Der Jesuit auf dem Papstthron – Von zwei Katastrophen in einer Person (1. Teil)


Der Jesuit auf dem Papstthron – Von zwei Katastrophen in einer Person
Der Jesuit auf dem Papstthron – Von zwei Katastrophen in einer Person

von Wolf­ram Schrems*

Anzei­ge

Es kann für einen Katho­li­ken die drin­gen­de Pflicht zu einem frei­mü­ti­gen Wort geben. Die­ses Wort muß gege­be­nen­falls auch im Wider­spruch gegen die kirch­li­che Auto­ri­tät geäu­ßert wer­den. Es geht um die Wahr­heit einer­seits, um das Wohl und Heil aller Zuhö­rer und Betei­lig­ten andererseits.

Die damit ver­bun­de­ne Kri­tik an Reprä­sen­tan­ten der Kir­che, gege­be­nen­falls auch am Inha­ber des Petrus­am­tes, ist weder Selbst­zweck noch Grund zur Freu­de. Im Gegenteil.

Auf­grund bio­gra­phi­scher Umstän­de, die mich über eini­ge Jah­re in unter­schied­li­cher Wei­se mit der Gesell­schaft Jesu ver­bun­den haben, weiß ich mich ver­pflich­tet, die­ses offe­ne Wort zum The­ma Papst Fran­zis­kus und Jesui­ten­or­den zu sagen – nicht als „Exper­te“ im tech­ni­schen Sinn, aber doch als jemand mit ein­schlä­gi­gen Erfah­run­gen und Kenntnissen.

Es hat in einer Zeit der „dia­bo­li­schen Des­ori­en­tie­rung“, wie sich Sr. Lucia von Fati­ma aus­drück­te, die dop­pel­te Absicht, der Wahr­heit die Ehre zu geben und Men­schen guten und schlech­ten Wil­lens vor Irr­we­gen zu warnen.

Auf­grund der jüng­sten skan­da­lö­sen Äuße­run­gen von Papst Fran­zis­kus, mit denen er das Papst­tum an den Rand der offe­nen Apo­sta­sie gebracht hat, müs­sen die Lai­en das Wort ergrei­fen. Was der Papst die­ser Tage in der römi­schen Pfar­rei Ognis­an­ti, zu allem Über­fluß die Titel­pfar­re des offen häre­ti­schen Kar­di­nals Wal­ter Kas­par, zum The­ma Lit­ur­gie gesagt hat, wider­spricht dem über­lie­fer­ten Glau­ben und den Erfah­rungs­wer­ten – und aus­drück­lich dem Motu­pro­prio Sum­morum Pon­ti­fi­cum von Bene­dikt XVI.

Ein­spruch ist drin­gend angezeigt.

Zu die­sem Zweck ist eine Arti­kel­se­rie in Arbeit, in der der Nie­der­gang von Papst­tum und Jesui­ten­or­den, der­zeit in einer ein­zi­gen Per­son ver­wirk­licht, näher ana­ly­siert und theo­lo­gisch aus­ge­wer­tet wer­den soll.

Nein, Katho­li­ken sind kei­ne Papa­li­sten. (Die­sen – nicht ganz unpo­le­mi­schen – Aus­druck habe ich von einem Jesui­ten gelernt. Die­ser erklär­te mir zu Zei­ten von Papst Johan­nes Paul II., daß Jesui­ten „kei­ne Papa­li­sten“ seien.)

Auch und beson­ders der Papst muß sich in Fra­gen der Dok­trin durch Klar­heit aus­zeich­nen, sonst wird er nur schwer Gehor­sam ver­lan­gen können.

