(Rom) Hält hinter der Fassade demonstrativer Umgänglichkeit von Papst Franziskus nach innen eine „demokratische Tyrannei“ in der Kirche Einzug? Dazu erschien ein Aufsatz von Pietro De Marco, emeritierter Professor für Religionssoziologie an der Universität Florenz und an der Theologischen Fakultät für Mittelitalien, der von einem neuen „Drang zum Knüppel“ spricht, der aber nicht der Verteidigung der Wahrheit dient, sondern deren Zersetzung.
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Das Klima dieses Pontifikats ist ein neuer Drang zum Knüppel
von Pietro De Marco
Mir wurde ein sich vor kurzem zugetragener Fall berichtet, der symptomatisch für das katholische Klima ist, das sich breitmacht. Aus einer alten, ehrenamtlich tätigen katholischen Vereinigung in Florenz wurden vor wenigen Monaten eine Reihe verdienter Mitglieder ausgeschlossen. Sie wurden beschuldigt, Papst Bergoglio zu kritisieren.
Wie es scheint, wurden die Beweise dafür auf sozialen Netzwerken im Internet gefunden, wo die Betroffenen ihren Widerspruch kundtaten. Der Ausschluß erfolgte ohne Schiedsgerichtsverfahren, ohne Anhörung und damit ohne Möglichkeit, sich zu rechtfertigen oder zu verteidigen. Der Ausschluß erfolgte unter Verweis auf Artikel in den Statuten, die den Beschuldigten nie ausgehändigt wurden.
Sanktionen gegen Glaubenstreue, die bisher gegen Häretiker nicht angewandt wurden
Auch aus anderen kirchlichen Kreisen der Toskana kommen Signale, die eine Bereitschaft zu drastischen Disziplinarmaßnahmen gegen „traditionalistische“ Haltungen erkennen lassen. Maßnahmen, die in der Vergangenheit nicht einmal gegen Personen zur Anwendung kamen, die sich in Stellungnahmen und mit Handlungen tatsächlich gegen die Lehre und Ordnung gestellt hatten.
Ganz im Gegenteil, wer die zurückliegenden Jahrzehnte aufmerksam in der Kirche gelebt hat, weiß, daß es in genau benennbaren, keineswegs einflußlosen kirchlichen Kreisen ein Klima der offenen Ablehnung, ja sogar der Feindseligkeit gegen Papst Wojtyla oder Papst Ratzinger gab. Obwohl diese Haltung bekannt war, wurde sie von der offiziell an Rom ausgerichteten katholischen Hierarchie (ob Bischöfe oder Verbandsleitungen) mit größter Toleranz geduldet und in keiner Weise behindert. Es erstaunt um so mehr, daß dieselbe tolerante Hierarchie nun mit harter Hand den derzeit regierenden Papst verteidigt und gegen Kreise und Einzelpersonen vorgeht, die begründet Aussagen und Handlungen des Papstes kritisieren, aber in keiner Weise von der Rechtgläubigkeit abweichen oder diese in Frage stellen.
Analogie „Verfassungsfeind“ – „Konzilsfeind“
Natürlich wird, wie bei jeder richtigen Repression, niemand direkt „ausgeschlossen“. Die Angeklagten, so heißt, hätten sich durch ihre Haltung selbst ausgeschlossen. Damit wird eine Formel bemüht, die eigentlich für Exkommunikationen angewandt wird, also einer ganz anderen Bedeutungsebene zugehört und ein schwerwiegendes objektives Vergehen voraussetzt, das klar definiert ist. Den Beschuldigten nützt es auch nichts, daß sie sich mit ihrer Kritik einer biegsamen, selbstauflösenden Religiosität widersetzen, die sich auf breiter Front im Schlepptau des außerkirchlich postulierten Relativismus der Predigt, der Seelsorge und der katholischen Ethik bemächtigt. Im Gegenteil: dieser Widerstand scheint ihnen vielmehr als erschwerender Umstand angelastet zu werden. Es läßt sich eine Analogie zu niederträchtigen Angriffen mit sozialer und gesellschaftlicher Ächtung im öffentlichen Leben erkennen. So wie dort berechtigte Kritik von couragierten Menschen mit dem vernichteten Signum von „Verfassungsfeinden“ belegt wird, lautet derselbe tödliche Vorwurf in der Kirche „Konzilsfeinde“ oder neuerdings „franziskusfeindlich“.
