(Rom) Die linksliberale italienische Tageszeitung La Repubblica kokettiert damit, das „Hausblatt“ von Papst Franziskus zu sein.Und will aus dieser Position heraus „Wertmaßstäbe“ setzen. Dazu gehört das überschwengliche Lob für Hans Küngs neuestes Buch für die Euthanasie. Der parkinsonkranke Theologe wird von Repubblica als „Exeget des Papstes“ präsentiert. Küng scheint schwer selbstmordgefährdet. Mehr noch: Seine Buchwidmung klingt nach einem unmittelbar bevorstehenden Selbstmord. Will Küng seine Rebellion gegen die Kirche bis zum bitteren Ende auskosten?
Dem Zeitungsgründer Eugenio Scalfari, seines Zeichens Atheist und bekannter Kirchengegner aus freimaurerischer Tradition, gewährt der argentinische Papst großzügigen Zugang, Korrespondenz und Interviews. Über La Repubblica wird weltweit die Haltung der anderen, tonangebenden linksliberalen Medien beeinflußt. Umgekehrt bildet La Repubblica das italienische Bindeglied einer internationalen, ideologisch affinen Medienkette.
La Repubblica „päpstliches“ Leitorgan?
Unklar ist nach wie vor, wie der ungewöhnliche Kontakt genau zustande gekommen ist. Weder Scalfari noch Papst Franziskus deuteten bisher an, sich bereits vor dem Konklave begegnet zu sein. Laut der Darstellung des Doyens des linksliberalen Journalismus habe Papst Franziskus den Kontakt gesucht, nachdem Scalfari im Sommer 2013 in zwei Leitartikeln rhetorische Fragen an den Papst gestellt hatte.
Liest der Papst La Repubblica? Was hat den Papst bewogen, ausgerechnet auf Scalfaris „Anfragen“ zu reagieren? Die Verwendung dieses Stilmittels gehört schließlich zum Medienalltag, wie soeben bewiesen. Oder andersherum gefragt: Wer hat Papst Franziskus und warum zu diesem Kontakt geraten?
Wie dem auch sei. La Repubblica nützt seither weidlich den Nimbus eines „quasi-päpstlichen“ Leitorgans. So auch, wenn es darum geht, für jene „katholischen“ Positionen und Personen zu werben, die Scalfaris Logengeist am nächsten stehen. Dazu zählt sowohl der deutsche Theologe Hans Küng als auch dessen „neuestes“ Anliegen: die Legalisierung der Euthanasie.
Hans Küngs Pamphlet: „Glücklich sterben“
Mit einem ganzseitigen Artikel kündigte La Repubblica werbend das Erscheinen eines neuen Buches des einstigen Konzils-Peritus an. „Die Entscheidung von Hans Küng: ‚Ich, deutscher Theologe, will allein entscheiden, wann und wie sterben“, so die große Schlagzeile. Gefolgt vom Untertitel, daß Küng mit seinem neuen Buch die „Diskussion über den ‚süßen Tod‘ neu öffnet“. Scalfaris-Tageszeitung gibt sich beachtliche propagandistische Mühe, worin sie sie zugegebenermaßen reiche Erfahrung hat. Viel Aufwand für das am 1. September erschienene 160-Seiten-Pamphlet „Glücklich sterben?“ (Piper, München 2014), das letztlich leicht vorhersehbar nur die üblichen unverdauten und unverdaulichen, aufgewärnt-langweiligen katho-progressiven Positionen wiederkäut. Doch für La Repubblica war noch kein kirchenkritischer Fanfarenstoß zu schräg, zu unbedeutend, zu unhaltbar, als daß sie ihn nicht lautstark in Text und Bild gesetzt hätte.
Die internationale linksliberale Medienkette funktioniert. Schließlich veröffentlichte das bundesdeutsche Pendant, die Süddeutsche Zeitung bereits eine von Matthias Drobinski verantwortete Megarezension. Im Domino-Effekt wird Hans Küngs Buch rund um den Globus gereicht. Das Buch enthält auch ein Gespräch der Fernsehmoderatorin Anne Will mit Hans Küng. Will bot bereits 2007 dem Vorsitzenden der Euthanasie-Organisation Dignitas und 2009 dem deutschen „Sterbehelfer“ und ehemaligen Hamburger Senator Roger Kusch in ihrer Talk-Show eine Plattform für ihre Euthanasie-Thesen. Im November 2013 sendete sie das Interview mit Hans Küng unter dem „netten“ Titel „„Euthanasie – der gute Tod“, das nun im Buch abgedruckt wurde.
Der „Exeget des Papstes“ und der finsterböse Glaubenspräfekt
Da will La Repubblica nicht zurückstehen, sondern – durch besonderes päpstliches Wohlwollen „geadelt“ – noch etwas drauflegen. Repubblica-Autor Andrea Tarquini präsentiert Hans Küng als „einen der größten katholischen Theologen unserer Zeit, der große Rebell (aber Exeget von Papst Franziskus)“. So steht es geschrieben, wortwörtlich: Hans Küng sei der „Exeget“ des Papstes. La Repubblica muß es wissen. Bisher zeigte der Vatikan eine ziemliche scheu, das Blatt zu dementieren. Und wenn es dennoch geschah, dann in der Form eines ziemlich zweideutigen Spagats. Vatikansprecher Pater Lombardi SJ ist kein beneidenswerter Mann.
