„Würdige“ Volksaltäre zur „liturgischen Aufwertung“


Segnung eines Volksaltars im Ikea-Stils. Im Hintergrund der ausgediente, "unwürdige" Hochaltar.
Seg­nung eines Volks­al­tars mit Ikea-Charme. Im Hin­ter­grund der aus­ge­dien­te, „unwür­di­ge“ Hochaltar.

(Trier/​Augsburg) Volks­al­tä­re, wenn auch von zwei­fel­haf­tem Geschmack, sind „wür­di­ger“ als Hoch­al­tä­re und stel­len eine „lit­ur­gi­sche Auf­wer­tung“ gegen­über letz­te­ren dar. So sehen es zumin­dest katho­li­sche Prie­ster im ober­baye­ri­schen Pen­zing und im mosel­frän­ki­schen Bern­ka­stel-Kues. Die Hintergründe.

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Die Volks­al­tä­re haben seit 1964 mit der Lit­ur­gie­re­form das Erschei­nungs­bild des Pres­by­te­ri­ums grund­le­gend ver­än­dert. In der Instruk­ti­on Inter oecu­me­ni­ci der Hei­li­gen Riten­kon­gre­ga­ti­on und dem Con­si­li­um zur Aus­füh­rung der Lit­ur­gie­kon­sti­tu­ti­on des Kon­zils wur­de ange­ord­net, daß neu­errich­te­te Altä­re, wo mög­lich, frei­ste­hend sein sol­len, um sie in der Lit­ur­gie umschrei­ten zu kön­nen. Zur Zele­bra­ti­ons­rich­tung oder zur genaue­ren Gestal­tung die­ser Altä­re wur­de nichts aus­ge­sagt. Mit der eigent­li­chen Lit­ur­gie­re­form erfolg­te die Ver­än­de­rung der Gebets­rich­tung, die tat­säch­li­che Ostung ad Deum wur­de zur „inne­ren Ostung“ mit der fak­ti­schen Gebets­rich­tung ver­sus popu­lum. Bereits 1966 übte der spä­te­re Kar­di­nal und Papst, Joseph Ratz­in­ger Kri­tik an der damals Mode gewor­de­nen Volksaltarschwemme.

„Überwindung“ der gottgewolten Unterteilung vom Offenbarungszelt zur Kirche

Entleerte Augustinerkirche in Würzburg: ohne Hochaltar, bedeutungslosem Presbyterium.
Ent­leer­te Augu­sti­ner­kir­che in Würz­burg: ohne Hoch­al­tar, bedeu­tungs­lo­sem Presbyterium.

Aus dem Pro­vi­so­ri­um der 60er Jah­re mit trag­ba­ren Tischen wur­de seit den 80er Jah­ren ein Fixum mit fest­ge­mau­er­ten Volks­al­tä­ren. Mit der Grund­ord­nung des Römi­schen Meß­buchs von 2002 wur­de der Volks­al­tar zum ein­zi­gen Haupt­al­tar erklärt. Damit ver­lor der bis­he­ri­ge Hoch­al­tar auch in den vor 1964 erbau­ten Kir­chen nicht nur fak­tisch, son­dern offi­zi­ell sei­ne Bedeu­tung. Er stellt nur mehr ein archi­tek­to­ni­sches Relikt ver­gan­ge­ner lit­ur­gi­scher Epo­chen dar, der aus­drück­lich nicht durch beson­de­ren Schmuck betont wer­den darf, weil die Kon­zen­tra­ti­on allein dem neu­en Volks-Haupt­al­tar gel­ten soll.

Bil­de­te der Hoch­al­tar in der Regel den wand­an­ge­lehn­ten Abschluß einer nach Osten aus­ge­rich­te­ten gemein­sa­men Gebets- und Zele­bra­ti­ons­rich­tung von Volk und Prie­ster, wur­de der neue Volks­al­tar im Pres­by­te­ri­um soweit als mög­lich an das Lang­schiff und damit an das Volk her­an­ge­rückt. Ein Vor­gang, der durch die weit­ge­hend syste­ma­ti­sche Ent­fer­nung der Kom­mu­ni­on­bank, als letz­tem Rest des Lett­ner, der west­kirch­li­chen Form der ost­kirch­li­chen Iko­no­sta­se begün­stigt wur­de. Damit wur­de die Tren­nung zwi­schen dem Raum des beten­den Vol­kes und dem Aller­hei­lig­sten auf­ge­ho­ben, der nach gött­li­cher Vor­schrift den Jeru­sa­le­mer Tem­pel (1 Köni­ge, 2 Chro­nik) bestimm­te und zuvor bereits das Offen­ba­rungs­zelt mit der Bun­des­la­de (Exodus, Levitikus).

