Papst Franziskus spendet Auschwitz-Gedenkstätte 100.000 Euro


Vatikan macht Zustiftung zur Stiftung Auschwitz-Birkenau
Vati­kan macht Zustif­tung zur Stif­tung Auschwitz-Birkenau

(Rom/​Warschau) Papst Fran­zis­kus spen­de­te der Stif­tung Ausch­witz-Bir­ken­au 100.000 Euro. Die Stif­tung ist Trä­ge­rin des Muse­ums und der Gedenk­stät­te, die an das größ­te natio­nal­so­zia­li­sti­sche Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger in der pol­ni­schen Stadt Oswie­cim erin­nert, das nahe an der alten deutsch-pol­ni­schen Gren­ze lag. Die päpst­li­che Spen­de wur­de von Muse­ums­di­rek­tor und Stif­tungs­prä­si­dent Piotr Cywin­s­kil bekanntgegeben.

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Cywin­s­kil sprach von einem „wich­ti­gen Signal“, weil es „die fun­da­men­ta­le Rol­le des Erin­nerns für den heu­ti­gen Men­schen“ anerkennt.

Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Pie­tro Paro­lin schrieb im Begleit­brief zur Spen­de: „Die Sum­me ist nicht groß, weil unse­re Mög­lich­kei­ten begrenzt sind. Wir wol­len mit ihr aber unse­re vol­le Unter­stüt­zung für das von der Stif­tung rea­li­sier­te Pro­jekt zum Aus­druck bringen“.

31 Staaten Zustifter, darunter nun auch Vatikan

Der Vati­kan wird damit der 31. Staat, der zum Stif­tungs­ver­mö­gen bei­trägt, das sich auf 120 Mil­lio­nen Euro beläuft. Mit dem Ertrag des Ver­mö­gens bestrei­tet die Stif­tung Ausch­witz-Bir­ken­au zum Teil die lau­fen­den Kosten für das Muse­um. Haupt­ge­ber der Stif­tung ist die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land mit 60 Mil­lio­nen Euro, gefolgt von den USA (15 Mil­lio­nen), Polen (10 Mil­lio­nen), Öster­reich (6 Mil­lio­nen) und 27 wei­te­ren Staa­ten ein­schließ­lich des Vati­kans. Isra­el ist nur mit einer Mil­lio­nen Euro ver­tre­ten. Das Ver­hält­nis ist eini­ger­ma­ßen gespannt, seit die pol­ni­sche Regie­rung 2009 die Abtre­tung der Gedenk­stät­te an Isra­el ablehn­te. In Polen herrscht die Befürch­tung vor, daß die nicht-jüdi­schen Opfer, soll­te Isra­el die Gedenk­stät­te kon­trol­lie­ren, mar­gi­na­li­siert würden.

Ausch­witz gilt als das welt­weit bekann­te­ste Sym­bol für den Holo­caust, in dem zwi­schen 1940 und 1945 laut den Gedenk­ta­feln von 1995 andert­halb Mil­lio­nen Men­schen umge­kom­men sind, in ihrer Mehr­zahl Juden. Die­se Zahl wird anson­sten von der Gedenk­stät­te heu­te nicht mehr verwendet.

Trotz inten­si­ver Auf­ar­bei­tung sind die Opfer­zah­len unsi­cher. Als Papst Johan­nes Paul II. am 7. Juni 1979 die Gedenk­stät­te besuch­te, wur­de die Zahl der Opfer auf Gedenk­ta­feln aus dem Jahr 1969 mit mehr als vier Mil­lio­nen ange­ge­ben. Die Anga­be war sogar in die Anspra­che des Pap­stes ein­ge­fügt wor­den: „An die­sem Ort schreck­li­cher Qual, die vier Mil­lio­nen Men­schen ver­schie­de­ner Natio­nen den Tod brach­te“. Die Zahl war das Ergeb­nis einer sowje­ti­schen Unter­su­chungs­ko­mis­si­on nach Ende des Zwei­ten Welt­krie­ges, „ein Pro­dukt der Kriegs­pro­pa­gan­da“, so der ehe­ma­li­ge lei­ten­de Redak­teur für Außen­po­li­tik und Ost­eu­ro­pa des Spie­gel, Frit­jof Meyer.

