Neuer Fragebogen zur Bischofssynode – Fortsetzung der umstrittenen Handhabe


Bischofssynode: Zweiter Fragebogen
Bischofs­syn­ode: Zwei­ter Fragebogen

(Rom) Der Vati­kan ver­öf­fent­lich­te am Diens­tag den zwei­ten Fra­gen­ka­ta­log zur Fami­lie, der vom Gene­ral­se­kre­ta­ri­at der Bischofs­syn­ode allen Bischofs­kon­fe­ren­zen über­mit­telt wird. Die rund um den ersten Teil der Bischofs­syn­ode ent­stan­de­nen Zwei­fel über Ziel und Aus­rich­tung wer­den durch die beglei­ten­de Erklä­rung nicht aus­ge­räumt. Viel­mehr scheint die umstrit­te­ne Hand­ha­be des ver­gan­ge­nen Okto­bers ihre Fort­set­zung zu finden.

46 Fragen nicht mehr an Bischöfe gerichtet, sondern „breite“ Befragung

Anzei­ge

Rich­te­te sich der erste Fra­ge­bo­gen von 2013 direkt an die Bischö­fe und wur­de unbe­rech­tig­ter­wei­se von die­sen an „alle“ wei­ter­ge­reicht, oder von katho­li­schen Orga­ni­sa­tio­nen im Inter­net in Online-Umfra­gen umfunk­tio­niert, so rich­tet sich der zwei­te Fra­ge­bo­gen tat­säch­lich an „alle“. Die Bischö­fe sind zwar die Adres­sa­ten, doch wird nicht mehr nach ihrer Mei­nung gefragt. Sie sol­len sich viel­mehr auf „brei­ter“ Basis mit den Katho­li­ken der gan­zen Welt bera­ten, so der Wil­len des Pap­stes. Der Fra­gen­ka­ta­log bil­det zusam­men mit dem Schluß­be­richt des ersten Teils der Bischofs­syn­ode vom ver­gan­ge­nen Okto­ber die Arbeits­grund­la­ge des zwei­ten Syn­oden­teils, der von Fran­zis­kus für Okto­ber 2015 ange­setzt wurde.

46 Fra­gen umfaßt der neue „Fra­gen­ka­ta­log“. Das Wort „Fra­ge­bo­gen“ wie es noch im ver­gan­ge­nen Jahr hieß, wird nicht mehr ver­wen­det. Die Ant­wor­ten sol­len der Syn­ode bei der „Ver­tie­fung“ der anste­hen­den Fra­gen hel­fen. Was die Fra­ge auf­wirft, wel­chen Nut­zen die Bischö­fe aus einer zwei­fel­haf­ten empi­ri­schen Erhe­bung zie­hen wol­len, da es nicht um eine demo­kra­ti­sche Mei­nungs­bil­dung von unten nach oben geht, son­dern die Bischö­fe die Gläu­bi­gen von oben nach unten zu unter­wei­sen haben und ihnen Hilfs­mit­tel zur Hand geben sol­len, um das Wah­re zu erken­nen und ein christ­li­ches Leben in der Wahr­heit füh­ren zu können.

So feh­len auch die umstrit­te­nen The­men Homo­se­xu­el­le und wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­ne nicht im neu­en Fra­gen­ka­ta­log. Die Fra­gen „beab­sich­ti­gen den gebo­te­nen Rea­lis­mus in den Bera­tun­gen der ein­zel­nen Epi­sko­pa­te zu erleich­tern“, heißt es in der beglei­ten­den Erklä­rung des Gene­ral­se­kre­ta­ri­ats, die in den kom­men­den Tagen an die Bischofs­kon­fe­ren­zen ver­schickt wird.

Kryptische Formulierungen in Begleiterklärung – Gibt es eine von Lehre unabhängige Seelsorge?

