Big Brother – Das Gerät, das Gedanken liest


Der Griff ins Gehirn
Der Griff ins Gehirn

(Moun­tain View) Vor noch nicht all­zu­lan­ger Zeit wur­den die Stär­ken von Inter­net, Face­book und Whats­App gefei­ert. Die posi­ti­ve Paro­le lau­te­te: Die gesam­te Welt ver­netzt sich. Die weni­gen, die Zwei­fel äußer­ten oder Zurück­hal­tung zeig­ten wegen der zu erwar­ten­den Aus­wir­kun­gen auf die Pri­vat­sphä­re der Men­schen wur­den mit Schlag­wör­tern wie „rück­wärts­ge­wandt“ und „Fein­de des Fort­schritts“ nie­der­ge­zischt. In Wirk­lich­keit, wie man heu­te aus der täg­li­chen Chro­nik erfährt, hat­ten sie die Gefah­ren durch­aus rich­tig erkannt. 

Google Glass

Anzei­ge

Die neu­en Techo­no­lo­gien haben zumin­dest unser Leben in einen Glas­ka­sten ver­wan­delt. Unse­re Bil­der, unse­re Ter­min­ka­len­der, unse­re Kon­tak­te, unse­re Lese­ge­wohn­hei­ten, unse­re Inter­es­sen, lie­gen offen wie ein Buch für jene, die es lesen kön­nen und Zugang zu den Daten haben. Die Betrei­ber­fir­men gehö­ren jeden­falls dazu. Hacker wis­sen sich ziem­lich unge­niert zu bedie­nen. Jour­na­li­sten, Wer­be­fir­men, Geheim­dien­ste tum­meln sich mit unlau­te­ren Absich­ten im Netz und ver­grei­fen sich an uns, ohne daß wir es bemer­ken. Die glän­zen­de Vor­der­sei­te hat eine schmud­de­li­ge Rück­sei­te. Das Phä­no­men wirft neue, weit besorg­nis­er­re­gen­de­re Fra­gen auf. Sie schei­nen direkt Sci­ence-Fic­tion-Fil­men ent­sprun­gen wie Star Trek, Next Gene­ra­ti­on. Sie nen­nen sich Glass und sind „Bril­len für die grö­ße­re Wirk­lich­keit“ und stam­men von Goog­le. Laut Eigen­wer­bung kön­nen sie durch die blo­ßen Gedan­ken gelenkt werden.

App Mind RDR von NeuroSky

Die Lon­do­ner Gesell­schaft This Place stell­te die App Min­dRDR vor, die fol­gen­des mög­lich macht: durch Auf­set­zen eines Bio­sen­sors EEG von Neu­roS­ky genügt es, daß der Nut­zer an die aus­zu­füh­ren­de Akti­on denkt, damit die­se tat­säch­lich auto­ma­tisch aus­ge­führt wird, vom Foto knip­sen bis zur Ent­schei­dung, das gemach­te Foto über Face­book oder Twit­ter zu „tei­len“.

So hin­ge­wor­fen klingt alles ziem­lich phan­ta­stisch und daher sorg­los unrea­li­stisch. Es wird vor allem der trü­ge­ri­sche Ein­druck ver­mit­telt, daß der Nut­zer die­ser neu­en Tech­no­lo­gien abso­lu­ter und tota­ler Akteur ist. Doch die Din­ge sind nicht ganz so. Der Bio­sen­sor ist in Wirk­lich­keit nicht Teil der Goog­le Glass. Es han­delt sich um eine Art Hör­ge­rät, das zusam­men mit den Bril­len auf­zu­set­zen ist. Der Bio­sen­sor ana­ly­siert die Hirn­wel­len. Er legt eine Viel­zahl digi­ta­ler Pro­ben der vom Hirn aus­ge­hen­den elek­tri­schen Signa­le an. So wer­den Muster erkannt. Sobald er das Muster erkennt, auf das sich der Nut­zer kon­zen­triert, das genann­te Foto, fragt er, ob man ein Foto machen möchte.

Konsumorientierung läßt in die Modefalle tappen

Es han­delt sich noch um ein Ver­suchs­mo­dell mit begrenz­ter Lei­stungs­fä­hig­keit. Um das Inter­es­se zu wecken und in einer kon­sum­ori­en­tier­ten Gesell­schaft den Ver­kauf vor­zu­be­rei­ten, wer­den neue „Erleich­te­run­gen“ und „Vor­tei­le“ ange­prie­sen, die der Mensch dadurch gewin­nen wür­de. Her­vor­ge­ho­ben wer­den Extrem­fäl­le, wie die vor­teil­haf­te Nut­zung bei Men­schen mit Behin­de­rung und Krank­hei­ten. In Wirk­lich­keit pro­du­ziert der Markt und schon gar nicht Goog­le für Behin­der­te, son­dern für den Mas­sen­markt. Die Kal­ku­la­ti­on für jedes Pro­dukt und jede For­schung zielt auf Aber­mil­lio­nen von Kun­den ab, die mor­gen kau­fen sollen.

