(Rom) Die Benediktinerabtei von Monte Cassino gehört erstaunlicherweise nicht zum UNESCO-Welterbe, dabei steht sie wie kaum ein anderer Ort für das geistig-kulturelle Erbe des Abendlandes und des lateinischen Mönchtums. Durch die Schlacht von Monte Cassino im Jahr 1944 und die Zerstörung durch alliierte Luftangriffe ist die Abtei auch untrennbar mit den Schrecken des Zweiten Weltkrieges verbunden. Derzeit stehen einige dunkle Wolken über der altehrwürdigen Abtei, die mit ihrer juridischen und administrativen Zukunft zu tun haben, denn, was nur die wenigsten wissen: Die Abtei gehört der Republik Italien und in der EU scheint es laizistische Geister zu geben, die ein Auge auf das symbolträchtige Kloster geworfen haben.
1500 Jahre alte Abtei wurde drei Mal zerstört und zwei Mal aufgehoben
Im Jahr 529 wurde die Abtei vom heiligen Mönchsvater Benedikt von Nursia (480–547) gegründet, der mit dem nach ihm benannten Benediktinerorden an der Wiege des lateinischen Mönchtums stand. Monte Cassino gilt seither als „Mutter aller Abteien“. In ihrer bald 1500jährigen Geschichte wurde die Abtei dreimal durch Menschenhand zerstört. Das erste Mal 577 durch die damals noch arianischen Langobarden, dann 883 durch die islamischen Sarazenen und 1944 durch die amerikanischen Bomber. Lange Zeit wurde nach dem Krieg behauptet, im Kloster hätten sich deutsche Truppen verschanzt. Tatsächlich befanden sich solche bewußt nicht darin, um die Abtei vor Kampfhandlungen zu verschonen. Eine strategische Rücksichtnahme, die dem Vatikan und über diesen auch den Allierten mitgeteilt wurde. Die neuere Geschichtsforschung geht davon aus, daß den Alliierten eine Rücksicht auf das Kloster einfach lästig war, weshalb der britische Oberbefehlshaber der alliierten Truppen in Italien, Sir Harold Alexander (1891–1969) im Februar den Befehl zum Flächenbombardement gab, welches das Kloster in einen Trümmerhaufen verwandelte. Nur die Krypta mit dem Grab des heiligen Gründers blieb verschont. Er soll 547 stehend während des Gebets am Altar gestorben und seine Seele vor den Augen seiner Mitbrüder sichtbar von Engeln in den Himmel geführt worden sein.
Nach unterschiedlichen Angaben kamen beim Luftangriff zwischen 250 und 430 Menschen ums Leben, vor allem Flüchtlinge, die im Kloster sichere Zuflucht zu finden hofften, aber auch mehrere Mönche. Die Überlebenden, darunter der Abt, wurden von deutscher Seite in Sicherheit gebracht. Bereits zuvor hatten Einheiten der Fallschirm-Panzer-Division 1. Hermann Göring auf eigenmächtige Initiative von Oberstleutnant Julius Schlegel die unschätzbare Bibliothek und kostbaren Kunstwerke in den Vatikan in Sicherheit gebracht. Erst in den Trümmern der Abtei verschanzten sich dann deutsche Einheiten und hielten den alliierten Angriffen noch einige Monate stand. In der Schlacht von Monte Cassino fielen rund 20.000 deutsche und mehr als 50.000 alliierte Soldaten. Monte Cassino gilt seither als Symbol für sinnlose Zerstörung.
Papst Pius XII. rief 1947 mit der Enzyklika Fulgens radiatur zum Wiederaufbau der Abtei auf als Symbol des Wiederaufbaus des christlichen Abendlandes. Darin bezeichnete der Papst die Abtei als „Heimstätte der Barmherzigkeit“, welche bisher alle Unruhen vieler Jahrhunderte überdauert habe, da die Mönche immer wieder auf den Berg ober Cassino zurückkehrten. Der weitgehend originalgetreue Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg, vor allem mit deutscher und amerikanischer Hilfe, wurde als Zeichen der Versöhnung zur gemeinsamen Leistung der einstigen Kriegsgegner. Die wiedererrichtete Abteikirche wurde 1964 durch Papst Paul VI. geweiht. Im selben Jahr erhob der Papst den Heiligen Benedikt zum Patron Europas.
Abt als Diözesanbischof, Territorialabtei als eigene Diözese
Das Kloster hat im Benediktinerorden seit 1504 den Rang einer Erzabtei der Cassinensischen Kongregation. Kirchenrechtlich hat der Abt nicht nur den Rang eines Erzabtes, sondern auch den eines Diözesanbischofs. Die Abtei hat nämlich den Status einer Territorialabtei. Das zur Abtei gehörende Territorium von fast 600 Quadratkilometern mit rund 80.000 Einwohnern in 53 Pfarreien bildet eine eigene Diözese, deren Bischof der Abt von Monte Cassino ist.
