Elemente prägnant mit den Begriffen Universalität (universitas), Alter (antiquitas) und Konsens (consensio) umschreibt (…)“ (81).
Vinzenz exemplifiziert dieses Prinzip, indem er es auf Häresien seiner Zeit oder der unmittelbaren Vergangenheit anwendet (Arianismus, Donatismus, Nestorianismus).
Glaubensprüfung: Häresie gegen organische Entwicklung
Von besonderem Interesse ist die Interpretation einer Stelle aus dem mosaischen Gesetz. In Deuteronomium (Dtn) 13, 2 – 6 warnt Moses vor Propheten und Traumdeutern, die andere Götter bzw. fremde Lehren einführen wollen. Auf die Geschichte des Neuen und endgültigen Bundes umgelegt heißt das: Gott läßt das Auftreten falscher Propheten zu, um die Glaubenstreue seines Volkes zu prüfen. Vinzenz weist darauf hin, daß es oft ernsthafte und ansonsten moralisch untadelige Leute sind, die illegitime Neuerungen einführen, unter ihnen Priester und Bischöfe. In der Zeit, als das Commonitorium geschrieben wurde, waren Tertullian (gest. um 220) und Origenes (gest. um 254) bereits klassische Beispiele für verdienstvolle Autoren, die aber dennoch Irrlehren zum Opfer gefallen sind.

Vinzenz sagt nun, daß diese Vorkommnisse den Glauben der Katholiken testen sollen.
Damit ist natürlich auch ausgesagt, daß der katholische Glaube ein – wenn man das so sagen will – „demokratisches“ Element besitzt: Alle, auch Papst, Bischöfe und Priester müssen sich an dieselben Glaubensinhalte, an dieselben Gebote und an dieselben liturgischen Vorschriften halten. Es gibt keine Geheimlehren, die nur verschworenen Zirkeln zugänglich wären. Alle Glaubenslehren, die schriftlichen und die mündlichen sind der gesamten Kirche anvertraut und sind grundsätzlich jedermann zugänglich.
Dabei gibt es eine legitime Entwicklung im Sinne der Ausfaltung des einschlußweise Geglaubten. Die Lehre von der Unbefleckten Empfängnis ist z. B. eine solche legitime, organische Entfaltung, da sie im (mündlich und schriftlich geoffenbarten) Glaubensgut angelegt ist.
Fiedrowicz führt aus:
„Daher bediente sich auch Vinzenz dieses Vergleiches mit der natürlichen Entfaltung des Lebendigen, indem er das Wachstum zunächst des menschlichen Leibes, dann des pflanzlichen Samens anführte (comm. 23,4–12), um die Kompatibilität der Unwandelbarkeit des Wesens und der allmählichen Ausformung der Gestalt aufzuweisen, aber auch homogenen Fortschritt und substantielle Veränderung voneinander abzugrenzen“ (116).
Neuerung als vermeintliche „Aufklärung“ – sehr aktuell

Vinzenz beruft sich auf die klassische Stelle 1 Tim 6, 20, in denen von den „Neuerungen“ einer so genannten „Erkenntnis“ bzw. „Wissenschaft“ (gr. gnosis, lat. scientia) gewarnt wird. Diese Warnung war also schon 20 bis 30 Jahre nach der Himmelfahrt Christi vonnöten. Traditionsprozesse gehen erfahrungsgemäß schnell vonstatten. Ebenso sind schon in der frühen Kirchengeschichte Verfälschungen der ursprünglichen Botschaft aufgetaucht.
Vinzenz bezieht sich also auf den ersten Timotheusbrief des Völkerapostels, wenn er schreibt:
„Meide, spricht er, die unheiligen Wortneuerungen. Er sagt nicht ‚die alten Lehren‘, nicht ‚die herkömmlichen Lehren‘; vielmehr zeigt er deutlich auf, was daraus als Gegensatz folgt: denn wenn die Neuerung zu meiden ist, so ist am Alten festzuhalten, und wenn die Neuerung unheilig ist, so ist das Herkommen geheiligt. Und die Antithesen der fälschlich so genannten Erkenntnis, spricht er. Ein wahrhaft falscher Name für die Lehren der Häretiker: so wird die Unwissenheit mit dem Namen des Wissens, der Nebeldunst mit dem Namen der Aufklärung und die Finsternis mit dem Namen des Lichtes überschminkt“ (261).
