(Prag) Vor 150 Jahren formulierte Gregor Mendel die Mendelschen Gesetze. Der „Vater der Genetik“, ein ganz Großer der Wissenschaft, wurde gestern verfolgt und wird heute ignoriert. Der Grund dafür ist derselbe: er war katholischer Priester.
Am 8. Februar und 8. März 1865, genau vor 150 Jahren, wurden am Sitz der kaiserlich-königlichen mährisch-schlesischen Gesellschaft zur Förderung der Natur- und Landeskunde in Brünn erstmals die 48 Tafeln gezeigt, mit denen der damals 42jährige Pater Gregor Mendel die Ergebnisse seiner Experimente darlegte, die Grundlage der Genetik wurden.
Heute kennen die meisten Europäer zwar seinen Namen, doch kaum mehr von diesem katholischen Naturwissenschaftler. Sein Leben, seine Ideen, seine Wurzeln blieben erstaunlich wenig beachtet. Das lag daran, daß er Priester und Ordensmann war. Die damals in Österreich gerade an die Macht strebenden Liberalen rümpften die Nase über „Kerzlschlicker“ (Kerzenschlucker).
Aus armen Verhältnissen stammend trat Johann Mendel in einen Bettelorden ein
Mendel stammte aus einfachsten kleinbäuerlichen Verhältnissen. Geboren wurde er als Johann Mendel am 20. Juli 1822 in Heinzendorf bei Odrau in Österreichisch-Schlesien. Aufgrund seiner besonderen Begabung wurde es ihm ermöglicht, das deutsche Gymnasium in Troppau zu besuchen. Das Schulgeld mußte er sich als Privatlehrer zwar für die oberen Klassen selbst verdienen, doch stand ihm der Bildungsweg offen. Bereits in der elterlichen Landwirtschaft interessierte sich Mendel für die Bienenzucht und die Veredelung von Obstbäumen. Am Troppauer Gymnasium bestand eine bekannte naturkundliche Sammlung, die Grundstein für das spätere Schlesische Landesmuseum werden sollte. Sie bot Mendel faszinierendes Anschauungsmaterial.
Nach der Matura (Abitur) konnte Mendel 1840 an der Universität Olmütz in Mähren immatrikulieren, einer damals ebenfalls fast ausschließlich von Deutschen bewohnten Stadt. Trotz seiner Studienerfolge am Philosophischen Institut blieb Mendel, von gesundheitlichen Problemen geplagt, das akademische und gesellschaftliche Leben fremd. Ihn zog es in ein anderes Leben. 1843 trat er in die Augustinerabtei St. Thomas in Brünn, der Hauptstadt Mährens, ein. Aus einer armen Verhältnissen stammend zog es Mendel in einen Bettelorden. Nach dem Tod seines Vaters, der 1841 bei Waldarbeiten ums Leben kam, sollte der Sohn den kleinen Hof übernehmen. Das damit verbundene Ende seiner akademischen Laufbahn konnte er abwenden, indem seine Schwester und sein Schwager den Hof weiterführten. Doch lange währte es nicht. In seinen knappen Lebensaufzeichnungen schrieb er von „bitteren Nahrungssorgen“, die ihn plagten, und schließlich zum Abbruch der Studien und den Klostereintritt führten.
Die Abtei St. Thomas in Brünn fördert Mendel
Der Name Abtei trügt. Mendel wurde Augustiner-Eremit, ein „Bettelbruder“ kein Mönch. Das 1350 gegründete Kloster St. Thomas ist bis zum heutigen Tag die einzige Abtei des Augustiner-Eremitenordens. Das hatte historische Gründe. Gemäß Landesverfassung stand dem Klerus ein Sitz im Landtag von Mähren zu. Da Brünn damals noch nicht Bischofssitz war, wurde das Brünner Augustinerkloster zur Abtei erhoben. So konnte der Klosterobere, als Abt in den Prälatenstand erhoben, an den Landtagssitzungen teilnehmen.
Mit dem Klostereintritt nahm Mendel den Ordensnamen Gregor an, unter dem er bekannt werden sollte. 1845 konnte er das Studium, nun der Theologie und der Landwirtschaft, wiederaufnehmen. Durch den Deutschböhmer Franz Diebl, Inhaber der Lehrkanzel für Landwirtschaft und Naturgeschichte in Brünn, kam Mendel mit Auslese, Kreuzungstechniken und Samenvermehrung in Berührung.
