(Madrid) Spaniens junger König vergißt in seiner Krönungsrede Gott und lädt die Homo-Verbände in den königlichen Palast. Ist das die „erneuerte Monarchie für eine neue Zeit“?
Spaniens Monarchie steht seit mehr als zwei Jahrhunderten unter Angriff. 1873 wurde erstmals die Republik ausgerufen. Monarchisten und Republikaner standen sich seither feindlich gegenüber, aber auch unterschiedliche monarchistische Lager. Hinter der Frage der Staatsform taten sich tiefe weltanschauliche Gräben zwischen Katholiken und Liberalen auf, dann zwischen einer Volksfront, die von den Liberalen bis zu den Kommunisten reichte, der Katholiken, Nationalkonservative und Faschisten gegenüberstanden. 1931 folgte die zweite Republik, der Bürgerkrieg und 1939 der Sieg der Nationalkonservativen.
Monarchische Stabilität oder republikanische Geiselhaft?
Francisco Franco machte Spanien 1947 wieder zur katholischen Monarchie, blieb aber bis zur Einsetzung eines Königs selbst Regent. Um die von ihm errichtete antikommunistische Ordnung zu bewahren und ihr generationsüberschreitende Stabilität zu verleihen, legte er fest, daß mit seinem Tod Juan Carlos von Bourbon und Beider Sizilien spanischer König wird.
Seit dem Ende der Franco-Herrschaft kämpft die wiederhergestellte Monarchie gegen starke republikanische Angriffe. 1981 stellte sich der König gegen Militärputschisten. Das besänftigte die Gegner. Zu Monarchisten wurden sie deshalb aber nicht. In einer Demokratie bleibt die Monarchie latent bedroht und der König ist nicht nur Gefangener der gerade vorherrschenden Strömungen, sondern gewissermaßen in prekärer republikanischer Geiselhaft. Das zwingt die Monarchie aus Selbsterhaltungstrieb zu handeln und mehr und andere Kompromisse einzugehen. Juan Carlos I. etwa wurde Mitglied des Club of Rome. Königin Sophia weigerte sich beim Besuch von Papst Benedikt XVI. in Madrid beim Kommunionempfang niederzuknien. Kleine Gesten, die Adressaten haben.
Krönungsrede ohne jeden Bezug auf Gott und das Christentum
Am 19. Juni fand ein Thronwechsel statt. Auf Juan Carlos I. folgte sein Sohn als zweiter Monarch seit der Wiedererrichtung der Monarchie. Die Gesten und Reden des neuen Königs zur Thronbesteigung sind ein Gradmesser für das derzeitige Klima in Spanien.
König Felipe VI. hielt eine penibel austarierte Krönungsrede, in der er das gesamte „demokratische“ Vokabular eines republikanischen Staatspräsidenten bemühte einschließlich einer gewissen linken Ohrenschmeichelei. Die Ansprache war vor allem eine Verteidigungsrede für die Monarchie, was bereits deren latente Gebrechlichkeit unterstreicht. Auffallender war, daß in der gesamten Rede die Katholische Kirche, der christliche Glauben und Gott keine Rolle spielten. Sie gehören nicht mehr zum nennbaren allgemeinen Konsens?
Die Rede hätte auch ein atheistischer „Presidente“ zu seiner Amtseinführung halten können. Es genügte, das Wort „Monarchie“ und alle Ableitungen durch „Republik“ zu ersetzen. Felipe VI. sprach lediglich von der Notwendigkeit, „humanistische und ethische Werte wiederzugewinnen“, allerdings mit dem einschränkenden Zweck, jede Form der „Diskriminierung“ auszuschließen. Im zeitgenössischen Zungenschlag kann dies viel heißen, meinte aber offensichtlich eine tiefe Verneigung vor der politischen Korrektheit, wie die weiteren Ereignisse zeigen.
Erster Staatsbesuch führt zum Papst nach Rom
Die Bischöfe Spaniens wurden protokollarisch geladen und begrüßten den jungen König freudig. Man hat Zugang zum neuen Monarchen und scheint sich damit zu begnügen. Zum Ausgleich für die „gottlose“ monarchische „Neutralität“ der „erneuerten Monarchie für eine neue Zeit“ führte Felipes erste Auslandsreise in den Vatikan. Dem Oberhaupt der Katholischen Kirche stattet der junge König den ersten Staatsbesuch ab. Eine Politik der Gesten. Und die setzt Felipe VI. fort.
Erstmals Homo-Verbände in den Königspalast geladen
Die königliche Familie veranstaltete anläßlich der Thronbesteigung ein Treffen mit Verbänden, die im Sozialbereich tätig sind. Unter den Geladenen fanden sich am vergangenen Dienstag auch die wichtigsten LGBT-Gruppen Spaniens ein. Die Homo-Bewegung fand, nach britischem Vorbild, erstmals Eingang in den königlichen Palast. Unter Juan Carlos I. hatte es das nicht gegeben. Sucht sich die „erneuerte Monarchie für eine neue Zeit“ rechtzeitig anzupassen?
Mit der Einladung senden König Felipe VI. und Königin Letizia eine klare Botschaft der Diskontinuität aus. Erstaunlich schnell reagierten sie auf mediale Kritik, daß der junge König in seiner Krönungsrede zwar über die ganze Welt gesprochen habe, nicht aber die Homosexuellen und deren „Rechte“ erwähnte.
„Dieses Land hat sich verändert“
Wegen dem derzeit herrschenden Homo-Hype widmen die Medien daher der nun erfolgten Einladung großen Raum. „Wir hoffen, daß diese Geste ein wichtiger Schritt sein wird, um die Situation eines Teils der Bürgerschaft zu normalisieren, die in der Vergangenheit vergessen wurde, und die bis heute nie durch die Staatsoberhäupter Unterstützung fand, obwohl es sich um eine stark stigmatisierte, ausgeschlossene Gruppe handelt“, kommentierte Boti Rodrigo, der Vorsitzende der Spanischen Föderation der Lesben, Schwulen, Transsexuellen und Bisexuellen (FELGBT). Positiv äußerte sich auch Jose Nunez von der Homo-Stiftung Triangulo: „Ein klares Zeichen einer Weiterentwicklung in einem Königshaus, das sich in den vergangenen Jahren immer weiter von den Bürger entfernt hat. Man muß anerkennen, daß sich dieses Land verändert hat, was die Akzeptanz der Diversität, der Gender-Identität und der sexuellen Orientierung angeht“.
Ist Felipe VI. eine „katholische Majestät“?
Ganz anders sehen es katholische Kreise Spaniens. „Die Einladung in den Königspalast, die der neue König Felipe VI. den Lesben, Schwulen, Transgender und Transsexuellen ausgesprochen hat, ist Kind der aktuellen Dekadenz und des allgemeinen ideologischen kulturellen Klimas. Wir hoffen, daß Felipe VI. zumindest soviel Gespür und Anstand hat, auf die Anrede als ‚katholische Majestät‘ zu verzichten, die den Königen des ‚allerkatholischsten‘ Spanien traditionell vom Papst verliehen wird“, schrieb Corrispondenza Romana.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana