(London) Unter den verfolgten Christen, die hoffnungsvoll auf Rom schauen, seien heute auch viele Protestanten, die nie gedacht hätten, sich einmal an die „Papisten“ zu wenden, so der anglikanische Michael Nazir-Ali.
„Große Zukunft und Chance“ der Katholischen Kirche
Die katholische Kirche habe potentiell „eine große Zukunft und eine große Chance“ in der sich abzeichnenden Weltordnung, so Nazir-Ali. Sie sei dabei, zur Stimme der verfolgten Christen der ganzen Welt zu werden, „aller verfolgten Christen“, ergänzt der Bischof, um die eigentliche Aussage zu betonen. Michael Nazir-Ali gehört zu den profiliertesten anglikanischen Bischöfen, der sich im Gegensatz zu nicht wenigen seiner Mitbrüder nie scheute, das Wort zu ergreifen.
Die jüngste Wortmeldung erfolgte bezeichnenderweise über die Internetseite des Personalordinariats Our Lady of Walsingham, das durch Papst Benedikt XVI. für die Anglikaner im Vereinigten Königreich England und Schottland errichtet wurde, die in die volle Einheit mit Rom zurückkehren wollen.
Stimme der Verfolgten
Nazir-Ali hat eine einflußreiche Stimme in der Kirche von England, die katholisch gefärbt ist. Er ist Vorsitzender des Oxford Centre for Training, Research, Advocacy and Dialogue. In seinen jüngsten Aussagen, die in den vergangenen Tagen von katholischen Medien Englands veröffentlicht und auch in der Wochenzeitung The Spectator nachgedruckt wurden, weist er auf die wachsende Bedeutung der Katholischen Kirche für die Zukunft der Christenheit in einer Welt hin, die einer doppelten Bedrohung ausgesetzt sei, des islamischen Fundamentalismus und der Säkularisierung.
Durch die Christenverfolgung würden immer mehr Christen ihren Blick auf Rom richten, wo sie eine Stimme erhoffen, die sie verteidigt. Darunter seien auch immer mehr Protestanten, die in der Vergangenheit es sich nicht träumen hätten lassen, sich einmal an das „papistische“ Rom zu wenden.
Ökumene der Verfolgung
„Heute hat die katholische Kirche eine große Gelegenheit und auch eine große Verantwortung“, so Nazir-Ali. Es werde alles davon abhängen, wie Rom es verstehen wird, seiner Position Geltung zu verschaffen und wie es den anderen christlichen Konfessionen in der Welt begegnet. Es genüge nicht, die orientalischen Kulturen anzuerkennen: „Die Kirche darf weder vor der Kultur kapitulieren noch sie zerstören. Sie muß vielmehr der Linie von Papst Benedikt XVI. folgen, laut dem es die Rolle der Kirche ist, es der Kultur zu erlauben, ihr wahres Zentrum zu finden.“
Verklärter Islam
Nazir-Ali, der selbst einer ursprünglich islamischen Familie entstammt, hat als Kenner des Islam eine klare Meinung zum Islamischen Staat (IS), die deutlich von jener einiger christlicher Konfessionen abweicht. Zunächst sei, so Nazir-Ali, die Vorstellung zu verwerfen, der Extremismus erkläre sich vor allem oder eklusiv aus ökonomischen und sozialen Aspekten. Damit werde das Wesen der islamistischen Zielsetzungen völlig übersehen. Zweitens sei es falsch zu behaupten, daß „ein wirklich islamischer Staat die Christen nicht verfolgen würde“. Solche Meinungen spiegeln eine „verklärte Sicht der islamischen Militanz wider“, die mit der Wirklichkeit wenig zu tun habe.
Nazir-Ali ist pakistanischer Abstammung und war bis 2009 Bischof von Rochester der Kirche von England. Nazir-Ali spricht dabei sicher auch etwas aus seiner eigenen Lebensgeschichte aus. Sein Großvater väterlicherseits war noch Schiit. Sein Vater bekehrte sich zur Katholischen Kirche. Sein katholisch getaufter Sohn wurde im Alter von 20 Jahren anglikanisch und 1984 zum Bischof von Raiwind im pakistanischen Punjab. Unter Zia ul Haq mußte er das Land verlassen. In Großbritannien bekam er Asyl und wurde 1994 zum Bischof von Rochester. Ein Bischof, der zu einem großen Bewunderer von Papst Benedikt XVI. werden sollte.
Text: Tempi/Giuseppe Nardi
Bild: Tempi/Wilberforce Academy