(Bagdad) Die Christen im Nahen Osten und anderen Teilen der Erde, wie Nigeria, erleben das Martyrium. Doch der Westen schaute lange weg und sieht nun vorwiegend nur die Jesiden. Über verfolgte Jesiden zu schreiben, fällt den meinungslenkenden westlichen Medien um ein Vielfaches leichter, als über die verfolgten Christen zu berichten. Kann es angesichts von Mord, Vertreibung, Vergewaltigung und Versklavung noch ein brutaleres Bekenntnis des westlichen Establishments gegen das Christentum geben? Einige Stichworte zum Zeugnis einer Märtyrerkirche und dem Versagen des Westens. Setzt Papst Franziskus im Irak auf ein „Interreligiöses Fußballspiel“ mit Maradona?
Von kirchlicher Seite fehlt noch immer ein einstimmiger Aufschrei. Es mehren sich immer mehr Gebetsinitiativen von Gläubigen für die verfolgten Brüder und Schwestern im Nahen Osten. Inzwischen haben auch einige Bischofskonferenzen Gebetstage durchgeführt oder ausgerufen. Nach wie vor ist eine erstaunliche Scheu zu bemerken, siehe die Erklärung der Italienischen Bischofskonferenz zum Gebetstag am 15.August, die Täter beim Namen zu nennen.
Sprech- und Denkbarrieren des Westens
Im ideologischen Denken des Westens wurden Sprech- und Denkbarrieren errichtet, die von der Wucht moderner Tabus sind. Sie zu durchbrechen, verlangt einen Kraftakt, den manche nicht aufbringen wollen. Es sind etwa die Tabus „Dialog um jeden Preis“, auch um den der Unterwerfung, das „Freundbild Islam“, das jede Kritik unter „Phobie“- und „Haß“-Anklage stellt, und noch andere Tabus dazu. Letztlich folgen die Bischöfe damit aber vor allem dem Vorbild von Papst Franziskus, der jedes starke Wort für die verfolgten Christen meidet und vor allem die Täter nicht beim Namen nennt.
Setzt Papst Franziskus auf „Interreligiöses Fußballspiel“?
Doch dafür steuert die Kirche„endlich“ auf die erste wirklich konkrete und breitenwirksame Initiative des Vatikans für die verfolgten und gejagten Brüder und Schwestern im Irak, in Syrien, aber auch in Nigeria zu. Am 1. September 2014 findet auf Einladung von Papst Franziskus im Olympiastadion von Rom das erste „Interreligiöse Fußballspiel für den Frieden“ statt. Es handelt sich dabei um eine Idee von Papst Franziskus, zu der er neben anderen Fußballgrößen auch den argentinischen Ex-Fußballer Maradona eingeladen hat. Ist das die einzige für den Westen tragbare Aktionsebene? Ein mit etwas selbstbeweihräucherndem Moralin gepuderter Spaß- und Unterhaltungszwang?
„Wer wird den Mut haben, an einem Fußballspiel teilzunehmen, während im fernen und doch nahen Irak und im fernen und doch nahen Syrien die Schreie unserer unschuldigen Brüder und Schwestern zu hören sind, die aus Haß gegen Christus und den christlichen Glauben abgeschlachtet werden? Ja wo sind wir denn?“, fragt kopfschüttelnd die Redaktion der traditionsverbundenen Seite Messa in Latino.
Erzbischof Nona: „Hoffen, daß Westen doch noch auf uns aufmerksam wird“
Der chaldäische Erzbischof Emil Shimoun Nona von Mosul sagte in diesen Tagen zu Asianews: „Wir sind sicher, daß die Kirche auf der ganzen Welt für den Irak betet, aber der Westen und seine Regierungen scheinen das Drama, das unser Volk erleidet, ‚vergessen‘ zu haben, so als wäre es inzwischen ‚normal‘, jeden Tag von Toten, Attentaten und Gewalt zu hören. Man spricht nicht mehr darüber, jedenfalls nicht über die verfolgten Christen. Wir hoffen, daß man im Westen doch noch auf uns aufmerksam wird und den Wunsch nach Frieden und Ordnung hört, denn das ist es, was wir wollen.“
„Gefahr, daß Ökumene zum Respekt für alle Religionen führt, außer der eigenen“
Der Soziologe und Publizist Gianfranco Morra schrieb in einem Kommentar in der Tageszeitung Italia Oggi über die Tragödie der Christen in der Ninive-Ebene: “Es ist richtig, daß die christliche Religion die Gefahren des religiösen Fanatismus meidet. Was aber nicht eine Schwächung ihrer Gewißheiten bedeuten kann, wie dies aus einigen Aussagen des amtierenden Papstes herauszuklingen scheint: ‚Gott ist nicht katholisch‘; die Kirche ‚ist ein Feldlazarett, sie will niemand bekehren‘; die Moral ist nicht Verurteilung, sondern Barmherzigkeit: ‚Es gibt keine nicht verhandelbaren Werte‘; ‚Wer bin ich, um zu urteilen?‘ Mit der Gefahr, daß die Ökumene zwar zum Respekt für alle Religionen führt, außer der eigenen.“
Islamisierung als „Früchte“ eines gewissen „Synkretismus“?
