(Rom) Der Papst scheint es noch nicht zu wissen, aber im „ökumenischen“ Kloster von Bose (im Sinne von Basisgemeinschaft), bereitet man bereits sein Ende vor. Andererseits ist es Franziskus, der den „Prior“ der „monastischen Gemeinschaft“ vor kurzem zum Berater für die Einheit der Christen gemacht hat. Bose steht für das ökumenische Basis-Kloster, im Sinne von Basisgemeinschaft, des Laien Enzo Bianchi. Der religiöse 68er pilgerte zwar für geeignete Fotoaufnahmen zu Johannes Paul II. und sogar zu Benedikt XVI., ließ sich aber keine Gelegenheit entgehen, um Kritik am deutschen Papst anzubringen. Ausreichend Raum stand ihm in den linken italienischen Medien zur Verfügung. Unterstützung fand er dabei auch bei Alberto Melloni, dem heutigen Leiter der progessiven „Schule von Bologna“ und deren Netzwerk.
Während Benedikt XVI. und Enzo Bianchi gegenseitig auf Distanz blieben, machte Papst Franziskus den umtriebigen Ökumeniker zum Consultor des Päpstlichen Rats für die Förderung der Einheit der Christen. Sandro Magister schrieb jüngst einen Artikel über ein „geheimes“ Ökumene-Projekt von Enzo Bianchi und Alberto Melloni, das viel Aufmerksamkeit fand. Dieses Projekt im Namen der Ökumene sieht nichts weniger als die Abschaffung des Papsttums vor, besser gesagt, dessen Auflösung.
„Die Schriften und Reden Enzo Bianchis wirken seit vielen Jahren zersetztend, nicht zuletzt weil fast alle der Meinung sind, daß es sich bei Bose um einen jungen Orden handelt. In Wirklichkeit wurde die Gemeinschaft nie kanonisch errichtet, weil sie keine dafür notwendigen Voraussetzungen erfüllt. Wenn sich Bianchi dennoch ‚Prior‘ nennt, im Mönchsgewand auftritt und von ‚monastischer Gemeinschaft‘, ‚Kloster‘ und ‚Mönchen‘ die Rede ist, diese Gemeinschaft sich aber nicht an die Gesetze der Kirche hält, dann liegt zumindest ein gewisser Etikettenschwindel vor“, so Chiesa e Postconcilio.
Der Priester und Philosoph Msgr. Antonio Livi, Gründer der International Science and Commonsense Association (ISCA), schrieb über Bose: „Dank einer nicht uneigennützigen Hilfe der antikatholischen Medien, verstand es Enzo Bianchi sehr gut, sein öffentliches Bild zu pflegen: wenn er sich an Katholiken wendet, tritt Bianchi als ‚Prophet‘ auf, der für den Adventus eines neuen Christentums kämpft (eines Christentums, das modern sein muß, offen, nicht hierarchisch und nicht dogmatisch und damit letztlich nicht katholisch.“
Für Enzo Bianchi ist das Papsttum Haupthinderungsgrund für Einheit der Christen
„Die Dekonstruktion des Papsttums in seiner heutigen Form ist dem Prior von Bose ein besonders wichtiges Anliegen“, so Don Nicola Bux der bekannte Liturgiker und Consultor der Glaubenskongregation und der Gottesdienstkongregation. Don Bux war unter Benedikt XVI. auch Consultor des Amtes für die liturgischen Feiern des Papstes, bis Papst Franziskus alle Consultoren im Block entließ.
Enzo Bianchi behauptet, so Bux, keine Hoffnung mehr für eine Einheit der „großen traditionellen Kirchen“ zu haben, denn ihr Streit über den Primat sei der entscheidende Hinderungsgrund für die Einheit der Christen.
„Im Evangelium steht geschrieben, daß die Jünger untereinander zu streiten begannen bei die Frage, wer der Erste sei. Mir scheint, daß dieser Stret in der Kirchengeschichte fortgesetzt wurde und noch immer ein zentraler Knoten für die Frage der Einheit ist. Man übersieht, daß jede Tradition begrenzt und parteisch ist und daß nur alle zusammen zur vollen Wahrheit gelangen können“, schrieb Bianchi 1999 in seinem Buch Ricominciare (Neubeginn, S. 73f).
Primatsfrage durch Christus entschieden
„In Wirklichkeit war es Jesus, der die vorösterliche Diskussion zwischen den Jüngern entschied und den Primat dem Simon-Kephas übertrug“, so Don Bux.
Zudem: Wer wirklich katholisch ist, weiß, daß es keine „traditionellen Kirchen“ gibt, sondern nur die eine Kirche Christi. Sie ist gegenwärtig in der versiegelten apostolischen Tradition Roms und ist von den Christen, die sich im ersten und zweiten Jahrtausend unabhängig in Kirchen und Gemeinschaften organsiert haben, anzuerkennen.
