„Privatbesuch“ von Papst Franziskus in evangelikaler Kirche


Papst Franziskus und Pastor Traettino
Papst Fran­zis­kus und Pastor Traettino

(Rom) Papst Fran­zis­kus will einem evan­ge­li­ka­len Freund einen Pri­vat­be­such abstat­ten. Gio­van­ni Traet­ti­no lebt in Caser­ta, rund 200 Kilo­me­ter süd­lich von Rom gleich hin­ter Nea­pel und ist dort evan­ge­li­ka­ler Pastor. Die bei­den haben sich 2006 bei einer öku­me­ni­schen Ver­an­stal­tung in Bue­nos Aires kennengelernt.

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Papst Fran­zis­kus setzt damit sei­ne Bemü­hun­gen um die cha­ris­ma­ti­schen Pro­te­stan­ten fort. Ihnen läßt das katho­li­sche Kir­chen­ober­haupt im Rah­men sei­ner öku­me­ni­schen Bemü­hun­gen die mei­ste Auf­merk­sam­keit zukom­men. Mit den offi­zi­el­len pro­te­stan­ti­schen Gemein­schaf­ten, den Luthe­ra­nern, Cal­vi­ni­sten und Angli­ka­nern pflegt Papst Fran­zis­kus freund­li­che, insti­tu­tio­nel­le Kon­tak­te. Deut­lich anders sind sei­ne Kon­tak­te zur gro­ßen cha­ris­ma­ti­schen Pfingst­be­we­gung, die in ihren viel­fäl­ti­gen Schat­tie­run­gen heu­te welt­weit mehr

Evangelikale Pastoren beten über dem knieenden Kardinal Bergoglio
Evan­ge­li­ka­le Pasto­ren beten über dem knie­en­den Kar­di­nal Bergoglio

Anhän­ger hat als die histo­ri­schen Gemein­schaf­ten der Refor­ma­ti­on. Das Pew Forum schätz­te 2011 den Anteil der Pfingst­ler unter allen Chri­sten auf 12,5 Pro­zent. Der Löwen­an­teil lebt in Schwarz­afri­ka, Ame­ri­ka und Asi­en. In die­ser christ­li­chen Rich­tung und in die­sen Erd­tei­len scheint das katho­li­sche Kir­chen­ober­haupt die aus­sichts­reich­sten Chan­cen auf eine Ein­heit zu sehen.

Am vergangenen 19. Juni wurde Pastor Traettino vom Papst im Vatikan empfangen

Vati­kan­spre­cher Pater Feder­i­co Lom­bar­di beton­te, daß es sich beim Besuch um ein „rein pri­va­tes“ Ereig­nis han­delt. Pastor Traet­ti­no will Papst Fran­zis­kus in sei­ner Evan­ge­li­ka­len Ver­söh­nungs­kir­che will­kom­men hei­ßen, deren Grün­der und Vor­sit­zen­der er ist. Der 70jährige Traet­ti­no wur­de katho­lisch getauft, war aber nicht prak­ti­zie­rend. „Zu Chri­stus bekehrt“ wur­de er durch ame­ri­ka­ni­sche Bap­ti­sten­mis­sio­na­re. 1968 erfolg­te sei­ne „Ordi­nie­rung“ als Pastor. Der ehe­ma­li­ge Ita­lie­nisch­leh­rer ist ver­hei­ra­tet und Vater von vier Kin­dern. Sei­ne Anhän­ger bezeich­nen ihn als „Apo­stel“.

Irritierende Bilder aus Buenos Aires

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Gio­van­ni Traettino

Am ver­gan­ge­nen 19. Juni wur­de Traet­ti­no im Zuge des jähr­li­chen Pfingst­tref­fens der katho­li­schen cha­ris­ma­ti­schen Gemein­de­er­neue­rung gemein­sam mit ande­ren evan­ge­li­ka­len Pasto­ren von Papst Fran­zis­kus emp­fan­gen. Der Emp­fang fand im Gäste­haus San­ta Mar­ta statt. Traet­ti­nos Kon­takt nach Argen­ti­ni­en ist der evan­ge­li­ka­le Pre­di­ger Omar Cabre­ra. Über die­sen lern­te er 2006 bei einem cha­ris­ma­ti­schen Gebets­tref­fen in Bue­nos Aires den dama­li­gen Erz­bi­schof der Stadt, Jor­ge Mario Berg­o­glio ken­nen. Von jenem Gebets­tref­fen stammt das irri­tie­ren­de Bild, das Kar­di­nal Berg­o­glio zeigt, wie er auf der Büh­ne vor evan­ge­li­ka­len Pasto­ren kniet, die über ihn beten (sie­he Bild). Einer der Pasto­ren war Gio­van­ni Traet­ti­no. Auf dem Video (am Ende des Bei­tra­ges) ist Traet­ti­no von Minu­te 3:14–3:20 und 3:56–4:16 links im Bild zu sehen, wie er Berg­o­glio die Hand auflegte.

Vom sel­ben Ereig­nis stammt ein wei­te­res irri­tie­ren­des Foto, das Kar­di­nal Berg­o­glio zeigt, wie er sei­nen Kopf an die Schul­ter eines evan­ge­li­ka­len Pre­di­gers legt, der über ihn betet (sie­he Bild). Bei­de Bil­der wur­den beim „Ter­cer Encuen­tro Fra­ter­no de la Comu­nión Reno­va­da de Evan­gé­li­cos y Cató­li­cos“ am 19. Juni 2006 im Luna Park-Sta­di­on von Bue­nos Aires aufgenommen.

