Eifrige Gläubige statt gläubige Eiferer – Pater Niklaus Pfluger über die Lage der Kirche, der Piusbruderschaft und die Zukunft der Tradition


Kleriker der Piusbruderschaft vor dem Petersdom
Kle­ri­ker der Pius­bru­der­schaft vor dem Petersdom

Die am 20. Dezem­ber erschei­nen­de Weih­nachts­aus­ga­be der Jugend­zeit­schrift der Prie­ster­bru­der­schaft St. Pius X. ent­hält ein Inter­view von Pater Niklaus Pfluger über die Her­aus­for­de­run­gen der Zeit, das Katho​li​sches​.info vor­ab zuge­schickt wurde. 

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Pater Pfluger gilt als Peter Scholl-Latour der Pius­bru­der­schaft, weil der Erste Assi­stent des Gene­ral­obe­ren, Bischof Ber­nard Fel­lay, welt­weit die ver­schie­de­nen Nie­der­las­sun­gen des von Erz­bi­schof Mar­cel Lefeb­v­re gegrün­de­ten Werks besucht. Wie der ver­stor­be­ne Jour­na­list eilt ihm der Ruf vor­aus, auch unan­ge­neh­me Din­ge anzusprechen.

Die Pius­bru­der­schaft sei „nicht so mis­sio­na­risch“, wie sie sein könn­te, meint er zum Bei­spiel. Der Grund dafür sei, weil man­che Gläu­bi­ge „ein­fach kei­ne Ver­än­de­rung“ woll­ten und „neue Leu­te – mit ande­ren Ideen und Erfah­run­gen – nicht wirk­lich will­kom­men hei­ßen, denn ein Gemein­de­wachs­tum ist ja immer eine Veränderung“. 

Statt des­sen müs­se das Kli­ma in der Pius­bru­der­schaft „attrak­tiv und mis­sio­na­risch“ sein. „Die Fried­hofs­ru­he ist eine ganz gefähr­li­che Ruhe“. Es gel­te zu über­zeu­gen, Ver­trau­en zu schaf­fen, Mut zu machen. Nicht alles sei „immer nur ein Zei­chen für den Nie­der­gang der Welt“, son­dern manch­mal auch eine Form der „Rea­li­täts­ver­wei­ge­rung, die bei uns lie­gen kann. Tole­ranz und Libe­ra­li­tät sind immer typisch für die Kir­che gewe­sen, die eine Welt­kir­che ist: groß, alt und ewig jung, erfahren“. 

„Unbehagen“ eine pastorale Herausforderung – Piusbruderschaft müsse „attraktiv und missionarisch“ sein

Den tie­fe­ren Grund für eine teils anzu­tref­fen­de „Enge“ sieht Pater Pfluger in „all den trau­ma­ti­schen Erfah­run­gen in Kir­che und Gesell­schaft seit nun­mehr über 50 Jah­ren“, da sei „Neu­es suspekt“. Die­se Hal­tung stel­le eine „grund­sätz­lich pasto­ra­le Her­aus­for­de­rung“ für die Pius­bru­der­schaft dar. Aus­nah­men sei­en Afri­ka, Nord­ame­ri­ka, der ehe­ma­li­ge Ost­block und die Phil­ip­pi­nen, doch in „ein­ge­ses­se­nen tra­di­tio­nel­len Krei­sen“ habe sich ein gewis­ses „Unbe­ha­gen“ aus­ge­brei­tet, das Aus­druck einer „tief­rei­chen­den Ermü­dung“ sei. 

In den „Anfän­gen“ sei die „Begei­ste­rung all­ge­gen­wär­tig“ gewe­sen. Auch Erz­bi­schof Lefeb­v­re sei „in den Anfän­gen der Bru­der­schaft der festen Über­zeu­gung“ gewe­sen, „die Kri­se wer­de sich bald legen“ und die Kir­che wer­de bald ihre Tra­di­ti­on wie­der­fin­den. Doch nun müs­se man fest­stel­len, daß die Kri­se „dau­ert und dau­ert“ und „schlim­mer und schlim­mer“ wer­de. Die Rea­li­tät sei eben „nicht so sim­pel, wie man­che sich das aus­ge­dacht haben“. Auch in der Bru­der­schaft sei zum Teil die eige­ne „Situa­ti­on idea­li­siert“ worden.