Das Gerät, und das ist die Kehr­sei­te, scheint eine erste Stu­fe zu sein, um in den Gedan­ken der Men­schen zu lesen. Klei­ne erste Schrit­te mit prak­ti­schem Neben­ef­fekt. Zum Bei­spiel erken­nen, ob ein Auto­fah­rer müde wird und ihn auf­merk­sam zu machen, daß er eine Kaf­fee­pau­se ein­le­gen soll­te. Die Inter­es­sen­ten ste­hen Schlan­ge, Desi­gner, Bil­dungs­sek­tor, Enter­tain­ment und natür­lich die Werbung.

MindWave Mobile

Bereits heu­te, wenn man die Inter­net­sei­te von Neu­roS­ky besucht, kann man ein Mind­Wave Mobi­le um 129,99 Dol­lar kau­fen, das mit allen gän­gi­gen Gerä­ten wie Appel iOS, iPho­ne, iPod Touch, iPad, Mobil­te­le­fo­ne und Tablet Android kom­pa­ti­bel sind. Es han­delt sich um einen Ohr­stöp­sel mit Sen­sor. Neben ver­schie­de­nen Anwen­dungs­be­rei­chen erlaubt es auch eine Rei­he von Spie­len zu nüt­zen, Brain Trai­ning-Pro­gram­me und Bil­dungs­an­wen­dun­gen. Alles ohne einen Fin­ger zu rüh­ren. Alles nur mit der Kraft der Gedan­ken. Nicht nur das: das klei­ne Gerät soll auch ein ganz neu­es, revo­lu­tio­nä­res Film­ge­fühl ver­mit­teln. Durch die Inter­ak­ti­on mit den Gehirn­wel­len, so scheint es, kön­ne man Kino auf einer ganz neu­en Ebe­ne zwi­schen Zuse­her und der Lein­wand­hand­lung erleben.

Die Fol­gen sind schwer abseh­bar. Es genügt, die ange­prie­se­nen Mög­lich­kei­ten wei­ter­zu­den­ken. Durch die Tech­ni­sie­rung, die Hard­ware- und Soft­ware­ab­hän­gig­keit sowie die Daten­über­tra­gung ist der Nut­zer kei­nes­wegs mehr allei­ni­ger Herr sei­ner Gedan­ken. Viel­mehr wird auch sei­ne Gedan­ken­welt in den Glas­ka­sten Inter­net gesetzt.

Macht durch Information

Der Anfang ist gesetzt. Die Wer­be­ma­schi­ne­rie ist ange­wor­fen. Der Ver­kauf beginnt, sobald die seri­en­mä­ßi­ge Pro­duk­ti­on anläuft. Wei­te­re Schrit­te wer­den fol­gen. Geheim­dien­ste und Staa­ten waren gestern, Macht durch Infor­ma­ti­on gilt aber auch mor­gen und zwar mehr denn je. Mor­gen wird es nicht mehr nur um Video­spie­le und Kino gehen, um Bil­dungs­för­de­rung und Wer­bung, son­dern um unse­re Ver­hal­tens­wei­sen, unse­re Ange­wohn­hei­ten und vor allem unse­re Mei­nun­gen und unse­re Idea­le. Mit dem Lesen der Gedan­ken geht auch die Inter­ak­ti­on, also die Mani­pu­la­ti­on der Gedan­ken ein­her. Nicht mehr durch exter­ne Beein­flus­sung und Rei­ze, son­dern direkt und unkon​trol​lier​bar​.Goog​le lie­fert heu­te bereits Wer­bung für Din­ge, die unse­ren Inter­es­sen ange­paßt sind, die aus unse­rem Surf­ver­hal­ten rück­ge­schlos­sen wer­den. Mor­gen könn­ten Infor­ma­tio­nen direkt abge­ru­fen und auch ein­ge­speist werden.

Neben dem glä­ser­nen Men­schen, der kei­ne Pri­vat­sphä­re mehr kennt, geht es daher um die Macht­fra­ge und par­al­lel dazu um Über­wa­chung, Kon­trol­le und Mani­pu­la­ti­on des künf­ti­gen Men­schen. Nicht ein­zel­ner weni­ger, son­dern von Aber­mil­lio­nen. Die Fra­gen und damit ver­bun­de­nen dunk­len Ahnun­gen wir­ken fremd und irre­al, doch Wach­sam­keit ist geboten.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana

Print Friendly, PDF & Email
Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!