(Jerusalem) Wegen der laufenden israelischen Militäraktion ist es zum offenen Konflikt zwischen den griechisch-orthodoxen Gläubigen des Heiligen Landes mit ihrem Patriarchen von Jerusalem gekommen. Die arabischen Christen griechisch-orthodoxen Glaubens werfen Patriarch Theophilos III. von Jerusalem vor, eine zu nachsichtige Position für die „israelischen Täter“ einzunehmen, die einen „Genozidkrieg“ führen, wie sie sagen. Der interne Konflikt in der Orthodoxen Kirche von Jerusalem kann auch ökumenische Rückwirkungen haben. Patriarch Theophilos III. ist vom kommenden 15.–23. September Gastgeber der nächsten Vollversammlung der Kommission für den theologischen Dialog zwischen der Katholischen und der Orthodoxen Kirche. Das Thema der Versammlung ist der päpstliche Primat.
Die Vollversammlung soll in der jordanischen Hauptstadt Amman stattfinden, die zum Jurisdiktionsbereich des Jerusalemer Patriarchats gehört. Der Ort wurde gewählt, um einen ruhigen und sicheren Verlauf zu garantieren, während ringsum in der gesamten Region Konflikte toben. Gerade in Amman ist nun unter den einheimischen orthodoxen Christen der Konflikt mit dem Patriarchen ausgebrochen, der das gesamte Patriarchat betrifft.
Arabische Christen gegen griechischen Episkopat
Vergangene Woche wurde in der Hauptstadt des haschemitischen Königreichs von orthodoxen Christen eine Bewegung zur „Erneuerung des Patriarchats“ gegründet. Mehr als 700 Vertreter der arabischen griechisch-orthodoxen Christen des Heiligen Landes und der angrenzenden Gebiete hatten sich dazu in Amman versammelt, angeführt von den wenigen arabischen Bischöfen und Archimandriten des Patriarchats. Die arabischen Christen kritisieren einen Niedergang des Patriarchats und geben dafür dem fast nur aus Griechen bestehenden Episkopat die Schuld. Die Griechen kämen von auswärts und zeigten zu wenig Verständnis für die Anliegen der einheimischen arabischen Christen im Heiligen Land. Im Patriarchat von Jerusalem ist die Bestellung der Patriarchen und der meisten Bischöfe fest in der Hand der griechischen Mönchskongregation von St. Michael.
Der einzige arabische Bischof, Atallah Hanna und die arabischen Archimandriten beklagen gemeinsam mit den arabischen Priestern und Gläubigen „eine rassistische Vorherrschaft über die Kirche von Jerusalem“ und einen Niedergang derselben aus Mangel an seelsorglicher Betreuung der Gläubigen, die in den vergangenen Jahren zu einem drastischen Rückgang der orthodoxen Christen geführt habe. Eine Dezimierung durch Auswanderung oder Abwanderung zu anderen christlichen Kirchen des Heiligen Landes.
Die Unterzeichner des Manifests von Amman protestieren gegen die „Verschleuderung“ der Schätze, die der Kirche durch vergangene Generationen von Gläubigen geschenkt wurden. Sie kritisieren den desolaten Zustand der Schulen des Patriarchats und die Korruption in der Güterverwaltung.
Israelisch-palästinensischer Krieg verschärft innerorthodoxen Konflikt
Der ältere interne Konflikt zwischen griechischem Episkopat und arabischen Gläubigen wird durch den israelisch-palästinensischen Konflikt noch verschärft. „Unser Volk wird durch die israelische Armee ausgelöscht“, heißt es im Manifest, „während ein Priester uns überreden will, die Wehrpflicht in der zionistischen Besatzungsarmee zu akzeptieren und das mit der Unterstützung und dem Segen des Patriarchen, der die Leiden seines Volkes nie berücksichtigt hat“.
Die Rede ist von Gabriel Naddaf, einem griechisch-orthodoxen Priester, der in der Gegend von Nazareth wirkt. Naddaf ist die kirchliche Hauptfigur einer von israelischen politischen Kreisen gesponserten Kampagne, die Wehrpflicht auf die arabische Bevölkerung Israels auszudehnen.
Patriarch Theophilos III. wird zudem vorgeworfen, einen „Offizier der Besatzungsarmee“ ausgezeichnet zu haben, „während unser Volk – Frauen, Kinder, Alte – von deren Artillerie unter Beschuß genommen werden.“
Manifest von Amman
Im Manifest von Amman betonen die orthodoxen Christen ihr Arabertum und den Willen zur „Verteidigung unserer Nation“. Sie fordern ein kirchliches Erwachen, das „die Lehren der Väter, die Canones der Kirche und ihre Spiritualität sowohl in ihrer pastoralen als auch patriotischen Dimension bewahrt“. In acht konkreten Punkten fordern sie ein Ende des Ausverkaufs des kirchlichen Besitzes, eine geänderte Zusammensetzung des Heiligen Synod durch Aufnahme von Arabern, die Schaffung eines Wahlkörpers, dem auch einheimische Priester und Laien angehören, die auch an der Verwaltung der Kirche beteiligt werden sollen.
Das Manifest endet mit dem Bemühen um politische Rückendeckung für ihre Initiative, indem die Unterzeichner eine Ergebenheitserklärung für König Abdullah II. von Jordanien abgeben und betonen, daß das haschemitische Königreich Schutzmacht der „moslemischen und christlichen heiligen Stätten von Jerusalem“ ist. Zudem bitten sie Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas um Unterstützung.
Zum Zeitpunkt der Ausrufung des Staates Israel waren 30 Prozent der Einwohner des Heiligen Landes Christen. Heute sind es weniger als drei Prozent.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons/Vatican Insider/Asianews