Papst Franziskus auf Facebook: „Haben gemeinsam gebetet und die Einheit gesucht“

„Wir erwar­te­ten uns, am Ein­gang von einem Prä­la­ten emp­fan­gen zu wer­den. Umso grö­ßer war unse­re Über­ra­schung, als uns der Papst per­sön­lich ent­ge­gen­kam. Die Umar­mung und das Lächeln waren das Prä­lu­di­um einer Begeg­nung, die der Papst als ‚bedeu­tungs­voll‘ bezeich­ne­te.“ Und wei­ter: „Es war ein infor­mel­les, sehr brü­der­li­ches Gespräch“. Mit die­sen Wor­ten schil­der­te Traet­ti­no das Tref­fen auf Facebook.

Die pri­va­te Begeg­nung zwi­schen dem Papst und den Pasto­ren wur­den nicht in der offi­zi­el­len Audi­enz­li­ste des Vati­kans ver­zeich­net. Bekannt wur­de es nur, weil auf der Face­book-Sei­te von Papst Fran­zis­kus von ihm fol­gen­der Ein­trag ver­öf­fent­licht wur­de: „Es gibt Spal­tun­gen zwi­schen uns, es gibt aber auch Spal­tun­gen zwi­schen Gemein­schaf­ten: evan­ge­li­sche Chri­sten, ortho­do­xe Chri­sten, katho­li­sche Chri­sten. War­um aber getrennt? Wir müs­sen ver­su­chen, die Ein­heit zu brin­gen. Ich erzäh­le euch eine Sache: heu­te, bevor ich aus dem Haus ging, war ich 40 Minu­ten mit einem evan­ge­li­schen Pastor zusam­men und wir haben zusam­men gebe­tet und die Ein­heit gesucht. Wir müs­sen unter uns Katho­li­ken beten und auch mit den ande­ren Chri­sten. Beten, daß der Herr uns die Ein­heit schenkt. Die Ein­heit zwi­schen uns. Gute Nacht!“

Traettinos evangelikal-charismatische Freikirche

Kardinal Bergoglio und ein evangelikaler Prediger
Kar­di­nal Berg­o­glio und ein evan­ge­li­ka­ler Prediger

Die evan­ge­li­kal-cha­ris­ma­ti­sche Gemein­schaft Traet­ti­nos geht auf die 70er Jah­re des vori­gen Jahr­hun­derts zurück. Damals schlos­sen sich auf der Grund­la­ge einer gemein­sa­men cha­ris­ma­ti­schen Aus­rich­tung Pro­te­stan­ten ver­schie­de­ner Rich­tun­gen zusam­men. Die Grup­pe nann­te sich damals noch „Christ­li­che Gemein­schaft“. Caser­ta wur­de zum Zen­trum der neu­en Deno­mi­na­ti­on, die in ver­schie­de­nen ita­lie­ni­schen Städ­ten über Nie­der­las­sun­gen ver­fügt. Traet­ti­no bezeich­net sich selbst als „Pio­nier“ des öku­me­ni­schen Dia­logs mit den katho­li­schen Cha­ris­ma­ti­kern. Der Pastor nimmt regel­mä­ßig an den gro­ßen Pfingst­tref­fen der katho­li­schen Cha­ris­ma­ti­ker Ita­li­ens (Rin­no­va­men­to nel­lo Spi­ri­to, RnS) teil. Im ver­gan­ge­nen Juni war mit Fran­zis­kus erst­mals auch ein Papst dabei.

Katholisches Mea culpa wegen „Verfolgung“ der Pfingstbewegung

1992 wusch Traet­ti­no beim Pfingst­tref­fen, das damals in Bari statt­fand, einem füh­ren­der Ver­tre­ter der katho­li­schen cha­ris­ma­ti­schen Gemein­de­er­neue­rung die Füße. Matteo Cali­si, damals Vor­sit­zen­der der katho­li­schen cha­ris­ma­ti­schen Gemein­de­er­neue­rung RnS mein­te in einem Inter­view: „Mit die­ser Geste im Sta­di­on von Bari war es, als wür­de die pro­te­stan­ti­sche Welt ihren Ver­fol­gern ver­ge­ben“. 1996 wur­de beim Pfingst­tref­fen, dies­mal in Rimi­ni, von Ver­tre­tern der katho­li­schen Cha­ris­ma­ti­ker und den anwe­sen­den katho­li­schen Bischö­fen und Kar­di­nä­len ein mea cul­pa gespro­chen, mit dem sie sich für die „Ver­fol­gung“ der Pfingst­be­we­gung in Ita­li­en ent­schul­dig­ten. Traet­ti­no und ande­re pro­te­stan­ti­sche Pasto­ren nah­men die Ent­schul­di­gung ent­ge­gen, indem sie sich die Füße küs­sen ließen.

Etwas spä­ter wie­der­hol­te Pater Ranie­ro Can­tal­am­es­sa im ita­lie­ni­schen Fern­se­hen die Ver­ge­bungs­bit­te und erklär­te, daß die Pfingst­ler kei­ne Sek­te, son­dern „lie­be Brü­der in Chri­sto“ sind. Der Kapu­zi­ner Can­tal­am­es­sa ist Pre­di­ger des Päpst­li­chen Hau­ses und einer der bekann­te­sten Ver­tre­ter der katho­li­schen Charismatiker.

Der Pri­vat­be­such in Caser­ta wird mit „gro­ßer Wahr­schein­lich­keit“ am kom­men­den 26. Juli statt­fin­den. Wegen des pri­va­ten Cha­rak­ters sei die Diö­ze­se von Caser­ta nicht in den Besuch ein­ge­bun­den, so Vati­kan­spre­cher Lombardi.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Evan­ge­li­cal Church of Reconcilation

 

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