Grund für diese kirchenrechtliche Regelung war die italienische Einigung im Zuge des Risorgimento. Bereits 1807 unter Napoleon einmal aufgehoben, ordnete auch der neue italienische Staat 1866 die Aufhebung der Abtei an und erklärte das Kloster kurzerhand in einem Enteignungsakt zum „Nationaldenkmal“. Seither befindet sich das Kloster im Besitz des Staates. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts konnte die Abtei im Schutz der Lateranverträge wiedererrichtet werden.
Konkordat schützt Abtei vor dem Staat
Um die Abtei und die klösterliche Gemeinschaft möglichst vor staatlichem Zugriff zu schützen, wurde der Abt nach Unterzeichnung der Lateranverträge von Papst Pius XI. in den Rang eines Bischofs erhoben. Die Abteikirche hat seither den Rang einer Kathedrale und die Mönche bilden de facto das Domkapitel mit dem Rang von Kanonikern. Um die bedenklichen Besitzverhältnisse abzuschwächen, steht die Abtei seither unter dem Schutz des zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Staat Italien unterzeichneten Konkordats.
Anfang Juli wurden Gerüchte laut, Papst Franziskus wolle im Zuge einer allgemeinen Neuordnung der italienischen Diözesen, die Territorialabtei und damit die Diözese Monte Cassino auflösen und deren Gebiet der benachbarten Diözese Sora-Aquino-Pontecorvo angliedern. Gelegenheit zur Aufhebung bietet die derzeitige Vakanz des Abt- und Bischofsstuhls. Die offizielle Bekanntgabe der Auflösung wurde für den 19. Juli erwartet. Damals hieß es, Papst Franziskus habe das entsprechende Dekret bereits unterzeichnet. Bereits 1986 war es im Zuge des neuen Konkordats zur „Zusammenlegung“ mehrerer Diözesen gekommen, ein Ausdruck, mit dem die Aufhebung einiger Diözesen geschönt wurde. Entscheidungen von Bürokraten, die der historischen Verbundenheit einzelner Gegenden kaum Rechnung trugen und sich wenig günstig auf das geistliche Leben auswirkten.
Pläne zur Aufhebung der Diözese
Neben Monte Cassino gibt es in Italien weitere altehrwürdige Abteien, die vom Staat enteignet und daraufhin von der Kirche zu Territorialabteien erhoben wurden, um die klösterlichen Gemeinschaften und das Mönchstum zu schützen, die wesentlichen geistlichen und kulturellen Anteil an der Evangelisierung haben.
Im Vatikan wurden die Pläne jedoch vorerst ad acta gelegt, nachdem aus Brüssel ein „laizistischer Rülpser“ zu hören war. Ein Vertreter der EU soll anscheinend im „Scherz“ die Idee geäußert haben, die Abtei Monte Cassino oder einen Teil davon in eine Außenstelle der Europäischen Union für Menschenrechte umzuwandeln, sobald ihr der Status einer Territorialabtei und damit der besondere Schutz durch das Konkordat genommen würde. Da sich die Abtei im Staatsbesitz befindet, könnte die Republik Italien eine einseitige Umwidmung vornehmen.
Brüsseler „Scherze“
Der Brüsseler Gedankenflug von laizistischer Seite wurde in der Kirche ausreichend ernst genommen, um im Vatikan – bisher erfolgreich – auf eine Zurückstellung einer Aufhebung der Diözese zu drängen. In Rom wird auf die Beibehaltung des konkordatsgeschützten Rechtsstaus der Abtei gedrängt, um die Abtei, den Abt und die Mönche, vor allem aber auch dieses Symbol und diesen Leuchtturm des abendländischen Christentums und der christlichen Kultur vor dem Appetit einiger EU-Laizisten zu schützen. Ein „Menschenrechtszentrum“ würde unter der derzeitigen EU eine ideologische Verzerrung des Menschenrechtsgedankens bedeuten, mit der Gefahr, zu Lasten der Menschenwürde zu gehen und damit den christlichen Grundsätzen zu widersprechen, so die Befürchtung. Damit wird die konkrete Gefahr gesehen, daß ein Zentrum des Christentums durch die EU unter anderem in ein Zentrum der neuen nichtchristlichen Gender-Ideologie umgewandelt werden könnte.
Die Abtei Monte Cassino laboriert an denselben Leiden wie andere Ordensgemeinschaften Europas. Am 12. Juni 2013 hatte Papst Franziskus den Rücktritt des damals erst 51jährigen Erzabtes Pietro Vittorelli angenommen. Der seit 2007 amtierende Abt hatte nach einem Herzinfarkt aus gesundheitlichen Gründen um Entbindung gebeten. Seither wartet die Abtei auf die Wahl des 191. Nachfolgers des Heiligen Benedikts. „Der Herr kann jederzeit eine grundlegende Erneuerung der klösterlichen Gemeinschaft ermöglichen. Wenn der Staat jedoch erst einmal das Kloster anderen Zwecken zugeführt hat, ist es für die Kirche verloren“, so Messa in Latino.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Messa in Latino/Nara