von Patrick Scott
(Washington) Ein „Löwenherz“ ist Barack Obama nicht, dafür betätigt er sich um so gekonnter als politisch korrekter Saucier. Seit einiger Zeit läßt sich Amerikas Präsident bei den großen Terminen der Geschichte nicht mehr blicken. Auch den für das „tumbe Volk“ inszenierten, hochnotpeinlichen „Marsch“ der Politiker gegen den Terrorismus in Paris überließ er den europäischen Verbündeten. Wahrscheinlich ist er zum Schluß gelangt, daß seine Abwesenheiten interessanter als seine Anwesenheiten sind und sich dadurch zudem der Schaden begrenzen läßt.
Vor zwei Tagen traf er sich allerdings mit den Religionsvertretern. Da fand der Präsident des US-Imperiums plötzlich seine Stimme wieder und gab starke Töne von sich. Besser gesagt: Er teilte so richtig aus! Jedenfalls gegen die Christen. Indirekt gegen alle Religionen, ausgenommen das Judentum. Zusammenfassend könnte man sagen: Je weniger Ideen im Kopf, desto ungezügelter die Zunge.
National Prayer Breakfast: multireligiöses Gebetsfrühstück mit Seitenhieben
Obama lud zum National Prayer Breakfast, einem multireligiösen Morgengebet, das seit 1953 jedes Jahr am ersten Donnerstag im Februar Politiker und Religionsvertreter in Washington um den amtierenden Präsidenten versammelt. Vor zwei Tagen waren es mehr als 3.600 Personen. Die Versuchung war für Obama zu verlockend, als daß er sich nicht als Exeget des „wahren“ Glaubens und strenger Richter gegen Abweichler „im Namen Gottes“ präsentiert hätte. Ja, die islamischen Terroristen, die gebe es schon, ließ der US-Präsident die versammelten Religionsvertreter wissen. Aber da gebe es auch die Religionen, die sich in vergangenen Jahrhunderten nicht besser verhalten hätten.
Und schon ging es los mit der politisch korrekten Aufrechnung: Die Gewalt „betrifft nicht nur eine Gruppe oder eine Religion“. Es gebe „eine sündhafte Neigung, die jeden Glauben auf Abwege bringen kann“. Worauf wollte der ehemalige everybody’s Darling der europäischen Linken hinaus? Die Christen stünden bei den Verbrechen den Islamisten um nichts nach, nein, sie stünden mit einer langen schwarzen Geschichte sogar in der ersten Reihe:„Im Namen von Christus wurden schreckliche Verbrechen verübt“, wußte Obama im Habitus des Oberlehrers zu berichten. „Erinnert Euch daran, was während der Inquisition und den Kreuzzügen geschah“, lieferte der US-Präsident anschauliche Beispiele gleich mit. Aber auch „in unserm Land, die Skaverei“, erweiterte er das mea culpa, das er von anderen einforderte, um auch dabei zum Schlag gegen das Christentum auszuholen. „Sklaverei und Jim Crow [Apartheidgesetze] wurden oft im Namen von Christus gutgeheißen“, so Obama.
Islamisten? Gewiß. Doch die Christen erst …
Die islamistischen Verbrechen wurden von Obama flugs mit den vor 900 Jahren beginnenden Kreuzzügen aufgerechnet. Dazu noch ein bißchen Inquisition und nicht Hexenverbrennung, damit alles brav katholisch bleibt. Kein Wort, daß Geschichte Geschichte und Gegenwart Gegenwart ist. Kein Wort davon, daß die Toten von 1099 nicht mehr gerettet werden können, daß die heutigen Christen des Nahen Ostens aber sehr wohl vor dem Tod durch die Islamisten gerettet werden könnten. Könnten! Nicht daß der US-Präsident nichts von Geschichte verstünde. Vielmehr will er nichts davon verstehen. Ansonsten ließe sich die Frage, warum es islamischen Religionsführern schwerfällt, sich von den Verbrechen im Namen des Islam zu distanzieren, leicht beantworten. Ein Blick in den Koran würde genügen.
Und wenn der Commander-in-chief der United States Armed Forces und „Führer der freien Welt“ wissen möchte, warum und wie es zu den Kreuzzügen kam, würde ein Blick in die knappe, aber umfassende Darstellung „Gottes Krieger. Die Kreuzzüge in neuem Licht“ von Rodney Stark ausreichen. Spätestens dann würde Obama bemerken, welcher Geschichtsklitterung er aufgesessen ist. Bei einem US-Präsidenten hat jedes „Aufsitzen“ allerdings schwerwiegende Folgen. Man könnte es auch anders sehen: Um mit dem Islam im „Dialog“ zu bleiben, müssen die Christen geknüppelt werden? Entweder haben die islamischen Führer etwas davon nicht genau verstanden, was gerade im Westen so läuft, oder der Oberste der westlichen Politiker hat etwas entschieden mißverstanden. Oder hat er alles nur zu gut verstanden?