Schrittweise Entleerung des Presbyteriums

Großartige Kirche des Cusanusstifts mit Passions-Hochaltar
Groß­ar­ti­ge Kir­che des Cus­a­nus­stifts mit Passions-Hochaltar

Als neue­ste Mode läßt sich inzwi­schen die Ten­denz fest­stel­len, auf die fak­ti­sche Bedeu­tungs­lo­sig­keit des Hoch­al­tars eine gene­rel­le Bedeu­tungs­lo­sig­keit des Pres­by­te­ri­ums fol­gen zu las­sen. Der Volks-Haupt­al­tar wird neu­er­dings bei teu­ren Kir­chen­um­bau­ten ganz aus dem Pres­by­te­ri­um her­aus­ge­rückt und in das Lang­schiff hineingerückt.

Eine Ent­wick­lung, die schritt­wei­se die Ent­sa­kra­li­sie­rung durch das Her­aus­tre­ten aus dem Aller­hei­lig­sten und Ple­be­ji­sie­rung durch den Marsch in Rich­tung prie­ster­lo­ser Gemein­de ver­deut­licht. Mit der Abwer­tung und Bedeu­tungs­lo­sig­keit von Hoch­al­tar und Altar­raum geht unwei­ger­lich der Bedeu­tungs­ver­lust des sakra­men­ta­len Prie­ster­tums ein­her. Über kon­kre­te Bei­spie­le wur­de berich­tet (Augu­sti­ner­kir­che von Würz­burg, Wall­fahrts­kir­che Sonn­tag­berg).

Die fixen neu­en Volks-Haupt­al­tä­re erleb­ten seit­her ihre gestal­te­ri­sche Ent­wickung. Waren die Pro­vi­so­ri­en der ersten Zeit noch in Form, Aus­maß und Para­men­tie­rung den bis­he­ri­gen, wand­an­ge­lehn­ten Haupt­al­tä­ren nach­emp­fun­den, wur­de zuneh­mend qua­dra­ti­schen Blöcken oder tisch­ähn­li­chen For­men der Vor­zug gege­ben, mit immer skur­ri­le­ren Fol­gen, die modi­sches Design, mehr oder weni­ger ori­gi­nel­len Ideen­reich­tum bis hin zum nüch­ter­nen Pau­pe­ris­mus zum Aus­druck brin­gen, aber kaum Sakralität.

Zwei aktu­el­le Bei­spie­le ver­deut­li­chen die­se selt­sa­me anmu­ten­de Beto­nung des Volks­al­tars. Läßt sich durch den Umstand, daß es sich dabei jeweils nur um trag­ba­re Altä­re han­delt, eine Ten­denz zurück zum Pro­vi­so­ri­um erken­nen? Zwei­fel sind ange­bracht. Ret­ten meist denk­mal­pfle­ge­ri­sche Auf­la­gen die Hoch­al­tä­re vor ihrer Ent­sor­gung, sind für trag­ba­re Volks­al­tä­re in der Regel prak­ti­sche Über­le­gun­gen aus­schlag­ge­bend. Der Altar­raum wird in etli­chen Kir­chen auch für nicht lit­ur­gi­sche Zwecke wie Kon­zer­te genützt. Sei­ne auch für die Lit­ur­gie behin­dern­de Plat­zie­rung wird aller­dings nur im Kon­text der mul­ti­funk­tio­na­len Umwand­lung der Kir­che in ein Audi­to­ri­um erkannt.