Kryp­tisch heißt es in der Erklä­rung: Damit sol­le ver­hin­dert wer­den, daß die Ant­wor­ten der Epi­sko­pa­te „die blo­ße Wie­der­ga­be der pasto­ral umge­setz­ten Glau­bens­leh­re sind, aber nicht die Ergeb­nis­se der außer­or­dent­li­chen Bischofs­syn­ode von 2014 berück­sich­ti­gen und damit ihre Über­le­gun­gen vom inzwi­schen abge­steck­ten Weg ent­fer­nen wür­den“. Wel­cher „inzwi­schen abge­steck­te“ Weg ist damit gemeint? „Gibt es eine von der Leh­re unab­hän­gi­ge Pasto­ral?“ fragt daher auch der Jurist und Reli­gi­ons­so­zio­lo­ge Mas­si­mo Intro­vi­gne. „Der Text glänzt nicht durch kla­re For­mu­lie­run­gen“, so Introvigne.

Da der bekann­te Sozio­lo­ge an sach­li­cher Kri­tik nicht vor­bei­kann und will, sich für ihn aber gleich­zei­tig jede Kri­tik am Papst ver­bie­tet, ist er zu akro­ba­ti­schen Gedan­ken­übun­gen gezwun­gen. So meint er abschwä­chend, daß es ande­re Aus­sa­gen von Papst Fran­zis­kus gebe, die klar­stel­len, daß Pasto­ral und Dok­trin nicht getrennt exi­stie­ren kön­nen. Sein Ver­weis auf die Anspra­che von Papst Fran­zis­kus vom 27. Novem­ber an die Teil­neh­mer des Kon­gres­ses über Groß­stadt­seel­sor­ge ver­mag in die­sem Zusam­men­hang aber gera­de nicht zu über­zeu­gen. Fran­zis­kus sag­te damals: „wir brau­chen einen pasto­ra­len Men­ta­li­täts­wech­sel, aber nicht eine ‘rela­ti­vi­sti­sche Pastoral‘“.

Unklare Sprache: Intellektuelles Unvermögen oder Absicht?

Viel­mehr bestärkt die neue Erklä­rung die Zwei­fel. Ein „nicht durch kla­re For­mu­lie­run­gen“ glän­zen­der Text kann Rück­schlüs­se auf das intel­lek­tu­el­le Unver­mö­gen der Autoren erlau­ben. Da dies im Fal­le von Kar­di­nal Bal­dis­se­ri und sei­nem Gene­ral­se­kre­ta­ri­at kaum anzu­neh­men ist, muß mit Absicht gerech­net wer­den. Wel­ches Inter­es­se aber kann es geben, unprä­zi­se zu formulieren?

Die 46 Fra­gen wür­den zwar nicht die Wahr­heit Jesu über den Men­schen vor den Gläu­bi­gen ver­stecken, schreibt Intro­vi­gne wei­ter, doch sei­en sie in der Spra­che kirch­li­cher Doku­men­te ver­faßt, die eigent­lich nur Insi­der ver­ste­hen. Zu ergän­zen wäre, daß sie in einer kirch­li­chen Büro­kra­ten­spra­che vom „Charme“ der wöchent­li­chen Sonn­tags­für­bit­ten ver­faßt sind, die besten­falls eines ist: abschreckend.

Umstrittene Teile des Schlußberichts, obwohl abgelehnt, sind einfach dabei

Wei­te­re Fra­gen stel­len sich: Sind nicht nur die The­men, son­dern auch die drei abge­lehn­ten Para­gra­phen des Schluß­do­ku­ments Teil der Arbeits­grund­la­ge der Bischofs­syn­ode 2015? Letzt­lich ja, denn es fehlt jeder Hin­weis, daß die drei Para­gra­phen zwar auf päpst­li­chen Wunsch hin ver­öf­fent­licht, aber von der Syn­ode abge­lehnt wur­den und damit gera­de nicht Teil der Syn­oden­bot­schaft sind. Ein Schelm wer sich das Sei­ne dabei denkt.

