(Duschanbe) Einer der angesehensten Offiziere des Landes wurde gestern auf dem Weg nach Syrien verhaftet, wo er sich für den Dschihad dem Islamischen Staat (IS) anschließen wollte. Der zentralasiatische Staat Tadschikistan versucht durch restriktive Einschränkung der Religionsfreiheit offiziell „religiösen Extremismus“ zu bekämpfen. Konkret gemeint ist damit der Islamismus. In den vergangenen drei Jahren haben sich mindestens 4.000 junge Moslems aus Zentralasien terroristischen Organisationen im Ausland angeschlossen, vor allem dem Islamischen Staat (IS). Ein Problem, das die Staatsführung in Duschanbe belastet.
Radikal-antireligiöse Einschränkung des Elternrechts
Seit 2009 gibt es ein Gesetz, das einschneidend in das Elternrecht eingreift und es Kindern verbietet, an irgendwelchen religiösen Aktivitäten teilzunehmen. Jungen Moslems unter 18 Jahren ist es verboten, eine Moschee zu betreten. Ausgenommen vom Verbot sind nur Beerdigungen. Bei Mißachtung drohen den Eltern fünf bis acht Jahre Gefängnis und hohe Geldstrafen. Den Veranstaltern von religiösen Aktivitäten, an denen Kinder teilnehmen, drohen bis zu zwölf Jahre Gefängnis. Auch die religiöse Unterweisung der eigenen Kinder ist Eltern unter Strafe verboten. Das Verbot trifft auch die christliche Minderheit im Land, die etwa 3,5 Prozent der Bevölkerung umfaßt.
Die Tadschiken sind ein iranisches Volk, sie stellen heute wieder 80 Prozent der Bevölkerung. Am Ende der Sowjetzeit betrug ihr Anteil nur mehr 62 Prozent. 18 Prozent sind heute Angehörige von Turkvölkern, vor allem Usbeken, aber auch einige Kirgisen. Der Anteil der Russen ist auf knapp ein Prozent zurückgegangen. Mehr als 90 Prozent sind Moslems, zum weitaus größten Teil Sunniten. Lediglich im Südosten gibt es eine schiitische Minderheit. Von den vor 25 Jahren noch 15.000 Juden befinden sich noch etwa 1000 im Land. Die meisten anderen wurden Anfang der 90er Jahre von der israelischen Armee mittels Luftbrücke nach Israel gebracht.
Männer müssen sich rasieren, Frauen dürfen keinen Schleier tragen
Um den Islam als politischen Faktor zu bekämpfen, zwingt die Regierung in Duschanbe die Männer, sich zu rasieren. Mädchen und Frauen dürfen keinen Schleier tragen. Schüler islamischer Schulen im Ausland mußten nach Tadschikistan zurückkehren.
Die Folge ist ein starke Zunahme der Korruption und ein blühender Schwarzmarkthandel mit Sondergenehmigungen. Die staatliche Kommission, die offiziell Sondergenehmigungen erteilt, dementierte entsprechende Medienberichte. Die Staatsanwaltschaft hat jedoch Ermittlungen gegen einen illegalen Handel mit Sondergenehmigungen eingeleitet, die es trotz Verbots Moslems erlauben, einen Bart und Mosleminnen einen Hidschab zu tragen.
Korruption und Dokumentenfälschung im großen Stil
Laut Radio Free Europe/Radio Liberty haben Mitarbeiter des Generalstaatsanwaltes eine „Dokumentenfälschung großen Stils“ entdeckt, die „zum religiösen, ethnischen, sozialen und rassistischen Haß aufwiegle“.
Sondergenehmigungen für die islamische Gemeinschaft können nur von der staatlichen Religionsbehörde ausgestellt werden. Laut Radio Free Europe/Radio Liberty hätten Moslems Beamten bis zu 250 Somoni (etwa 36 Euro) Bestechungsgeld bezahlt, um illegal an Sondgenehmigungen zu gelangen. Die Beamten leugnen jede Beteiligung und werfen den Medien vor, „das Vertrauen der Bevölkerung in den Staat zu untergraben“.
Die Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft werden im Zusammenhang mit verschärften Bestrebungen der Staatsführung unter dem seit 1994 regierenden Staatspräsidenten Emomalii Rahmon gesehen, den sich ausbreitenden islamischen Einfluß zu bekämpfen. Rahmon, ehemaliger KP-Funktionär, Tadschike und Sunnit, der 1997 seine Haddsch (Pilgerfahrt) nach Mekka absolvierte, setzt innenpolitisch eine religionsfeindliche Politik aus Sowjetzeiten fort. Seine Volksdemokratische Partei Tadschikistans erhält bei Wahlen regelmäßig über 70 Prozent der Stimmen und hält im Parlament eine solide Zwei-Drittel-Mehrheit. Da die Tadschiken großteils Sunniten sind, erlaubt die restriktive Religionspolitik des Staatspräsidenten auch enge Beziehungen zum schiitischen Iran.
Tadschiken verhaftet, die für den Dschihad tätig waren
Vor wenigen Wochen wurden zwei Tadschiken verhaftet. Einer wollte über die Türkei nach Syrien reisen, um in den Reihen des Islamischen Staates (IS) zu kämpfen. Der andere wurde in Moskau festgenommen, von wo aus er unter Moslems der GUS-Staaten Kämpfer für den IS rekrutierte.
Um einen Zufluß in die Reihen der Dschihadisten zu unterbinden, erließ die tadschikische Regierung ein Haddsch-Verbot für alle Moslems unter 35 Jahren.
Laut jüngsten Berichten seien höchste Staatsbeamte nicht nur in den Korruptionsskandal um illegale Sondergenehmigungen für Moslems verstrickt, sondern auch in den Dschihad des Islamischen Staates (IS). Am Mittwoch wurde Oberst Gulmurod Halimow, ein hochdekorierter Offizier der tadschikischen Spezialeinheit OMON verhaftet. Halimow gilt als einer der angesehensten Militärvertreter des Landes. Seit April war er aus dem öffentlichen Leben verschwunden. Laut anonymen Quellen, die dem tadschikischen Innenministerium nahestehen, wurde er gestern mit falschem Reisepaß auf dem Weg nach Syrien verhaftet.
Text: Asianews/Giuseppe Nardi
Bild: Asianews