Das „geheime“ Treffen von Papst Franziskus in Caserta


Unity In Diversity. Bericht einer evangelikalen Seite über das Treffen mit Papst Franziskus
Unity In Diver­si­ty. Bericht einer evan­ge­li­ka­len Sei­te über das Tref­fen mit Papst Franziskus

(Rom) Am 26. und 28. Juli ist Papst Fran­zis­kus gleich zwei Mal in Caser­ta. Am Sams­tag zu einem öffent­li­chen Besuch für die Katho­li­ken der süd­ita­lie­ni­schen Diö­ze­se. Am Mon­tag zu einem „Pri­vat­be­such“, um sei­nen „Freund“ Gio­van­ni Traet­ti­no, einen evan­ge­li­ka­len Pastor zu tref­fen (sie­he eige­nen Bericht Papst Fran­zis­kus zwei­mal in Caser­ta – Ein­mal für die Evan­ge­li­ka­len, ein­mal für die Katho­li­ken). Zur Fra­ge des katho­lisch-evan­ge­li­ka­len Dia­logs ver­faß­te der Jurist, Reli­gi­ons­so­zio­lo­ge und ehe­ma­li­ge OSZE-Reprä­sen­tant gegen die Dis­kri­mi­nie­rung und Ver­fol­gung der Chri­sten, Mas­si­mo Intro­vi­gne einen Auf­satz, der eini­ge inter­es­san­te Infor­ma­tio­nen zur histo­ri­schen Ent­wick­lung und zu aktu­el­len Aspek­ten ent­hält. Die Zwi­schen­ti­tel stam­men von der Redaktion.

Anzei­ge

.

Das „geheime“ Treffen von Papst Franziskus in Caserta

von Mas­si­mo Introvigne

1996 ver­öf­fent­lich­te ich für den Ver­lag der Mino­ri­ten Mess­ag­ge­ro Pado­va ein Buch mit dem Titel „Aspett­an­do la Pen­te­co­ste. Il quar­to ecu­me­nis­mo“ (War­ten auf Pfing­ten. Die vier­te Öku­me­ne), unter ande­rem mit einem Inter­view mit Gio­van­ni Traet­ti­no. Das Inter­view-Buch fand in den katho­li­schen cha­ris­ma­ti­schen Krei­sen und unter den Pro­te­stan­ten Ita­li­ens ein beacht­li­ches Echo. Dar­in mach­te ich, natür­lich in Abspra­che mit den Inter­view­ten, einen Dia­log öffent­lich bekannt, an dem ich in den vor­ge­gan­ge­nen Jah­ren teil­ge­nom­men hat­te und der abseits der Medi­en­schein­wer­fer und der „offi­zi­el­len“ Öku­me­ne zwi­schen einem maß­geb­li­chen Teil der katho­li­schen cha­ris­ma­ti­schen Welt und eini­gen pro­te­stan­ti­schen Pfingst­lern statt­ge­fun­den hat­te. Im sel­ben Jahr mach­te Pastor Traet­ti­no den Dia­log auch in der Zeit­schrift Cha­ris­ma, der meist­ge­le­se­nen Publi­ka­ti­on der pfingst­le­ri­schen und cha­ris­ma­ti­schen Welt der USA bekannt.

Damit begann ein lan­ger Weg, der über das Bue­nos Aires des dama­li­gen Kar­di­nals Berg­o­glio führ­te und am 28. Juli im ersten Pri­vat­be­such eines Pap­stes bei einem Pastor der Pfingst­ler sei­nen Höhe­punkt fin­det. An die­sem Tag wird sich Papst Fran­zis­kus zu einem „Pri­va­tis­si­mum“ mit Traet­ti­no nach Caser­ta bege­ben. Dort wird er auch zwei Tage vor­her sein und am 26. Juli einen öffent­li­chen Besuch abstat­ten, der laut Vati­ka­ni­sten ver­ein­bart wor­den sei, um nicht den Ein­druck zu ver­mit­teln, als wür­de er gegen­über den Katho­li­ken Caser­tas unhöf­lich sein. Die­se hät­ten den Ein­druck gewin­nen kön­nen, daß der Papst mit Blick auf ihre Stadt vor allem an die Pro­te­stan­ten denkt.

