Ist die Tür von Papst Franziskus für Kaspers „neue Barmherzigkeit“ zu?


Papst Franziskus und ein stillschweigender Kurswechsel des "perfekten Jesuiten"
Papst Fran­zis­kus und ein still­schwei­gen­der Kurs­wech­sel des „per­fek­ten Jesuiten“

(Rom) „Die zwei­te und letz­te Ses­si­on der Bischofs­syn­ode über die Fami­lie rückt näher und die Tem­pe­ra­tur der Dis­kus­si­on erhöht sich immer mehr“, so der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster in sei­ner jüng­sten Ana­ly­se. „Seit dem Ende der Syn­ode von 2014 hat der Papst Dut­zen­de Mal zu Abtrei­bung, Schei­dung und Homo­se­xua­li­tät Stel­lung genom­men. Er hat aber kein ein­zi­ges Wor­te mehr zugun­sten der von den Erneue­rern gefor­der­ten ‚Öff­nun­gen‘ geäußert.“
Seit ver­gan­ge­nem März ver­tritt der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster die The­se, Papst Fran­zis­kus habe eine Kehrt­wen­de in Sachen „neu­er Barm­her­zig­keit“ a là  Kas­per voll­zo­gen. Eine The­se, die er nun bekräf­tigt, indem er neue Indi­zi­en zu ihrer Unter­maue­rung anführt. Magi­ster steht damit noch allein auf wei­ter Flur. Katho​li​sches​.info doku­men­tiert den­noch sei­ne Beobachtungen.

Hat Papst Franziskus eine stillschweigende Wende vollzogen?

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Fran­zis­kus habe eine inne­re Wen­de voll­zo­gen, die dadurch zum Aus­druck kom­me, daß der Papst kei­ne Gesten mehr zugun­sten des deut­schen Kar­di­nals und ehe­ma­li­gen Vor­sit­zen­den des Päpst­li­chen Rats zur För­de­rung der Ein­heit der Chri­sten Wal­ter Kas­per set­ze. Eine still­schwei­gen­de Wen­de, wes­halb sie bis­her kaum wahr­ge­nom­men wer­de. Das habe damit zu tun, daß die Ver­tei­di­ger der katho­li­schen Ehe- und Moral­leh­re dem Papst in die­ser Sache nicht mehr ver­trau­en, wäh­rend die Kas­per-Frak­ti­on das Ver­trau­en, das sie auf­grund zahl­rei­cher Signa­le in die­sen Papst gesetzt hat­te, zu ver­lie­ren begin­ne (sie­he auch Bischofs­syn­ode: Kas­pers Stern im Sin­ken?).

Die Kasper-Fraktion beginnt zu zweifeln, die Müller-Fraktion zweifelt noch immer

Die Kas­per-Frak­ti­on sei nun ver­un­si­chert, kaum in gerin­ge­rem Aus­maß als es bis­her schon die Ver­tei­di­ger der katho­li­schen Ehe- und Moral­leh­re waren. Setzt sich Papst Fran­zis­kus zwi­schen alle Stüh­le? Die Grup­pe um die Kar­di­nä­le Kas­per und Marx beginnt zu zwei­feln. Die Grup­pe um die Kar­di­nä­le Mül­ler und Bur­ke zwei­felt noch immer (sie­he auch Fran­zis­kus und Marx für über­lie­fer­te Ehe- und Moral­leh­re: Wen­de oder Schal­mei­en?).

Am ver­gan­ge­nen 17. März schrieb San­dro Magi­ster erst­mals, daß Papst Fran­zis­kus sich von Kar­di­nal Kas­per distan­zie­re. Als Indi­zi­en dafür nann­te er:

die Beför­de­rung des Afri­ka­ners Robert Kar­di­nal Sarah, eines ent­schie­de­nen Ver­tei­di­gers des Ehe­sa­kra­ments zum Prä­fek­ten der Kon­gre­ga­ti­on für den Got­tes­dienst und die Sakramentenordnung;