Die „Aufklärung“ ist hier also ein Etikett für eine Ideologie, die den überlieferten Glauben neu deuten und damit ersetzen soll. Häufig ist es der Typ arroganter Experte, der den Hinterwäldlern erklärt, wie es wirklich geht – damals wie heute:
Das 20. Jahrhundert bietet besonders in Gestalt „prominenter“ Konzilstheologen reiches Anschauungsmaterial für solche illegitimen Hohenpriester des „Expertentums“, die auf die einfachen Gläubigen herabschauen und traditionsorientierte Fachkollegen verspotten und verleumden.
Vinzenz von Lérins hat dagegen eine wahrhaft pastorale, seelsorgerliche Einstellung, wenn er den Völkerapostel paraphrasiert und eine gleichsam klassische Formulierung findet:
„Durch deine Erklärung soll klarer verstanden werden, was zuvor dunkler geglaubt wurde. Durch dich sollen die Nachkommen die glückliche Einsicht in das erhalten, was die alte Zeit vorher verehrte, ohne es zu verstehen. Dennoch lehre dasselbe, was du gelernt hast, so dass du, falls du es neu sagst, nichts Neues sagst [ut cum dicas nove, non dicas nova]“ (265).
Resümee
Das Werk ist allen ans Herz zu legen, die sich für die Frage nach der Entwicklung der kirchlichen Lehre interessieren. Es setzt zwar ein erhebliches Problembewußtsein in theologischen Fragen und mehr als ein rudimentäres Basiswissen in Kirchengeschichte voraus, andererseits wird der Stoff durch Einleitung und Kommentar gut erläutert.
Das Werk ist hervorragend ausgearbeitet. Umfangreiche Bibliographie, Personenindex und Sachindex machen das Buch zu einer wissenschaftlichen Quelle. Zwei, drei kleine Unachtsamkeiten fallen nicht ins Gewicht.
Die Arbeitsleistung des Herausgebers und der Übersetzerin ist überaus eindrucksvoll. Letzterer ist ein flüssiger und gut lesbarer deutscher Text gelungen.
Möge es eine weite Verbreitung finden.
Vinzenz von Lérins, Commonitorium, Mit einer Studie zu Werk und Rezeption herausgegeben und kommentiert von Michael Fiedrowicz, übersetzt von Claudia Barthold, Carthusianus-Verlag, Mülheim/Mosel 2011, 368 S. www.carthusianus.de
*MMag. Wolfram Schrems, Linz und Wien, katholischer Theologe und Philosoph, Katechist
Bild: Carthusianus Verlag/Fraternité de St. Vincent de Lérins
Das ist problematisch:
1. Was geglaubt werden soll, ist nach der Lehre der Kirche ausschließlich das, was durch den Stellvertreter Christi als zu Glaubendes definiert wird.
Die Lehre Vinzenz von Lerins stellt eine theologische Meinung dar, NICHT die Lehre der Kirche – auch wenn man darauf teilweise bis heute Bezug nahm.
2. Bezugnehmend auf die Prinzipien des Kanons von Vinzens von Lerin, spaltete sich die Altkatholische Kirche nach dem Vaticanum I ab – es wurde nicht immer, überall und allen geglaubt, dass der Papst unfehlbar lehre. An diesem Faktum wird die Irrigkeit einer Bezugnahme auf Vinzenz sichtbar, wenn damit Widerstand gegen den Papst rechtfertigen will.
3. Ein Papst kann sehr wohl Dinge verkünden, die von gewichtigen Zeugen und Vätern abgelehnt wurden. Berühmt das Dogma von der unbefleckten Empfängnis. Heilige und Kirchenlehrer haben es abgelehnt – einschl. des Hl. Thomas. Es ist dann irrelevant, was eine große Zahl vorher gemeint oder gedacht hat!
