Papst Franziskus erkennt „theologischen und gesellschaftspolitischen Pluralismus“ der US-Rebellenschwestern an?


Kardinal Braz de Aviz stellte mit zwei Visitatorinnen den Neuen Bericht vor
Kar­di­nal Braz de Aviz stell­te mit zwei Visi­ta­to­rin­nen den Neu­en Bericht vor

(New York/​Rom) Die von Papst Bene­dikt XVI. ange­ord­ne­te und von der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on durch­ge­führ­te Visi­ta­ti­on des Lea­der­ship Coun­cil for Women Reli­gious (LCWR) unter Füh­rung pro­gres­si­ver US-Ordens­frau­en ist noch nicht abge­schlos­sen und den­noch macht sich in deren Krei­sen gro­ße Erleich­te­rung breit. Unter Papst Fran­zis­kus wehe ein ande­rer Wind. Abge­schlos­sen wur­de näm­lich die 2008 begon­ne­ne Visi­ta­ti­on der US-ame­ri­ka­ni­schen Frau­en­or­den, die von der Ordens­kon­gre­ga­ti­on durch­ge­führt wur­de. „Zu Beginn der Visi­ta­ti­on im Jahr 2008 waren Sank­tio­nen gegen Frau­en­or­den wegen Unge­hor­sam gegen­über Rom befürch­tet wor­den“, so die Katho­li­sche Pres­se­agen­tur Öster­reichs (KAP).  Statt des­sen gab es „Lob“ und „Aner­ken­nung“ durch Rom. Wie wur­de der schnel­le Wan­del möglich?

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Da im LCWR 80 Pro­zent der US-Ordens­frau­en zusam­men­ge­schlos­sen sind, sieht man im nun­meh­ri­gen Lob eine gene­rel­le Neu­aus­rich­tung Roms im Ver­hält­nis zu die­sem Dach­ver­band. Erkennt Papst Fran­zis­kus den „theo­lo­gi­schen und gesell­schafts­po­li­ti­schen Plu­ra­lis­mus“ der US-Rebel­len­schwe­stern an? Ein Ja berich­tet die KAP: „Als deut­li­ches Zei­chen einer neu­en Her­an­ge­hens­wei­se des Pap­stes im Blick auf den inner­kirch­li­chen theo­lo­gi­schen und gesell­schafts­po­li­ti­schen Plu­ra­lis­mus der ame­ri­ka­ni­schen Ordens­frau­en ist der Bericht zur Visi­ta­ti­on aller Frau­en­or­den bezeich­net wor­den, der am Diens­tag im Vati­kan prä­sen­tiert wurde“.

US-Ordensfrauen: Fällt Ordenskongregation der Glaubenskongregation in den Rücken?

Es ist also zwi­schen einer Unter­su­chung der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on und der Unter­su­chung durch die Ordens­kon­gre­ga­ti­on zu unter­schei­den. Als Fol­ge der Erste­ren ernann­te Kar­di­nal Wil­liam Leva­da mit Zustim­mung von Papst Bene­dikt XVI. 2012 Erz­bi­schof Peter Sar­tain von Seat­tle zum Apo­sto­li­schen Dele­ga­ten für den LCWR. Grund war nicht „Unge­hor­sam gegen­über Rom“, wie KAP lapi­dar meint, son­dern „ern­ste dok­tri­nel­le Pro­ble­me“. Die Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on warf dem pro­gres­si­ven Dach­ver­band vor, Stand­punk­te zu ver­tre­ten, die mit der katho­li­schen Glau­bens­leh­re „unver­ein­bar“ sind.

Die Situa­ti­on im LCWR wur­de im dama­li­gen Doku­ment der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on als „schwer­wie­gend“, „wirk­lich besorg­nis­er­re­gend“ und zum Teil sogar als „skan­da­lös“ beschrie­ben. Bean­stan­det wur­den LCWR-Posi­tio­nen zum Prie­ster­tum, Frau­en­or­di­na­ti­on, Homo­se­xua­li­tät, Femi­nis­mus, För­de­rung des Les­bier­tums in- und außer­halb der Gemein­schaf­ten. „Die Ange­le­gen­heit wird ernst, wenn die Lei­tungs­grup­pe nicht eine tüch­ti­ge und vor­bild­haf­te Füh­rung für ihre Gemein­schaf­ten dar­stellt, son­dern sich außer­halb der katho­li­schen Leh­re stellt“, brach­te Kar­di­nal Wiliam Leva­da die Situa­ti­on auf den Punkt.