„¢ das Miß­fal­len des Pap­stes über die Andro­hung eines Schis­mas durch Kar­di­nal Rein­hard Marx von Mün­chen-Frei­sing und Vor­sit­zen­den der Deut­schen Bischofs­kon­fe­renz bei der Pres­se­kon­fe­renz vom 26. Febru­ar zum Abschluß der Früh­jahrs­voll­ver­samm­lung. Marx hat­te unver­hoh­len mit dem Schis­ma gedroht, soll­te Rom nicht spu­ren, wie die Mehr­heit der deut­schen Bischö­fe es wünsche;

„¢ die Absa­ge an „über­zo­ge­ne Erwar­tun­gen“ im Zusam­men­hang mit der Bischofs­syn­ode im Inter­view mit dem mexi­ka­ni­schen Fern­seh­sen­der Tele­vi­sa, das am 12. März aus­ge­strahlt wurde;

„¢ das Fest­hal­ten an Kar­di­nal Ger­hard Mül­ler als Prä­fekt der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on, obwohl die­ser durch die­se Posi­ti­on zum rang­höch­sten und ein­fluß­reich­sten Geg­ner der „neu­en Barm­her­zig­keit“ wur­de. Je deut­li­cher Papst Fran­zis­kus im Zusam­men­hang mit dem ersten Teil der Bischofs­syn­ode im ver­gan­ge­nen Okto­ber eine Unter­stüt­zung des Kas­per-Vor­schlags erken­nen ließ, desto mehr ver­stärk­te Kar­di­nal Mül­ler sei­ne Akti­vi­tä­ten, die­se „Wen­de“ in der Kir­che zu ver­hin­dern. Den Kas­per-Vor­schlag ver­ur­teil­te er, trotz des offen­kun­di­gen päpst­li­chen Lieb­äu­gelns mit die­sem, in einer Rede am 1. Dezem­ber 2014 als „sub­ti­le chri­sto­lo­gi­sche Häresie“.

Die „Neuheit“ war die Unterstützung des Papstes für die antirömische Haltung

Daß die Mehr­heit der deutsch­spra­chi­gen Bischö­fe sub­stan­ti­el­le Ver­än­de­run­gen von Leh­re und pasto­ra­ler Pra­xis im „kul­tu­rel­len Kon­text“ ihrer Län­der ein­fach als gege­ben aner­ken­nen, sei „nichts Neu­es“, so Magi­ster. Die deut­schen Bischö­fe hät­ten bereits hin­ter Kas­per gestan­den, als die­ser im Febru­ar 2014 vor dem Kar­di­nals­kol­le­gi­um sei­nen Vor­schlag zur Aner­ken­nung von Zweit­ehen vor­leg­te. „Die Neu­heit ist eine ande­re“, so Magi­ster. Die „Neu­heit“ sei die Hal­tung von Papst Fran­zis­kus, der die­sen anti­rö­mi­schen deut­schen Son­der­weg unterstützte.

„Bis zur Syn­ode im Okto­ber 2014 ermu­tig­te Jor­ge Mario Berg­o­glio wie­der­holt und auf die ver­schie­den­sten Wei­sen die For­de­rung nach ‚Öff­nun­gen‘ in Sachen Homo­se­xua­li­tät und Zweit­ehe und das jedes Mal mit gro­ßer Reso­nanz in den Medi­en. Kar­di­nal Kas­per sag­te aus­drück­lich, sei­ne explo­si­ve Rede beim Kar­di­nals­kon­si­sto­ri­um mit dem Papst ‚ver­ein­bart‘ zu haben“, so Magister.

Widerstand führte 2014 zur Niederlage der „Neuerer“ – Seither neuer Weg des Papstes?

„Bei der Syn­ode erwie­sen sich aber die Wider­stän­de gegen die neu­en Para­dig­men als viel stär­ker und umfas­sen­der als gedacht und führ­ten zur Nie­der­la­ge der Erneue­rer. Die hals­bre­che­ri­sche Rela­tio post dis­cep­t­atio­nem als Halb­zeit­bi­lanz wur­de von der Kri­tik ver­nich­tet und führ­te zu einer deut­lich tra­di­tio­nel­le­ren Hal­tung im Schluß­be­richt“, so Magister.