In der Tat hatte Hans Küng im vergangenen Frühjahr bekanntgegeben, durch die Wahl von Jorge Mario Kardinal Bergoglio nicht länger „Papst-Kritiker“ sein zu müssen. Denn Papst Franziskus habe jene „unnötige doktrinäre Kleinlichkeit“ der Unauflöslichkeit der sakramentalen Ehe „überwunden“, und sei bereits soweit, endlich die Tötung ungeborener Kinder zu rechtfertigen und die Zulassung von Priesterinnen zu überlegen. Kurzum, alles bestens unter dem Sternenhimmel von Küng und Scalfari? Ja, wäre da nicht der finsterböse, rückwärtsgewandte „Druck der Glaubenskongregation und ihres Präfekten“ Gerhard Ludwig Kardinal Müller. Ist gar Kardinal Müller schuld, wenn Hans Küng heute selbstmordgefährdet ist?
Wer ist über Hans Küngs Euthanasie-Werbung erstaunt?
Was aber verkündet der „Exeget des Papstes“ ex cathedra aus den ziemlich in die Jahre gekommenen Höhen progressiver Theologenherrlichkeit an Neuem? Was ist es, was von La Repubblica in dramatischer Inszenierung mit Trommelwirbel und Fanfarenklängen ankündigt wird? Küng plädiert in Sachen Selbstmord für eine „differenzierte Haltung“, um die Diskussion zwischen Christen und Nicht-Christen zu entkrampfen. Man staunt. Die einseitige Abrüstung auf katholischer Seite ist Musik in Scalfaris Ohren, neu ist sie aber nicht, und schon gar nicht aus Hans Küngs Mund.
Man staunt über La Repubblica: Glaubt Scalfaris Redaktion wirklich, es sei eine Sensation und würde atemlos vom Hocker reißen, wenn jemand wie Hans Küng, der „große Theologe“ und „Exeget des Papstes“, der sich bereits für den Mord an ungeborenen Kindern, für das Frauenpriestertum, für den freien Sex mit Kondom, für die Kommunion für alle, für direkte Demokratie im Vatikan und so weiter und so fort stark gemacht hat, nun krank am Ende seines Lebens angelangt, auch noch für die Euthanasie wirbt?
Sein 20 Jahren und immer noch „zum ersten Mal“
Bei La Repubblica scheint man davon überzeugt zu sein oder tut zumindest so. Ohne zu erröten heißt es dort: „Es ist das erste Mal, daß ein großer katholischer Theologe sich für den ‚süßen Tod‘ ausspricht“. Die Erklärung scheint Tarquini gleich nachzuliefern. Wenige Zeilen später schreibt er: „Hans Küng leidet an Parkinson. Er befindet sich in der Schweiz in einer Anstalt und gab bereits zu verstehen, seinem Leben ein Ende setzen zu wollen, wenn die Symptome eines geistigen und körperlichen Verfalls deutlich spürbar werden. Seit langem ist er Mitglied der schweizerischen Organisation ‚Exit‘, der weltweit vielleicht bekanntesten Einrichtung, die jenen dabei hilft, weil sie unheilbar krank einem Verfall der physischen und psychischen Fähigkeiten und untragbaren Schmerzen ausgesetzt sind, die unbeschwert sterben wollen“.
Abgesehen davon, daß die moderne Palliativmedizin Schmerzen heute gut unter Kontrolle hat, verkündete Hans Küng bereits 1994 den „Tod mit Würde“. Es sind also mindestens 20 Jahren, seit Hans Küng gegen die Lehre der Kirche für die Euthanasie wirbt. Für La Repubblica sind 20 Jahre aber immer „zum ersten Mal“.
Hans Küng „Prophet“ des Angriffs auf das Lebensrecht
Zum Inhalt? Es sei vorweggenommen: Die Lektüre lohnt nicht. Laut Hans Küng sei vom „Recht auf Leben“ in keiner Weise eine „Pflicht zu leben“ abzuleiten. „Seit wann leitet sich vom Recht auf Meinungsfreiheit eine Pflicht zu blödsinnigen Wortmeldungen ab?“, lautet die Gegenfrage des Wochenmagazins Tempi. Wen wundert es: Der argumentative Salto von der Rechtfertigung der Abtreibung zur Rechtfertigung von Selbstmord ist nur mehr ein Katzensprung. Nicht zu vergessen: Für jene, die beim „süßen Tod“ helfen, euphemistisch „Sterbehilfe“ genannt, handelt es sich um Tötung. Der Angriff auf das Lebensrecht des Menschen ist immer radikal, brutal, kategorisch und letztlich schrankenlos. Hans Küng ist sein „Prophet“.
Denkakrobatik: Küng vergleicht Märtyrer mit Selbstmördern
Küng kennt natürlich die sprachakrobatischen Vorlieben seiner Zeit. Im Drang stets „positiv“ zu formulieren, präsentiert er allen Ernstes die Euthanasie mit der Formulierung: „Die Sterbehilfe ist als extreme Lebenshilfe zu verstehen“. Er scheut sich in seinem dialektischen Sturzflug nicht, die Bereitschaft der frühen, im Römischen Reich schwer verfolgten Christen das Martyrium auf sich zu nehmen, als Form der Euthanasie darzustellen. Denn die frühen Christen hätten es vorgezogen, lieber zu sterben, als ihre Brüder und Schwestern zu verraten. Warum sollte, so Küng, der Selbstmord also „ein Weg zur Hölle“ sein? Allen Ernstes setzt Hans Küng die christlichen Märtyrer mit ideologisch motivierten Selbstmördern wie Piergiorgio Welby gleich.
Am Ende bleibt also die tragische Feststellung, daß die Euthanasiebefürworter in der Tat einen (fast) katholischen Theologen auf ihrer Seite haben. „Allerdings nicht mehr lange, wenn Küng ein ernstzunehmender Mensch sein will“, so Tempi.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: La Repubblica (Screenshots)