Kardinal Marx: Katholiken können von Luther lernen


Kardinal Marx und Martin Luther 2017
Kar­di­nal Marx und das Luther-Jahr 2017

(Mün­chen) Erz­bi­schof Rein­hard Kar­di­nal Marx von Mün­chen und Frei­sing hat in einem Bei­trag für die Zei­tung des Deut­schen Kul­tur­ra­tes „Poli­tik & Kul­tur“ erklärt, Mar­tin Luther, der Grün­der des Pro­te­stan­tis­mus, habe „nicht die Spal­tung der Kir­che“ ange­zielt, „son­dern woll­te mit sei­nen Reform­be­stre­bun­gen auf Miss­stän­de auf­merk­sam machen, die die Bot­schaft des Evan­ge­li­ums ver­dun­kel­ten“. Nach einem hal­ben Jahr­hun­dert des „gemein­sa­men öku­me­ni­schen Dia­logs“ sei es nun auch für Katho­li­ken mög­lich „Tex­te Luthers mit Aner­ken­nung zu lesen und von sei­nen Gedan­ken zu ler­nen. Die­se Ent­wick­lung ist nicht hoch genug zu schätzen.“

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Katho­li­scher­seits sei bis ins 20. Jahr­hun­dert „aus­schließ­lich abwer­tend“ über den pro­te­stan­ti­schen Refor­ma­tor geschrie­ben wor­den: „Sein Wir­ken habe maß­geb­lich zur Spal­tung der abend­län­di­schen Kir­che geführt, da war man sich einig. Auch für die vie­len Ver­let­zun­gen und das ein­an­der zuge­füg­te Leid, beson­ders infol­ge der Schrecken des Drei­ßig­jäh­ri­gen Krie­ges, war der Schul­di­ge in Mar­tin Luther und sei­nen Mit­strei­tern gefun­den. Durch die Ver­brei­tung sei­ner 95 The­sen zum Ablass habe Luther Zwie­tracht und Streit gesät. Sol­che Ver­ur­tei­lun­gen und Pole­mi­ken kenn­zeich­ne­ten das katho­li­sche Bild des Wit­ten­ber­ger Refor­ma­tors.“ Dank der Luther­for­schung der letz­ten Jahr­zehn­te habe man erkannt, „dass Luther tief in der Fröm­mig­keit und Mystik sei­ner Zeit ver­wur­zelt war“, was mit zu einem Umden­ken auf katho­li­scher Sei­te bei­getra­gen habe.

Man dür­fe nicht nach­las­sen, sich „um die sicht­ba­re Ein­heit der Kir­che zu bemü­hen“, beton­te Kar­di­nal Marx. Luther habe gesagt: „Wenn du nun mit Chri­sto Eins bist, was willst du mehr haben?“ Vor die­sem Hin­ter­grund sei er hoff­nungs­voll, erklär­te der Münch­ner Erz­bi­schof, „dass wir im Stre­ben nach der Ein­heit mit Jesus Chri­stus nicht nur ihm näher­kom­men, son­dern uns auch unter­ein­an­der tie­fer ver­bin­den“. So kön­ne das bevor­ste­hen­de Refor­ma­ti­ons­ju­bi­lä­um im Jahr 2017 „auch für die katho­li­sche Kir­che eine Her­aus­for­de­rung sein, Chri­stus noch stär­ker in den Mit­tel­punkt zu stel­len“. Das Geden­ken an die Refor­ma­ti­on sol­le uns, so Marx, wei­ter­brin­gen „hin zur vol­len sicht­ba­ren Ein­heit der Kir­che“, wobei ein Wort Luthers den Weg wei­sen kön­ne: „All unser Den­ken, Tun und Han­deln soll dazu füh­ren, dass das Eins­sein mit Chri­stus über allem steht.“

Ein differenzierteres Bild

Das Stan­dard­le­xi­kon der Theo­lo­gie in der eng­lisch­spra­chi­gen Welt, „The Catho­lic Ency­clo­pe­dia“ aus dem Jahr 1913, schreibt dies­be­züg­lich dif­fe­ren­zier­ter als Kar­di­nal Marx: „Der Luther­a­nis­mus datiert vom 31. Okto­ber 1517, als Luther sei­ne The­sen an der Kir­chen­tür des Schlos­ses von Wit­ten­berg anschlug. Obwohl er erst drei Jah­re spä­ter mit der katho­li­schen Kir­che brach, war er bereits sub­stan­zi­ell zu sei­nen spä­te­ren Ansich­ten über den Heils­plan gekom­men. Die neu­en Leh­ren erfuh­ren jedoch eine gro­ße Ver­än­de­rung nach Luthers Rück­kehr von der Wart­burg (1521).“

Rora­te Cà¦li kom­men­tier­ten gestern eini­ger­ma­ßen sar­ka­stisch: „Nun, von dem, was man jeden Tag liest, scheint es, dass der wich­ti­ge deut­sche Here­si­arch selbst am Ende sei­nes Lebens immer noch ‚ortho­do­xer‘ war als ein guter Teil der heu­ti­gen deutsch­spra­chi­gen katho­li­schen Bischö­fe und Kle­ri­ker, die an über­haupt nichts zu glau­ben schei­nen. Viel­leicht ist es das, was der Kar­di­nal mit ‚von Luther ler­nen‘ meint?“

Der enorme Einfluss von Kardinal Marx

Rein­hard Kar­di­nal Marx ist der­zeit wohl der ein­fluss­reich­ste Mann der Kir­che in Euro­pa. Von Papst Bene­dikt XVI. wur­de er 2007 auf den pre­sti­ge­träch­ti­gen Erz­bi­schofs­stuhl von Mün­chen und Frei­sing beru­fen, wor­auf 2010 sei­ne Auf­nah­me in das Kar­di­nals­kol­le­gi­um erfolg­te. Papst Fran­zis­kus mach­te Marx zum Mit­glied der acht­köp­fi­gen Grup­pe von Kar­di­nä­len zur Bera­tung des Hei­li­gen Vaters bei der Lei­tung der Welt­kir­che und zur Über­ar­bei­tung der Apo­sto­li­schen Kon­sti­tu­ti­on „Pastor bonus“ über die römi­sche Kurie. Wenig spä­ter wur­de der Münch­ner Erz­bi­schof zum Koor­di­na­tor des neu errich­te­ten Wirt­schafts­ra­tes ernannt, wel­cher die Auf­ga­be hat, über die Struk­tu­ren und die wirt­schaft­li­chen und admi­ni­stra­ti­ven Ange­le­gen­hei­ten des Hei­li­gen Stuhls und des Staa­tes der Vati­kan­stadt zu wachen. Bereits 2012 war Marx zum Prä­si­den­ten der Kom­mis­si­on der Bischofs­kon­fe­ren­zen der Euro­päi­schen Gemein­schaft (COMECE) gewählt wor­den. 2014 schließ­lich folg­te Kar­di­nal Marx auf Erz­bi­schof Robert Zol­lit­sch als Vor­sit­zen­der der Deut­schen Bischofskonferenz.

Text: Katho​li​sches​.info/​b​3​60s
Bild: Una Fides

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