Papst Fran­zis­kus selbst habe zu die­sem Umschwung bei­getra­gen, da er im Zuge des hef­ti­gen Kon­flikts Ver­tei­di­ger der Unauf­lös­lich­keit der Ehe in die Redak­ti­on des Schluß­be­richts der Syn­ode berief, die sich ursprüng­lich nur aus Neue­rern zusam­men­ge­setzt hatte.

„Vor allem aber seit dem Ende der Syn­ode hat Papst Fran­zis­kus einen neu­en Weg ein­ge­schla­gen“, so Magi­ster. „Seit Ende Okto­ber 2014 fin­det sich kein ein­zi­ges Mal mehr, daß er auch nur das gering­ste Zei­chen gesetzt hät­te, die Para­dig­men der Erneue­rer zu unter­stüt­zen. Im Gegen­teil. Er inten­si­vier­te die Anspra­chen zu allen umstrit­te­nen Fra­gen der Syn­ode: Ver­hü­tung, Abtrei­bung, Schei­dung, Zweit­ehe, Homo-Ehe, Gen­der-Ideo­lo­gie. Und jedes Mal sprach er als ‚Sohn der Kir­che‘, wie er sich ger­ne bezeich­net, mit gra­ni­te­ner Treue zur Tra­di­ti­on und ohne einen Mil­li­me­ter von dem abzu­wei­chen, was vor ihm Paul VI., Johan­nes Paul II. oder Bene­dikt XVI. gesagt hatten.“

Zusammensetzung der Synode 2015 noch ungünstiger für Kasper als 2014

Die „über­zeug­te­sten Bewun­de­rer Berg­o­gli­os“ grün­de­ten nach des­sen Wahl den „Cen­aco­lo degli amici di papa Fran­ces­co“ (Freun­des­kreis Papst Fran­zis­kus). Die Men­to­ren die­ser Grün­dung sind die Kar­di­nä­le Wal­ter Kas­per und Fran­ces­co Coc­co­pal­me­rio. Der „Freun­des­kreis“ trifft sich ein­mal im Monat. Am ver­gan­ge­nen 17. März war man sich dort noch sicher, daß Papst Fran­zis­kus auf der Sei­te der „Öff­nun­gen“ steht. „Die Rea­li­tät sieht aber anders aus. Als per­fek­ter Jesu­it, ist Berg­o­glio ein gro­ßer Rea­list und hat bereits ver­stan­den – allein schon anhand der Namen der Syn­oda­len, die von den ver­schie­de­nen Bischofs­kon­fe­ren­zen für die Bischofs­syn­ode 2015 gewählt wur­den -, daß bei der zwei­ten und letz­ten Ses­si­on der Syn­ode das Ver­hält­nis noch deut­lich ungün­sti­ger für die Neue­rer sein wird.“

Und wei­ter: „Fran­zis­kus weiß, daß die Letzt­ent­schei­dun­gen ihm zuste­hen, ihm allein. Er weiß aber auch, daß es unmög­lich sein wird, der gan­zen Katho­li­zi­tät Neue­run­gen auf­zu­zwin­gen, die weit davon ent­fernt sind, den kol­le­gia­len Kon­sens der Bischö­fe zu fin­den. Denn die­se woh­nen nicht nur in der deka­den­ten deut­schen Kir­che, son­dern in Afri­ka, in Asi­en und an all jenen leben­di­gen ‚Rän­dern‘ der Welt, die ihm so wich­tig sind.“

Päpstliche Ansprachen zu Abtreibung, Scheidung, Verhütung, Homosexualität

San­dro Magi­ster ver­öf­fent­lich­te zudem eine Liste mit den Anspra­chen, in denen Papst Fran­zis­kus seit dem Tref­fen des „Freun­des­krei­ses Papst Fran­zis­kus“ im März zu Abtrei­bung, Schei­dung, Ver­hü­tung und Homo­se­xua­li­tät Stel­lung nahm. Alle Tex­te wur­den auf der Inter­net­sei­te des Hei­li­gen Stuhls veröffentlicht.