Der Plan der folgenden Ausführungen ist:

Der erste Teil wid­met sich den Vor­ga­ben igna­tia­ni­scher Spi­ri­tua­li­tät und dem damit kon­tra­stie­ren­den Ver­hal­ten von Papst Fran­zis­kus. Dabei stellt sich im Anschluß an eine von mir ver­faß­te Buch­re­zen­si­on auf die­ser Sei­te in wei­te­rer Fol­ge die Fra­ge, ob der heu­ti­ge Jesui­ten­or­den, über eine rein for­mel­le Kon­ti­nui­tät hin­aus, über­haupt noch in irgend­ei­ner rele­van­ten Wei­se „igna­tia­nisch“ ist. Bezie­hungs­wei­se katholisch.

Der zwei­te Teil ist eine kur­ze Zustands­be­schrei­bung des Jesui­ten­or­dens, wobei als eige­ner Exkurs die Rol­le von im Nega­ti­ven ein­fluß­rei­chen Jesui­ten­au­toren (Teil­hard de Char­din, Karl Rah­ner) beson­ders beleuch­tet wer­den soll. Ein ande­rer Exkurs wid­met sich der Fra­ge, ob oder inwie­fern pro­ble­ma­ti­sche Ten­den­zen in der igna­tia­ni­schen Spi­ri­tua­li­tät selbst ange­legt sind.

Der drit­te Teil ist ein Gesamt­blick auf den Nie­der­gang in der Kir­che und eine Deu­tung im Licht von Moder­nis­mus­kri­se, Fati­ma und II. Vaticanum.

Somit hier gleich zum ersten Teil:
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1. Die ignatianische Spiritualität und Papst Franziskus

El Jesuita - Jorge Mario Kardinal Bergoglio
El Jesui­ta – Jor­ge Mario Kar­di­nal Bergoglio

Eine Rück­füh­rung der inak­zep­ta­blen Aus­sa­gen und Hand­lun­gen von Papst Fran­zis­kus auf die Leh­re des hl. Igna­ti­us wäre eine kras­se Miß­in­ter­pre­ta­ti­on. Jor­ge Mario Berg­o­glio ist abseits sei­ner Zuge­hö­rig­keit zum Jesui­ten­or­den nicht schlecht­hin „el Jesui­ta“, wie man in einer bestimm­ten Hof­schran­zen­be­richt­erstat­tung lesen kann, die damit offen­bar eine vor­bild­li­che Ver­wirk­li­chung des jesui­ti­schen Ide­als meint.
Dazu vier Anmer­kun­gen zur Begrün­dung, drei for­ma­le und eine inhaltliche:

Demut und Gehorsam

Die Jesui­ten leh­ren, daß ein Jesu­it eine Auf­ga­be in der ihr eige­nen Logik durch­zu­füh­ren hat, d. h., er tut das, was die Auf­ga­be erfor­dert. Dabei geht es um die Demut, sich in ein grö­ße­res Gan­zes ein­zu­fü­gen. Es geht auch dar­um, sich kei­ne Extra­wür­ste bra­ten zu las­sen. Schließ­lich geht es um die Effi­zi­enz der Auf­ga­be. Wenn also ein Jesu­it eine bestimm­te Mis­si­on über­tra­gen bekommt, han­delt er in aller Nüch­tern­heit gemäß den Erfor­der­nis­sen die­ser Mis­si­on. Das sieht bei einem Seel­sor­ger in einem Slum eben anders aus als bei einem Uni­ver­si­täts­pro­fes­sor oder Diplomaten.

Wenn ein Jesu­it Papst wird, über­nimmt er die die­sem Amt eige­ne For­men­spra­che, ein­schließ­lich der roten Schu­he (immer­hin Sym­bol der Mar­ty­ri­ums­be­reit­schaft) und einer wür­di­gen lit­ur­gi­schen Klei­dung. Er wohnt dort, wo ein Papst wohnt. Er hat das Wohl der ihm anver­trau­ten Her­de im Auge und führt sie auf die spi­ri­tu­el­len Wei­den der Leh­re und der Sakra­men­te. Per­sön­li­che Vor­lie­ben an Zeit­ge­stal­tung, Tages­ein­tei­lung und gesell­schaft­li­chen Kon­tak­ten muß er daher hint­an­stel­len, wenn sie die eigent­li­che Auf­ga­be behin­dern. Wenn die Auf­ga­be erfor­dert, sich etwas schen­ken zu las­sen, wie zum Bei­spiel ein Kon­zert, dann brüs­kiert man nicht den Schen­ken­den, indem man kurz­fri­stig absagt.