Es genügt an den Präzedenzfall dieser Anklage zu erinnern, der kommissarischen Verwaltung der Franziskaner der Immakulata. Das Kirchenrecht wird von Kommissaren als Knüppel gebraucht und damit im antirechtlichen Sinn eingesetzt. Ein Merkmal sind Kommissare, die auf Kritik mit einer einschüchternden Sprache reagieren, die mehr an politische Schauprozesse anderer Zeiten erinnert. Diese Wunde ist noch immer offen und hat sogar Vorbildcharakter für vergleichbare repressive Aktionen. Dieses schwerwiegende Vorgehen wird auch in den kleinen Säuberungen, wie eingangs erwähnt, mit Verweis auf Aussagen und Handlungen von Papst Franziskus gerechtfertigt. Dabei handelt es sich um ein in der Soziologie durchaus bekanntes Phänomen: Worte und Verhaltensweisen des Anführers werden übernommen und zu persönlicher Rache und Vergeltung mißbraucht.
Laien und Kleriker scheinen keine Antikörper mehr gegen postmodernen Ramsch zu haben
Es ist allerdings auch zu sagen, daß es dabei um mehr geht, als nur darum einem Papst und dessen Entourage zu gefallen, was bereits für sich ausreichend Nährboden für diese in den vergangenen Jahrzehnten unbekannte papstfreundliche Front wäre. Mit dem Ende des Pontifikats von Benedikt XVI. scheinen Laien und Kleriker über keine Antikörper gegen den postmodernen christlichen Ramsch zu verfügen. Schon vorher waren davon nur mehr wenige vorhanden, aber es gab sie noch und sie schienen sich in manchen Teilen vielversprechend zu regenerieren. Mit Ramsch ist die „Einsicht“ und „Zerknirschung“ gemeint, die zu jener bußfertigen Selbstkritik über die katholische Vergangenheit „im Licht des Evangeliums“ führt, konkret aber meint, jedwede Agenda zu umarmen, die von den großen Medien verbreitet wird und daher als vorherrschende Meinung wahrgenommen wird.
Dadurch wird die katholische Kultur in ein Unterwürfigkeitsverhältnis des antiklerikalen Syndroms geführt, das viele Stereotype bedient, von den Kreuzzügen über die Inquisition bis zur Pädophilie, und parallel von einer Lawine von „Bestsellern“ und Kinofilmen zum breiten Publikum transportiert wird.
Franziskus kein Schutzdamm gegen selbstschädigenden Emanzipationsdrang „mündiger Katholiken“
Mehr noch: die „mündigen Katholiken“ sehen in einer solchermaßen mit Dreck beworfenen Kirche die Bestätigung ihres Vorurteils einer rückwärtsgewandten, lebensfremden Neinsager-Kirche, von der man sich befreien müsse. Und der regierende Papst ist, soviel steht fest, mit Sicherheit kein Schutzdamm gegen diese Form der Selbstbeschädigung.
So hat es mich letztlich nicht verwundert, um beim Beispiel der Kirche in der Toskana zu bleiben, daß Klerus, Ordensleute und Laien jüngst einem Kinofilm Applaus zollten, der mit öffentlichen Geldern finanziert wurde. Begründet wurde der Applaus auch damit, daß der Regisseur ja „katholisch“ sei. Dieser behauptet, das Leben in den Seminaren der 50er Jahre darzustellen. In Wirklichkeit konstruiert der Film eine Anklage gegen die katholische Erziehung der Kirche unter dem großen Papst Pius XII. [1]Der Film Il seminarista (Der Seminarist), Italien 2014, Drehbuch und Regie: Gabriele Cecconi, Großer Jurypreis „Emidio Greco“ des Gallio Filmfestival 2014, wurde im vergangenen September auch in … Continue reading Das Werk ist eine antikatholische Anklage, die jeden noch mit etwas gesundem Hausverstand ausgestatteten Katholiken zur Reaktion herausfordern hätte müssen.
Das gleichgültige „Wer bin ich, um zu urteilen“ findet bereitwillig Anhänger, außer es geht um die Vergangenheit der Kirche
Das gleichgültige „Wer bin ich, um zu urteilen?“ findet hingegen bereitwillig Anhänger, außer, ja außer wenn es sich um die Vergangenheit der Kirche handelt. Für weite Teile der Kirche, man sehe sich die Internetseite des Opus Dei an, beginnt die sichtbar gemachte, graphisch betonte Katholizität mit Johannes XXIII., dabei wurde – um bewußt bei diesem Beispiel zu bleiben – das Opus Dei unter Pius XII. gegründet, kanonisch errichtet und päpstlich anerkannt. Das „Davor“ gibt es nicht, und wenn doch, dann negativ, so wie der Regisseur Cecconi seine Anklage inszenierte. Aus zahlreichen persönlichen Gesprächen weiß ich, daß vielen jüngeren, auch durchaus wohlmeinenden „danach“ Geborenen, dieser Bruch gar nicht bewußt ist.