4. Es ist ein Irrtum zu glauben, die zu glaubende Wahrheit sei in Wahrheit schon im Altertum überall und jedem klar gewesen.
Sie war es nicht!
Wieso sonst ganze Kirchenspaltungen deswegen und wieso die erbitterten Auseinandersetzungen?
Wenn ganze Kirchenregionen wegbrechen um dieser Fragen willen, und dies schon kurz nach Christus, dann kann man unmöglich davon ausgehen, dass sie immer, überall und von allen geglaubt wurden.
Wenn nur das Lehramt die Vollmacht hat, das, was geglaubt werden muss, verbindlich zu formulieren, dann kann es nicht zuvor schon ohnehin weitgehend nach dem Konsensprinzip klar gewesen sein, sondern zeigt, dass nichts semper ubique et ab omnibus gegalubt wurde – warum sonst Lehrentscheide in dieser Vollmacht?
Das Vorhandensein stark vertretener theologischer Meinungen ist kein Wahrheitskriterium.
5. Man gerät hier bereits mit einem Fuß in den Bereich der Irrlehre – auf der Basis des Vinzenz: Es stimmt zwar – nach Pastor aeternus – dass kein Papst sich über das, was überliefert ist, hinwegsetzen darf. Aber was VERBINDLICH überliefert ist, ist das, was das Lehramt als zu Glaubendes vorgelegt hat – nicht das, was vielleicht sonst noch an theologischen Meinungen oder mystischen Erfahrungen verschriftlich wurde. Erst die lehramtliche Bestätigung gibt einer solchen Meinung den Charakter der „Überlieferung“.
Gemessen werden darf also nicht an dem, was eine Mehrheit der Väter schrieb, Motto: Je älter desto wahrer, sondern logisch und geistlich ausschließlich an dem, was mit hohen Graden an Gewissheit bereits definiert wurde.
6. Die Tranformationslehre geht keineswegs auf Darwin zurück. Das ist sachlich kurzsichtig und falsch.
Sie lief das gesamte Zeitalter seit Christus mit. Im Abendland besonders in den Geheimlehren der Alchemisten, die von einer ausgeprägten Transmutationslehre ausgingen. Diese Ideen haben sich in allen esoterischen Philosophien fortgesetzt. Selbst in unseren Märchenbüchern schlug sich das nieder: der Zauberer verwandelt die Prinzessin in eine hässliche Kröte und zurück.
Die Transmutation oder auch Transformation ist unerlässlicher Bestandteil der vorchristlichen Vorstellungswelten der Kelten und Germanen und fundiert auch bei den heutigen Esoterikern deren Neigung zur Annahme vieler Wahrheiten, die alle irgendwie ineinander übergehen etc. etc. Bis hin zur Transformation des Selbst ins Nirwana, das als Auflösung aller scheinbaren Widersprüche gesehen werden kann.
Wir finden die problemlose Vorstellung von Transmutationen auch in allen heidnischen Kulturen. Teilweise überlagert sich das mit Emanationslehren, in denen ein Auf- und Abstieg der Verwandlungen vom Höheren zum Niedrigeren (bzw. umgekehrt) gedacht wird.
Der „Entwicklungsgedanke“ in diesem Sinne ist also zentrale Kraft heidnischen und antichristlichen Denkens.
7. Weil das so ist, kann nicht der Konsens Maßstab des Glaubens sein. Das ist der einzige Grund, warum ein Papst unerlässlich ist.
Natürlich kann jeder Gläubige theologische Meinungen entwickeln – es ist auch in Ordnung, neue Begriffe einzuführen. Das wurde ja vielfach rechtgläubig gemacht!
So kamen neue Begriffe auf wie „Herz-Jesu“ (diese Woche aktuell). Das kannte man ja Jahrhunderte so nicht.