Die­se Maxi­me hängt eng mit der fol­gen­den zusammen.

Armut

El Jesuita - Papst Franziskus
El Jesui­ta – Papst Franziskus

Ein Jesu­it ver­sucht, den mate­ri­el­len Auf­wand nied­rig zu hal­ten. Was man braucht, braucht man, aber unnö­ti­ger Auf­wand soll nicht getrie­ben werden.
Die Bele­gung und teil­wei­se Blockie­rung des vati­ka­ni­schen Hotels bei gleich­zei­ti­gem Brach­lie­gen der päpst­li­chen Woh­nung wider­spricht die­ser Maxi­me in kras­ser Wei­se. Die Anschaf­fung eines Gebraucht­wa­gens aus Grün­den thea­tra­lisch insze­nier­ter „Ein­fach­heit“ bei gleich­zei­ti­ger Nicht-Nut­zung des regu­lä­ren Dienst­wa­gens wider­spricht dem eben­falls. Man hat das zu ver­wen­den, was vor­han­den ist. Ein neu­er, „ein­fa­che­rer“ Papst­thron, neue, „ein­fa­che“ lit­ur­gi­sche Gewän­der – die­ser gan­ze Scha­ber­nack kostet Arbeits­zeit und Geld.

Nun ist es sicher so, daß ein Papst einen gewis­sen Gestal­tungs­spiel­raum besitzt. Wenn ein Ordens­mann Bischof wird, ist er nicht mehr an das Armuts­ge­lüb­de gebun­den. Er muß oft gro­ße Ver­mö­gen ver­wal­ten. Er muß auch zur Erhal­tung der Gesund­heit und Ein­satz­fä­hig­keit ein gewis­ses Aus­maß an zuträg­li­chen Lebens­um­stän­den finan­zie­ren. All das ist unbestritten.

Aber dar­um geht es gar nicht.

Es geht dar­um, daß Papst Fran­zis­kus einen dis­pro­por­tio­na­len finan­zi­el­len Auf­wand treibt und den­noch gleich­zei­tig als so unglaub­lich „beschei­den“, als Prot­ago­nist einer „armen Kir­che für die Armen“ und eben als „el Jesui­ta“ gefei­ert wird. Oder sich fei­ern läßt.

Das paßt nicht zusammen.

Ignatianische Klarheit

Wer das Exer­zi­ti­en­buch und die Brie­fe des Ordens­grün­ders wenig­stens teil­wei­se kennt, weiß um des­sen prä­gnan­ten, lapi­da­ren und prä­zi­sen Aus­druck. Es ist immer klar, wor­um es geht.

In schrei­en­dem Kon­trast dazu ste­hen die merk­wür­dig verdrall­ten Pre­dig­ten in San­ta Mar­ta (bis vor eini­gen Mona­ten noch „Per­len“ – anfäng­lich übri­gens „Pil­len“), die Apo­sto­li­sche Exhorta­ti­on Evan­ge­lii gau­di­um, die ufer­lo­sen Inter­views und vor allem die Schluß­an­spra­che auf der außer­or­dent­li­chen Synode.

Wer soll die­se Tex­te verstehen?

Jeder Ver­gleich der Dik­ti­on des hl. Igna­ti­us mit der des gegen­wär­ti­gen Pap­stes offen­bart einen Abgrund. Der Nach­laß des Hei­li­gen ent­hält unzäh­li­ge zitier­fä­hi­ge Stel­len. Dem­ge­gen­über stellt sich die Fra­ge, was bei Papst Fran­zis­kus zitier­fä­hig ist – außer im Nega­ti­ven. Dort stand „Wer bin ich, um zu urtei­len?“ sicher an der Spit­ze aller zitier­ba­ren Kata­stro­phen, bis es durch „Vor­wärts, immer vor­wärts!“ bei dem Lit­ur­gie­spek­ta­kel in Ognis­an­ti abge­löst wurde.