2012 wurde „nichts und niemand verraten“

Mit der Hal­tung gegen­über Rom im Jahr 2012, als die Bemü­hun­gen um ein Ein­ver­neh­men schei­ter­ten, sei „nichts und nie­mand ver­ra­ten“ wor­den, son­dern „in einer schwie­ri­gen Zeit“ der Weg der Bru­der­schaft „abge­steckt“ wor­den. Der beste Beweis dafür sei, daß sowohl jene, die unbe­dingt eine Eini­gung mit Rom möch­ten, als auch jene, die sie unbe­dingt nicht möch­ten, den Vor­wurf erhe­ben, „ver­ra­ten“ wor­den zu sein. 

2006 habe das Gene­ral­ka­pi­tel aus der dama­li­gen Situa­ti­on her­aus den Weg abge­steckt, nicht mehr und nicht weni­ger. Damals habe nie­mand ahnen kön­nen, daß 2008 das Exkom­mu­ni­ka­ti­ons­de­kret zurück­ge­nom­men und der Papst in einem Motu pro­prio erklä­ren wür­de, die soge­nann­te Alte Mes­se sei „nie­mals abge­schafft wor­den“, son­dern habe „ein Recht in der Kir­che“. 2006 sei die Hal­tung Roms „aggres­siv, apo­dik­tisch“ gewe­sen. Seit­her sei „eini­ges in Bewe­gung geraten“. 

Beim jüng­sten Tref­fen mit Kar­di­nal Mül­ler und der Glau­ben­kon­gre­ga­ti­on sei „offen­sicht­lich“ gewe­sen, „daß der Hei­li­ge Stuhl rie­si­ge Pro­ble­me zu bewäl­ti­gen“ habe. „Die Bewe­gung der Tra­di­ti­on ist kei­ne ‚quan­ti­té nég­li­geable‘ mehr, pasto­ra­le Eska­pa­den des Pap­stes und Hei­lig­spre­chun­gen en mas­se hin oder her“, so Pater Pfluger.

Vor sechs Jah­ren habe der Gene­ral­obe­re bei der gro­ßen Wall­fahrt in Lour­des nicht zele­brie­ren dür­fen. In die­sem Jahr „heißt uns der Orts­bi­schof herz­lich will­kom­men und unse­re drei Bischö­fe fei­ern Pon­ti­fi­kal­äm­ter in der Pilgerbasilika“. 

Ein Kardinalspräfekt ist gegen einen andern; Kardinäle der heiligen Kirche kritisieren offen den Papst, und dieser lässt über Moralfragen abstimmen!

Man müs­se sich vor Augen hal­ten: „Ein Kar­di­nals­prä­fekt ist gegen einen andern; Kar­di­nä­le der hei­li­gen Kir­che kri­ti­sie­ren offen den Papst, und die­ser lässt über Moral­fra­gen abstim­men! Auch uns gegen­über gibt es kei­ne ein­heit­li­che Poli­tik mehr: der Papst sagt offen, wir sei­en katho­lisch, ein Orts­bi­schof dekre­tiert, wir sei­en schis­ma­tisch“. Die Ein­heit sei dahin, nie­mand wis­se, wohin die ange­kün­dig­te Reform der Kurie füh­ren werde. 