Relevant ist hier auch nicht, ob nun immer und überall und durch alle eine Einsehbarkeit in den Begriff vorlag, sondern ob das Lehramt ihn als „legitime“ Entwicklung anerkennt.
Es ist auch im Rahmen des Rechtgläubigen, Älteres zurückzulassen – berühmte Debatte hier der Filioque-Streit. Es sind ja die Vinzenzianer, die darauf beharren, das habe vorher nicht hineingehört und sei ja schließlich sogar als Nicht-Ausgesprochenes konziliar abgesegnet worden…
Man kommt hier in schwierigste Gefilde. Letzte Klarheit gibt es also doch nur dadurch, dass ein Papst mit oder ohne Konzil eine Defintion vorlegt. Punkt.
Fehlt ein Papst bricht jegliche Gewissheit über kurz oder lang weg – da hilft kein Rückgriff, denn der rechte Glaube ohne lebendiges Lehramt ist langfristig unmöglich, wenn nicht der Himmel eingreift.
Das sitzt. Danke für die Arbeit !
Ein Auszug aus dem „Commonitorium“ bez. der im Artikel erwähnten Glaubensprüfung:
-
„Mithin ist jener ein
wahrer und echter Katholik, der die Wahrheit Gottes,
der die Kirche, der den Leib Christi liebt,
der der göttlichen Religion, der dem katholischen Glauben
nichts vorzieht,
nicht das Ansehen irgendeines Menschen,
nicht Zuneigung, nicht Talent,
nicht Beredsamkeit und nicht Philosophie,
sondern, dies alles geringschätzend
und im Glauben
festgegründet, standhaft bleibt und entschlossen ist,
nur das, was nach seiner Überzeugung die katholische Kirche allgemein von alters her festgehalten hat,
festzuhalten und zu glauben,
das aber, wovon er findet,
daß es später von einem einzelnen ohne Rücksicht auf die Gesamtheit
oder im offenen Gegensatz zu allen Heiligen als neu und unbekannt eingeführt wurde,
nicht als zur Religion,
sondern vielmehr als zur Versuchung gehörig betrachtet,
in einem solchen Falle besonders durch Aussprüche des
seligen Apostels Paulus beraten.
Denn darüber schreibt er im ersten Korintherbriefe:
Es muß auch Häretiker geben, damit die Bewährten unter euch offenbar werden ;
als wollte er sagen:
Deswegen werden die Urheber der Häresien nicht sofort von Gott ausgerottet,
damit die Bewährten offenbar werden,
das heißt, damit es offenkundig werde,
wie standhaft, treu und fest ein jeder in der Liebe zum katholischen Glauben sei.
Und wahrlich,
wenn irgendeine Neuerung auftaucht,
zeigt sich sofort die Schwere der Fruchtkörner und die Leichtigkeit der Spreu;
da wird ohne große Mühe von der Tenne entfernt,
was, ohne Gewicht zu haben, auf der Tenne lag.
Einige fliegen sofort ganz davon;
andere, die nur entfernt wurden, fürchten sich vor dem Untergange, fürchten aber auch die Rückkehr,
verwundet, halbtot und halblebend, da sie so viel Gift getrunken haben,
daß es weder tötet noch sich verdauen läßt, weder zu sterben nötigt noch leben läßt.
O jämmerlicher Zustand!
Von welcher Sorgenlast, von welch heftigen Stürmen werden sie hin- und hergetrieben!
Denn bald werden sie dahin, wohin der Wind sie treibt,
vom Triebe des Irrtums fortgerissen; dann wieder werden sie,
zu sich selbst zurückkehrend, wie abprallende Wogen zurückgeworfen.
Bald geben sie in waghalsiger Vermessenheit auch dem ihre Zustimmung,
was als unsicher erscheint;
bald aber schrecken sie in törichter Furcht auch vor dem zurück, was sicher ist, unentschieden, wohin sie gehen, wohin sie zurückkehren, was sie erstreben, was sie fliehen, was sie festhalten, was sie preisgeben sollen.
