(Vatikan) Kardinal Raymond Leo Burke ging 2013 selbst als “papabile“ ins Konklave. Zum Papst wurde nicht er gewählt, sondern der Erzbischof von Buenos Aires, Jorge Mario Bergoglio. Daß die „Chemie“ zwischen Papst und Kardinal nicht stimmt, ist bekannt. Bereits im Dezember des Vorjahres wurde Kardinal Burke von Papst Franziskus „entmachtet“. Nun soll endgültig sein Kopf rollen.
Beim Konklave hatte die Parole gelautet: die Wahl eines „Lefebvrianers“ verhindern. Burke ist zwar kein Lefebvrianer, doch von manchen Kirchenkreisen wird er wegen seines traditionellen Kirchenverständnisses so bezeichnet. Von jenen Kreisen, die auch Benedikt XVI. gegenüber abgeneigt waren und die das Wort als Totschlagkeule verwenden, um griffig zusammenzufassen, daß sie die Tradition zutiefst ablehnen. Bei aller Betonung der These, es passe kein Blatt zwischen irgendwem im Vatikan, könnten das Kirchenverständnis und mehr noch Tat und Gestik zwischen dem traditionsverbundenen US-Amerikaner und dem wenig traditionsgewogenen Südamerikaner kaum unterschiedlicher sein.
Kardinal Burke stützt weltweit traditionsverbundene Gemeinschaften und Gläubige
Wie kein anderer Kardinal stützt Burke seit Jahren die traditionsverbundenen Gemeinschaften und Gläubigen weltweit. Eine Tätigkeit, die manch anderem mißfällt. Deshalb hat Kardinal Burke bei Papst Franziskus kein Stein im Brett. Der Argentinier kennzeichnete seinen Amtsantritt durch das Abwerfen aller sakralen Gewänder und Insignien, die er nur abwerfen konnte. Kardinal Burke hegt mit Bedacht und Respekt zur Sichtbarmachung der Sakralität gerade diese.
Die Folgen blieben nicht aus. Kardinal Burke gehört zu den „konservativen“ Opfern der päpstlichen Personalentscheidungen im Vatikan. Im vergangenen Dezember bestätigte Franziskus ihn nicht als Mitglied der Bischofskongregation. Dort hatte Burke in den Jahren zuvor unter Benedikt XVI. maßgeblichen Einfluß auf die Bischofsernennungen in den USA. Nicht ohne positive Auswirkungen. Ein Einfluß, der progressiven Kreisen ein Dorn im Auge war. Mit ihren Klagen und Wünschen fanden sie bei Papst Franziskus Gehör. Wenige Wochen vor seiner Nicht-Bestätigung hatte das Flaggschiff der progressiven katholischen Publizistik in den USA, der National Catholic Reporter (NCR) mit einer Kampagne den Kopf des amerikanischen Purpurträger gefordert. Die Anklage lautete: zu „konservativ“ und zu „traditionalistisch“.
Zu „konservativ“ und „traditionalistisch“ – Erste Degradierungen im Dezember 2013
Nur drei Tage später, am 19. Dezember entließ Papst Franziskus Kardinal Burke auch aus der Heiligsprechungskongregation. Es hieß, der Kardinal habe Einspruch gegen die wunderlose Heiligsprechung von Johannes XXIII. erhoben und sich damit den Plänen von Franziskus widersetzt.
Kardinal Burke erhob dennoch weiterhin seine Stimme. Er korrigierte den Papst mit großem Respekt, ohne ihn namentlich zu nennen. Das eklatanteste Beispiel war Burkes Widerspruch gegen den bereits berühmt-berüchtigten päpstlichen Ausspruch „Wer bin ich, um zu urteilen?“
Der Vatikanist Sandro Magister berichtet nun, daß Papst Franziskus über Burke so erbost sei, daß dessen endgültige Degradierung unmittelbar bevorstünde.
Unbestechlicher Jurist und makelloser Präfekt der Apostolischen Signatur
Obwohl Kardinal Burke mit makelloser Geradlinigkeit und Unbestechlichkeit das Amt eines Präfekten des Obersten Gerichtshofs der Apostolischen Signatur ausübt, soll er deklassiert werden. Laut dem Willen von Papst Franziskus soll der US-Kardinal ganz aus der Römischen Kurie entfernt werden und mit dem wohlklingenden, aber reinen Ehrentitel eines Kardinalpatrons des Souveränen Malteserordens abgefunden werden.
„Die ‚Revolution‘ von Papst Franziskus in der Kirchenleitung verliert nicht an Schubkraft und wie bei allen Revolutionen fallen weiterhin Köpfe von Kirchenvertretern“, so Magister. Ein Vorgang, der durchaus den Hinweis auf die „metaphorische Guillotine“ verdiene, so der Vatikanist.