Beispiel Augsburg

Am ver­gan­ge­nen 3. August wur­de in der Diö­ze­se Augs­burg von Weih­bi­schof Flo­ri­an Wör­ner m Rah­men eines Pon­ti­fi­kal­am­tes in der spät­ro­ma­ni­schen St. Anna-Kapel­le von Pen­zing bei Lands­berg trotz vor­han­de­nem Hoch­al­tar ein neu­er Volks-Haupt­al­tar geseg­net. Der zustän­di­ge Pfar­rer Mar­tin Rudoph bedank­te sich, laut Augs­bur­ger All­ge­mei­ne, bei den Spen­dern, deren Geld es mög­lich mach­te, „daß unse­re Anna-Kapel­le jetzt einen wür­di­gen Altar und Ambo hat“. Im Umkehr­schluß sag­te der Pfar­rer damit, daß der Hoch­al­tar „unwür­dig“ war. Der „wür­di­ge“ neue Volks­al­tar aus Glas und Metall, vom Kir­chen­ma­ler und Restau­ra­tor Albert Höpfl ent­wor­fen, hat in etwa soviel Charme wie ein Ikea-Aller­welts­tisch für den Haus­ge­brauch. „Mit Ihnen und Ihrem Pfar­rer freue ich mich sehr, dass wir heu­te das Ereig­nis der Altar- und Ambo­seg­nung fei­ern und der Bestim­mung über­ge­ben dür­fen. Bei­de Tische sind reich­lich gedeckt. Der Herr sel­ber macht uns die­ses Geschenk“, sag­te Weih­bi­schof Wör­ner. Gemeint sind gemäß Kon­zils­theo­lo­gie des Zwei­ten Vati­can­ums der Altar als „Tisch des Her­ren­lei­bes“ und der Ambo als „Tisch des Got­tes­wor­tes“ (Sacro­sanc­tum Con­ci­li­um 48, 51; eben­so Dei Ver­bum 21), viel­fach dann vul­ga­ri­siert zum „Tisch des Bro­tes“ und „Tisch des Wor­tes“. Da der Altar nur „geseg­net“ wur­de, han­delt es nicht um einen fest­ste­hen­den, son­dern einen trag­ba­ren Altar, der jeder­zeit ent­fernt wer­den kann.

Beispiel Trier

Altarsegnung in Bernkastel-KuesAm ver­gan­ge­nen 9. August wur­de in der Diö­ze­se Trier im Rah­men der Fei­er­lich­kei­ten zum 550. Todes­tag von Niko­laus Kar­di­nal von Kues, bes­ser bekannt als Niko­laus Cus­a­nus ein Altar geseg­net. Die Altar­seg­nung fand in Bern­ka­stel-Kues, dem Geburts­ort des Kar­di­nals statt, und zwar in der Kir­che des 1451 von Cus­a­nus gegrün­de­ten St. Niko­laus-Hos­pi­tal (Cus­a­nus­stift) für Arme. Durch­ge­führt wur­de sie von Bischof Ivo Muser von Bozen-Bri­xen. Cus­a­nus war eini­ge Jah­re Fürst­bi­schof von Brixen.

„Wirk­lich ‚Eucha­ri­stie-fähig’“ sei­en Chri­sten nur, „wenn wir an Chri­sti Gegen­wart in jedem Men­schen glau­ben“, sag­te Bischof Muser in sei­ner Pre­digt, wie Stol berich­tet. Der neue Volks­al­tar, so Stifts­rek­tor Leo Hof­mann, stel­le eine „lit­ur­gi­sche Auf­wer­tung des Altar­rau­mes dar“. Offen­sicht­lich wur­de die Lit­ur­gie durch das Pas­si­ons­tri­pty­chon des Hoch­al­tars, das als ein Früh­werk des in Köln von ca. 1460–1485 täti­gen Mei­sters des Mari­en­le­bens gilt und auf dem unter dem Kreuz der Stif­ter, Kar­di­nal Cus­a­nus zu sehen ist, „abge­wer­tet“.

Der Ent­wurf des neu­en Altars stammt von der Archi­tek­tin Eva von der Stein. Auch im Bern­ka­stel-Kues han­delt es sich nur um einen trag­ba­ren Altar, wes­halb ledig­lich eine Altar­seg­nung und kei­ne Altar­wei­he stattfand.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Wikicommons/​Stol/​Augsburger Nach­rich­ten (Screen­shots)

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