Trotz intensiver Holocaust-Forschung Opferzahlen unsicher

Als Bene­dikt XVI. am 28. Mai 2006 das Lager auf­such­te, war die kom­mu­ni­sti­sche Herr­schaft unter­ge­gan­gen und die Anga­ben nach unten kor­ri­giert wor­den.  Die erste freie pol­ni­schen Regie­rung unter Lech Wale­sa setzt eine neue Unter­su­chungs­kom­mis­si­on ein, die 1990 zum Schluß kam, daß „1,5 Mil­lio­nen Häft­lin­ge“ in Ausch­witz samt Nebenlgern umka­men. Die Gedenk­ta­feln wur­den 1995 ent­spre­chend aus­ge­tauscht. In sei­ner Anspra­che ver­mied Bene­dikt XVI., nach dem unan­ge­neh­men Zah­len­vor­fall beim Besuch sei­nes Vor­gän­gers, jede Nen­nung von Opfer­zah­len zu Ausch­witz oder der jüdi­schen Gemeinschaft.

Laut den heu­ti­gen Anga­ben der Gedenk­stät­te wur­den ins­ge­samt 1,3 Mil­lio­nen Gefan­ge­ne im Lager inter­niert. 200.000 wur­den in ande­re Lager wei­ter­ver­legt. Als die Rote Armee am 27. Janu­ar 1945 Ausch­witz erreich­te, befan­den sich 7.000 Men­schen im Lager. Rund 1,1 Mil­lio­nen fan­den, so die Stif­tung Ausch­witz-Bir­ken­au im Lager den Tod, 900.000 davon Juden. Die Übri­gen Polen, Roma und Sin­ti und Ange­hö­ri­ge ande­ren Nationalität.

In den Lager­re­gi­stern wur­den 400.000 Gefan­ge­ne ver­zeich­net. Der links­li­be­ra­le Ost­eu­ro­pa-Exper­te Frit­jof Mey­er kam in sei­nem Auf­satz vom Mai 2002 in der Fach­zeit­schrift Ost­eu­ro­pa, der zum Mit­tel­punkt der wahr­schein­lich bedeu­tend­sten Dis­kus­si­on über die Opfer­zah­len wur­de, zum Schluß: „Eine hal­be Mil­li­on fiel dem Geno­zid zum Opfer“, zum Groß­teil Juden. Auf den Bei­trag folg­te eine län­ge­re Kon­tro­ver­se mit dem dama­li­gen Muse­ums­di­rek­tor von Ausch­witz Fran­cis­zek Piper und dem Histo­ri­ker Sven Felix Kel­ler­hoff, nach der Mey­er fest­stell­te, daß sei­ne Ergeb­nis­se „Bestand“ haben.

Mit dem Rück­tritt von Fran­cis­zek Piper und er Ernen­nung von Piotr Cywin­s­kil durch die pol­ni­sche Regie­rung zum Direk­tor von Muse­um und Gedenk­stät­te erfolg­te eine wei­te­re Ver­sach­li­chung des Geden­kens. Cywin­s­kil bemüht sich den jüdi­schen Opfern den ihnen gebüh­ren­den Platz ein­zu­räu­men und den tat­säch­li­chen Anteil jüdi­scher Opfer unter den Toten in Ausch­witz zu ermit­teln, lehnt aber eine Tren­nung der Opfer in jüdi­sche und nicht-jüdi­sche Opfer und einen Vor­rang erste­rer ab. Die Annah­me, bei den Opfern in Ausch­witz habe es sich in etwa zu 80 Pro­zent um Juden gehan­delt, wird von Piotr Cywin­s­kil nicht geteilt. Der Histo­ri­ker tritt dafür ein, die Lager­ge­schich­te nicht im Früh­jahr 1945 enden zu las­sen, son­dern erst 1954, weil das Lager von der Sowjet­ar­mee über­nom­men und wei­ter­ge­führt wur­de. Im Lager wur­den auch nach 1945 Tau­sen­den poli­ti­sche Geg­ner der sowje­ti­schen Besat­zungs­macht und des Kom­mu­nis­mus inter­niert und zum Teil hingerichtet.

Zu den bekann­te­sten katho­li­schen Opfern des KZ Ausch­witz-Bir­ken­au gehö­ren zwei Hei­li­ge: der Fran­zis­ka­ner-Mino­rit Pater Maxi­mi­li­an M. Kol­be, der 1941 durch eine töd­li­che Injek­ti­on ermor­det wur­de, und die Kar­me­li­tin Schwe­ster Tere­sia Bene­dik­ta vom Kreuz, die auch in katho­li­schen Krei­sen unver­ständ­li­cher­wei­se häu­fi­ger unter ihrem bür­ger­li­chen Namen Edith Stein genannt wird, den die Phi­lo­so­phin vor ihrem Ordens­ein­tritt 1933 trug.

Text: Andre­as Becker
Bild: Vati­can Insider

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