Homosexualität, Feminismus, Deismus, doch Kardinal Braz de Aviz zollt „Lob“ und „Anerkennung“

Der tödliche Unterschied zwischen CMSWR-Ordensfrauen (links) und LCWR-Ordensfrauen (rechts)
Der töd­li­che Unter­schied zwi­schen CMS­WR-Ordens­frau­en (links) und LCWR-Ordens­frau­en (rechts)

„Wer denkt, daß ein guter Katho­lik das Hei­li­ge Meß­op­fer zum Mit­tel­punkt sei­nes Glau­bens­le­bens macht und daß jene, die ein Ordens­le­ben gewählt haben, dies beson­ders eif­rig und fei­er­lich tun, der kennt nicht bestimm­te ame­ri­ka­ni­sche Ordens­frau­en“, schrieb 2012 der bekann­te Sozio­lo­ge Mas­si­mo Intro­vi­gne. „Die Anwe­sen­heit eines Man­nes, der die Mes­se zele­briert, ist für die­se Schwe­stern eine Stö­rung“, so Intro­vi­gne. Die LCWR-Vor­stel­lun­gen von einem „demo­kra­ti­schen Dia­log“ in den Ordens­ge­mein­schaf­ten stel­le grund­sätz­lich die Aner­ken­nung der kirch­li­chen Leh­re in Fra­ge, so damals die Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on. Ein inter­nes Hand­buch für Obe­rin­nen des LCWR bewarb ein„organisches Men­ta­li­täts­mo­dell“, das typisch für fern­öst­li­che Reli­gio­nen ist, nicht aber für das Chri­sten­tum. Die „orga­ni­sche Men­ta­li­tät“ wäre prä­zi­ser mit „Rela­ti­vis­mus“ zu benen­nen, so Intro­vi­gne. Die gelob­te kari­ta­ti­ve Arbeit ame­ri­ka­ni­scher Ordens­ge­mein­schaf­ten las­se sie zum Teil kaum von lai­zi­sti­schen huma­ni­tä­ren Orga­ni­sa­tio­nen unter­schei­den und sei daher unge­nü­gend für die katho­li­sche Iden­ti­tät. Erst recht, wenn Rebel­len­schwe­stern öffent­lich für die lega­li­sier­te Tötung unge­bo­re­ner Kin­der demonstrieren.

Bei der LCWR-Ver­samm­lung 2007 for­der­te die Haupt­red­ne­rin, die Domi­ni­ka­ne­rin Lau­rie Brink dazu auf, „über die Kir­che hin­aus­zu­ge­hen“, wofür sich vie­le Schwe­stern bereits „ent­schie­den“ hät­ten. Jesus sei ein „Mei­ster“ unter ande­ren, der auf den „Geist des Hei­li­gen“ redu­ziert wird, der in der gesam­ten Schöp­fung „vor­han­den“ sei. In Rom läu­te­ten die Alarmglocken.

Bene­dikt XVI. ernann­te einen Apo­sto­li­schen Dele­ga­ten, der dem LCWR-Dach­ver­band wie­der eine katho­li­sche Iden­ti­tät geben soll­te. Des­sen Man­dat wur­de von Fach­leu­ten auf min­de­stens fünf Jah­re ver­an­schlagt, weil der wie­der­gut­zu­ma­chen­de Scha­den enorm war. „Die ange­rich­te­ten Schä­den sind so groß, daß die­se Zeit nicht rei­chen könn­te“, so der Sozio­lo­ge Mas­si­mo Intro­vi­gne. Das war 2012. Dann erfolg­te der Rück­tritt von Bene­dikt XVI. und die Wahl von Fran­zis­kus. Heu­te stellt sich die Lage, zumin­dest für die Ordens­kon­gre­ga­ti­on ganz anders dar, im wahr­sten Sin­ne des Wor­tes altrosa.

