(Rom) Finanzskandal, Schulden, Kontenbeschlagnahmung. Die Ordensleitung des Franziskanerordens fällt derzeit mit Negativschlagzeilen auf. Die traditionsverbundene Internetseite „Messa in Latino“ veröffentlichte dazu folgenden Kommentar.
Die Franziskaner sind wieder arm. Das hat der amtierende Generalminister Michael Perry seinen Mitbrüdern mitgeteilt. Soweit die gute Nachricht. Weniger gut sind die Begleitumstände, für die Verantwortlichkeiten zu klären sein werden.
Die Kirche im Land des Papstes und auf der ganzen Welt verdankt dem Orden der Minderen Brüder viel Gutes und Großes. Mehr noch, die Menschheit hat geradezu eine große Schuld gegenüber den Brüdern des Heiligen Franz von Assisi, dessen Armutsideal bis heute als durch und durch christliches Anderssein in der Welt strahlt. Die franziskanische Spiritualität hat das Christentum in den vergangenen 800 Jahren tief geprägt. Durch die Missionsreise des Heiligen zu Sultan Al-Kamil waren die Franziskaner viele Jahrhunderte die einzigen Seelsorger im moslemischen Nahen Osten und dem osmanisch beherrschten Teil Europas. In der lateinischen Welt gilt dasselbe für die Armen- und Krankenfürsorge einschließlich Errungenschaften wie der Gründung des Bankwesens. Wenn dieses heute auch kaum wiederzuerkennen ist, bleibt das franzikanische Gründungsideal, auf das verwiesen und an das angeknüpft werden könnte.
Große Dankbarkeit für diesen Orden empfinden
Wie die Kirche, so müssen sich auch die Orden immer erneuern. Die Armut und Bescheidenheit der Klöster und des Lebensstils der Brüder, entfaltete gleichzeitig ad maiorem Dei gloriam in Kunst und Kultur ungeahnte Blüten. Trotz seiner Leistungen blieb auch der Franziskanerorden nicht von der radikalen Klosteraufhebung antichristlicher Machthaber verschont. Mit der italienischen Einigung wurden ihm ab 1860 selbst die Mutterklöster in Assisi enteignet. Erst Ende der 20er Jahre konnten sie unter großen Opfern zurückerhalten und wieder besiedelt werden. Und doch strahlte das reine Charisma des Heiligen Franziskus immer neu in die Welt hinein.
Viele Gläubige sind schockiert über die unerwarteten und schwer faßbaren Medienberichte über den Finanzskandal und die Bankrottgefahr für den Orden. Generalminister Michael Perry teilte seinen erstaunten Mitbrüdern auf allen Erdteilen mit, daß sich die Generalkurie des Ordens in großen finanziellen Schwierigkeiten befindet. Eine Überprüfung ergab einen großen Schuldenberg, der auf dem Orden lastet.
Finanzskandal aus heiterem Himmel, nicht aber die Ordenskrise
Der Finanzskandal der Ordensleitung trifft uns wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Kein Blitz aus heiterem Himmel ist die Krise des Ordens an seiner Spitze. In manchen Erdteilen ist der Orden lebendig. In Europa geht das schmerzliche Gespenst der Klosterschließungen um.
Neben vielen guten und eifrigen Brüdern, die ein Leben in Armut und Nachfolge führen, liegen die Dinge an der Ordensspitze seit einiger Zeit im Argen. Ist der Finanzskandal nur die Folge eines tiefer liegenden Skandals? Vieles spricht dafür. Wird er so gesehen, kann er zu einer nötigen Reinigung führen. Eine Gelegenheit, die man nicht ungestraft verstreichen lassen sollte.
Warum diese Worte? Weil die Generalminister der jüngsten Zeit weniger zur Ehre des Ordens und damit auch weniger zur größeren Ehre Gottes beigetragen haben. Der amerikanische Generalminister Michael Perry, seit 2013 im Amt, trat im Kapitel vor die versammelten Brüder und hielt diesen eine „Katechese“, die auf einem Lied des Ex-Beatles John Lennon aufbaute. Um welches Lied es sich dabei handelt, können sich manche wahrscheinlich denken.
Nachahmung der „medienwirksamen“ Kommunikation von Papst Franziskus
Sein Krisenmanagement läßt zumindest im Bereich der Kommunikation zu wünschen übrig. In seinem Brief an die Provinziale entschuldigt er sich, weil er es zeitlich nicht geschafft habe, alle über diese schwerwiegenden ordensinternen Vorkommnisse zu informieren. Das ist doch einfach lächerlich. Statt den Brief im Internet zu veröffentlichen, wo Hinz und Kunz es weltweit gleichzeitig mit den Oberen der Ordensprovinzen erfahren, wäre es angebracht gewesen, die überschaubare Zahl der Provinziale per Einschreiben zu informieren. Der Generalminister der Franziskaner scheint es jedoch für „effizienter“ zu halten, den Kommunikationsstil von Papst Franziskus zu „kopieren“: Lieber in die Weltnachrichten von Fernsehen und Hörfunk statt Klugheit und Diskretion walten zu lassen. Zumindest die Franziskaner sollten sich einer Verwechslung ihres Ordensgründers mit lebenden Personen enthalten.
In seinem Schreiben, das die Provinziale über die Medien erreichte, sagt Generalminister Perry, weder die amtierende noch die vorherige Ordensleitung hätten etwas vom Skandal gewußt. Wir hören die Worte, doch es fehlt der Glauben. Manche Brüder sitzen seit 15 und 20 Jahren in der Ordensleitung und dennoch schreibt man nun, nichts gewußt zu haben?
Wenig geeignete Generalminister der jüngsten Zeit
Fra José Rodriguez Carballo, heute Sekretär der Ordenskongregation, war von 2003–2013 Generalminister. Und es wird wohl kaum jemand behaupten können, er sei ein guter Generalminister gewesen. Sein Vorgänger Fra Giacomo Bini, Generalminister von 1997–2003, war – sagen wir es einmal so – ein 68er-Idealist…
Da die Generalminister vom Generalkapitel gewählt werden, scheint eine gewisse Orientierungslosigkeit verbreitet zu sein.
Bitten wir den Herrn, daß dieser Finanzskandal, der einen so großen und traditionsreichen Orden erschüttert, zu dessen Reinigung und Erneuerung im ursprünglichen Charisma führt. Wir haben als Katholiken jeden Tag neu Grund zur Dankbarkeit für die Orden. Beten wir dafür, daß der Herr eine Zukunft in wahrer franziskanischer Armut in der Nachfolge des seraphischen Vaters Franziskus schenkt.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: MiL