War­um besucht der Papst einen Pastor der Pfingst­ler und ris­kiert damit, eini­gen Katho­li­ken, aber auch eini­gen Pfingst­lern und ultra-kon­ser­va­ti­ven Pro­te­stan­ten zu miß­fal­len, die der Öku­me­ne ableh­nend gegen­über­ste­hen und im Inter­net bereits von einem „Skan­dal“ und einer „Schan­de“ und einer impli­zi­ten Aner­ken­nung der Rol­le des Pap­stes durch Traet­ti­no spre­chen? Um auf die­se Fra­ge ant­wor­ten zu kön­nen, ist zunächst eine Geschich­te zu erzäh­len, in der – wie ange­deu­tet – auch ich eine klei­ne Rol­le spiel­te. Vor allem aber gilt es dar­an zu erin­nern, wer die pro­te­stan­ti­schen Pfingst­ler sind.

Wer sind die protestantischen Pfingstler?

Die Pfingst­be­we­gung ist eine neue Form des Pro­te­stan­tis­mus, die Anfang des 20. Jahr­hun­derts ent­stand, nach­dem sie bereits in den Jahr­zehn­ten davor vor­be­rei­tet wur­de. Sie cha­rak­te­ri­siert sich durch ein Miß­trau­en gegen die bestehen­den pro­te­stan­ti­schen Deno­mi­na­tio­nen und Orga­ni­sa­tio­nen, die als „ver­schla­fen“ gel­ten und wenig geeig­net, zu begei­stern und zu evan­ge­li­sie­ren. Und durch eine beson­de­re Auf­merk­sam­keit für Phä­no­me­ne cha­ris­ma­ti­scher Art. Im beson­de­ren ent­deck­ten die Pfingst­ler – rich­ti­ger­wei­se müß­te man von einer Wie­der­ent­deckung spre­chen, da es nicht an vor­her­ge­hen­den sowohl pro­te­stan­ti­schen als auch katho­li­schen Bei­spie­len fehl­te – die „Gabe des Zun­gen­re­dens“ oder Glos­so­la­lie, die nicht dar­in besteht, frem­de Spra­chen zu spre­chen, son­dern Lau­te und Wor­te von sich zu geben, die kei­ner bekann­ten Spra­che ent­spre­chen und die Teil des Gebets wer­den. Für die Pfingst­ler ist die Gabe des Zun­gen­re­dens der Beweis, daß der Gläu­bi­ge die „Geist­tau­fe“ emp­fan­gen hat, die kein Sakra­ment ist, aber eine über­zeu­gen­de und mit­rei­ßen­de Erfah­rung der Begeg­nung mit Chri­stus im Geist.

Es ist nicht über­trie­ben, wenn man fest­stellt, daß die pro­te­stan­ti­sche Pfingst­be­we­gung ein phä­no­me­na­les Wachs­tum erleb­te. Aus weni­gen Tau­send Anhän­gern in weni­gen Orten der USA und Groß­bri­tan­ni­ens Anfang des 20. Jahr­hun­derts wer­den ihre Anhän­ger heu­te auf mehr als 600 Mil­lio­nen geschätzt und damit fast ein Drit­tel aller mehr als zwei Mil­li­ar­den Chri­sten welt­weit, bzw. fast drei Vier­tel der ins­ge­samt 800 Mil­lio­nen Pro­te­stan­ten. Aus Pro­test gegen die orga­ni­sier­ten Gemein­schaf­ten ent­stan­den, haben auch die Pfingst­ler, wie in sol­chen Fäl­len immer in der Geschich­te des Chri­sten­tums, Deno­mi­na­tio­nen ent­wickelt. Eini­ge davon sind sehr groß, wie die Assem­blies of God, die welt­weit 35 Mil­lio­nen Gläu­bi­ge zäh­len und in Ita­li­en mit mehr als tau­send ört­li­chen Gemein­schaf­ten und 150.000 Gläu­bi­gen ver­tre­ten sind. Sie ver­tre­ten etwa die Hälf­te der pro­te­stan­ti­schen Pfingst­be­we­gung in Ita­li­en, die ins­ge­samt 313.000 Gläu­bi­ge zählt.

