Benedikt XVI. überarbeitet Aufsatz von 1972 und positioniert sich als „Gegenpapst“


„Vom Sau­lus zum Pau­lus?“ Fragt das Regens­bur­ger Wochen­blatt. Die Süd­deut­sche Zei­tung hat ihr abschät­zi­ges Urteil bereits zur Hand: „Der Dage­gen-Papst“. Der Grund der Auf­re­gung? Der eme­ri­tier­te Papst Bene­dikt XVI. hat sich erneut aus sei­nem inne­ren Exil zu Wort gemel­det. Er über­ar­bei­te­te einen Auf­satz über das Ehe­sa­kra­ment und die Unauf­lös­lich­keit der Ehe aus dem Jahr 1972 und ver­öf­fent­lich­te ihn neu. Die Über­ar­bei­tun­gen sind es, die für kir­chen­po­li­ti­schen Zünd­stoff sorgen.

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Ver­öf­fent­licht hat­te Joseph Ratz­in­ger den Auf­satz in sei­ner Zeit als Pro­fes­sor der Theo­lo­gie in Regens­burg. Nun ist er in den Gesam­mel­ten Schrif­ten erschie­nen, die vom Papst-Bene­dikt-Insti­tut unter der Lei­tung von Bischof Rudolf Voder­hol­zer von Regens­burg her­aus­ge­ge­ben werden.

1972: Die Nähe zur Position von Kardinal Kasper

1972 hat­te Joseph Ratz­in­ger ähn­li­ches geschrie­ben, wie Kar­di­nal Wal­ter Kas­per beim Kar­di­nals­kon­si­sto­ri­um und bei der Bischofs­syn­ode über die Fami­lie ver­tre­ten hat. Dabei ging es um die zivi­le Zweit­ehe, die eine gewis­se Aner­ken­nung auch in der Kir­che fin­den soll­te. Die Rede war davon, daß „die Eröff­nung der Kom­mu­ni­on­ge­mein­schaft nach einer Zeit der Bewäh­rung nicht weni­ger als gerecht und voll auf der Linie der kirch­li­chen Über­lie­fe­rung“ sei. Natür­lich, wenn sich „eine zwei­te Ehe über eine län­ge­re Zeit hin als sitt­li­che Grö­ße bewährt“ habe und „im Geist des Glau­bens gelebt“ wird und es in der neu­en Zivil­ehe „mora­li­sche Ver­pflich­tun­gen gegen­über Kin­dern und Ehe­frau gebe“. So lau­te­te der ursprüng­li­che Ratz­in­ger-Auf­satz, wie er von der Süd­deut­schen Zei­tung zitiert wird, der nun ein Unter­schied auf­ge­fal­len ist.

Papst Franziskus
Papst Fran­zis­kus

2014: Die Distanzierung von Kardinal Kasper

Denn Papst Bene­dikt XVI. teilt die 1972 ver­tre­te­ne Mei­nung nicht mehr. Aus die­sem Grund unter­zog er den Auf­satz vor sei­ner Ver­öf­fent­li­chung in den Gesam­mel­ten Schrif­ten einer grund­le­gen­den Über­ar­bei­tung. Die Schluß­fol­ge­rung, die Bene­dikt XVI. 2014 zieht, ist eine gan­ze ande­re als der Theo­lo­ge Joseph Ratz­in­ger im Jahr 1972 zog. Nicht die Zweit-Ehe sei anzu­er­ken­nen und die Zulas­sung zur Kom­mu­ni­on zu gewäh­ren, son­dern der Ablauf der Ehe­nich­tig­keits­ver­fah­ren zu über­prü­fen und zu straf­fen. Eine Posi­ti­on, die er bereits wäh­rend sei­ner Regie­rungs­zeit als Papst ver­tre­ten hatte.

In der über­ar­bei­te­ten und damit ver­bind­li­chen Fas­sung geht Bene­dikt XVI. auf Distanz zu Kar­di­nal Kas­per und dem in die­sem Jahr unter­nom­me­nen Ver­such, inner­kirch­lich die Aner­ken­nung der Zweit­ehe und die Kom­mu­ni­on für wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­ne durch­zu­set­zen. Statt des­sen stärkt Bene­dikt XVI. die Posi­ti­on jener Kar­di­nä­le, die sich die­sem Ver­such ent­ge­gen­stell­ten, Glau­bens­prä­fekt Kar­di­nal Ger­hard Mül­ler, Kar­di­nal Ray­mond Bur­ke, Kar­di­nal Wal­ter Brand­mül­ler, Kar­di­nal Geor­ge Pell und andere.

Benedikt XVI. ergreift Partei als „Gegenpapst“ von Papst Franziskus

Der Zeit­punkt der Über­ar­bei­tung kann kaum als zufäl­lig ange­se­hen wer­den. Damit griff das zurück­ge­tre­te­ne Kir­chen­ober­haupt aktiv in die aktu­el­le Dis­kus­si­on ein und ergriff ein­deu­tig Par­tei. Nach kirch­li­cher Gepflo­gen­heit wür­de das bei Nach­fra­ge ver­neint wer­den. Die Fak­ten spre­chen jedoch für sich. Auch, daß sich das „Dage­gen“ von Bene­dikt XVI., das die Süd­deut­sche Zei­tung ihm mit dem Wort­spiel „Der Dage­gen-Papst“ zuschreibt, tat­säch­lich gegen Papst Fran­zis­kus rich­tet und sich Bene­dikt XVI. in der aktu­ell­sten und hit­zig­sten inner­kirch­li­chen Aus­ein­an­der­set­zung als „Gegen­papst“ positioniert.

So wür­de man es im Vati­kan nie sagen. Das Gefecht fin­det auf Distanz und ohne Nen­nung des Gegen­parts statt. Das Bild ist jedoch klar. Bene­dikt XVI. ver­tei­digt die Leh­re der Katho­li­schen Kir­che. Sei­ne Posi­ti­on rich­tet sich nicht gegen jemand, son­dern ergreift Par­tei für das depo­si­tum fidei, das er offen­bar gefähr­det sieht. Anders gesagt: Er ergreift Posi­ti­on gegen alle, die sich der kirch­li­chen Leh­re ent­ge­gen­stel­len und sei es Kar­di­nal Wal­ter Kas­per und sei es selbst Papst Franziskus.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: InfoVaticana

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