Camille Paglias Provokation gegen „linke Illusion den Menschen zu ändern, indem man die Gesellschaft verändert“


"Vergelwatigungskultur" an US-Universitäten? Urschen und Gegenmaßnahmen
„Ver­ge­wal­ti­gungs­kul­tur“ an US-Uni­ver­si­tä­ten? Ursa­chen und Gegenmaßnahmen

(New York) Wäh­rend die Mas­sen­me­di­en das erste Gesetz in den USA gegen die „Pla­ge“ der sexu­el­len Gewalt an den Hoch­schu­len fei­ern, pro­vo­ziert die „femi­ni­sti­sche Dis­si­den­tin“ Camil­le Paglia die poli­ti­sche Kor­rekt­heit. Mit der Kri­tik der Radi­kal­fe­mi­ni­stin kommt Wider­spruch von uner­war­te­ter Sei­te gegen die neue­ste „Errun­gen­schaft“ einer „gerech­te­ren Gesell­schaft“. Statt eines Anti-Ver­ge­wal­ti­gungs­ge­set­zes an Hoch­schu­len for­dert sie: „Machen wir Schluß mit der lin­ken Illu­si­on, den Men­schen zu ändern, indem wir die Gesell­schaft verändern“.

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Vor weni­gen Tagen wur­de in Kali­for­ni­en „das erste US-ame­ri­ka­ni­sche Gesetz gegen Ver­ge­wal­ti­gun­gen an Hoch­schu­len“ beschlos­sen. Das neue Gesetz wur­de unter der Bezeich­nung „Yes means Yes“ bekannt, „Ja heißt Ja“. Es sieht vor, daß jeder, der Geschlechts­ver­kehr ohne Angst vor einer Anzei­ge haben will, sich im vor­aus von sei­nem Geschlechts­part­ner eine schrift­li­che Ein­wil­li­gungs­er­klä­rung geben las­sen soll. Das „Ja“ muß aus­drück­lich und schrift­lich sein. So sieht es der Gesetz­ge­ber vor. Im Ame­ri­ka der hook­up cul­tu­re, des „Abschlep­pens“ eines gewünsch­ten Sexu­al­part­ners, genügt es nicht mehr, daß das auf dem Fest irgend­ei­ner Stu­den­ten­ver­bin­dung „abge­schlepp­te“ Mäd­chen kei­nen Wider­stand gegen sexu­el­le Avan­cen lei­stet. Sie könn­te, so der Gesetz­ge­ber, ja betrun­ken sein oder Dro­gen kon­su­miert haben und damit nicht mehr wil­lens­fä­hig sein. Soll­te nach einem Geschlechts­akt eine Anzei­ge wegen Ver­ge­wal­ti­gung ein­ge­hen und der Beklag­te kei­ne Ein­wil­li­gungs­er­klä­rung des Klä­gers vor­le­gen kön­nen, sieht es ziem­lich schlecht für ihn aus. Das­sel­be gilt natür­lich auch für eine beklag­te Sie. An allen Hoch­schu­len gibt es eige­ne Beschwer­de­stel­len für sol­che Fälle.

Wäh­rend die Medi­en das neue kali­for­ni­sche Gesetz als „grund­le­gen­de“ und „selbst­ver­ständ­li­che“ Maß­nah­me gegen die „Natio­nal­pla­ge“ der Ver­ge­wal­ti­gun­gen an Hoch­schu­len fei­ern, begeht die „dis­si­den­te Femi­ni­stin“ Camil­le Paglia einen poli­tisch unkor­rek­ten Tabu­bruch. Die Kunst- und Kul­tur­hi­sto­ri­ke­rin und Harold Bloom-Schü­le­rin hat sich die Fähig­keit bewahrt, die „unum­stöß­li­chen“ Tabus der libe­ra­len Gesell­schaft zu durch­schau­en und zu brechen.

Es gebe kei­nen „Sexis­mus“ zu bekämp­fen, schreibt Paglia in einem Gast­kom­men­tar im Wochen­ma­ga­zin Time. Das Pro­blem sei viel­mehr eine bestimm­te Men­ta­li­tät, „die uns den Sinn für das Böse ver­lie­ren läßt“, so Paglia, die in ihrer Stu­den­ten­zeit an der Yale-Uni­ver­si­tät die erste beken­nen­de Les­be war.

