Eine päpstliche Verneigung, die noch keine Einheit schafft


Verneigung des Papstes
Ver­nei­gung des Papstes

(Kon­stan­ti­no­pel) Der neue­ste und ori­gi­nell­ste Aspekt der Begeg­nung zwi­schen dem öku­me­ni­schen Patri­ar­chen von Kon­stan­ti­no­pel war mit Sicher­heit nicht die Ver­nei­gung von Papst Fran­zis­kus vor Bar­tho­lo­mä­us I. mit der Bit­te, ihn zu seg­nen und für ihn zu beten. Eine päpst­li­che Ver­nei­gung, zudem befremd­lich, schafft noch kei­ne Ein­heit. Auch nicht zwi­schen der Katho­li­schen Kir­che und der Ortho­do­xie, obwohl letz­te­re der Kir­che Chri­sti am näch­sten steht.

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Für Jor­ge Mario Berg­o­glio gehört eine sol­che Geste zum Stan­dard­pro­gramm, wie seit dem Abend sei­ner Wahl zum katho­li­schen Kir­chen­ober­haupt nicht nur die Argen­ti­ni­er wis­sen, son­dern die gan­ze Welt weiß. Er tut es vor allen, vor hoch­ge­stell­ten Per­sön­lich­kei­ten und eben­so vor gro­ßen Mas­sen. Eine Geste, die Berg­o­glio sym­pa­thisch erschei­nen läßt, doch auch den Bei­geschmack einer Rela­ti­vie­rung von Fran­zis­kus und des Petrus­am­tes in sich birgt. Die Mas­sen wie die Per­sön­lich­kei­ten kom­men zu ihm, um Petrus und des­sen Gna­den­fluß zu begeg­nen. Die Zeit undif­fe­ren­zier­ter Gleich­ma­che­rei, wie sie anthro­po­zen­tri­sche Gedan­ken­ge­bäu­de wie die frei­mau­re­ri­sche Brü­der­lich­keit oder der nivel­lie­ren­de Mar­xis­mus ver­tre­ten, soll­te eigent­lich abge­kaut sein. Ein gläu­bi­ger Mensch will von Petrus geseg­net wer­den und erhofft sich das Gebet des Men­schen­fi­schers für sich. Dies umge­kehrt zu tun, ist nett, aber nicht normativ.

Nützen sympathische Gesten Jorge Mario Bergoglios auch Franziskus und der Kirche?

Zuletzt setz­te Jor­ge Mario Berg­o­glio die­se Geste am ver­gan­ge­nen 1. Juni im römi­schen Olym­pia­sta­di­on vor meh­re­ren Zehn­tau­send cha­ris­ma­ti­schen Katho­li­ken und auch Pro­te­stan­ten. Am 16. Juni ließ er sich, immer im Gewand des Petrus, vom angli­ka­ni­schen Pri­mas Justin Wel­by seg­nen, wohl wis­send, daß Wel­by drauf und dran ist, sich mit der angli­ka­ni­schen Kir­che von Eng­land von Rom zu ent­fer­nen, anstatt anzu­nä­hern, indem er die Ernen­nung von Bischö­fin­nen unter­stützt und wegen die­ser Unter­stüt­zung zum Pri­mas gewählt wurde.

Umge­kehrt ver­mit­telt die meist demon­stra­tiv öffent­lich voll­zo­ge­ne Geste dem Gegen­über, im kon­kre­ten Fall Pri­mas Wel­by den Ein­druck einer Auf­wer­tung. Die Detail­fra­gen die­ser insze­nier­ten Gna­den­um­kehr sind von Theo­lo­gen zu ergrün­den. Hier soll der Hin­weis dar­auf genü­gen, daß hin­ter der sym­pa­thi­schen Geste einer Ein­zel­per­son ein theo­lo­gi­scher Defekt für Petrus ste­hen kann.

