(Rom) Giacomo Galeazzi von Vatican Insider führte ein Interview mit Pater Adolfo Nicolas, den Generaloberen der weltweit etwa 18.000 Jesuiten. Der Generalpropst der Jesuiten wird auch als „Schwarzer Papst“ bezeichnet, wegen des Kontrastes zum weißen Gewand des Papstes, während die Jesuiten kein eigenes Ordenskleid kennen, sondern die Soutane der Weltpriester tragen. Vor allem aber wegen eines vierten Gelübdes, das Jesuiten zur Treue zum Papst verpflichtet. Soweit zumindest die Theorie.
„Es kann mehr christliche Liebe in einem irregulären Paar geben, als in einem, das in der Kirche getraut wurde“, sagte Nicolas am Beginn des Interviews. Katholisches.info dokumentiert das vollständige Interview mit dem Generaloberen des Jesuitenordens, der einer der drei Synodalen ist, die als Vertreter der katholischen Orden an der Synode teilnehmen.
Wird es ein „aggiornamento“ der Familienmoral geben?
Die freie und offene Diskussion geht in Richtung Änderung, in Richtung pastorale Anpassung an die veränderte Realität unserer Zeit. Das ist ein epochales Zeichen, weil es in diesen Jahren Kräfte gab, die versucht haben, die Kirche hinter die große Saison des Konzils zurückzuführen.
Und die Kommunion für die wiederverheiratet Geschiedenen?
Man kann die Synode nicht daran hindern, wie es manche möchten, darüber zu diskutieren. Die Bischöfe wurden nicht zusammengerufen, um abstrakte Ideen mit den Schlägen der Doktrin zu bekräftigen, sondern um Lösungen für konkrete Fragen zu suchen. Bezeichnenderweise nahmen der Papst und viele Synodenväter in ihren Wortmeldungen Bezug auf Texte des Konzils. Hier äußert sich die Kirche des Hörens auf den Geist, die auch Kardinal Martini bis zum Ende seines Lebens erhoffte.
Die Konservativen sprechen davon, daß die Lehre in Gefahr sei…
Es ist falsch zu verabsolutieren. Nehmen wir den Fall der unehelichen Partnerschaften. Es ist nicht so, daß bei einem Mangel alles schlecht ist. Im Gegenteil: es gibt dort etwas Gutes, wo man dem Nächsten nicht wehtut. Franziskus hat es betont: „Wir sind alle Sünder“. Das Leben ist auf allen Feldern zu versorgen. Unsere Aufgabe ist es, die Menschen der Gnade anzunähern, nicht sie mit Vorschriften zurückzuweisen. Für uns Jesuiten ist es tägliche Praxis. Das weiß die Inquisition [1]Anspielung auf die Glaubenskongregation an der Römischen Kurie. genau.
Auf welche Weise?
Unser Gründer, der heilige Ignatius wurde ganze acht Mal der Prüfung durch die Inquisition unterzogen, nachdem er vom Hören auf den Geist gesprochen hatte. Damals wie heute zählt für uns mehr der Geist, weil er von Gott kommt, als Regeln und Normen, die hingegen Menschenwerk sind. Die Moral der Familie und der Sexualität brauchen Milde und Brüderlichkeit. Es geht nicht darum zu spalten, sondern zu harmonisieren. Man kann die Menschen nicht evangelisieren, indem man sie mit dem Evangelium schlägt. Nur die Entscheidung, sich auf Christus zu konzentrieren, bewahrt vor fruchtlosen Disputen, vor abstrakten ideologischen Auseinandersetzungen. Mängel und Unvollkommenheit entwerten nicht die Gesamtheit der Evolution der Familie in der Gesellschaft der vergangenen Jahrzehnte. Wenn es etwas Negatives gibt, dann bedeutet das nicht, daß alles negativ ist.
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican Insider
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↑1 | Anspielung auf die Glaubenskongregation an der Römischen Kurie. |
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