Gene­ral­au­di­enz vom 18. März 2015
Schrei­ben an die Inter­na­tio­na­le Kom­mis­si­on gegen die Todes­stra­fe vom 20. März 2015
Begeg­nung mit der Jugend in Nea­pel vom 21. März 2015
Gene­ral­au­di­enz vom 25. März 2015
Gene­ral­au­di­enz vom 8. April 2015
Gene­ral­au­di­enz vom 15. April 2015
Mor­gend­li­che Pre­digt in San­ta Mar­ta vom 17. April 2015
Mor­gend­li­che Pre­digt in San­ta Mar­ta vom 21. April 2015
Gene­ral­au­di­enz vom 22. April 2015
Anspra­che an die Bischö­fe von Nami­bia und Leso­tho vom 24. April 2015
Anspra­che an die Bischö­fe von Ben­in vom 27. April 2015
Gene­ral­au­di­enz vom 29. April 2015
Anspra­che an die Gemein­schaft Vita Chri­stia­na vom 30. April 2015
Anspra­che an Ant­je Jackelen, luthe­ri­sche Erz­bi­schö­fin von Upp­sa­la vom 4. Mai 2015
Gene­ral­au­di­enz vom 6. Mai 2015
Anspra­che vom 9. Mai 2015 an die Bischö­fe von Mozambique
Regi­na Cae­li vom 10. Mai 2015
Anspra­che an die Bischö­fe von Togo vom 11. Mai 2015

Gegen den Zeitgeist, aber nicht zu auffällig und nicht zu deutlich?

Eine detail­lier­te Ana­ly­se der von Magi­ster genann­ten Tex­te kann an die­ser Stel­le nicht erfol­gen. Eini­ge sind sehr deut­lich. Auf­fal­lend war auch die Dis­kre­panz zwi­schen den poli­tisch kor­rek­ten The­men, die Schwe­dens luthe­ri­sche Erz­bi­schö­fin Jackelen in Rom vor­brach­te und der Mah­nung des Pap­stes, in Sachen Lebens­recht kei­ne neu­en Spal­tun­gen zwi­schen den Kon­fes­sio­nen auf­kom­men zu las­sen und den erreich­ten Stand in der Öku­me­ne nicht zu gefährden.

Die kar­gen Wor­te beim Regi­na Cae­li von ver­gan­ge­nem Sonn­tag an die Teil­neh­mer beim Marsch für das Leben in Rom wür­den Magi­sters The­se aller­dings nicht gera­de stüt­zen. Die weni­gen Wor­te waren schlam­pig vor­be­rei­tet und nann­ten weder Roß noch Rei­ter, weder den Marsch für das Leben noch das Anlie­gen, ein kom­pro­miß­lo­ses Nein zur Abtrei­bung. Obwohl Zehn­tau­sen­de zum Marsch gekom­men waren, wur­den sie nicht nament­lich vom Papst begrüßt, son­dern nur als „Initia­ti­ve“ ange­spro­chen. Die anwe­sen­den Beam­ten der Forst­wa­che, die ein „natio­na­les Fest der Natur­par­ke“ aus­rich­te­ten, wur­den hin­ge­gen aus­drück­lich begrüßt. Eben­so die „Teil­neh­mer einer Tagung der Ita­lie­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz zur Unter­stüt­zung einer Qualitätsschule“.

Zumin­dest ein Indiz, daß Bischof Nun­zio Galan­ti­no, des Pap­stes star­ker Mann in der Ita­lie­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz, kein Inter­es­se an einer zu sicht­ba­ren Her­vor­he­bung der Lebens­rechts­be­we­gung hat­te, die am Sonn­tag mit ihrem Nein zur Gen­der-Ideo­lo­gie gegen die offi­zi­el­le Poli­tik der ita­lie­ni­schen Regie­rung pro­te­stier­te. Denn wenn die Ita­lie­ni­sche Bischofs­kon­fe­renz ein Anlie­gen hat, das der Papst bei sei­ner Sonn­tags­an­spra­che erwäh­nen soll, dann hat sie bis­her noch immer den Weg gefun­den, es in die Rede­vor­la­ge hineinzuschreiben.

Bischof Galan­ti­no sieht sich jedoch als Mann des Pap­stes, der das tun will, was der Papst wünscht.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Set­ti­mo Cielo

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