1847 wurde er zum Priester geweiht und aufgrund seiner naturwissenschaftlichen Interessen vom Abt als Hilfslehrer am Brünner Gymnasium eingesetzt. Bei der Lehramtsprüfung als externer Kandidat an der Universität Wien scheiterte er jedoch 1850. Was er sich privat beigebracht hatte, reichte nicht aus. In seinem Abt Cyrill Napp fand er jedoch einen verständnisvollen Förderer. Mendel konnte in den folgenden Jahren ein reguläres Studium an der Universität Wien aufnehmen. Bei Christian Doppler (Doppler-Effekt) vertiefte er sich in die experimentelle Physik. Bei Franz Unger in die Pflanzenanatonomie und deren Physiologie. Dennoch scheiterte er 1856 ein zweites Mal an der Lehramtsprüfung, was die Forschung inzwischen auf den Prüfer Eduard Fenzl zurückführt, der Ungers wissenschaftliche Arbeit ablehnte, die aber Mendel für richtig erkannt und sich zu eigen gemacht hatte.
Scheitern ohne aufzugeben
Mendel gab dennoch nicht auf. Noch im selben Jahr begann er acht Jahre lang im Klostergarten in Brünn mit der systematischen Erforschung der Vererbung bei Erbsen durch Kreuzungsexperimente. Durch die Beobachtung Tausender von Hybriden konnte er gesicherte Erkenntnisse gewinnen. Daraus gingen die Mendelschen Gesetze hervor, die heute aufgrund einiger entdeckter Abweichungen allgemein als Mendelsche Regeln bekannt sind. 1865 erstmals mündlich vorgetragen und im Jahr darauf im Druck veröffentlicht, blieben sie jedoch von der wissenschaftlichen Fachwelt unbeachtet. Er gehörte nicht wirklich dazu.
Vor allem kann Mendel als Gegenspieler von Charles Darwin bezeichnet werden. Mendels auf solider christlicher Anthropologie beruhendes Denken steht dem fortschrittsgläubigen Denken der Darwinisten diametral entgegen. Er zeigte Gesetzmäßigkeiten auf. Das hat mit Schöpfung zu tun. Sie waren (und sind bis heute) überzeugt, daß der Mensch sich aus sich selbst heraus zu einem „höheren“ Wesen entwickeln könne. Der vorherrschende Positivismus seiner Zeit wollte zudem nur das Sichtbare und Greifbare zur Kenntnis nehmen. Damit konnte Mendel nicht dienen. Die von ihm entdeckten Gesetzmäßigkeiten wirken im Verborgenen.
Dafür kamen bald neue Aufgaben auf ihn zu. 1868 wurde er, von seinen Mitbrüdern geschätzt, zum Abt von St. Thomas gewählt. Ein Amt das er, wie damals üblich, bis zu seinem Tod am 6. Januar 1884 ausübte.
Mendels „Wiederentdeckung“
Erst um 1900 erkannten Botaniker nach einer „Wiederentdeckung“ seiner Veröffentlichungen die Bedeutung von Mendels Forschungsergebnissen. Der britische Genetiker William Bateson übersetzte Mendel ins Englische und wies nach, daß die Mendelschen Regeln auch für die Tierwelt Gültigkeit haben. Bateson prägte den Mendel noch unbekannten Begriff Genetik für die Vererbungslehre. Nun ging es schnell: Seine Erkenntnisse wurden zum wissenschaftlichen Standard und fanden Eingang in den Schulunterricht. Schon 1902 verhandelte der Mährische Landtag, dem Abt von St. Thomas und nunmehr berühmten Naturforscher ein Denkmal zu errichten. Dennoch blieb der Mensch Mendel weiterhin kaum beachtet.
Später waren es die totalitären Regime der Nationalsozialisten, dann der Kommunisten, die Gregor Mendel aus ideologischen Gründen als Wissenschaftler und Priester der Vergessenheit anheimstellten. Beide herrschten auch über Mendels Heimat (Österreichisch-Schlesien) und Wirkungsgebiet (Mähren). Dazu beigetragen hat, daß das deutsche Erbe in den böhmischen Ländern nach dem Zweiten Weltkrieg erst einmal gründlich und radikal beseitigt wurde. Aus Mendels Geburtsort Heinzendorf wurde HynÄice. Als Deutscher und Priester war er den tschechischen Kommunisten doppelt zuwider.
Das deutsche Erbe wird auch in der heutigen Tschechischen Republik stiefmütterlich behandelt, tschechisiert dargestellt, jedenfalls ziemlich versteckt. Das wird auch daran sichtbar, daß bei Fremdsprachenangaben dem Englischen der Vorzug vor dem Deutschen gegeben wird, obwohl es andersrum naheliegender wäre. Die Gründe liegen auf der Hand.