Die Evangelical Church of Reconcilation von Giovanni Traettino

Sowohl in der Welt als auch in Ita­li­en folg­te auf die erste Pflings­t­ler-Wel­le, in der gro­ße Deno­mi­na­tio­nen ent­stan­den, eine zwei­te Wel­le, die es vor­zieht, sich in klei­nen Gemein­schaf­ten zu orga­ni­sie­ren, die sich even­tu­ell in Dach­ver­bän­den zusam­men­schlie­ßen, aber jede Grup­pe eine weit­ge­hen­de Auto­no­mie behält. In Ita­li­en gehört etwas mehr als die Hälf­te der pro­te­stan­ti­schen Pfingst­ler zu die­sem zwei­ten Bereich. Dazu gehört auch die Evan­ge­li­cal Church of Recon­ci­lia­ti­on (Evan­ge­li­sche Ver­söh­nungs­kir­che), die aus dem Zusam­men­schluß der Movi­men­to Evan­ge­li­co Inter­na­zio­na­le Fiumi di Poten­za (Evan­ge­lisch-inter­na­tio­na­le Bewe­gung Fiumi di Poten­za) und dem Cen­tro Ita­lia­no di Comu­nio­ne e Restau­ra­zio­ne (Ita­lie­ni­sches Zen­trum Gemein­schaft und Wie­der­her­stel­lung) her­vor­ging und die Anfang der 80er Jah­re von Gio­van­ni Traet­ti­no, einem bap­ti­sti­schen Pastor gegrün­det wur­de. Nach einer poli­ti­schen Erfah­rung in der dama­li­gen Kom­mu­ni­sti­schen Par­tei Ita­li­ens (PCI) kam er in Kon­takt mit dem Pro­te­stan­tis­mus und schließ­lich in Eng­land mit der Pfingst­be­we­gung wo er 1977 die „Geist­tau­fe“ erhielt.

Am Anfang der Begeg­nung der bei­den genann­ten Pfingst­ler­grup­pen ste­hen cha­ris­ma­ti­sche Phä­no­me­ne der Dales Bible Weeks in Eng­land, wo unter ande­rem 1977 eini­ge Teil­neh­mer (vor allem Kin­der) behaup­te­ten, Engel über der gro­ßen Hal­le flie­gen gese­hen zu haben, in der die Ver­samm­lun­gen statt­fan­den. 1978 nahm dar­an auch Geoffrey Allen, ein eng­li­scher Mis­sio­nar angli­ka­ni­scher Her­kunft teil, der seit 1971 in Ita­li­en wirk­te. Er soll­te eine zen­tra­le Rol­le bei der Ent­ste­hung der Evan­ge­li­cal Church of Recon­ci­lia­ti­on spie­len, mit der er auch heu­te noch zusam­men­ar­bei­tet. Die Gemein­schaft von Pastor Traet­ti­no zählt heu­te in Ita­li­en 25 klei­ne Gemein­schaf­ten und rund tau­send Gläubige.

1960er Jahre: Ausweitung des charismatischen Phänomens auf Episkopale und Katholiken

Papst Franziskus mit Tony Palmer und Kenneth Copeland in Santa Marta
Papst Fran­zis­kus mit dem am 20. Juli töd­lich ver­un­glück­ten Tony Pal­mer und Ken­neth Cope­land im ver­gan­ge­nen Juni in San­ta Marta

