„Autofasten“, Steuerreform und der Karfreitag – Eine Anmerkung zur Lage der Kirche


Kardinal Christoph Schoenborn in der ORF-Pressestunde
Kardinal Christoph Schoenborn in der ORF-Pressestunde

von Wolf­ram Schrems*

Anzei­ge

Am Beginn der Fasten­zeit wur­de sei­tens der Erz­diö­ze­se Wien wie­der ein­mal das berühm­te „Auto­fa­sten“ aus­ge­ru­fen. Die diö­ze­sa­nen Ämter und Stel­len unter ihrem Vor­ge­setz­ten Kar­di­nal Schön­born steck­ten wie­der­um Geld in die ent­spre­chen­de Kampagne.

Die Auto­fah­rer wer­den ob der ein­schlä­gi­gen Beleh­run­gen zwei­fel­los erbaut sein.

Die an der Spit­ze der Kam­pa­gne ste­hen­de Pres­se­kon­fe­renz am 16. Febru­ar fand im „Raum der Stil­le“ am Haupt­bahn­hof statt. Wie sinnig.

Autofasten - Aktion der katholischen und evangelischen Kirche Österreichs
Auto­fa­sten – Akti­on der katho­li­schen und evan­ge­li­schen Kir­che Österreichs

Die­se wur­de unter ande­rem von Weih­bi­schof Scharl, Stadt­rä­tin Vas­sila­kou und Ver­tre­tern der Wie­ner Lini­en bestritten.

Die Kir­che ist sich mit der Poli­tik eben einig. Wie schön.

Weih­bi­schof Scharl gab dem ORF in die­sem Zusam­men­hang auch ein Inter­view über das „Auto­fa­sten“. „à la longue“, mein­te Exzel­lenz, „à la longue“ soll­ten die Leu­te hof­fent­lich mehr Auto­fa­sten und weni­ger Autofahren.

Exzel­lenz hat­te sich Medi­en­be­rich­ten zufol­ge mit einem Amts­trä­ger einer pro­te­stan­ti­schen Kon­fes­si­on schon im letz­ten Jahr an eine Ein­falls­stra­ße gestellt und im Berufs­ver­kehr den Auto­fah­rern mit Hin­wei­sen auf Auto­fa­sten und dem Auf­ruf, „Fahr­ge­mein­schaf­ten“ zu bil­den, eine „fro­he Bot­schaft“ ver­kün­det und damit sehr wahr­schein­lich gro­ße Freu­de bereitet.

Nun, eigent­lich ist das gar nicht lustig.

Alarmismus im Falschen

Auf der erz­diö­ze­sa­nen Home­page heißt es in die­sem Zusammenhang :

„Es braucht einen ande­ren Lebens­stil, ein Umden­ken, einen Ver­zicht, damit wir eine lebens­wer­te Welt an unse­re Nach­fah­ren wei­ter­ge­ben kön­nen und die Schöp­fung nicht kaputt fah­ren“, so Weih­bi­schof Scharl bei der Pres­se­kon­fe­renz vor dem „Autofasten“-Start.

„Die Schöp­fung kaputt fah­ren“ lau­tet also die alar­mi­sti­sche Parole.

Man fragt sich, wie man auf eine sol­che Absur­di­tät kom­men kann. Die Men­schen kön­nen mit den paar Autos die Schöp­fung nicht „kaputt fah­ren“. Das ist eine voll­kom­men gro­tes­ke Disproportionalität.

Im übri­gen for­mu­liert man sonst ja auch nicht so dra­ma­tisch und alar­mi­stisch. Näm­lich bei den wirk­lich wich­ti­gen Themen:

Die „Schöp­fung“ wird kei­ne hun­dert Meter Luft­li­nie vom Ste­phans­platz ent­fernt kaputt gemacht. Näm­lich dort, wo sich eine pro­mi­nen­te Abtrei­bungs­stät­te befin­det. Mit ein, zwei Aus­nah­men hält es kein Kir­chen­mann für not­wen­dig, sich gegen die grau­si­ge Ermor­dung unge­bo­re­ner Men­schen aus­zu­spre­chen, schon gar nicht, wenn das um die Ecke passiert.

Statt­des­sen bleibt man beim poli­tisch kor­rek­ten und gesell­schaft­lich ver­träg­li­chen Gere­de vom „ande­ren Lebens­stil“ etc.