Nicht zuletzt ist dar­an zu erin­nern, daß der dama­li­ge Erz­bi­schof Berg­o­glio sich von den 2006 im Luna Park von Bue­nos Aires ver­sam­mel­ten Cha­ris­ma­ti­kern aller Kon­fes­sio­nen seg­nen ließ. Im Publi­kum ließ er sich von einem jun­gen Pro­te­stan­ten in etwas exta­ti­scher Situa­ti­on seg­nen, auf der Büh­ne knie­te er vor ver­sam­mel­tem Publi­kum nie­der und ließ sich von den Füh­rungs­ge­stal­ten, dar­un­ter Pater Can­tal­am­es­sa, aber auch ver­schie­de­nen pro­te­stan­ti­schen Cha­ris­ma­ti­kern seg­nen. Unter ihnen befand sich damals auch der Evan­ge­li­ka­le Gio­van­ni Traet­ti­no, den Fran­zis­kus im ver­gan­ge­nen Juli in Caser­ta besuchte.

Bartholomäus betonte orthodoxen Standpunkt, der Primat zur Kernfrage macht

Der Höhe­punkt der Begeg­nung von Petrus und Andre­as, der bei­den Apo­stel­brü­der, die in der ortho­do­xen Iko­no­gra­phie in jeder Kir­che dar­ge­stellt sind, wie sie sich umar­men und die Ein­heit von West- und Ost­kir­che sym­bo­li­sie­ren, war ein ande­rer. Eine Iko­no­gra­phie, die aller­dings auch eine Gleich­ran­gig­keit signa­li­sie­ren will, die den Vor­rang des Petrus ein­eb­nen möch­te. Doch Chri­stus hat nicht den Andre­as zum Ersten beru­fen, auch nicht zum Zwei­ten. Er hat Petrus beru­fen, dem alle Apo­stel glei­cher­ma­ßen zuge­ord­net sind. Eben Papst und Bischöfe.

„Der Höhe­punkt war am Ende der ‚gött­li­chen Lit­ur­gie‘ in der St. Georgs­kir­che des Pha­nar am Gedenk­tag des hei­li­gen Apo­stels Andre­as, das gegen­sei­ti­ge Ver­spre­chen der Kir­chen­ein­heit“, so der Vati­ka­nist San­dro Magister.

Patri­arch Bar­tho­lo­mä­us erkann­te dem Ober­haupt der Kir­che von Rom das Ver­dienst zu, hof­fen zu las­sen, „daß die Annä­he­rung unse­rer bei­den gro­ßen alten Kir­chen wei­ter­hin auf den festen Fun­da­men­ten unse­rer gemein­sa­men Tra­di­ti­on auf­bau­en wird, die immer im Leib der Kir­che den Lie­bes­pri­mat, den Ehren­pri­mat und den Dienst­pri­mat im Rah­men der Syn­oda­li­tät respek­tier­te und aner­kann­te, damit mit einem Mund und einem Her­zen der Drei­ei­ne Gott bekannt wer­de und sich Sei­ne Lie­be über die Welt ergieße“.

Papst und Bischöfe oder Bischöfe ohne Papst?

Eine Ver­tei­di­gungs­re­de für die ortho­do­xe Aus­le­gung des römi­schen Pri­mats, dem nur ein Ehren­vor­rang ein­ge­räumt wird. „Lie­bes­pri­mat“ steht als Chif­fre für die Ableh­nung des Juris­dik­ti­ons­pri­mats und letzt­lich eine Her­ab­stu­fung des Petrus auf die Ebe­ne der Apo­stel. Kein Papst, nur Bischöfe.

Bar­tho­lo­mä­us beton­te, daß „die gött­li­che Vor­se­hung durch die von den hei­li­gen öku­me­ni­schen Kon­zi­len errich­te­te Ord­nung die Ver­ant­wor­tung für die Koor­di­nie­rung und den Aus­druck der Homo­pho­nie der Aller­hei­lig­sten ortho­do­xen Orts­kir­chen“ ihm, dem öku­me­ni­schen Patri­ar­chen von Kon­stan­ti­no­pel über­tra­gen habe. Als sol­cher berei­te er, so Bar­tho­lo­mä­us gegen­über Fran­zis­kus, die „hei­li­ge und öku­me­ni­sche Syn­ode der ortho­do­xen Kir­che“ vor, die 2016 nach einem hal­ben Jahr­hun­dert der Vor­be­rei­tun­gen statt­fin­den wer­de. Die­se gesamt­or­tho­do­xe Syn­ode erwar­te sich, so Bar­tho­lo­mä­us, die Teil­nah­me der Katho­li­schen Kir­che durch Beobachter.