In den 60er Jah­ren kam es in den USA zu einem neu­en Phä­no­men, das sich dann über die gan­ze Welt aus­brei­te­te: Unter dem Ein­fluß pro­te­stan­ti­scher Pre­di­ger, Mis­sio­na­re und Theo­lo­gen begann sich die „Geist­tau­fe“ und die Erfah­rung der Glos­so­la­lie ab 1960 unter den Epi­skopa­len, dem US-ame­ri­ka­ni­schen Zweig der Angli­ka­ner aus­zu­brei­ten und ab 1967 unter den Katho­li­ken (spä­ter soll­ten auch die Ortho­do­xen fol­gen). Die­se Epi­skopa­len und Katho­li­ken wol­len nicht ihre reli­giö­se Iden­ti­tät wech­seln und pro­te­stan­ti­sche Pfingst­ler wer­den, son­dern eini­ge For­men des Gebets und der Spi­ri­tua­li­tät in ihre Ursprungs­iden­ti­tät inte­grie­ren. Für die Katho­li­ken ist die Begeg­nung mit den pro­te­stan­ti­schen Pfingtlern eine Gele­gen­heit, eini­ge bereits in ihrer Tra­di­ti­on vor­han­de­ne Ele­men­te der Theo­lo­gie und der Ver­eh­rung des Hei­li­gen Gei­stes wie­der­zu­ent­decken. Aus die­sem Grund zie­hen sie es vor, „Cha­ris­ma­ti­ker“ und nicht „Pfingst­ler“ genannt zu wer­den. Sie grün­den inner­halb der Katho­li­schen Kir­che die Katho­li­sche Cha­ris­ma­ti­sche Erneue­rung, die sich in Ita­li­en Rin­no­va­men­to nel­lo Spi­ri­to (RnS, Erneue­rung im Geist) nennt. Die cha­ris­ma­ti­schen Katho­li­ken, sowohl von der Katho­li­schen Cha­ris­ma­ti­schen Erneue­rung als auch ande­ren Gemein­schaf­ten, die mit ver­schie­de­nen For­men des gemein­sa­men Lebens expe­ri­men­tie­ren, sind heu­te welt­weit mehr als 100 Millionen.

Pfingstler ein Problem für die Ökumene?

Die Prä­senz der pro­te­stan­ti­schen Pfingst­ler stellt für die Öku­me­ne ein offen­sicht­li­ches Pro­blem dar. Die Exper­ten unter­schei­den zwei Pha­sen der älte­ren Öku­me­ne zwi­schen Pro­te­stan­ten (eine erste theo­lo­gi­sche und eine zwei­te der Mis­si­ons­zu­sam­men­ar­beit), die jedoch die Katho­li­ken aus­schloß, und eine drit­te Pha­se, die ver­sucht auch die Katho­li­sche Kir­che ein­zu­bin­den, beson­ders mit der 1948 erfolg­ten Grün­dung des Öku­me­ni­schen Rats der Kir­chen (ÖRK) oder Welt­kir­chen­rat, dem die Katho­li­ken nicht ange­hö­ren, aber mit dem sie seit den 1950er Jah­ren inten­si­ve und herz­li­che Kon­tak­te pfle­gen. Für einen katho­li­schen Öku­me­ni­ker bedeu­tet mit den Pro­te­stan­ten im Dia­log sein, ein Dia­log mit den histo­ri­schen Gemein­schaf­ten der Refor­ma­ti­on, die dem ÖRK ange­hö­ren: den Luthe­ra­nern, den Cal­vi­ni­sten usw. und den Angli­ka­nern, die tech­nisch gese­hen kei­ne Pro­te­stan­ten sind.