Bianchi vertritt eine relativistische Variante von der Einheit der Kirche. Er sagt es nicht, vertritt aber faktisch die Sichtweise von Jean-Marie Tillard, laut dem die Kirche die Summe der „Schwesterkirchen“ ist. Um den Irrtum dieses Verständnisses aufzuzeigen, hat die Glaubenskongregation unter Kardinalpräfekt Joseph Ratzinger und der Approbation von Papst Johannes Paul II. am 30. Juni des Heiligen Jahres 2000 eine Note zum Ausdruck „Schwesterkirchen“ herausgegeben, so Bux.
Der Begriff „Schwesterkirchen“
Darin heißt es:
Leider wurde die Verwendung dieses Ausdrucks jüngst in gewissen Veröffentlichungen und von einigen im ökumenischen Dialog tätigen Theologen in dem Sinn ausgeweitet, dass er auf der einen Seite die katholische Kirche und auf der anderen Seite die orthodoxe Kirche bedeute, was zu der Meinung führt, dass in Wirklichkeit die einzige Kirche Christi nicht existiere, sondern durch die Versöhnung der beiden Schwesterkirchen von neuem wiederhergestellt werden müsse. Darüber hinaus wird der Ausdruck von einigen unrechtmäßig auf das Verhältnis zwischen der katholischen Kirche einerseits und der anglikanischen Gemeinschaft bzw. den nicht katholischen kirchlichen Gemeinschaften andererseits angewandt. So spricht man von einer „Theologie der Schwesterkirchen“ oder einer „Ekklesiologie der Schwesterkirchen“; solche Wendungen sind zweideutig und nicht in Kontinuität mit dem ursprünglichen korrekten Sinngehalt, den der Ausdruck in den lehramtlichen Dokumenten hat.
Und weiter:
Im eigentlichen Sinn sind Schwesterkirchen ausschließlich Teilkirchen (oder Teilkirchenverbände, wie etwa Patriarchate oder Kirchenprovinzen) untereinander. Es muss immer klar bleiben, auch wenn der Ausdruck Schwesterkirchen in diesem richtigen Sinn verwendet wird, dass die universale, eine, heilige, katholische und apostolische Kirche nicht Schwester, sondern Mutter aller Teilkirchen ist.
Bianchi vertritt zudem die These, mehr noch, er fordert ein, daß der Papst nichts alleine zu entscheiden habe. Gleichzeitig aber schreibt er dem Papst die Macht zu, „der Kirche die Einheit wiederzugeben“ (Neubeginn, S. 72f).
Der ökumenische Theologe Max Thurian beschrieb folgendermaßen die ökumenischen Konsequenzen des gemeinsamen Glaubensbekenntnisses der christlichen Konfessionen:
„Die sichtbare Einheit der Christen kann nicht vollendet werden außer in der Anerkennung der eucharistischen Zelebration und der Weiheämter, die die Kirche strukturieren, in der apostolischen Sukzession und der Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom. (…) Für die katholische Kirche, liegt die Fülle der Apostolizität in der Nachfolge der Bischöfe nach den Aposteln und in ihrer Gemeinschaft dank dem Amt des Petrus, das vom Bischof von Rom ausgeübt wird“ (Avvenire, 29. Juni 1997).
Was hindert, muß beseitigt werden
Für Enzo Bianchi ist ganz im Gegenteil die Anerkennung des päpstlichen Primats der wirkliche Hinderungsgrund für die Einheit der Kirche. Und was hindert, das muß beseitigt werden.
„Ich weiß nicht, ob Papst Franziskus das alles wußte, als er den Prior von Bose am vergangenen 22. Juli zum Consultor des Ökumene-Dikasteriums des Heiligen Stuhls ernannte“, so Don Bux.
Die Ideen von Enzo Bianchi spiegeln jene „Hermeneutik des Bruchs“ wider, die den Roten Faden der mehrbändigen Konzilsgeschichte Conciliorum oecumenicorum generaliumque decreta der „Schule von Bologna“ bildet, gegen die, laut den zuständigen vatikanischen Stellen, „Vorbehalte doktrinellen Charakters bestehen“. Das hinderte die Deutsche Bischofskonferenz nicht daran, die deutsche Übersetzung zu finanzieren und damit zur offiziellen Konzilsinterpretation für den deutschen Sprachraum zu machen.
Kurienerzbischof Agostino Marchetto konterte der „Schule von Bologna“ bei jeder sich bietenden Gelegenheit und widerlegte ihre Thesen. Papst Franziskus bezeichnete Marchetto als „den besten Interpreten des Zweiten Vatikanischen Konzils“. Enzo Bianchi aber machte er zum Ökumene-Consultor. Mit Sicherheit einer jener zahlreichen Widersprüche des derzeitigen Pontifikats. Was aber denkt Papst Franziskus also wirklich über das Konzil?
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Settimo Cielo