Bestimmte Medien berichten mit schaurigem, aber wohlwollendem Staunen über die „Früchte“ einer synkretistischen Stimmung, die in Teilen des Christentums anzutreffen ist: „Eine italienische Familie bekehrte sich wenige Tage nach dem Ramadan zum Islam. Die fünfköpfige Familie, getaufte Katholiken, gaben ihre Konversion zum Islam bekannt, nachdem sie den Koran gehört und an einigen Riten in der benachbarten Moschee in der Provinz Segrate teilgenommen hatten“. Der Vater nennt sich nun “Rachid“, seine Frau “Ayesha“ und die drei Kinder “Ayoub“ “Asmaa“ und “Yassine“.
Kardinal Biffi: „Entweder wird Europa wieder christlich oder es wird moslemisch“
Der emeritierte Erzbischof Giacomo Kardinal Biffi von Bologna brachte es knapper, aber nicht weniger realistisch als die bereits verstorbene islamkritische Schriftstellerin Oriana Fallaci auf den Punkt: „Die Katholiken mit dem Dialog um jeden Preis bereiten die eigene Auslöschung vor. Entweder wird Europa wieder christlich oder es wird moslemisch.“
Kardinal Biffi, dessen Wahlspruch Ubi fides ibi libertas lautet, soll von Joseph Kardinal Ratzinger beim Konklave 2005, aus dem dieser als Papst hervorging, in allen Wahlgängen seine Stimmeerhalten haben.
Martyrium eines irakischen Priesters: „Wie kann ich das Haus Gottes schließen?
Am Tag vor dem Gedenken an den Märtyrer des Minoritenordens, des Heiligen Maximilian Maria Kolbe soll an einen anderen Priester erinnert werden, der vor dem Martyrium nicht zurückschreckte und dessen unschuldiges Blut für Christus und seine Kirche vergossen wurde. Pater Ragheed Ganni war ein chaldäisch-katholischer Priester im Irak. Im Alter von 35 Jahren wurde er am 3. Juni 2007, nahe seiner Kirche zum Heiligen Geist von Mosul, zusammen mit drei Subdiakonen von Islamisten ermordet.
Die Islamisten hatten ihn bereits mit dem Tod gedroht, sollte er seine Kirche nicht zusperren und die Stadt verlassen. Wohlgesonnene Moslems und besorgte Christen hatten ihm nahegelegt, sich in Sicherheit zu bringen. Er gab aber allen dieselbe Antwort: „Wie kann ich das Haus des Herrn schließen?“ Das waren auch seine letzten Worte. Er hatte den Mut, sie jenen Männern zu sagen, die ihn mit den Waffen in der Hand bedrohten, weil er die Kirche nicht zugesperrt hatte, wie die Islamisten es ihm befohlen hatten. „Wie kann ich das Haus des Herrn schließen?“ sagte er seinen Henkern. Sie stießen ihn darauf zu Boden und ermordeten ihn. Von 15 Patronenkugeln getroffen, brach der Priester tot zusammen. Gleich darauf wurden auch die drei Subdiakone hingerichtet, die den Priester begleitet hatten.
Nach seiner Priesterweihe 2001 in Rom, wo er am Angelicum studiert hatte, drängte es Pater Ragheed Ganni zurück in seine Heimat, obwohl ihm eine Stelle in Irland angeboten wurde, das er gut kannte. Während des Studiums hatte er mehrfach den Wallfahrtsort Lough Derg besucht. Er aber sagte noch in Rom: „Mein Platz ist im Irak. Das ist mein Ort, dem ich zugehöre“, denn „ab diesem Augenblick bin ich mir selbst gestorben.“ Trotz des angekündigten Martyriums hielt er im Irak durch, zelebrierte in seiner Kirche die Heilige Messe bis zum letzten Tag und war den ihm anvertrauten Christen ein sicherer Halt.
Eine Märtyrerkirche vor der Auslöschung
Seither wurden allein bis zum Angriff des Islamischen Staates (IS) mehr als tausend Christen im Irak nur wegen ihres Glaubens ermordet. Dennoch wird der Tod von Pater Ganni von den Christen Mosuls in besonderer Erinnerung bewahrt. Nicht nur weil er der erste katholische Priester war, der seit dem Sturz von Saddam Hussein das Martyrium erlitten hat, sondern vor allem wegen seiner unerschrockenen Opferhaltung. Pater Ganni war Sekretär des chaldäisch-katholischen Erzbischofs Paulos Faraj Rahho von Mosul, der selbst wenige Monate später das Martyrium erlitt. Am 28. Februar 2008 wurde der Erzbischof auf dem Rückweg von einer Kreuzwegandacht von Islamisten entführt. Dabei wurden sein Fahrer und zwei Begleiter getötet. Am 13. März wurde auch der Erzbischof ermordet aufgefunden.
Seit dem zweifelhaften militärischen Eingreifen des Westens gegen Saddam Hussein erlebt die christliche Gemeinschaft des Irak eine unvorstellbare Tragödie, die nun ihrem Finale zuzusteuern scheint.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Messa in Latino/Fraternitas/christianophobie.fr/Märtyrer von Otranto/Ora Pro Siria/Asiwnews