Zwei Einrichtung streiten um die Darstellung des Menschen Mendel und seines Wirkens
Mendel selbst, wie die katholische Kirche insgesamt, hatte sich aus dem tschechisch-deutschen Nationalitätenkonflikt herausgehalten. Im 19. Jahrhundert traten zunehmend mehr Tschechen in die zuvor mehrheitlich deutsche Abtei ein. Für den deutschen Abt Mendel stellte das kein Problem dar. Wegen der stärker katholischen Prägung spitzte sich der ethnische Kampf in Mähren nie so radikal zu wie im benachbarten Böhmen. 1950 lösten die neuen kommunistischen Machthaber das Kloster auf. 1989 kehrten die Brüder zurück. Immerhin bemüht man sich heute einigermaßen um das Erbe Mendels. In Brünn existieren sowohl das Mendelianum, das seit 1962 in den beschlagnahmten Klostergebäuden untergebracht war, als auch seit 2007 das neue, im Kloster untergebrachte Mendel-Museum. Letzteres ist Teil der Masaryk-Universität von Brünn. Dort wird die Dauerausstellung „Gregor Johann Mendel – Mann, Abt und Wissenschaftler“ gezeigt. Sie bietet in zeitgemäßer Ausstattung spannenden Einblick in das Werk des großen Naturwissenschaftlers. Die beiden Einrichtungen befinden sich im Konflikt. Der Abt des Klosters verlangte vom Mendelianum ein neues Ausstellungskonzept, das nicht länger den Menschen und Priester Mendel verstecke, wie es während der kommunistischen Herrschaft der Fall war. Als man an einer einseitig naturwissenschaftlichen Darstellung festhielt, gründerte der Abt in Zusammenarbeit mit der Brünner Universität das neue Mendel-Mudeum. Die Tatsache, daß Mendel katholischer Priester war, können auch heute nicht alle verdauen.
Mendels Bedeutung für Orwells Zukunftsroman „1984“
Kaum bekannt ist, daß George Orwell sein Buch „1984“ schrieb, nachdem ihm die Unterwerfung der Wissenschaft durch totalitäre Regime bewußt wurde. Das Schicksal verschiedener Wissenschaftler hatte den britischen Schriftsteller berührt, konkret der Biologen und Genetiker Nikolai Wawilow, den die Sowjets 1943 im Gulag Saratow verhungern ließen, und von N. Tulaikow und Gregorii Karpechenko, die – wie Wawilow – Mendels Genetik vertraten und dafür 1941 von den Kommunisten an die Wand gestellt und erschossen wurden.
Anhänger Mendels wurden in der Sowjetunion ihrer Lehrstühle beraubt, ausgegrenzt und sogar zum Tode verurteilt. Die Anklage gegen den „Vater der Genetik“ lautete: ein katholischer Priester gewesen zu sein und mit seinen Gesetzen einen „metaphysischen Aberglauben“ gelehrt zu haben. Für die realen Sozialisten ein todeswürdiger Vorwurf.
Text: Martha Weinzl
Bild: Wikicommons/Briefmarke von Mendel von Shutterstock
Ach, ach.…das erinnert mich ja an meine Zeit vor dem Abitur im Bio-Leistungskurs. Wir haben im Gymnasium damals nur ganz kurz über seine Biographie gehört. Klar, dass seine katholische Zugehörigkeit weggelassen wird. Grund: Heute wird alles das, was er erarbeitet hatte, in erweiterter Form in den Genlabors der Konzerne und Kliniken mißbraucht (Stammzellen, Monsanto u.s.w.). Dass Mendel dies in einem Dienst an Gott und für die Kirche getan hat interesiert heute die Profiteure der Pharmazie und Gentechnik nicht mehr. Die Hopi-Indianer sagen, dass Gott Vater diesem Treiben Einhalt gebieten wird. Die Hopis nennen das die „Forschung mit dem Blut“. Sie haben recht, denn wegen allem, was der weiße Mann in seiner Profitgier mißbraucht hat, wird der Herrgott diese Welt bestrafen. Wenn Pater Mendel dies von „oben“ sieht, dann wird er sicher nur noch beten…
Dass er Mönch war, wurde doch behandelt, wenn natürlich auch nur kurz. Seine Lehren sind mir indes in Erinnerung geblieben.