Papst Fran­zis­kus berief sich auf das Dekret des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils über die Ein­heit der Kir­chen, das genau vor einem hal­ben Jahr­hun­dert ver­ab­schie­det wur­de. „Mit die­sem Dekret erkennt die katho­li­sche Kir­che an, daß die ortho­do­xen Kir­chen wah­re Sakra­men­te haben und vor allem kraft der apo­sto­li­schen Suk­zes­si­on das Prie­ster­tum und die Eucha­ri­stie, durch die sie noch durch sehr enge Ban­de mit uns ver­bun­den sind“.

Macht sich der „Bischof von Rom“ Chiffre „Liebesprimat“ zu eigen?

Wört­lich sag­te der Papst: „(…) die Wie­der­her­stel­lung der vol­len Gemein­schaft zu beto­nen, die weder bedeu­tet, ein­an­der zu unter­wer­fen noch ein­zu­ver­lei­ben, son­dern viel­mehr alle Gaben anzu­neh­men, die Gott jedem gege­ben hat.“

Und wei­ter: „Jedem von euch möch­te ich ver­si­chern, dass die katho­li­sche Kir­che, um das ersehn­te Ziel der vol­len Ein­heit zu errei­chen, nicht beab­sich­tigt, irgend­ei­ne For­de­rung auf­zu­er­le­gen als die, den gemein­sa­men Glau­ben zu beken­nen, und dass wir bereit sind, im Licht der Leh­re der Schrift und der Erfah­rung des ersten Jahr­tau­sends gemein­sam die Bedin­gun­gen zu suchen, um mit die­sen die not­wen­di­ge Ein­heit der Kir­che unter den gegen­wär­ti­gen Umstän­den zu gewährleisten“.

Bemer­kens­wer­ter ist, daß der Papst von sich nur als „Bischof von Rom“ sprach und sich die ortho­do­xe Sprach­re­ge­lung der „Kir­che, die den Vor­sitz in der Lie­be führt“, gemeint ist damit die Diö­ze­se von Rom, zu eigen machte.

Die Lesart der „Ultrabergoglianer“

Aus der gemein­sa­men Erklä­rung von Fran­zis­kus und Bar­tho­lo­mä­us schloß die „ultra­ber­go­glia­ni­sche Inter­net­sei­te Vati­can Insi­der“ (San­dro Magi­ster), „daß für den der­zei­ti­gen Nach­fol­ger des Petrus die Wie­der­her­stel­lung der vol­len Ein­heit zwi­schen Katho­li­ken und Ortho­do­xen bereits heu­te mög­lich wäre, ohne den ortho­do­xen Brü­dern theo­lo­gi­sche oder juris­dik­tio­nel­le Vor­be­din­gun­gen zu stellen“.

„Die Wirk­lich­keit sieht jedoch anders aus“, so Magi­ster. Der Weg zur Ein­heit zwi­schen Katho­li­ken und Ortho­do­xen bleibt unweg­sam und hat aus ortho­do­xer Sicht im Pri­mat des Petrus sein größ­tes unge­lö­stes Pro­blem. Für die Katho­li­ken stel­len sich neben der Pri­mats­fra­ge noch eine Rei­he theo­lo­gi­scher Fra­gen, wo die Ortho­do­xie im Lau­fe der Jahr­hun­der­te unter ver­schie­dent­li­chem Ein­fluß, auch poli­ti­scher Ein­grif­fe, die Wahr­heit nur in der Theo­rie, nicht aber in der Pra­xis rein bewah­ren konn­te. Ein Aspekt ist das Ehe­sa­kra­ment, wie durch die Dis­kus­si­on in der Katho­li­schen Kir­che über die The­sen von Kar­di­nal Wal­ter Kas­per zur Zulas­sung wie­der­ver­hei­ra­te­ter Geschie­de­ner zur Kom­mu­ni­on deut­lich wur­de. Glei­ches gilt für das Wei­he­sa­kra­ment, wo die Ost­kir­chen den Zöli­bat für das Mönchs­tum und die Bischö­fe, nicht aber für den Welt­kle­rus bewah­ren konnten.