Auf die Fra­ge, ob es auch außer­halb der Pius­bru­der­schaft „geist­li­che Früch­te“ gebe, ant­wor­te­te Pater Pfluger: „Extra Eccle­sia nulla salus“ -: das gilt für die Una Sanc­ta, die hei­li­ge Kir­che, und die­se ist grö­ßer als die Bru­der­schaft!“ Es wäre eine „ganz und gar unkirch­li­che Ver­su­chung, die auch nicht durch die Kir­chen­kri­se oder die Skan­da­le in der Kir­che zu recht­fer­ti­gen ist“, zu den­ken, „die tra­di­tio­nel­le Bewe­gung sei die Kir­che; außer­halb gebe es kei­nen wah­ren Glau­ben, kei­ne geist­li­chen Früch­te“. Die „wah­re gro­ße Tra­di­ti­on“ sei auch nicht „mit den Tra­di­tio­nen zu ver­wech­seln“. In Indi­en „tra­gen die Män­ner Röcke und die Frau­en Hosen! In Tokio muß­te ich das Sonn­tagsamt ohne Schu­he zele­brie­ren“. Es sei in tra­di­tio­nel­len Krei­sen „ein wenig so“, daß alles was der „Rou­ti­ne des 19. oder 20. Jahr­hun­derts“ wider­spre­che, „schnell mal ‚moder­ni­stisch‘, ‚libe­ral‘, ‚frei­mau­re­risch‘ sei. „Eine sol­che falsch ver­stan­de­ne Tra­di­ti­on ist nicht attrak­tiv, kann nicht über­zeu­gen“. Da sei „viel For­mung und Auf­klä­rung nötig“, denn „Klug­heit und Unter­schei­dungs­ga­be“ täten not. „Mit Kli­schees und Schnell­schüs­sen“ sei kein Staat zu machen. Es gel­te viel­mehr, „den gro­ßen Reich­tum der Tra­di­ti­on und der Chri­sten­heit zu ent­decken und frei zu graben“. 

Die Kirche sei allein „allgemein und vollkommen“

Die Kir­che sei allein „all­ge­mein und voll­kom­men“, so Pater Pfluger. Sie wer­de „von außen nicht berei­chert, schon gar nicht durch ande­re Reli­gio­nen“. Wenn die Bewe­gung der Tra­di­ti­on „’nur‘ ein Teil der Kir­che ist, wenn gleich ein äußerst wich­ti­ger, dann besitzt sie nicht den gan­zen Reich­tum der Kir­che und deren Tra­di­ti­on, und sie kann nicht dar­auf ver­zich­ten, mit ande­ren Gemein­schaf­ten in Kon­takt zu sein und ande­re Ele­men­te zu über­neh­men, die sie nicht besitzt“. Es „wäre zu ein­fach“, alles, was der Bewe­gung der Tra­di­ti­on nicht ent­spricht, „als unfrucht­bar, häre­tisch und kon­zi­li­ar zu bezeich­nen“. Abge­se­hen davon gebe es „theo­lo­gi­sche Gra­de bei den Ent­schei­dun­gen und Defi­ni­tio­nen der Kir­che“. „Eine Häre­sie, ein von der Kir­che ver­ur­teil­ter Irr­tum“, sei etwas ande­res als ein nach dem theo­lo­gi­schen Urteil der Pius­bru­der­schaft bezeich­ne­ter Irr­tum und noch ein­mal etwas ande­res sei eine theo­lo­gi­sche Meinung.

Es sei belegt, daß es „dau­er­haft nur dort, wo die Lit­ur­gie und die Glau­bens­ver­kün­di­gung stim­men, katho­lisch blei­ben wird, es geist­li­che Früch­te gibt und die Kir­che sich erneu­ern kann“. „Als der Pro­phet Eli­as nie­der­ge­schla­gen war und ster­ben woll­te, weil er jah­re­lang gegen Hei­den­tum und Untreue des Vol­kes ver­ge­bens gekämpft hat­te und mein­te, er sei als ein­zi­ger Recht­gläu­bi­ge übrig geblie­ben, muss­te ihn Gott beleh­ren, dass es noch 7000 waren, „die ihr Knie vor Baal nicht gebeugt haben.““

Die Piusbruderschaft ist Teil einer Erneuerungsbewegung, die aus der Tradition schöpft

