Gänswein über Benedikt XVI.: „Sein Kopf funktioniert großartig“ – Rücktritt „war notwendig“


Benedikt XVI., Msgr. Gänswein, libanesische Delegation
Bene­dikt XVI., Msgr. Gäns­wein, liba­ne­si­sche Dele­ga­ti­on beim Rosen­kranz­ge­bet in den Vati­ka­ni­schen Gärten

(Vati­kan) Kuri­en­erz­bi­schof Georg Gäns­wein berich­te­te in einem Inter­view des Cor­rie­re del­la Sera vom ver­gan­ge­nen 15. Febru­ar über das Leben von Papst Bene­dikt XVI. zwei Jah­re nach sei­nem Amts­ver­zicht. Die Häu­fig­keit sol­cher Inter­views weist auf das media­le Inter­es­se hin, für die unge­wöhn­li­che Situa­ti­on eines amtie­ren­den und eines „eme­ri­tier­ten“ Pap­stes. Gäns­wein, aus­ge­stat­tet mit der beson­de­ren Auto­ri­tät des eng­sten Ver­trau­ten Bene­dikts, scheint die Auf­ga­be zuzu­fal­len, die „Kon­ti­nui­tät“ zwi­schen den bei­den Pon­ti­fi­ka­ten zu beto­nen. Gera­de die­se Insi­stenz wäre aber nicht not­wen­dig, wenn die­se „Kon­ti­nui­tät“ tat­säch­lich so evi­dent wäre. Die mei­sten Medi­en­ver­tre­ter sind ande­rer Mei­nung und auch unter den Gläu­bi­gen gibt es eini­ge Zwei­fel. Der Cor­rie­re del­la Sera weist auf jene for­mal­recht­li­che Art hin, weni­ger auf die inhaltlichen.

Benedikt sei sich „sicher“: Der Rücktritt „war notwendig“

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„Er spielt Mozart, stu­diert“ und „liebt es Spa­zier­gän­ge zu machen. Er ist ganz ent­spannt“, so der Prä­fekt des Apo­sto­li­schen Hau­ses. Auf die Fra­ge, wie Bene­dikt XVI. heu­te sei­nen Rück­tritt sehe, ant­wor­te­te Gäns­wein: „Bene­dikt XVI. ist über­zeugt, daß die getrof­fe­ne und bekannt­ge­ge­be­ne Ent­schei­dung, die rich­ti­ge sei. Er hegt kei­nen Zwei­fel. Er ist sich des­sen sicher: Sei­ne Ent­schei­dung war not­wen­dig.“ Er habe alles wie­der­holt mit sei­nem Gewis­sen vor Gott geprüft und die Ent­schei­dung im Bewußt­sein getrof­fen, daß sei­ne Kräf­te schwin­den und es nicht um sei­ne Per­son, son­dern um „das Wohl der Kir­che“ gehe.

„Die Grün­de fin­den sich in sei­ner decla­ra­tio“, so Erz­bi­schof Gäns­wein, mit der Bene­dikt XVI. in knap­pen Wor­ten sei­nen Amts­ver­zicht bekannt­gab. „Die Kir­che braucht einen star­ken Steu­er­mann. Alle ande­ren Über­le­gun­gen und Hypo­the­sen sind falsch“, so der ehe­ma­li­ge Papst­se­kre­tär, der dann in eine ver­klä­ren­de Dar­stel­lung des Rück­tritts ein­stimmt: „Sie haben völ­lig recht: Es war ein gro­ßer Akt der Lei­tung der Kirche“.

Zweiflern fehle „Fühlen mit der Kirche“ – Benedikt hat Franziskus „Gehorsam“ versprochen

Der Cor­rie­re del­la Sera lenkt das Inter­view auf die star­ken Zwei­fel an der Kon­ti­nui­tät zwi­schen den bei­den Pon­ti­fi­ka­ten. Genannt wer­den die recht­li­chen Zwei­fel, die vor allem durch den katho­li­schen Publi­zi­sten Anto­nio Soc­ci genährt wer­den. Was sei „jenen zu ant­wor­ten, die Zwei­fel an der Gül­tig­keit des Rück­tritts oder der Wahl von Fran­zis­kus hegen?“ Kuri­en­erz­bi­schof Gäns­wein dazu: „Man kann kei­ne Hypo­the­sen auf Din­ge grün­den, die nicht wahr, son­dern völ­lig absurd sind. Bene­dikt selbst hat gesagt, daß er sei­ne Ent­schei­dung frei und ohne jeden Druck getrof­fen hat. Und er hat dem neu­en Papst ‚Ehr­erbie­tung und Gehor­sam‘ versprochen.“