Die Infantilisierung der Gesellschaft und ihre Wächter

Camille Paglia, Radikaldeministin mit politisch Camille Paglia, Radikaldeministin mit politisch unkorrekten AnsichtenAnsichten
Camil­le Paglia, Radi­kal­fe­mi­ni­stin mit poli­tisch unkor­rek­ten Ansichten

Die Col­leges und Uni­ver­si­tä­ten hät­ten sich der Bil­dung zu wid­men, so Paglia. Sie soll­ten „mit ihrer infan­ti­li­sie­ren­den Super­vi­si­on des Gefühls­le­bens der Stu­den­ten auf­hö­ren, einer auto­ri­tä­ren Ein­mi­schung, die eine Ver­let­zung der Bür­ger­rech­te bein­hält“. Die wirk­li­chen Ver­bre­chen sind ganz ande­re und die „sind bei der Poli­zei zur Anzei­ge zu brin­gen und nicht zufäl­li­gen und unvor­be­rei­te­ten Komi­tees für Cam­pus-Beschwer­den zu mel­den“. Paglia zitiert in die­sem Zusam­men­hang den Fall von Han­nah Gra­ham, Stu­den­tin an der Uni­ver­si­tät von Vir­gi­nia. Gra­ham ver­schwand vor zwei Wochen. Es besteht der Ver­dacht, daß sie von einem Mann ent­führt wur­de. Für Paglia ist der „Not­stand“ Cam­pus-Ver­ge­wal­ti­gun­gen „wild auf­ge­bauscht“, wäh­rend „die wirk­li­che Gefahr für jun­ge Frau­en ver­deckt“ wer­de, wie der Fall Gra­ham zeige.

Preis der Freiheit ist Verantwortungsbewußtsein

Paglia wen­det sich gegen die „hyste­ri­sche Pro­pa­gan­da über unse­re angeb­li­che ‘Ver­ge­wal­ti­gungs­kul­tur’“. Es sei unnö­tig, die Din­ge zu ver­schlei­ern, schreibt sie im Time-Maga­zi­ne. „Die Mehr­heit der Cam­pus-Vor­fäl­le, die als sexu­el­le Gewalt geschil­dert wer­den, sind kei­ne Straf­ta­ten, die mit Gewalt oder Dro­gen erzwun­gen wer­den, son­dern Melo­dra­men, die das Ergeb­nis zwei­deu­ti­ger und leicht­sin­ni­ger Signa­le von bei­den Sei­ten sind“. Die­se gefähr­li­che Arg­lo­sig­keit aber habe eine prä­zi­se Ursa­che: „Zu vie­le jun­ge Frau­en, die abseits der Stra­ßen auf­ge­wach­sen sind, schei­nen sich das Erwach­se­nen­le­ben als erwei­ter­te Fort­set­zung ihrer super­be­schütz­ten, beque­men Eltern­häu­ser vor­zu­stel­len“, so Paglia. „Die Welt aber ist ein wil­des Gelän­de“ und die Mäd­chen sol­len wis­sen, daß „der Preis für die Frei­heit der moder­nen Frau ihr per­sön­li­ches Ver­ant­wor­tungs­be­wußt­sein ist“.

Die alte Utopie

Um die Stu­den­tin­nen an den ame­ri­ka­ni­schen Uni­ver­si­tä­ten zu schüt­zen, brau­che es kei­ne Anti-Ver­ge­wal­ti­gungs­ge­set­ze, die jede zwi­schen­mensch­li­che Bezie­hung in Büro­kra­ten­schub­la­den pres­sen und unter Über­wa­chung stel­len wol­le und besten­falls weib­li­chen und männ­li­chen Sou­ve­nir­jä­gern hel­fe, Ein­wil­li­gungs­er­klä­run­gen ihrer Sexu­al­part­ner zu sam­meln mit viel­leicht irgend­wann unan­ge­neh­men Fol­gen, wenn die­se „Spur“ einem viel­leicht pein­lich sein werde.

Schutz bie­te, so Paglia, nur eine Befrei­ung vom „der­zei­ti­gen pro­gres­si­ven Erzie­hungs­ko­dex“, der nur dazu die­ne, „Illu­sio­nen über Sex und Geschlecht“ auf­recht­zu­er­hal­ten. Das Vor­zei­chen die­ser „lin­ken Vor­ga­ben, die vom Mar­xis­mus abge­lei­tet sind“, sei grund­le­gend falsch, so die Bloom-Schü­le­rin, näm­lich die Über­zeu­gung, „daß alle Pro­blem des mensch­li­chen Lebens ihre Ursa­che in einer unge­rech­ten Gesell­schaft haben und es genügt, die Gesell­schaft zu ver­än­dern und damit den sozia­len Mecha­nis­mus zu kor­ri­gie­ren, um die Uto­pie zu verwirklichen“.

Man sei der Mei­nung, daß „Ras­sis­mus, Sexis­mus und Impe­ria­lis­mus“ zivi­li­sa­ti­ons­frem­de Ele­men­te sei­en, die man abson­dern und von denen man sich rei­ni­gen kön­ne. „Das wirk­li­che Pro­blem liegt aber in der Natur des Men­schen, die durch einen ewi­gen Kampf zwi­schen den Mäch­ten der Fin­ster­nis und des Lichts zer­ris­sen ist“. Das leh­re uns auch „die Reli­gi­on und die gro­ße Kunst“.