Seit den 70er Jah­ren sind die histo­ri­schen pro­te­stan­ti­schen Gemein­schaf­ten inner­halb der pro­te­stan­ti­schen Welt in der Min­der­heit. Ihr Anteil schwin­det seit­her rapi­de. Vor allem in den USA und der Drit­ten Welt wach­sen kon­ser­va­ti­ve Grup­pen, in deren Bereich auch die gro­ße Mehr­heit der Pfingst­ler ange­sie­delt ist, die nicht dem ÖRK ange­hö­ren und auch nicht ange­hö­ren wol­len, dem sie nicht ver­tret­ba­re pro­gres­si­ve und „libe­ra­le“ Posi­tio­nen zu theo­lo­gi­schen und mora­li­schen Fra­ge, zum Lebens­recht und zur Fami­lie vor­wer­fen. Vie­le ÖRK-Mit­glieds­ge­mein­schaf­ten akzep­tie­ren heu­te die Abtrei­bung, eini­ge auch die „Homo-Ehe“. Der ÖRK ver­tritt heu­te nicht ein­mal mehr ein Vier­tel der Pro­te­stan­ten. Ten­denz fal­lend. Die ande­ren drei Vier­tel sind „Evan­ge­li­ka­le“ und damit Kon­ser­va­ti­ve, dar­un­ter vie­le Pfingst­ler, die dem ÖRK nicht ange­hö­ren, son­dern sich eige­ne, alter­na­ti­ve Zusam­men­schlüs­se geschaf­fen haben.

Katholische Ökumeniker mit ideologischer Affinität zum progressiven ÖRK

Vie­le katho­li­sche Öku­me­ne-Fach­leu­te, die in einer Schu­le aus­ge­bil­det wur­den, für die der ÖRK die pro­te­stan­ti­sche Welt „war“, haben lan­ge ver­kannt, daß der „histo­ri­sche“ Pro­te­stan­tis­mus längst nur mehr eine Min­der­hei­ten­rol­le spielt und sei­ne Bedeu­tung immer gerin­ger wird. Aus die­sem Grund wei­ger­ten sie sich mit den Pfingst­lern über­haupt ins Gespräch zu kom­men und damit mit der gro­ßen Mehr­heit der Pro­te­stan­ten, die man nicht kann­te und die man „selt­sam“ befand, nicht sel­ten auch auf­grund von pro­gres­si­ven ideo­lo­gi­schen Vor­ur­tei­len, die gera­de unter katho­li­schen Öku­me­ni­kern nicht sel­ten anzu­tref­fen sind. Für sie war in Berei­chen der Theo­lo­gie und der Moral der Dia­log mit dem „fort­schritt­li­chen“ und „libe­ra­len“ ÖRK einem even­tu­el­len Dia­log mit den evan­ge­li­ka­len und pfingst­le­ri­schen „Sek­ten“ vor­zu­zie­hen, die man per defi­ni­tio­nem als reak­tio­när und rück­wärts­ge­wandt betrach­te­te oder sogar als eine Art ver­län­ger­ter Arm der Repu­bli­ka­ni­schen Par­tei der USA. Umge­kehrt heg­ten vie­le Pfingst­ler star­ke anti­ka­tho­li­sche Vor­ur­tei­le, die Relik­te des kon­ser­va­ti­ven Pro­te­stan­tis­mus waren, aus dem sie her­vor­gin­gen. Oder sie betrach­te­ten die Katho­li­sche Kir­che als Teil einer geg­ne­ri­schen pro­gres­si­ven Gala­xie von zwei­fel­haf­ter mora­li­scher und theo­lo­gi­scher Ortho­do­xie, da sie mit den „libe­ra­len“ Pro­te­stan­ten in Dia­log stand.

Johannes Paul II. stößt ersten Kontakt zu Pfingstlern an

Obwohl es nicht an pro­phe­ti­schen Gesten fehl­te, wie die Ein­la­dung an die Pfingst­ler im per­sön­li­chen Namen als Beob­ach­ter am Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil teil­zu­neh­men, hielt der Still­stand jahr­zehn­te­lang an. Die Kru­ste die­ses behaup­te­ten welt­wei­ten öku­me­ni­schen Dia­logs, an dem aber drei Vier­tel des Pro­te­stan­tis­mus nicht betei­ligt sind, beginnt in den 80er Jah­ren dank der katho­li­schen cha­ris­ma­ti­schen Erneue­rung auf­zu­bre­chen, die mit den Pfingst­lern eini­ge Gebets­for­men gemein­sam hat und die mit ihnen zu spre­chen weiß. Die ersten struk­tu­rier­ten und nen­nens­wer­ten Erfah­run­gen, die vom hei­li­gen Johan­nes Paul II. (1920–2005) per­sön­lich ange­sto­ßen und ermu­tigt wer­den, erfol­gen in Ita­li­en zwi­schen katho­li­schen cha­ris­ma­ti­schen Gemein­schaf­ten und Pasto­ren der Pfingstbewegung.

Dem Tref­fen zwi­schen Matteo Cali­si, einem Ver­tre­ter der katho­li­schen cha­ris­ma­ti­schen Erneue­rung aus Bari und Pastor Gio­van­ni Traet­ti­no kommt dabei eine zen­tra­le Rol­le zu, da es einen Dia­log anstößt, der lang­sam, wenn auch nicht ohne Wider­stän­de sowohl in der katho­li­schen Welt als auch unter den Pfingst­lern her­an­reift. In den 90er Jah­ren wer­den erste stän­di­ge Ein­rich­tun­gen geschaf­fen, dar­un­ter die 1993 gegrün­de­te Con­sul­ta­zio­ne Caris­ma­ti­ca Ita­lia­na (Cha­ris­ma­ti­scher ita­lie­ni­scher Rat).

1994 erstes Aktionsbündnis zwischen Katholiken und Evangelikalen in den USA

Im sel­ben Jahr ent­steht in den USA das, was sich heu­te Alli­ance Defen­ding Free­dom (ADF) nennt, eine Grup­pe aus christ­li­chen Reli­gi­ons­füh­rern und Juri­sten, sowohl Evan­ge­li­ka­le (dar­un­ter vie­le Pfingst­ler) als auch Katho­li­ken, die sich kon­kret für die Ver­tei­di­gung der Reli­gi­ons­frei­heit, des Lebens­rechts und der Fami­lie einsetzen.

1994 unter­zeich­net in den USA eine Grup­pe füh­ren­der Evan­ge­li­ka­ler und Katho­li­ken, dar­un­ter auf der einen Sei­te wie­der­um vie­le Pfingst­ler und auf der ande­ren Sei­te zum Bei­spiel der dama­li­ge Erz­bi­schof von New York, John Joseph Kar­di­nal O’Connor (1920–2000), der Bio­graph von Johan­nes Paul II., Geor­ge Weigel sowie der tra­di­ti­ons­ver­bun­de­ne, heu­ti­ge Kuri­en­erz­bi­schof Pater Augu­sti­ne Di Noia das Doku­ment „Evan­ge­li­cals and Catho­lics Toghe­ter“ (Evan­ge­li­ka­le und Katho­li­ken gemein­sam). Ein Doku­ment das kei­nes­wegs allen gefällt. Selbst Pastor Traet­ti­no kri­ti­siert es als zu „poli­tisch“ und zu „funk­tio­nal“ aus­ge­rich­tet, das mehr den Ein­druck einer Alli­anz ame­ri­ka­ni­scher Art mit Blick auf poli­ti­sche Wah­len ver­mit­tel­te. [1]Im Novem­ber 1994 stan­den in den USA Prä­si­dent­schafts- und Par­la­ments­wah­len an, die zum Sieg des Demo­kra­ten Bill Clin­ton führ­ten. Das Zustan­de­kom­men die­ses Doku­ments zeig­te jedoch an, daß sich in der gegen­sei­ti­gen Wahr­neh­mung viel geän­dert hatte.

Verlagerung der Kontakte unter Kardinal Bergoglio nach Lateinamerika?

Eini­ge Beob­ach­ter ver­tre­ten heu­te die Mei­nung, unter Bene­dikt XVI., dem deut­schen Papst, dem Land der Refor­ma­ti­on, habe sich die katho­li­sche Öku­me­ne wie­der nur mehr auf die histo­ri­schen Gemein­schaf­ten des Pro­te­stan­tis­mus kon­zen­triert, vor allem die Luthe­ra­ner, und daß aus die­sem Grun­de die wich­tig­sten Tref­fen zwi­schen katho­li­schen cha­ris­ma­ti­schen Gemein­schaf­ten und Pfingst­ler-Pasto­ren, die für den Dia­log offen sind, unter der Ägi­de von Kar­di­nal Berg­o­glio nach Latein­ame­ri­ka emi­grier­ten, der dort auch Traet­ti­no ken­nen­lern­te und des­sen Freund wurde.