Löscht den Geist nicht aus“, zitiert Pater Pfluger den Apo­stel Pau­lus: „Wir ken­nen das berühm­te Chri­stus-Wort: ‚Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich‘. Aber es heißt auch, ‚wer nicht gegen euch ist, der ist für euch‘.“ Die Pius­bru­der­schaft sei „Teil einer Erneue­rungs­be­we­gung, die aus der Tra­di­ti­on schöpft und des­halb Kraft“ habe. „Wir sind ein wesent­li­cher Teil, und wegen der Ret­tung der Römi­schen Lit­ur­gie, die ja fak­tisch das Werk des Erz­bi­schofs ist, sogar ein unver­zicht­ba­rer. Dar­auf sind wir stolz. Das ist etwas ganz Beson­de­res, es ist eine Erwäh­lung!“ Das bedeu­te aber nicht, „alle ande­ren sei­en weni­ger wert oder hät­ten kei­ne geist­li­chen Früch­te“, denn wer so den­ke, „der sehe, dass er nicht fal­le. Man mag schon manch­mal den Ein­druck gewin­nen, dass die Erneue­rungs­be­we­gung stol­pert, lei­der, weil sie nicht geeint ist“. Spal­tung sei „nie ein Werk Christi“.

Die Bewe­gung der Tra­di­ti­on sei „aus der Ableh­nung der Refor­men nach dem Zwei­ten Vati­ka­num ent­stan­den“. Die Pius­bru­der­schaft sei „das Ret­tungs­boot für vie­le wirk­lich from­me Katho­li­ken, die in den 1970ern, 1980ern plötz­lich ihre Kir­che nicht mehr wie­der­erkannt haben. Und die genau des­halb schät­zen, was sie haben. Nun müs­sen wir aber erklä­ren, dass wir nicht mehr in die­ser Zeit leben, dass sich die Din­ge wei­ter­ent­wickelt haben, und dass wir uns des­halb auch immer neu posi­tio­nie­ren müs­sen. Nun sehen die Gläu­bi­gen aber auch, dass die Kri­se der Kir­che nicht über­wun­den ist, ja, dass es doch eigent­lich immer schlim­mer wird. Es ent­steht also ein inne­rer Wider­spruch zwi­schen den Erfah­run­gen und Sor­gen der einen und den Erwar­tun­gen der ande­ren, sicher auch der Rea­li­tät außer­halb.“ Und die­ser Wider­spruch mache der Pius­bru­der­schaft auch „zu schaf­fen. Wir haben uns vor dem Nie­der­gang nach dem Kon­zil geret­tet, aber wir haben eben auch durch unse­re Son­der­si­tua­ti­on neue Probleme.“ 

Gläubige Eiferer

Es gebe nicht „nur die Gefahr durch den reli­giö­sen Moder­nis­mus“, es gebe neben Skyl­la „auch Cha­ryb­dis“. „Wort­füh­rern“, die zwar für die Reli­gi­on strei­ten, aber nicht erken­nen wür­den, daß die Kir­che „immer grö­ßer“ ist, als sie selbst, müs­se kla­rer wider­spro­chen wer­den. „Die­se Leu­te sind kei­ne eif­ri­gen Gläu­bi­gen, es sind gläu­bi­ge Eife­rer“, die nur „sich selbst“ ver­tre­ten würden. 

Unter­des­sen „toben die Stür­me“ wei­ter, wie die Dis­kus­sio­nen und Strei­te­rei­en auf der Bischofs­syn­ode über die Fami­lie vom ver­gan­ge­nen Okto­ber gezeigt habe. Der Gene­ral­obe­re der Pius­bru­der­schaft habe in Zusam­men­hang „keine Ver­schwö­rungs­theo­rien, kei­ne Apo­ka­lyp­tik, son­dern con­tra spem in spem“ die „Tugend der Hoff­nung“ gepre­digt. „Hoff­nung wider alle Hoff­nung. Das ist katholisch.“ 

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Dici

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