Säuberungsaktion durch Papst Franziskus
Bereits in den ersten Monaten seiner Amtszeit sorgte Papst Franziskus für die Degradierung führender Kurienvertreter, die in ihrer theologischen und liturgischen Sensibilität Benedikt XVI. besonders nahestanden. Zu ihnen gehören Kardinal Mauro Piacenza, Kurienerzbischof Guido Pozzo und Kurienbischof Giuseppe Sciacca. Ihnen scheint demnächst der spanische Opus-Dei-Priester, Kurienerzbischof Celso Morga Iruzubieta zu folgen, der in seine spanische Diözese zweiten Ranges versetzt wird. Die Heimschickung von Kardinal Antonio Canizares nach Spanien ist hingegen bereits sichere Sache.
„Nun aber soll eine noch viel bedeutendere Enthauptung folgen“, so Magister. „Das nächste Opfer soll der amerikanische Purpurträger Raymond Leo Burke sein, der vom Präfekten des Obersten Gerichtshofes der Apostolischen Signatur zum pompösen, aber innerkirchlich an Bedeutung sehr bescheidenen Titel eines Kardinalpatrons des Souveränen Ritter- und Hospitalordens vom heiligen Johannes von Jerusalem von Rhodos und von Malta degradiert werden und damit dem derzeitigen Inhaber Kardinal Paolo Sordi, der das 80. Lebensjahr vollendet hat, nachfolgen soll.“
Daß Kardinal Burke einen schweren Stand unter Papst Franziskus hat, war nach dem Konklave schnell klar. Der argentinische Papst hält an Freunden gegen jede, auch berechtigte Kritik fest. Ebenso nachtragend scheint er jedoch zu sein.
Kardinal Mauro Piacenza wurde als Präfekt der bedeutenden Kleruskongregation entfernt und auf den ziemlich unbedeutenden Sitz eines Apostolischen Großpönitentiars versetzt. Damit steht er weiterhin an der Spitze eines römischen Dikasteriums, allerdings ohne wirklichen Einfluß.
Kardinalpatron des Malteserordens
Bei Kardinal Burke scheint, wie vom National Catholic Reporter bereits lautstark vor bald einem Jahr gefordert, die völlige Entfernung aus der Kurie anzustehen. Ein radikales Urteil, das zum Ausdruck bringen würde, daß jemand mit seiner Überzeugung und seinem Auftreten in der Kirchenleitung unter Papst Franziskus keinen Platz hat.
So radikale Entfernungen sind in der Kirche unüblich. Absetzungen, Degradierungen, Entfernungen werden mit gleich- oder höherrangigen, aber unbedeutenderen Positionen „elegant“ geregelt. Das Amt des Großpriors von Rom des Malteserordens, seit 1961 Kardinalpatron genannt, wurde bisher immer namhaften Kardinälen zusätzlich zu ihrer Hauptaufgabe an der Römischen Kurie anvertraut. Es handelt sich also um eine Würde, die die Bedeutung in der Kirchenleitung noch unterstreichen sollte, und gleichzeitig um eine Reverenz an den Malteserorden, der den internationalen Status eines souveränen, nichtstaatlichen Völkerrechtsubjekts genießt.
Kardinal Sardi, der durch seine späte Kardinalserhebung eine Ausnahme bildete, müßte gar nicht ersetzt werden. Für außerkuriale Aufgaben gilt die Altersgrenze von 80 Jahren nicht. Mit Ausnahme von Kardinal Paolo Giobbe starben alle Kardinalpatrone des Malteserordens im Amt.
Kardinal Burke mit 66 Jahren auch in nächstem Konklave möglicher „papabile“
Kardinal Burke ist erst 66 Jahre alt und daher im besten Alter für höchste kirchliche Ämter und realistischerweise „papabile“ auch in einem künftigen Konklave. Zum Kardinal wurde er 2010 von Benedikt XVI. erhoben. Zum Ärgernis jener progressiven Kreise, die ihn heute als „Reisenden in Sachen Tradition“ verspotten, vor allem aber wegen seiner Intelligenz und intellektuellen Redlichkeit, seiner Rechtgläubigkeit und Redegewandtheit fürchten.
Burke „ist eine sehr fromme Persönlichkeit“ und an ihm wird selbst von Kritikern „die seltene Tugend anerkannt, nie an Seilschaften mitgewirkt und Absprachen auf Gegenseitigkeit getroffen zu haben, um Beförderungen oder kirchliche Pfründe zu erhalten“, so Magister. Burkes scharfsinniges juristisches Denken und seine Unbestechlichkeit wird von niemandem bestritten, vielmehr von manchen gefürchtet.
In Fragen der Glaubenslehre betonte der Kardinal mehrfach, daß jeder Gläubige im Katechismus des heiligen Pius X. das geeignete Instrument zur Hand habe, sich sicher zu orientieren. In Fragen der Liturgie macht er kein Hehl aus seiner Anhänglichkeit an den überlieferten Ritus. Diesem entsprechend legte er bereits mehrfach die „cappa magna“ an, was ihn zur Zielscheibe immer neuer Kritik macht. Einige wenige andere Kardinäle taten und tun dies zwar auch, aber kaum einer kritisiert Fehlentwicklungen in der Kirche und verteidigt die Glaubenswahrheit so unerschrocken deutlich und öffentlich wie der Amerikaner.