Im Zusam­men­hang mit dem „Auto­fa­sten“ stößt der öku­me­ni­sche Kom­pa­gnon, der evan­ge­li­sche Wie­ner Super­in­ten­dent Hans­jörg Lein übri­gens in das­sel­be Horn:

„Kir­chen sol­len sich ein­mi­schen, nicht in Par­tei­po­li­tik und auch nicht mora­li­sie­rend mit dem Zei­ge­fin­ger. Sie sol­len sich jedoch ein­brin­gen, indem sie sinn­vol­le Alter­na­ti­ven auf­zei­gen. Genau das geschieht mit die­ser Aktion.“

Sinnvolle Alternativen?

Nun, man muß nur von „Alter­na­ti­ven“ spre­chen und sogleich kommt einem die Mer­kel­sche „Alter­na­tiv­lo­sig­keit“ in den Sinn. Denn in den wirk­lich wich­ti­gen Fra­gen hat kei­ner der Kir­chen­füh­rer den Mut, wider den Sta­chel zu löcken.

Erwar­tungs­ge­mäß hat sich auch Kar­di­nal Schön­born in der ORF-Pres­se­stun­de am Palm­sonns­tag ange­paßt geäußert.

Zum Bei­spiel zur „Steu­er­re­form“. Die Kri­tik an deren man­geln­den Fami­li­en­freund­lich­keit klang da eher als lästi­ge Pflicht­übung. Kein Wort, daß die­se Steu­er­re­form die klein- und mit­tel­stän­di­schen Unter­neh­mer wie­der ein Stück mehr bela­stet. Kein Wort, daß das Recht auf Pri­vat­ei­gen­tum wie­der etwas beschnit­ten wird. Kein Wort zur prä­ven­ti­ven Abwehr der – beson­ders ver­werf­li­chen – Erbschaftsteuer.

Falsche Weichenstellungen

Ana­lo­ges gilt für das kata­stro­pha­le Fort­pflan­zungs­me­di­zin­ge­setz: Die Kir­chen­po­li­tik selbst hat­te die läng­ste Zeit die mora­li­schen Grund­la­gen unter­spült, wodurch die­ses Skan­dal­ge­setz erst mög­lich gewor­den ist.

Die gesam­te Pres­se­stun­de bezeugt die­ses Her­um­la­vie­ren in wich­ti­gen Fra­gen auf ein­drucks­vol­le Wei­se (www​.erz​dioe​ze​se​-wien​.at). Kein Wun­der, daß sich da auch fast kein ÖVP-Poli­ti­ker mehr fin­det, die Kasta­ni­en aus dem Feu­er zu holen.

Schlimm sind auch die rezen­ten Aus­sa­gen des Kar­di­nals vor Jugend­li­chen am soge­nann­ten „Theo-Tag“ im Don-Bosco-Haus.

Er mein­te etwa, daß die Prie­ster­wei­he für Frau­en „aktu­ell nicht mög­lich“ sei. „Er wis­se nicht, so der Kar­di­nal, ob es hier ein­mal zu einer Ände­rung kom­men werde.“

Johan­nes Paul II. hat­te aber 1994 defi­ni­tiv erklärt, daß sie über­haupt nicht und nie­mals mög­lich ist (Apo­sto­li­sches Schrei­ben Ordi­na­tio Sacer­do­ta­lis).

Das ein­zi­ge, was dem Kar­di­nal zur Isla­mi­sie­rung ein­fällt, offen­bar eine von den Schü­lern auf­ge­brach­te Fra­ge, ist: „Die mei­sten Mus­li­me haben halt mehr Kin­der als die Christen.“

Kar­di­nal Schön­born ver­glich auch die Rit­ter, die vor etwa neun­hun­dert Jah­ren aus Grün­den der Not­wehr und der Not­hil­fe mit dem Segen des Pap­stes gro­ße Mühen zur Befrei­ung des hl. Lan­des auf sich genom­men hat­ten, geschichts­fäl­schend mit Jiha­di­sten und RAF-Terroristen:

Damals ent­stand auch die links­extre­mi­sti­sche Ter­ror­grup­pe Rote Armee Frak­ti­on. Schon die Kreuz­zü­ge hät­ten eine Mög­lich­keit für jun­ge, beschäf­ti­gungs­lo­se Rit­ter dar­ge­stellt, ins Aben­teu­er zu ziehen.