Dieses von höchster Stelle postulierte Desinteresse, „nicht zu urteilen“, entbindet bequem von jeder Verpflichtung, zu prüfen, zu unterscheiden, sich der „Welt“ zu widersetzen, die Stimme zu erheben, zu verteidigen. Es entledigt letztlich auch vom spezifisch katholischen Zeugnis in der Welt, das nicht mehr gegeben werden muß. Eine „Befreiung“ von allen „lästigen Lasten und Paragraphen“, die in Wirklichkeit eine „Befreiung“ von der katholischen Identität ist und die, ohne jede Bremse durch Rom, auch die Wohlmeinenden unter Druck setzt, einerseits den ungeordneten, wirren, als „human“ präsentierten Ideen, Verhaltensweisen und Gesetzen zuzustimmen und andererseits sich dem Chor politisch-korrekter, ritueller Mißbilligungen von Armut, Krieg, Mafia anzuschließen, die den Durchschnittskatholiken nichts kosten, nichts von ihm verlangen, nichts ihm abfordern, schon gar nicht über etwas nachdenken zu müssen.
Nur der Nihilismus trägt immer ein „menschliches Gesicht“, wie der Antichrist Solowjews
Indem sie vergessen, daß nur der Nihilismus, der nicht urteilt, immer ein wohlmeinendes „menschliches Gesicht“ trägt und das öffentliche Glück einmahnt, wie der Antichrist eines bekannten russischen Schriftstellers, erfüllen viele qualifizierte Katholiken, Klerus und Laien, nicht mehr ihre grundlegendsten Aufgaben: dazu gehört auch, den Westen und die Welt an die christliche Anthropologie zu erinnern, die das Fundament ist, auf dem sie gründen. Es geht um Leib und Seele, um Leben oder Tod, um Generations- oder Geschlechtsidentität. Fast keine katholische Stimme, die mit Amtsautorität ausgestattet ist, erhebt sich noch gegen die philosophisch und wissenschaftlich unhaltbare und neurotische, gleichmachende Manipulation des Männlichen und des Weiblichen, der man die gesamte Kultur zu unterwerfen versucht, indem Parlament, Schule und Gericht als Hebel eigesetzt werden.
Papst Franziskus zwischen Angst und Anziehung und die „demokratischen Tyrannen“
Zur seltsamen Mixtur aus Angst und Anziehung gegenüber Papst Franziskus, die Laien und Klerus betäubt, kommen also noch der Schlaf der katholischen Vernunft, ein Selbstbewußtsein in den letzten Zügen und eine Unterwürfigkeit gegenüber der öffentlichen Ethik anderer. Und unter Papst Bergoglio meint man, das alles gar nicht mehr verhehlen zu müssen. Schlimmer noch: getarnt abhängig von einer öffentlichen Meinung, die vortäuscht, für Werte zu handeln, und mit der Überzeugung von einem Papst legitimiert zu sein, der von den opinion makers medial vermittelt wird, verwandeln sich einige Laien und Kirchenvertreter, die Verantwortung für Menschen und Organisationen tragen (gemäß einer Konstante der politischen Soziologie) in „demokratische Tyrannen“ gegenüber Andersdenkenden.
Nichts Neues unter der Sonne, wird man sagen. In der Vergangenheit allerdings waren Disziplinarmaßnahmen und Sanktionen durch den Schutz der Integrität des Glaubens und der dazu eingesetzten und notwendigen Institution begründet. Heute wird der Knüppel für von außen aufgedrängte Formeln eines verfälschten Christentums geschwungen. Formeln, die falsche Gegensätze konstruieren wie „Liebe“ und „Barmherzigkeit“ gegen Verantwortung und richtiges Urteil, „Lebenswirklichkeit“ gegen Vernunft, „Natur“ und „Glück“ gegen Sünde und Heil, „Konzil“ gegen christliche Tradition. Das ist der geistige Horizont vieler Predigten, die landauf landab zu hören sind und aus denen das Schlechteste der Nachkonzilszeit spricht.
Führt der Weg der Kirche in mehrfachem Sinn also gar vom Großinquisitor zum Antichristen? Nein, weder der eine noch der andere sind geeignete Chiffren, um die Realität der Kirche angemessen wiederzugeben. Die Frage taugt aber durchaus als herausfordernder Denkansporn, um über die Lage der Kirche, der Menschheit und der Welt im jetzt und heute nachzudenken.