Alles eine Frage des Blickwinkels? Schwerpunktverlagerung in Rom

Der heu­te in Rom von Orden­s­prä­fekt Kar­di­nal Braz de Aviz vor­ge­stellt Bericht besteht zum größ­ten Teil aus Lob und Aner­ken­nung für die weib­li­chen US-Ordens­ge­mein­schaf­ten. Es bestehen erheb­li­che Zwei­fel dar­an, daß sich die Lage in den ver­gan­ge­nen zwei­ein­halb Jah­ren grund­le­gend zum Bes­se­ren gewen­det hat. Wie wur­de der „Umschwung“ dann in so kur­zer Zeit mög­lich? Durch einen Per­spek­ti­ven­wech­sel in Rom. Zen­tral her­vor­ge­ho­ben wird die Über­ein­stim­mung der LCWR-Arbeit mit den Leit­li­ni­en von Papst Fran­zis­kus im „Dienst an den Armen und den Rand­grup­pen“. Was 2012 als inak­zep­ta­ble Ver­wäs­se­rung und Anpas­sung an lai­zi­sti­sche huma­ni­tä­re Orga­ni­sa­tio­nen gese­hen wur­de, gilt 2014 als Auszeichnung?

„Seit den frü­hen Zei­ten der katho­li­schen Kir­che der Ver­ei­nig­ten Staa­ten ste­hen die Ordens­frau­en an vor­der­ster Front“, heißt es im neu­en Vati­kan-Papier: „Sie ant­wor­ten selbst­los auf die geist­li­che, mora­li­sche, erzie­he­ri­sche, phy­si­sche und sozia­le Not von zahl­lo­sen Indi­vi­du­en.“ Es ist kei­ne Rede mehr von „skan­da­lö­sen“ Umtrie­ben, Posi­tio­nen „außer­halb der katho­li­schen Kir­che“. Ganz im Gegen­teil: Der seit 2011 amtie­ren­de Nach­fol­ger von Kar­di­nal Franc Rode, der Bra­si­lia­ner Joao Kar­di­nal Braz de Aviz gibt sich „kon­zi­li­ant – eben­so wie Papst Fran­zis­kus. Auch die neue ‚Num­mer 2‘ der Kon­gre­ga­ti­on, Erz­bi­schof Jose Rodri­guez Car­bal­lo, ist auf die­ser Linie“, so KAP. Alle drei zeich­nen ver­ant­wort­lich für eine har­te­Re­pres­si­on gegen den von Bene­dikt XVI. geschätz­ten Orden der Fran­zis­ka­ner der Imma­ku­la­ta.

Im Jahr der Orden „positive Akzente“ setzen

Im heu­te vor­ge­stell­ten Papier wer­den Sank­tio­nen und Dis­zi­pli­nar­maß­nah­men mit kei­nem Wort erwähnt. Kein Wort mehr von den 2008 von Kar­di­nal Rode geäu­ßer­ten schwe­ren Vor­wur­fen des „Säku­la­ris­mus“, des „Femi­nis­mus“ und des „Deis­mus“. In Rom heißt es, die Ordens­kon­gre­ga­ti­on habe im Zusam­men­hang mit dem von Papst Fran­zis­kus aus­ge­ru­fe­nen „Jahr der Orden“ einen „posi­ti­ven Akzent“ set­zen wollen.

Die gleich­zei­tig durch­ge­führ­te Bestands­auf­nah­me erbrach­te, daß sich die Zahl der Ordens­frau­en seit 1960 mehr als hal­biert hat. Um genau zu sein, ist die Zahl der Ordens­frau­en auf 41 Pro­zent geschrumpft. Der Anteil des glau­bens­treu­en Dach­ver­ban­des Coun­cil of Mayor Supe­ri­ors of Women Reli­gious (CMSWR) ist gegen­über dem LCWR wei­ter gewach­sen. Wur­de er 2012 noch auf knapp weni­ger als 20 Pro­zent geschätzt, umfaßt er heu­te fast 24 Pro­zent aller Ordens­frau­en in den USA. Das hat vor allem mit der radi­ka­len Über­al­te­rung des pro­gres­si­ven Dach­ver­ban­des zu tun. Des­sen Ordens­frau­en sind im Durch­schnitt 73 Jah­re alt. Nach­wuchs ist Man­gel­wa­re. Das Durch­schnitts­al­ter des glau­bens­treu­en Dach­ver­ban­des liegt hin­ge­gen bei 35 Jah­ren. Ein aus­sa­ge­kräf­ti­ger Unterschied.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: LCWR/​Vatican Insider

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