Ein Sech­zehn­jäh­ri­ger, der das hört, wird sich den­ken, wer sich selbst nicht ernst nimmt, den brau­che ich auch nicht ernstzunehmen.
Kata­stro­phal ist, daß Kar­di­nal Schön­born aus­ge­rech­net in der Pas­si­ons­zeit Kaprio­len in Kern­fra­gen des Glau­bens voll­führt. Der aktu­el­le Gast­kom­men­tar in der „Pres­se“ vom 27. März ent­hält sogar die unglaub­li­che Passage:

„Auch ein Papst darf, ja, er soll mit­un­ter so reden, wie ihm der Schna­bel gewach­sen ist. Er ist Nach­fol­ger eines Fischers aus Gali­läa, der dem Sohn eines Zim­mer­manns nach­ge­folgt ist.“

Wie kann sich ein Kar­di­nal der Kir­che und Theo­lo­gie­pro­fes­sor so äußern? Weder ist die Aus­drucks­wei­se „Schna­bel“ ange­mes­sen, noch ist Jesus Chri­stus der „Sohn eines Zim­mer­manns“. Die­ser Aus­druck wird im Evan­ge­li­um nur von den­je­ni­gen gebraucht, die ungläu­big blei­ben: „Ist das nicht der Sohn des Zim­mer­manns?“ (Mt 13,55)

Karfreitag

Es ist Kar­frei­tag der Kir­che. Der Glau­be ist am Ver­dun­sten. Die Kir­chen­füh­rer haben sich der poli­ti­schen Macht ange­paßt. Sie bie­ten – ent­ge­gen ver­schie­de­nen Lip­pen­be­kennt­nis­sen –kei­ne ech­te Alter­na­ti­ve. Dabei wäre die­se im über­lie­fer­ten Glau­ben sehr wohl zu fin­den – mit segens­rei­chen Fol­gen bis hin­ein in die Gesell­schafts­ord­nung. Aber irgend­et­was hält sie von der Ver­kün­di­gung der geof­fen­bar­ten Wahr­heit und vom Auf­ruf zur Bekeh­rung ab.

Christus am Kreuz
Chri­stus am Kreuz

Wie auch immer, der jetzt nahe bevor­ste­hen­de Kar­frei­tag hält der Mensch­heit wie jedes Jahr den Spie­gel vor.

Das dama­li­ge Gesche­hen war kein Ruh­mes­blatt für die Menschheit.

Das Kar­frei­tags­ge­sche­hen war die grau­sa­me Besei­ti­gung eines Unschul­di­gen. Die­je­ni­gen, die es auf­grund jahr­hun­der­te­lan­ger Vor­be­rei­tung hät­ten bes­ser wis­sen müs­sen, ver­war­fen den Mes­si­as. Die­je­ni­gen, die auf ihr hoch­ent­wickel­tes Rechts­sy­stem so stolz waren, begin­gen einen Justiz­mord. Der Schü­ler­kreis gab mit Flucht und Ver­leug­nung kein nobles Bild ab. Sogar einen schä­bi­gen Ver­rat gab es in den eige­nen Reihen.
Hei­lig­keit und Ver­wer­fung lie­gen eng bei­ein­an­der, wie man sieht.

Auch der Jün­ger­kreis spä­te­rer Zei­ten ist nicht immer ruhm­reich – Gele­gen­heit zur Gewis­sens­er­for­schung für jeden einzelnen.
In einem hier­ar­chi­schen System hat der Obe­re mehr Ver­ant­wor­tung. Der Fisch beginnt am Kopf zu stinken.

Beson­ders die mit der Ver­kün­di­gung der Wahr­heit Betrau­ten soll­ten daher in sich gehen, was ange­sichts des Kar­frei­tags- und Oster­ge­sche­hens wirk­lich wich­tig ist. Mit dem „Auto­fa­sten“ gelangt man bestimmt nicht zur Osterfreude.

*MMag. Wolf­ram Schrems, Linz und Wien, katho­li­scher Theo­lo­ge, Phi­lo­soph, kirch­lich gesen­de­ter Katechist

Bild: autofasten.at/Erzdiözese Wien (Screenshots)/Ars Christiana

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