Meint die zitier­te Stel­le in der neu­en Erklä­rung gar, daß der „Weg“ bereits fest­steht und die unsy­ste­ma­ti­sche und damit belie­bi­ge neue Mei­nungs­er­he­bung unter den Gläu­bi­gen die „blo­ße“ Wider­ga­be der Glau­bens­leh­re in den Ant­wor­ten durch die Bischö­fe ver­hin­dern soll? Eine kla­re Spra­che spricht eben anders.

Pastorale Perspektiven „wurzeln in Zweitem Vatikanum und Lehramt von Papst Franziskus“

Das Begleit­schrei­ben zitiert aus­gie­big die Kon­zils­kon­sti­tu­ti­on Gau­di­um et Spes sowie das Apo­sto­li­sche Schrei­ben Evan­ge­lii Gau­di­um. Die „pasto­ra­len Per­spek­ti­ven“ der Bischofs­syn­ode für die Fami­lie, so heißt es, wur­zeln „im Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil und im Lehr­amt von Papst Fran­zis­kus“. Die erste der 46 Fra­gen lau­tet: „Die Beschrei­bung der Lebens­wirk­lich­keit der gegen­wär­ti­gen Fami­lie in der Rela­tio syn­odi ent­spricht dem, was in der Kir­che und in der Gesell­schaft von heu­te wahr­ge­nom­men wird? Wel­che feh­len­den Aspek­te kön­nen inte­griert werden?“

Die wei­te­ren Fra­gen fol­gen dem Sche­ma der Rela­tio syn­odi. So kommt die Fra­ge 20 zum The­ma: „Wie kann gehol­fen wer­den zu ver­ste­hen, daß nie­mand von der Barm­her­zig­keit Got­tes aus­ge­schlos­sen ist und wie kann die­se Wahr­heit im pasto­ra­len Han­deln der Kir­che gegen­über der Fami­lie, beson­ders den ver­letz­ten und zer­brech­li­chen zum Aus­druck gebracht wer­den?“ Die Fra­ge 21 spricht davon, wie Men­schen, die noch nicht zum vol­len Ver­ständ­nis des Glau­bens gelangt sind, ange­nom­men und auf­ge­nom­men wer­den kön­nen, ohne auf die Ver­kün­di­gung der Wahr­heit zu verzichten?

„Alles tun, damit nicht wieder von Null begonnen wird“

Auch ziem­lich kryp­tisch ist der Satz: „Es ist not­wen­dig, alles zu tun, damit nicht wie­der von Null begon­nen, son­dern der bereits zurück­ge­leg­te Weg der außer­or­dent­li­chen Syn­ode als Aus­gangs­punkt genom­men wird.“

Zu den wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen lau­ten die Fra­gen unter ande­rem: „Die Sakra­men­ten­pa­sto­ral bezüg­lich der wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen braucht ein wei­te­re Ver­tie­fung, indem auch die ortho­do­xe Pra­xis gewer­tet wird und ‚die Unter­schei­dung zwi­schen objek­ti­ver Situa­ti­on der Sün­de und mil­dern­den Umstän­den berück­sich­tigt wird‘. In wel­chen Per­spek­ti­ven kann man sich bewe­gen? Wel­che Schrit­te sind mög­lich? Wel­che Emp­feh­lun­gen gibt es, um nicht nöti­gen Hin­de­rungs­grün­den entgegenzuwirken?“

Fra­ge 38 besagt: „Wie rich­tet die christ­li­che Gemein­schaft ihre pasto­ra­le Auf­merk­sam­keit auf Fami­li­en, die in ihrem Inne­ren eine Per­son mit homo­se­xu­el­len Ten­den­zen haben? Wie kann man sich unter Ver­mei­dung jeder unge­rech­ten Dis­kri­mi­nie­rung der Per­so­nen in die­sen Situa­tio­nen im Licht des Evan­ge­li­ums anneh­men? Wie kann man ihnen die Not­wen­dig­kei­ten des Wil­lens Got­tes in ihrer Situa­ti­on nahe­brin­gen?“ (Fra­ge 40)