In Wirk­lich­keit wur­den auch unter Bene­dikt XVI. die Kon­tak­te zwi­schen cha­ris­ma­ti­schen Katho­li­ken und Pfingst­lern fort­ge­setzt. Ich selbst war Refe­rent auf einer sol­chen Öku­me­neta­gung 2012 in Assi­si. Es war Bene­dikt XVI., der 2011, als er wäh­rend sei­nes Deutsch­land-Besuchs die Luthe­ra­ner traf, die­sen sag­te, daß die Öku­me­ne nicht län­ger eine „neue Form des Chri­sten­tums“ „igno­rie­ren kön­ne, die mit einer unge­heu­ren mis­sio­na­ri­schen Dyna­mik sich aus­brei­tet“. Obwohl dar­in nicht nur posi­ti­ve Aspek­te zu erken­nen sind („ein Chri­sten­tum mit gerin­ger insti­tu­tio­nel­ler Dich­te, mit wenig ratio­na­lem und mit noch weni­ger dog­ma­ti­schem Gepäck, auch mit gerin­ger Sta­bi­li­tät“), stellt das „welt­wei­te Phä­no­men“ eine gesun­de Reak­ti­on gegen die „Ver­dün­nung des Glau­bens“ unter dem „Säku­la­ri­sie­rungs­druck“ dar, den eine bestimm­te pro­gres­si­ve Theo­lo­gie vertritt.

Fixierung des Ökumene-Dialogs auf ÖRK zu Ende

Der Dia­log zwi­schen Katho­li­ken und pro­te­stan­ti­schen Pfingst­lern zeigt noch vie­le Pro­ble­me. Im pfingst­le­ri­schen Bereich ist es zum Teil leich­ter mit den klei­ne­ren Bewe­gun­gen als mit den gro­ßen Deno­mi­na­tio­nen, und viel­leicht leich­ter mit einem unab­hän­gi­gen Pastor, der aus einer lin­ken poli­ti­schen Erfah­rung kommt, wie Traet­ti­no, als mit einem US-ame­ri­ka­ni­schen Reli­gi­ons­füh­rer, der ein gro­ßes Gepäck ein­sei­ti­ger poli­ti­scher Bin­dun­gen mit­schleppt, die ihn an soge­nann­te „rech­te“ Grup­pen und Stif­tun­gen bin­det, die manch­mal in Wirk­lich­keit mit mäch­ti­gen Wirt­schafts­krei­sen gekop­pelt sind, die der Katho­li­schen Kir­che häu­fig feind­lich und in mora­li­schen Fra­gen zwei­fel­haft gesinnt sind. Den­noch ist die Geste von Papst Fran­zis­kus nicht zu unter­schät­zen. Sie erin­nert vie­le katho­li­sche Berufs­ö­ku­me­ni­ker dar­an, daß die Zeit defi­ni­tiv zu Ende ist, in der der Öku­me­ni­sche Rat der Kir­chen und der pro­gres­si­ve Pro­te­stan­tis­mus der histo­ri­schen Gemein­schaf­ten der Refor­ma­ti­on als ein­zi­ger Ansprech­part­ner für den Dia­log galt, wäh­rend die gro­ße evan­ge­li­ka­le und pfingst­le­ri­sche Mehr­heit als zu kon­ser­va­tiv und reak­tio­när links lie­gen­ge­las­sen wurde.

Erst­ver­öf­fent­li­chung: Nuo­va Bus­so­la Quotidiana
Einleitung/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nardi
Bild: United in Christ/​Life Today

Print Friendly, PDF & Email

-

-
1 Im Novem­ber 1994 stan­den in den USA Prä­si­dent­schafts- und Par­la­ments­wah­len an, die zum Sieg des Demo­kra­ten Bill Clin­ton führten.
Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!