Im Zusam­men­hang mit dem Pri­mat und der kirch­li­chen Ord­nung steht die ost­kirch­li­che Syn­oda­li­tät, die von der latei­ni­schen Kir­che so nicht gekannt wird. Bar­tho­lo­mä­us beton­te die­sen Aspekt, den der Osten somit bei­be­hal­ten möchte.

Orthodoxe Sakramente zwischen Theorie und Praxis

Der Ver­weis auf „die Erfah­rung des ersten Jahr­tau­sends“, in dem West und Ost noch ver­eint waren, genügt jedoch nicht, um auch für das Heu­te die For­men auf­zu­zei­gen, die für eine neue Ein­heit ange­mes­sen sind und von bei­den Sei­ten aner­kannt wer­den. Zudem war das Ver­hält­nis im ersten Jahr­tau­send mehr­fach schwer erschüt­tert. Das Gro­ße Schis­ma fällt zwar in den Beginn des zwei­ten Jahr­tau­sends, geht aber auf Brü­che des ersten Jahr­tau­sends zurück.

Seit Jah­ren befaßt sich eine gemisch­te Theo­lo­gen­kom­mis­si­on aus Katho­li­ken und Ortho­do­xen mit den offe­nen Fra­gen ohne sub­stan­ti­el­le Fort­schrit­te zu erzie­len. Die ortho­do­xen Kir­chen sind unter­ein­an­der uneins – uneins auch dar­in, und das in erheb­li­chem Maße, wel­che Pri­mats­rol­le sie über­haupt dem öku­me­ni­schen Patri­ar­chen von Kon­stan­ti­no­pel zuge­ste­hen, geschwei­ge denn dem Papst in Rom.

Die Reden von Bar­tho­lo­mä­us beim Tref­fen mit dem „Bischof von Rom“ sind daher vor allem auch inner­or­tho­dox zu lesen. Er ver­such­te mit Nach­druck die­se Zuer­ken­nung eines Vor­ran­ges durch das katho­li­sche Kir­chen­ober­haupt zu nüt­zen, um gegen­über den ande­ren ortho­do­xen Patri­ar­chen und Natio­nal­kir­chen sei­ne Stel­lung zu beto­nen und zu festigen.

Die Ansprachen des Papstes im christlichen Konstantinopel

Der Papst nahm Ter­mi­ne im mos­le­mi­schen Istan­bul mit den tür­ki­schen Staats- und Reli­gi­ons­ver­tre­tern wahr, ein­schließ­lich eines Moschee­be­su­ches, der wie bereits bei sei­nen Vor­gän­gern Johan­nes Paul II. und Bene­dikt XVI. umstrit­ten ist. Anbei alle Anspra­chen des Pap­stes im christ­li­chen Kon­stan­ti­no­pel. Die gemein­sa­me Erklä­rung des Pap­stes und des öku­me­ni­schen Patri­ar­chen Bar­tho­lo­mä­us I. wird auch an die­ser Stel­le veröffentlicht.

Pre­digt des Hei­li­gen Vaters in der katho­li­schen Hei­lig-Geist-Kathe­dra­le von Konstantinopel
Sams­tag, 29. Novem­ber 2014

Anspra­che des Hei­li­gen Vaters beim Öku­me­ni­schen Gebet in der ortho­do­xen Patri­ar­chal­kir­che St Georg von Konstantinopel
Sams­tag, den 29. Novem­ber 2014

Anspra­che des Hei­li­gen Vaters im Anschluß an die Gött­li­che Lit­ur­gie in der ortho­do­xen Patri­ar­chal­kir­che St. Georg in Konstantinopel
Sonn­tag, den 30. Novem­ber 2014

Öku­me­ni­scher Segen und Unter­zeich­nung der gemein­sa­men Erklä­rung in Konstantinopel
Sonn­tag, den 30. Novem­ber 2014

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Set­ti­mo Cielo

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

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