Auch der staat­lich lega­li­sier­te Mord an unge­bo­re­nen Kin­dern wird the­ma­ti­siert. Fra­ge 44 lau­tet: „Wie bekämpft die Kir­che das Übel der Abtrei­bung, indem sie eine wirk­sa­me Kul­tur des Lebens för­dert?“ Fra­ge 41 befaßt sich mit der Enzy­kli­ka Hum­a­nae vitae.

Die Ergeb­nis­se des Fra­gen­ka­ta­logs „sind inner­halb 15. April 2015 an das Gene­ral­se­kre­ta­ri­at der Bischofs­syn­ode zu sen­den, damit sie aus­ge­wer­tet und für die Vor­be­rei­tung des Instru­men­tum labo­ris berück­sich­tigt wer­den kön­nen, das vor Som­mer­be­ginn ver­öf­fent­licht wird“.

Pater Spadaros Dokumentenedition der Bischofssynode 2014

Zeit­gleich mit der Vor­stel­lung des neu­en Fra­gen­ka­ta­logs erschien gestern das neue Buch von Pater Anto­nio Spa­da­ro, dem Chef­re­dak­teur der Jesui­ten­zeit­schrift Civil­tà  Cat­to­li­ca, mit dem Titel: „Die Fami­lie und die Zukunft“. Es ent­hält Doku­men­te der außer­or­dent­li­chen Bischofs­syn­ode. Spa­da­ro gehört zu den Papst-Ver­trau­ten. Fran­zis­kus ernann­te ihn per­sön­lich zum Syn­oda­len. Spa­da­ro macht kein Hehl dar­aus, die „neue Barm­her­zig­keit“ Kar­di­nal Kas­pers zu unter­stüt­zen. Sei­ne Doku­men­ten­edi­ti­on, was ent­hal­ten ist und was nicht, wird genau anzu­schau­en sein.

Ärmel hochkrempeln und Beantwortung nicht der „üblichen Ecke“ überlassen

So umhüllt Intro­vi­gnes anfangs dar­ge­stell­te „legi­ti­me Kri­tik“ aus­fällt, ist ihm zuzu­stim­men, wenn er auf­for­dert, die „Ärmel hoch­zu­krem­peln“ und beim zustän­di­gen Bischof anzu­fra­gen, wie er vor­zu­ge­hen gedenkt und sich aktiv und mit Nach­druck an der Beant­wor­tung der Fra­gen zu betei­li­gen. „Bei die­ser Art von Umfra­gen geschieht es zu oft, daß die ‚Guten‘ nicht teil­neh­men, und sich dann dar­über bekla­gen, daß nur die ‚Bösen‘ zu Wort kom­men. Es stimmt nicht, daß ‚alles nichts nützt‘. Ich selbst habe mit meh­re­ren Bischö­fen gespro­chen, die nach­drück­lich hof­fen, daß die Ant­wor­ten nicht alle aus der übli­chen Ecke kom­men“, so Introvigne.

Dies zumal der Fra­gen­ka­ta­log eine Rei­he von Fra­gen ent­hält, die geeig­net sind die katho­li­sche Glau­bens­leh­re zum Strah­len zu brin­gen, so etwas im ersten Teil die Fra­gen 6, 8, 10, 12, in denen es um den „Wunsch nach Fami­lie“ geht, den der Schöp­fer­gott in das Herz eines jeden Men­schen gelegt hat.

Ins­ge­samt bleibt ein­mal mehr ein selt­sa­mer Bei­geschmack. Weni­ger wegen dem, was gesagt wird, als viel­mehr wegen dem, was nicht gesagt wird.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: NBQ

Print Friendly, PDF & Email
Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!