Das wurde bei uns im Leistungskurs nur in einem Nebensatz kurz erwähnt und eine Dokumentation über ihn haben wir auch nicht gesehen. Meine Mutter, die Ärztin war, hat sich sowieso über unseren Unterricht aufgeregt, weil der Lernstoff viel zu viel war (Genetik, Neurologie, Evolution, Zytologie, Mikrobiologie, Physiologie u.a.). Sie sagte das ganze Zeug hätte sie als Ärztin erst vor dem Vorklinikum lernen müssen, und „was das eigentlich sollte ?“. Und gleichzeitig war der Reliogionsunterricht, den ich auch für das Abitur als Prüfungsfach gewählt hatte, der absolute irdisch-menschliche Wissenschafts-SCHROTT !!
Kann mich an einen Film erinnern, den wir im Bio-Unterricht sahen, mit Klostergarten und so.
Dass v.a. Mönche die Muße und Liebe hatten, sich mit Pflanzen, Natur und Schöpfung zu befassen („Frieden und Schöpfung bewahren“ war damals „in“).
Mendel – so eine Art kleines Hildegard-Pendant – das war mein Schulunterricht damals. Nicht schlecht war das.
Kann daher den Eindruck, den der Artikel so beschreibt, nicht bestätigen, aber das mag heute anders sein…heute im Zeitalter der Gentechnologie sieht alles anders aus, als in meiner Flowerpower-Öko-Jugend…
Frau Martha Weinzl ist für diesen sehr guten Artikel herzlich zu danken.
Die unterschiedlichste Staaten hatten ihr Probleme mi dem äusserst gescheiten und fruendlichem Augustinermönch:
Österreich, das mit der großen Armut auf dem Lande und mit der Hochnäsigkeit und tyrannischem Auftreten seiner Professoren konfrontiert wurde, zugleich mit dem langen Steuertreit der Abtei;
die Tschechoslowakei und später Tschechien, die das deutschsprachige Erbe total ablehnend und sehr lange mit damnatio memoriae, jetzt äusserst selektiv gegenüberstehen;
das nationalsozialistische Deutschland, das auf dem Gebiet der Genetika einen sehr inkoherenten Kurs folgte- einerseits krüden Darwinismus referierend, anderseits auf dem Gebiet der Genetik recht frei forschend (Correns wurde nach seinem Tod 1933 hoch geehrt und mehrere Straßen und Parks nach ihm genannt; die Ehefrau seines Sohnes wurde ins KZ deportiert und umgebracht); ein Augustinermönch paßte da gar nicht ins Konzept;
und die Sowjetunion, wo unter dem berüchten Lyssenko die erbliche Übertragung von erworbenen Eigenschaften postuliert wurde (auch als Unterstützung für die Ausmerzung von unbeliebten Volksgruppen und sozialen Gruppen);
hier sollte noch an Nikolai Wladimirowitsch Timofejeff-Ressowski erinnert werden, einen der größten Genetiker russischer Herkunft (Kosakenfamilie), in Deutschland ab 1929 forschend und mit Max Delbrück (späterem Nobelpreisträger) das Konzept der Genen als Klumpen von Atomen entwickelnd (Radiochemie)- die Bestätigung des mendelschen Konzepts in der Realität.
Solzhentitzin begenete Timofejeff-Ressowski noch 1945 in der Lubjanka in Moskau (an vielen Stellen referiert im „Gulagarchipel“); verschwunden in Karaganda in den Gulag wurde er nach Intervention v. Joliot-Curie (überzeugtem französischen Kommunisten) bei Beria 1in 1947 als Spezialist für Radiochemie erst aufgefunden und dann weiter in beschlossenen Forschungszentren interniert (1982 verstorben, 1993 rehabilitiert).
Das früher sehr katholische Flandern hat Mendel nach dem 2. Weltkrieg jedoch sehr geschätzt:
die große Liebe der Ordensgeistlichen zu der Schöpfung, die Gelehrsamkeit bei dem Klerus, die niedere bäuerliche Herkunft von Mendel, sein großer Fleiß, seine statistische Kenntnisse und ‑expressis verbis- „das gewaltige Glück, das der „pientere“(kluge, blitzgescheite, schnelldenkend, geniale) Mendel hatte durch die Auswahl von 7 Genen, auf 4 unterschiedlichen Chromosomen weit auseinandeliegend und dshalb unabhängig voneinandr vererbend.
Das war eine geniale Leistung und zugleich ein Ruhmesblatt für die Kirche.
Johann Gregor Mendel und Clemens Maria Hofbauer haben mich sehr geprägt- und ich bin sicher, ich bin da nicht allein.