(Manila) Im deutschen Sprachraum wird Priestern, teils unter Sanktionsandrohung untersagt, die Wandlungswort pro multis als „für viele“ statt „für alle“ zu sprechen. Dabei ist die von Papst Benedikt XVI. verfügte Korrektur der Übersetzung in die Volkssprachen seit 17. Oktober 2006 für die Weltkirche verbindlich. Seither sind acht Jahre vergangen. Im deutschen Sprachraum bestätigen die Bischöfe zwar, daß die Anweisung eindeutig sei, die Priester aber bis zur Veröffentlichung der Neuausgabe der deutschen Übersetzung des Missale zu warten hätten. Unterm Strich bedeuten die dialektischen Bestimmungshinweise dennoch das Paradox, daß das, was sein sollte, nicht sein darf und der Gehorsam (gegenüber der verbindlichen päpstlichen Anordnung) zum Ungehorsam (durch Eigenmächtigkeit) uminterpretiert wird. Ein Schelm, wer dahinter und angesichts der ins Land ziehenden Jahre eine absichtliche Verzögerung vermutet.
Die Weltkirche kennt auch andere Beispiele
Die Weltkirche kennt auch ganz anders gelagerte Beispiele. Auf den Philippinen wird seit Jahrzehnten die Heilige Messe in der Volkssprache zelebriert, obwohl bis heute keine Approbation der Missale-Übersetzung durch den Heiligen Stuhl vorliegt.
Die beiden Amtssprachen der Philippinen sind Englisch und Filipino. Filipino ist eine Kunstsprache und wurde auf der Grundlage von Tagalog, der am meisten verbreiteten Sprache des Archipels gebildet. Wegen der zahlreichen auf den Philippinen gesprochenen Sprachen und Sprachvarianten, wurde damit seit 1937 vom Staat eine einheimische Verkehrssprache aufgebaut, die 1978 die heutige Bezeichnung Filipino erhielt, neben Englisch an allen Schulen unterrichtet wird und von etwa einem Sechstel der Filipinos als Muttersprache gesprochen wird, besonders im Großraum der Hauptstadt Manila.
Missale-Übersetzung in Filipino nie vom Heiligen Stuhl approbiert
Nach der Liturgiereform von 1965, die von Latein als alleiniger Zelebrationssprache zu den Volkssprachen überging und der großen Liturgiereform von 1969 mit der Einführung des Novus Ordo Missae entstand auf den Philippinen die Misa ng Bayang Pilipino in der genannten Sprache Filipino. Die Missale-Übersetzung in Filipino wurde jedoch bis heute vom Heiligen Stuhl nicht approbiert. Ihr Gebrauch ist damit illegal.
Kommt die Rede gelegentlich auf diese irreguläre Situation, wird gerüchteweise auf eine angebliche Approbation verwiesen, die am 10. August 1976 erfolgt sei. Ein Beleg dafür läßt sich in den Akten des Heiligen Stuhls aber nicht finden.
Die Bischöfe der einzelnen Länder förderten Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre die Einführung der Volkssprachen in die Liturgie. Der Heilige Stuhl folgte diesem Bestreben großzügig, allerdings unter der Bedingung, daß jede Übersetzung des Missale von Rom gebilligt werden muß. Schnelle, teils unangemessene oder theologisch defizitäre Übersetzungen waren eine Folge des Volkssprachen-Booms jener Zeit. Aus diesem Grund verlangte Papst Benedikt XVI. Korrekturen, die nicht nur die anfangs erwähnten Wandlungsworte betreffen.
Eile bei „pastoraler Nähe“ zum Volk wartete nicht auf Genehmigung
In der Nachkonzilszeit hatte es auf den Philippinen jemand offenbar so eilig, dem Volk „pastoral“ ganz „nahe“ zu sein, daß eine Approbation durch den Heiligen Stuhl erst gar nicht abgewartet wurde. Die Übersetzung des Missale bedeutet auch „Inkulturation“, da Tabalog-Redewendungen, Reime und ein besonderer Sprachrhythmus in die Liturgie eingeführt wurden, die der philippinischen Mentalität besonders entsprechen würden. Zumindest betonte das begeistert Ascar Chupungco, der Filipono-Übersetzer des Missale.
1976 wurde in aller Eile die laut eigenen Angaben des Übersetzers ziemlich folkloristische philippinische Ausgabe der liturgischen Bücher veröffentlicht, ohne jede Autorisierung durch Rom.
Seither wird auf den Philippinen die Misa ng bayang Pilipino gefeiert. In Rom scheint die Sache nicht unbekannt zu sein. 1995 wurde Johannes Paul II. vorgeschlagen, bei seinem Philippinen-Besuch die Heilige Messe in Filipino zu zelebrieren, was er ablehnte.
Die Misa ng bayang Pilipino wird auch von Erzbischof Luis Antonio Kardinal Tagle zelebriert. Der Vertreter der progressiven „Schule von Bologna“ wird von manchen als „papabile“ des nächsten Konklaves und möglicher Nachfolger von Papst Franziskus aufgebaut.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL