(Rom) Das von Papst Franziskus ausgerufene außerordentliche Heilige Jahr der Barmherzigkeit beginnt am kommenden 8. Dezember, dem Hochfest der unbefleckt empfangenen Gottesmutter Maria. „Das Heilige Jahr soll dazu dienen, die Menschen daran zu erinnern, daß die Barmherzigkeit nicht ohne die Wahrheit sein kann“, so Kardinal Gerhard Müller, Präfekt der Glaubenskongregation. Der Mensch und die Kirche „sind häufig versucht, die eine von der anderen zu trennen“, so der Kardinal.
Die Liebe Gottes sei auf das Engste mit der Wahrheit verbunden. Das gelte auch für die sogenannten verletzten Familien, jene, die sich in einer irregulären Situation befinden. Ihnen gelte die Aufmerksamkeit der Kirche, aber nicht durch neue pastorale Wege, sondern durch die Wahrheit. Kardinal Müller führte mit der italienischen Presseagentur ANSA ein Gespräch über das bevorstehende Heilige Jahr. Kardinal Müller gehörte bei der außerordentlichen Bischofssynode im vergangenen Oktober zu den entschiedensten Verteidigern der katholischen Ehelehre. In Vorbereitung auf die ordentliche Bischofssynode über die Familie im kommenden Oktober nimmt er immer wieder weltweit Stellung für das Ehesakrament, wie es Christus die Kirche gelehrt hat und wie es die Kirche deshalb seit bald 2000 Jahren lehrt.
Gott greift nicht ein, „um alles zu lassen, wie es ist“
Im Gespräch mit der ANSA betonte der Kardinal, daß das außerordentliche Heilige Jahr „das alles beinhalten“ müsse. Gott liebt, „indem er in die Geschichte eingreift durch sein Gnade“. Das aber sei nicht nur ein „favor“, der Kardinal gebrauchte im Gespräch diesen lateinischen Ausdruck. Das sei also nicht nur ein Gunst- oder Sympathieerweis, eine Begünstigung oder gar eine Anerkennung. Gott greife nicht ein, „um alles zu lassen, wie es ist“, sondern damit die Menschen „eine Erneuerung, eine Umwandlung erleben, damit wir ein immer weiteres Herz bekommen und unser Leben wirklich ändern. Deshalb müssen wir uns auch im Heiligen Jahr darauf besinnen, daß wir nicht von Barmherzigkeit ohne Wahrheit sprechen können“, so Kardinalpräfekt Müller.
Mit Blick auf die Bischofssynode im Oktober fügte der deutsche Kardinal hinzu, daß dies auch für die Familie gelte. „Es gilt, alle anzunehmen, sicher, auch die Sünder, weil wir alle Sünder sind, aber nach den Anweisungen Gottes und nicht nach menschlichen Überlegungen. Denn manchmal sehen die Menschen die Dinge etwas anders als Gott sie sieht.“
„Wir können nicht die Auferstehung ohne das Kreuz verkünden“
Es gelte zu zeigen, daß es „die sakramentale Ehe noch gibt“ und daß die lebenslange, unauflösliche Ehe zwischen einem Mann und einer Frau nicht nur möglich sei, sondern zu einem Segen für beide Ehepartner und deren Nachkommen werde. „Die Barmherzigkeit Gottes nimmt uns so wie wir sind, aber sie läßt uns nicht so, wie sie uns vorfindet“, so Kardinal Müller.
Immer mit Blick auf die bevorstehende Bischofssynode, bei der das Interesse besonders der Frage der Kommunion für die wiederverheirateten Geschiedenen gelten wird, sagte der Kardinal, daß das Ziel eines jeden Eingreifens der göttlichen Gnade das „Heil“ ist, und das führe über die Umkehr. „Wir können nicht die Auferstehung ohne das Kreuz verkünden. Es gibt keinen zweiten oder dritten Weg“, so der Präfekt der römischen Kongregation für die Glaubenslehre, der damit zu verstehen gibt, daß es zu diesen Themen keine Schleichwege oder Abkürzungen geben könne.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Radiosanmartin