Hoherpriester der universalen Scheinkirche Peace&Love
Schließlich richtete der selbsternannte Hohepriester der universalen „Kirche“ Peace&Love noch einen Appell an die Religionsvertreter der Welt: „Wir sind gerufen, jene zu bekämpfen, die die Religionen für ihre nihilistischen Zwecke mißbrauchen“. Dabei blieb unklar, ob sich Obama auf den „Kalifen“ des Islamischen Staates (IS) oder auf die neuen „Kreuzritter“ des amerikanischen Imperiums bezog, wie sie die islamistischen Halsabschneider in ihren Videobotschaften nennen. Die neuen Schreibtisch-„Kreuzritter“ Made in USA sind allerdings meist jüdischen Glaubens und haben mit dem Kreuz wenig am Hut. Unter den Evangelikalen verfügen sie allerdings unleugbar über willfährige christliche Hilfstruppen. Vom Pentagon wurde das Weiße Haus umgehend um eine Klärung der Präsidentenworte gebeten.
Den Teilnehmern des Morgengebets wollte das Frühstück nach dem präsidialen Geisteserguß allerdings nicht mehr recht schmecken. Da half es auch wenig, daß sich der vergaloppierte Obama schnell zu korrigieren versuchte, indem er nachschob, daß die Religionen auch viele positive Aspekte hätten. „Diese Tradition hat uns hier zusammengeführt und erinnert uns an das, was wir gemeinsam haben, wir alle sind Kinder Gottes. Und für mich ist es immer eine Gelegenheit, um über meine Reise auf der Suche nach dem Glauben nachzudenken“, so der 44. Präsident der USA, über dessen Konfessionszugehörigkeit wenig bekannt ist und die kaum über die Definition „gottgläubig“ hinauskommen dürfte. Die Korrektur war zu schwach und kam zu spät. Die Anwesenden klatschten höflich. Einer persönlichen Reise des mächtigsten Mannes der Welt auf der Suche nach dem Glauben dürfte keiner von ihnen mehr ernsthaft Glauben geschenkt haben. Vielmehr äußerte jemand den Verdacht, der Präsident würde „gelegentlich wohl eher bewußtseinserweiternde Reisen ganz anderer Art“ unternehmen, so die Nuova Bussola Quotidiana. Wahrscheinlich um sich jenen Mut zu verschaffen, den er von sich aus nicht hat.
Nach Abkanzelung der Christen folgte Flucht vor dem Dalai Lama
Nachdem Mr. President die Christen abgekanzelt hatte, fiel ihm auf, daß sich unter den Geladenen auch ein kleinwüchsiger, orange gewandeter Mann mit Glöckchen und Tamburella befand, den er anfangs wohl für einen Hare Krishna-Anhänger hielt, der sich irgendwie unter das illustre Publikum geschoben hatte. Als der Herr des Oval Office jedoch erfuhr, daß es sich um den Dalai Lama Tendzin Gyatsho in seiner vierzehnten und letzten Inkarnation handelte, trat Obama umgehend die Flucht an, um nicht in die Situation zu kommen, dem tibetischen Mönchskönig die Hand schütteln oder gar auf gut amerikanische Art auf die Schulter klopfen zu müssen, die sich zudem entblößt vom gut 40 Kilogramm schweren Mönchsgewand zeigte.
Im kommunistisch regierten Peking hätte man es nicht lustig gefunden, wenn Fotografen Obama den „Basher“ der Christen beim Shakehand mit dem höchsten Trülku verewigt hätten. In Windeseile verwandelte sich Obama, die Volksrepublik China fest im Blick, vom großmauligen Inquisitor zum geschmeidigen Hasen. Chinesen sind geduldig und behalten selbst dann ein Lächeln auf den Lippen, wo es Europäern längst vergangen wäre. Tibet aber ist tabu. Die Christen prügeln ist für den US-Präsidenten dagegen völlig ungefährlich. Er kann sogar mit Applaus von einem Teil der Christen rechnen, wenn auch nicht des hellsten. Der Papst im Vatikan, immerhin Oberhaupt der größten Religionsgemeinschaft der USA, gegen die kein US-Präsident gewählt werden kann, hat ganz andere Themen auf seiner Agenda. Da sind die Kreuzzüge so ziemlich sein letzter Gedanken. Mit einer Richtigstellung oder einem diplomatischen Zwischenruf zur Verteidigung der gescholtenen Christenheit ist daher nicht zu rechnen.
Obama und Peking: Religion taugt nur als ancilla res publicae
Obama „Hasenherz“ darf sich im verbalen Knüppeln des Christentums ungestraft abreagieren, dagegen haben die roten Machthaber im „Land der Mitte“ nichts einzuwenden. Ganz im Gegenteil, wie die jüngsten Maßnahmen gegen christliche Symbole und Kirchen in der Volksrepublik zeigen. In China geht es für Obama jedoch um Milliardengeschäfte, um die Verteidigung des Dollars als Weltleitwährung und damit um die Vormachtstellung der USA. Darum: keine Fotos mit dem Dalai Lama, aber Hiebe gegen das „Opium für das Volk“. Die KP-Führung in Peking hat erst vor wenigen Tagen dekretiert, daß Parlamentsabgeordnete, das sind in der Volksrepublik mehrere Tausend, Atheisten zu sein haben. Im Gegensatz zu den präsidial Gescholtenen kann Obama sicher sein, daß die atheistischen Kommunisten Chinas niemals „im Namen von Christus“ jemandem Gewalt angetan haben. Gewiß, sie haben mehrere Millionen Menschen umgebracht und halten einige Millionen zur Umerziehung in Konzentrationslagern und Gefängnissen fest. Aber nicht „im Namen Christi“. Und der Dalai Lama kann ja Richard Gere die Hand schütteln, der immer bereitwillig Geld sammelt für den Dalai Social Club.
Bild: Wikicommons (
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