Diese Bedrängnis eines zweifelnden und schwankenden Herzens ist allerdings
für sie eine Arznei der göttlichen Barmherzigkeit, wenn sie vernünftig sind.
Denn deshalb werden sie außerhalb des sicheren Hafens des katholischen Glaubens
von mannigfaltigen Stürmen der Gedanken geschüttelt,
gepeitscht und fast zu Tode gehetzt,
damit sie die hochgespannten Segel ihres übermütigen Sinnes einziehen,
die sie zu ihrem Unheil von den Winden ihrer Neuerungen hatten schwellen lassen,
und damit sie sich in den so sichern Ankerplatz ihrer sanften und guten Mutter zurückziehen,
darin bleiben und vorerst jene bittern und trüben Fluten ihrer Irrtümer wieder von sich geben,
um dann vom Strome lebendigen und sprudelnden Wassers
trinken zu können. Verlernen sollen sie zu ihrem Heile,
was sie zum Unheile gelernt haben,
und von der ganzen Lehre der Kirche das erfassen,
was mit dem Verstande erfaßt werden kann, und das glauben,
was nicht erfaßt werden kann.“
-
Nicht mit einem Wort wird die Notwendigkeit der cathedra sapientiae erwähnt!
Die Begriffe „Neuerung“ und „sicherer Ankerplatz“ sind unscharf, pathetisch und sogar poetisch, aber man kann sie nicht eindeutig zurodnen.
Das hilft also nichts.
Das „Offenbarwerden der Bewährten“ – ja auch das: was soll ein „Bewährter“ sein?
Einer, der schon alles vorher richtig weiß oder glaubt? Oder einer, der sich im Prozess der Auseinandersetzung nicht irremachen lässt, indem er die Dinge „in seinem Herzen bewegt“? So wie Maria?
Der anhand der geistigen Kämpfe und mithilfe des konkreten Lehramtes und des Hl. Geistes in ihm selbst sein Verständnis der Dinge überhaupt erst differenziert?
Wenn das der Fall ist, kann es nicht mehr sein, das das, quod semper ubique ab omnibus „geglaubt“ wurde, das Kriterium ist.
Man muss einen Entfaltungsbegriff schon auf jeden Einzelnen (den, der sich „bewährt“, was ja ein Prozess ist) anwenden.
Und wie ich oben schon sagte: die Kirche ist voller „Neuerungen“ von Anfang an. das ist nicht das Problem! das Problem ist, ob die Neuerung legitim ist oder nicht.
Und das kann nur vollmächtig der Papst definieren – niemand sonst auf Erden.
zeitschnur@ …und das kann nur vollmächtig der Papst definieren… Die Frage ist, tut er es auch ?
Zur Zeit werden angebliche “ Neuerungen “ diskutiert und geplant. Wird Papst Franziskus hier
deutlich und klar definieren und somit der Wahrheit dienen ?
Möge Gott es geben !
Moment – ich sagte nicht, dass ein Papst nicht vom Glauben abfallen kann. Das hat auch die Kirche nie bestritten. Die Zusage, dass er den Hl. Geist als Führer hat, geht ja nicht über seinen Kopf hinweg.
Wenn ein Papst Schriftstellen widerspricht oder gar Dogmen leugnet oder Sakramente auflöst, dann ist er vom Glauben abgefallen.
Da dies aber so ist, haben wir ein Problem: wir können selbst keine definitiven Entscheidungen zu dem Zeitgeschene treffen, haben aber auch keinen Papst mehr.
Für mich ist es das Ende – ich sagte es schon öfter.
Es gibt, nachdem nun schon mehr als 50 Jahre verstrichen sind und auch bei allen Päpsten des 20. Jh vor dem Konzil dunkle Stellen sind, nach menschlichem Ermessen zu spät.
Zu spät, weil es auch unmöglich ist, hier noch irgendwie Land zu sehen – zu wirr sind die geistigen Linien.
Sorry Korrektur: Es gibt.… nach menschlichem Ermessen, keinen Ausweg mehr.