Die­se ver­wir­ren­de Weit­schwei­fig­keit paßt nicht zu „el Jesuita“.

Ganz abge­se­hen davon, daß die Rede des Chri­sten sowie­so „Ja, ja, nein, nein“ sein muß.

Man beach­te wohl: Wäre Pater Berg­o­glio zum Bei­spiel Nun­ti­us gewor­den, wür­de er aus Grün­den der Sach­ge­rech­tig­keit „diplo­ma­tisch“ for­mu­lie­ren müs­sen. Jetzt ist er aber ober­ster Hirt der Chri­sten­heit. Er muß also von allen, bis hin zu den ein­fa­chen Gläu­bi­gen, ver­stan­den werden.

Inhaltliche Ausrichtung

Hl. Ignatius von Loyola
Hl. Igna­ti­us von Loyo­la (1491–1556)

Igna­ti­us von Loyo­la war katho­lisch. Sei­ne Gesin­nung war kirch­lich, päpst­lich und maria­nisch. Die „Regeln zum Füh­len mit der Kir­che“ im Exer­zi­ti­en­buch legen dafür beredt Zeug­nis ab. Er emp­fahl die Leh­re des hl. Tho­mas von Aquin für sei­ne Kol­le­gi­en und schätz­te die Nach­fol­ge Chri­sti des Tho­mas von Kempen.

Das Exer­zi­ti­en­buch the­ma­ti­siert die Auf­ga­be des Jesui­ten, ande­re Men­schen für Chri­stus zu gewin­nen und auch den öffent­li­chen, poli­ti­schen und kul­tu­rel­len Bereich dem Christ­kö­nig zu unter­wer­fen (z. B. EB 93: „Sehen, wie die­ser König alle die Sei­nen anre­det und spricht: Mein Wil­le ist es, das gan­ze Land der Ungläu­bi­gen mir zu unter­wer­fen [con­qui­star].“).

Die Iko­no­gra­phie stellt Igna­ti­us meist mit Meß­ge­wand dar, da er, obwohl spät im Leben zum Prie­ster geweiht, zutiefst von der Mes­se geprägt war. In sei­nem Geist­li­chen Tage­buch notiert er tie­fe inne­re Bewe­gung bei der Zele­bra­ti­on („Trä­nen“). Nun ist es so, daß der Jesui­ten­or­den auf­grund sei­ner mis­sio­na­ri­schen und „akti­ven“ Aus­rich­tung weni­ger Zeit für die Lit­ur­gie auf­wen­den kann als ein kon­tem­pla­ti­ver Mönchs­or­den. Das heißt aber selbst­ver­ständ­lich nicht, daß die Jesui­ten sich über die Rubri­ken hin­weg­set­zen oder läs­sig zele­brie­ren sollen.

In Zei­ten einer völ­lig ver­fehl­ten „Lit­ur­gie­re­form“ ist aller­dings nicht nur den Jesui­ten eine wich­ti­ge Glau­bens­grund­la­ge entzogen.

So oder anders ist die der­zei­ti­ge päpst­li­che Lit­ur­gie ist ein Ärger­nis. Wie auch des­sen Verkündigung.

In den fol­gen­den Aus­füh­run­gen soll auf die theo­lo­gi­schen Wei­chen­stel­lun­gen der Jesui­ten seit dem Kon­zil und auf den gegen­wär­ti­gen Zustand des Ordens näher ein­ge­gan­gen werden.

*MMag. Wolf­ram Schrems, Linz und Wien, katho­li­scher Theo­lo­ge, Phi­lo­soph, Katechist

Die voll­stän­di­ge Reihe:

Bild: Wikicommons/​Actualidad/​Casa Loyola

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