War­um gebe es dann die­se Zwei­fel, will der Cor­rie­re del­la Sera wis­sen, um selbst eine mög­li­che Ant­wort mit­zu­lie­fern: „Fehlt es am Füh­len mit der Kir­che?“ „Ja“, sag­te Gäns­wein, „die Zwei­fel über den Rück­tritt und die Wahl rüh­ren daher.“

Und wie gehe es Bene­dikt XVI. heu­te? Es gebe immer wie­der besorg­te Mel­dun­gen über sei­nen Gesund­heits­zu­stand, so die wich­tig­ste ita­lie­ni­sche Tages­zei­tung. „Es gibt viel Bös­wil­lig­keit, Men­schen, die Böses wol­len. Bene­dikt XVI. ist ein Mann von fast 88 Jah­ren. Es ist nor­mal, daß ihm in sei­nem Alter gele­gent­lich die Bei­ne eini­ge Pro­ble­me berei­ten. Das ist alles. Er hat sei­nen Tages­rhyth­mus. Er ist sehr metho­disch. Und sein Kopf funk­tio­niert bestens. Sein Geist ist groß­ar­tig. Als die Uni­ver­si­tät Urba­nia­na den Fest­saal nach ihm benann­te und Kar­di­nal Filoni ihn im Okto­ber um eine Lec­tio zur Eröff­nung des Stu­di­en­jah­res bat, hat er einen wun­der­schö­nen Text über die ‚Wahr­heits­fra­ge‘ ver­faßt und mich gebe­ten, sie für ihn vorzulesen.“

Benedikt „lebt sehr methodisch, empfängt Besuche und korrespondiert“

Wie ver­brin­ge Bene­dikt XVI. die Tage? „Sein nor­ma­ler Tag beginnt mit der Hei­li­gen Mes­se am Mor­gen, wie schon immer, nur etwas spä­ter, um 7.45 Uhr. Dann fol­gen die Dank­sa­gung, das Bre­vier, ein kur­zes Früh­stück. Am Vor­mit­tag betet er, liest, stu­diert, erle­digt Kor­re­spon­denz und emp­fängt manch­mal Besu­che. Gegen halb zwei Uhr essen wir zu Mit­tag und machen dann einen Spa­zier­gang auf der Ter­ras­se, zwei oder drei Run­den, bevor er sich aus­ruht. Um Vier­tel nach vier gehen wir in die Vati­ka­ni­schen Gär­ten. Wir spa­zie­ren zur Lour­des­grot­te, beten den Rosen­kranz und ver­wei­len dort im Gebet. Dann bleibt noch Zeit für das Gebet und das Stu­di­um. Um halb acht Uhr neh­men wir das Abend­essen ein und schau­en die ita­lie­ni­schen Fern­seh­nach­rich­ten. Abends betet Bene­dikt die Kom­plet in der Kapel­le und zieht sich dann zurück. Manch­mal spielt er Kla­vier. Vor allem in den ver­gan­ge­nen Wochen hat er wie­der begon­nen öfters zu spie­len! Vor allem Mozart, aber auch ande­re Stücke, die ihm gera­de in den Sinn kom­men. Er spielt aus dem Gedächt­nis, ohne Noten.“

In Anspie­lung auf sei­nen Papst­na­men nach dem gro­ßen Mönchs­va­ter Bene­dikt und dem Rück­zug ins Klo­ster mein­te Erz­bi­schof Gäns­wein: “Ja, er hat ein Klo­ster­le­ben gewählt. Hin­aus geht er nur, wenn Papst Fran­zis­kus ihn dar­um bit­tet, ande­re Ein­la­dun­gen nimmt er nicht an.“ Gäns­wein zitier­te den Papst wört­lich: „Ich habe die­ses Leben gewählt, ich muß gemäß mei­ner Ent­schei­dung kon­se­quent sein“.

Benedikt und Franziskus „sehr verschieden“, aber „vereint in der Substanz“

Die Fra­ge nach der inhalt­li­chen Kon­ti­nui­tät, die in der katho­li­schen Welt in unter­schied­li­cher Inten­si­tät ein gewis­ses Unbe­ha­gen ver­ur­sacht, wird im Inter­view nur knapp gestreift. Bene­dikt XVI. und Fran­zis­kus „sind ver­schie­den, manch­mal sehr ver­schie­den, in den Aus­drucks­for­men. Aber es ver­eint sie die Sub­stanz, der Inhalt, das zu ver­kün­di­gen­de, zu för­dern­de und zu ver­tei­di­gen­de depo­si­tum fidei“, so Kuri­en­erz­bi­schof Georg Gänswein.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Uma­ne­si­mo cristiano

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