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Settimo Cielo
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↑1 | Der Film Il seminarista (Der Seminarist), Italien 2014, Drehbuch und Regie: Gabriele Cecconi, Großer Jurypreis „Emidio Greco“ des Gallio Filmfestival 2014, wurde im vergangenen September auch in der Italienischen Botschaft in den USA und an der Universität von Washington gezeigt. |
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Bergoglio hat mit christlicher Barmherzigkeit – und überhaupt mit dem Christentum – nur soviel gemeinsam wie der Kommunismus mit den Rechten der Arbeiterklasse. Sein pharisäischer Pauperismus dient nur dazu, Sympathie und Popularität zu gewinnen, um den Katholizismus umso rücksichtsloser und erfolgreicher bekämpfen zu können.
Die sogenannte “ Barmherzigkeit “ von Papst Franziskus, erweist sich immer wieder aufs Neue, als
eine leere Worthülse. Mit seinen Taten, Gesten und Reden, unterstreicht der Papst mediengerecht
dass, was ihm unterstellt und kritisiert wird. Seit seinem kurzen Pontifikat hat dieser Papst noch keinerlei Aussagen gemacht, welche seine Ziele und die Lehren der Kirche sind. Hat man jemals
gehört das ein Papst anstatt zu segnen, Küsschen verteilt, sich von Laienpredigern segnen lässt,
mit Vertretern von Heiden und Dämonen betet ? Über die unterbliebenen Kniebeugen ist schon viel berichtet worden. Also im Ganzen kein Vorbild im Glauben. Die katholische lehrt mit Recht,
dass die Kirche vom Heiligen Geist geführt wird und somit auch ein Papst. Aber Gottes Geist weht
wo er will. Er kann aber auch von einem Papst Abstand nehmen, der durch rebellische Kardinäle
auf den Kirchenthron gehoben worden ist.
Die Kirche kann und wird nie untergehen ! Alleluja !
Eine ausgezeichnete, scheuklappenfrei sachliche Analyse des kirchlichen Status quo, hinter die ein großes Ausrufezeichen gehört. Meinen Dank an den Verfasser und Herrn Nardi, der uns diesen wesentlichen Artikel in deutsch zugänglich gemacht hat.
Der Artikel spricht auf eine allgemeine Weise vieles aus, was vage in uns allen bohrt.
Ich habe mich aber bei manchen Sätzen gefragt, was sie konkret heißen könnten.
Der Autor schreibt zum Beispiel:
„Es (das gleichgültige „Wer-bin-ich-zu urteilen“) entledigt letztlich auch vom spezifisch katholischen Zeugnis in der Welt, das nicht mehr gegeben werden muß.“
Was ist denn „spezifisch katholisch“?
Im Getümmel der Katholizismen, in dem wir fast untergehen, ist diese Frage ja nicht gerade leicht zu beantworten.
Und überhaupt: Welches Zeugnis meinen dann die demokratischen Tyrannen geben zu sollen, wenn sie schon so versessen sind auf ihr tyrannisches Spiel? Das Zeugnis gegen das Zeugnisgeben?
Und da der Autor ja die massiven Einsprüche gegen Gender, z.B. durch Frau Kuby oder Frau Thürkauf oder die Manif-Bewegung gar nicht erwähnt, als gäbe es nur bischöfliche „spezifisch katholische Zeugnisse“ oder eben nichts zu dem Thema, muss man den Artikel als Appell an die Hierarchie auffassen.
Es ist nicht leicht zu dechriffrieren: „Führt der Weg der Kirche in mehrfachem Sinn also gar vom Großinquisitor zum Antichristen?“
Das sind nicht die richtigen Chriffren, sagt der Autor, und das stimmt. Und dennoch war und ist die Kirche auch der Tummelplatz des Großinquisitors und des Antichristen.
Dabei ist diese Frage ganz leicht zu beantworten: der Weg der Kirche ist mit Sicherheit ein Kreuzweg.
Was ist dann „spezifisch katholisches Zeugnis“?
Bestimmt nicht der Auftritt gegen Gender (denn den leisten auch Nichtkatholiken).
Spezifisch katholisch ist ausschließlich eben doch die Bereitschaft zur Buße, zum persönlichen Opfer und zum Kreuzweg.
Alles andere ist einfach „unspezifisch konservative“ Politik, die ich damit nicht diskreditieren will, die aber eben nicht in die Kategorie des „spezifisch katholischen Zeugnisses“ gehört.
Einer der besten Artikel, die ich auf dieser Seite gelesen habe, Bravo! Glückliches Italien, das noch wahrhaft Intellektuelle sein eigen nennen kann – in deutschen Landen sucht man diese in diesem Ausmaße vergeblich, weil die meisten schon umerziehungsverblödet sind.
Das wird auch in den höheren Rängen geschehen und zwar noch vor der Synode 2015. Das ist alles bekannt und vorher gesagt. Wir müssen uns darauf einstellen. Das Gebet ist die einzige wirksame und starke Antwort.