Burkes Nein zu bischöflicher Nachgiebigkeit – Keine Kommunion für Politiker, die Abtreibung unterstützen
Kardinal Burke gehört zu den herausragenden Kirchenrechtsexperten der Katholischen Kirche, was ihm unter Benedikt XVI. die Ernennung zum Präfekten der Apostolischen Signatur einbrachte. Auch wenn nicht gewünscht, forderte er die Einhaltung des Kirchenrechts selbst dann ein, wenn andere Kirchenvertreter aus „klimatischen“ Gründen bestimmte Aspekte nicht betonen möchten. Das gilt etwa zum Canon 915 des Kirchlichen Gesetzbuches. Kardinal Burke beharrt auf der Unmöglichkeit, Politiker, die uneinsichtig und öffentlich die Abtreibung unterstützen, zur Kommunion zuzulassen. Er widerstand in dieser Frage öffentlich seinen beiden US-amerikanischen Mitbrüdern im Kardinalsrang Donald Wuerl von Washington und Sean Patrick O’Malley von Boston, die im Gegensatz zu Burke von Papst Franziskus an Bedeutung aufgewertet wurden.
Demonstrativ nahm Kardinal Burke bereits mehrfach am Marsch für das Leben in Rom teil und forderte alle Bischöfe auf, es ebenso zu tun, weil es heute dringender denn je das öffentliche Bekenntnis für das Lebensrecht ungeborener Kinder brauche. Eine Position, mit der er sich bei vielen Mitbrüdern im Bischofsamt nicht beliebt machte. Viele von ihnen im Westen haben sich mit dem gesetzlich erlaubten Kindermord als gesellschaftlich-politischem Tabu abgefunden, um nicht in Konflikt mit tonangebenden weltlichen Mächten zu geraten.
Burkes Kritik an „Evangelii gaudium“ und Widerstand gegen Kardinal Kaspers Ehe-Thesen
Kardinal Burke gehört zu den wenigen Kirchenvertretern, die öffentlich Kritik am Apostolischen Schreiben Evangelii gaudium geltend machten, dem er wohl einen programmatischen Wert zuerkannte, nicht aber einen lehramtlichen. Ebenso gehört Kardinal Burke zu den entschiedenen Widerparten gegen die Thesen von Kardinal Walter Kasper zum Ehesakrament und dessen Bereitschaft, wiederverheiratete Geschiedene zur Kommunion zuzulassen. Als Präfekt der Apostolischen Signatur ist Burke automatisch Synodenvater bei der bevorstehenden Bischofssynode. Seine Entfernung aus dem Amt würde ihn auch als Stimme auf der Synode ausschalten. Wenn nicht bereits 2014, so zumindest beim entscheidenderen zweiten Teil der Synode 2015.
Burke nahm Einspruch der Franziskanerinnen der Immakulata an
Als Präfekt eines Gerichtshofs ist Burkes Denken nicht nur theologisch, sondern auch juristisch scharf geschult. Zweideutige Formulierungen mancher theologischer Strömungen, sind dem Juristen zuwider. Jedenfalls entgehen sie ihm nicht. Jüngst nahm er den Einspruch der Franziskanerinnen der Immakulata an, mit dem sich die Ordensfrauen gegen restriktive Maßnahmen der Ordenskongregation wehren.
Ein Schritt mehr, mit dem der Amerikaner sich bei progressiven Kurienkreisen wenig beliebt machte. Die „Normalisierung“ der blühenden, traditionsverbundenen Ordensfamilie der Franziskaner der Immakulata hat ideologische Gründe und wurde von Papst Franziskus ausdrücklich gebilligt. Ihr großer Makel ist die Pflege des überlieferten Ritus und der überlieferten Glaubenslehre. Daß der Orden gerade damit auch noch zu einem der blühendsten und schnellst wachsenden der Katholischen Kirche wurde, war in den Augen einiger einflußreicher Kirchenvertreter unverzeihlich.
Was brachte das Faß zum Überlaufen?
Mit der Annahme des Einspruches bewies Kardinal Burke, daß Iustitia tatsächlich ungeachtet von Opportunitäten handeln kann. Er konterkarierte damit jedoch die von der Ordenskongregation mit päpstlicher Zustimmung gewollte Strafaktion gegen eine der zahlenmäßig wichtigsten Komponenten der katholischen Tradition.
Es läßt sich schwer sagen, welche der couragierten Aktionen des Kardinals bei seinen Gegnern das Faß überlaufen und ihn zum Abschuß freigeben ließ. Absehbar sei hingegen, so Magister, daß eine so aufsehenerregende Deklassierungsaktion in traditionsverbundenen Kreisen nicht minder heftige Gegenreaktionen zur Folge haben werde, wie sie Jubelstürme auf progressiver Seite auslösen wird.
„Bereits seine Degradierungen im Dezember 2013 durch die Entfernung aus der Bischofs- und Heiligsprechungskongregation erfolgten unter ‚Hosanna‘-Rufen ‚liberaler‘ Kirchenkreise nicht nur in den USA“, so Sandro Magister.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL/CR