Liberaler Weltsicht „fehlt tieferes Verständnis des Bösen“

Der libe­ra­len Welt­sicht, so Paglia, „fehlt das tie­fe­re Ver­ständ­nis für das Böse“. Das gel­te, laut Paglia, heu­te aller­dings auch für die kon­ser­va­ti­ve Kul­tur, die heu­te genau­so bereit sei, „das Böse auf einen äuße­ren Feind zu pro­ji­zie­ren, der die west­li­chen Wer­te ablehnt“. Als kon­kre­tes Bei­spiel nennt Camil­le Paglia die Gen­der-Ideo­lo­gie und deren Kampf gegen die Unter­schie­de. Die­se sei über­zeugt davon, daß „alle Men­schen geän­dert wer­den kön­nen, wenn man nur ent­spre­chen­de Bestim­mun­gen durch Uni­ver­si­täts­bü­ro­kra­ten und Gesetz­ge­ber zum Gesetz macht“. Das Böse aber sei in der Natur des Men­schen ver­wur­zelt und „kein Pro­jekt des social engi­nee­ring“ wer­de sie struk­tu­rell ver­än­dern können.

Die jun­gen Frau­en heu­te sei­en von einem „nai­ven Opti­mis­mus“ gelei­tet, sodaß „sie nicht mehr die tie­ri­schen Blicke erken­nen kön­nen, die sie aus dem Dun­kel beobachten“.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Tempi/​CBC (Screenhots)

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2 Kommentare

  1. - Die jun­gen Frau­en heu­te sei­en von einem „nai­ven Opti­mis­mus“ geleitet -

    Wirk­lich?

    Viel­leicht in Ame­ri­ka. Bei der wei­ssen Oberschicht.

  2. S.E. Erz­bi­schof Lefeb­v­re hat in einer Pre­digt im Jah­re 1983 in Trient
    auch die sog. „Men­schen­rech­te“ ange­spro­chen und Folgendes
    bereits damals zu beden­ken gegeben:
    -

    [.…]
    Die Bin­dung an den Deka­log ( die 10 Gebo­te ), die Moral und an den Glau­ben besteht nicht mehr.
    Nach und nach wird man alles hinnehmen.
    Sie wer­den sagen:
    „Ich wer­de über mei­ne Moral und mein Gewis­sen entscheiden.
    Ich habe einen eige­nen Glauben.“
    Mit die­ser Hal­tung wer­den Sie protestantisch.
    Das ist sehr gefährlich.
    Wir müs­sen daher sehr vor­sich­tig sein, damit wir katho­lisch bleiben!

    Heu­te wird von den Men­schen­rech­ten gesprochen.
    Über den Deka­log wird geschwiegen.
    Die Men­schen­rech­te wur­den erfunden,
    um gegen­über Gott, dem Deka­log, unge­hor­sam zu sein
    und einen Gegen­satz zum Deka­log aufzustellen. 

    Rech­te des Menschen?
    Viel­mehr müs­sen wir den Pflich­ten des Men­schen im Deka­log und den Pflichten,
    die sich aus unse­rer Bezie­hung und aus Lie­be zu Gott und zum Näch­sten erge­ben, gehorchen. 

    Die Men­schen­rech­te hin­ge­gen ver­mit­teln ein Gefühl von Freiheit,
    um Gott nicht zu gehor­chen und alles zu machen, was man will. Man ist erwachsen.
    Man sagt sich:
    „Ich habe mein Gewis­sen. Das sind mei­ne Rechte!“
    Die­se Rech­te stel­len jedoch eine Revo­lu­ti­on gegen Gott dar.
    Der Teu­fel hat gesagt: „Non ser­viam!“ – „Ich will nicht dienen“.
    Die­se Wor­te wie­der­holt die Mensch­heit von heute.
    Gestärkt durch die­se Men­schen­rech­te sagt man, daß man nicht gehor­chen will.
    „Gott soll blei­ben, wo er ist. Ich bin, wo ich bin.
    Daher mache ich das, was ich für rich­tig empfinde.“
    Das bedeu­tet die Auf­leh­nung gegen Gott.
    Eine geord­ne­te Gesell­schaft kann dadurch nicht weiterbestehen.
    Die Prie­ster Süd­ame­ri­kas haben in Rio de Janei­ro gemein­sam mit ihren Bischö­fen eine Ver­ei­ni­gung gebil­det, um die Men­schen­rech­te zu stu­die­ren und zu vertreten.
    Es wäre wich­ti­ger und not­wen­di­ger gewe­sen, eine Ver­ei­ni­gung zu bilden,
    die den Deka­log vertritt.
    Wenn alle den Deka­log beob­ach­ten, gibt es kein Unrecht.
    Frie­den und Gerech­tig­keit wür­den herrschen.
    Durch die Men­schen­rech­te besitzt jeder sei­ne eige­nen Rechte,
    die für den ande­ren ein Hin­der­nis dar­stel­len. Das bedeu­tet Krieg“
    [.…]

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