Gesten des Papstes nicht improvisiert, aber „Ikonen“ – Aus progressiver Sicht


Pressegespräch von Papst Franziskus beim Rückflug von Tel Aviv(Rom) „Unschul­dig wie eine Tau­be, aber ohne naiv zu sein, ehr­lich, aber auch ‚schlau‘ – wie er selbst im Civil­tá Cat­to­li­ca-Inter­view beton­te – been­de­te Papst Fran­zis­kus die Rei­se ins Hei­li­ge Land und stell­te bei der Begeg­nung mit den Jour­na­li­sten wäh­rend des Rück­flugs unter Beweis, das Mikro­phon völ­lig zu beherr­schen.“ Mit die­sen Wor­ten beginnt der Vati­ka­nist Mar­co Poli­ti sei­ne Schil­de­rung des Pres­se­ge­sprächs im El Al-Flug­zeug, das Papst Fran­zis­kus von Tel Aviv nach Rom zurück­brach­te. Mar­co Poli­ti ist ein pro­gres­si­ver, aber auf­merk­sa­mer Beob­ach­ter mit einem bemer­kens­wer­ten Gespür für inner­kirch­li­che Ange­le­gen­hei­ten. Das Pon­ti­fi­kat von Bene­dikt XVI. schrieb er in die „Kri­se“ (Bene­dikt. Kri­se eines Pon­ti­fi­kats, 2012, deut­sche Aus­ga­be) jenes von Fran­zis­kus fei­ert er als „Revo­lu­ti­on“ (Fran­zis­kus unter den Wöl­fen. Das Geheim­nis einer Revo­lu­ti­on, 2014, kei­ne deut­sche Ausgabe). 

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Der Papst „ant­wor­te­te auf alles und lie­fer­te ‚Schlag­zei­len‘ für die Nach­rich­ten­agen­tu­ren und Zei­tun­gen“. Fran­zis­kus habe nicht das Auf­tre­ten eines Johan­nes Pauls II., „sei­ne abso­lut gewin­nen­de Stra­te­gie ist das ruhi­ge Reden eines Pfar­rers, der sei­nem Gesprächs­part­ner in die Augen schaut.“

Päpstliche Gesten „keine Improvisation“

„Ande­rer­seits“, habe der Papst bei die­sem Flug die Schnel­lig­keit bewie­sen, mit der er „den rich­ti­gen Augen­blick zu nüt­zen ver­steht, um erin­ne­rungs­träch­ti­ge Gesten zu set­zen. Das ist nicht Impro­vi­sa­ti­on, es ist klar­den­ken­de Fähig­keit das Mensch­li­che, Reli­giö­se und Poli­ti­sche zu kon­ju­gie­ren.“ Vom Papst wür­den „Iko­nen sei­ner Pil­ger­fahrt“ blei­ben, so Fran­zis­kus, der die Hän­de eines Holo­caust-Über­le­ben­den küßt, das plötz­li­che Gebet vor der israe­li­schen Mau­er, die der Papst in eine „Kla­ge­mau­er“ des 21. Jahr­hun­derts ver­wan­delt, „weil sie nicht nur ein Schutz­wall gegen den Ter­ro­ris­mus ist, son­dern auch ein Keil, der in Palä­sti­na ein­dringt, Fel­der besetzt, Oli­ven­hai­ne zer­stört, Stra­ßen und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­we­ge abtrennt“, so Poli­ti. Der Vati­ka­nist ist der Mei­nung, daß Papst Fran­zis­kus von der Rei­se mit einer deut­lich gestärk­ten Rol­le auf der inter­na­tio­na­len Büh­ne zurück­kehrt. Gestärkt sei auch sein Gewicht gegen­über der Römi­schen Kurie, da der Papst die gesam­te Auf­merk­sam­keit auf sei­ne Per­son kon­zen­triert und auch alles selbst mache, wäh­rend dem Troß sei­ner Mit­ar­bei­ter, auch jenen, die nor­ma­ler­wei­se die Gesprä­che etwa im inter­re­li­giö­sen Dia­log füh­ren, nur die Rol­le von Sta­ti­sten bleibt.

Ehemaliger Kardinalstaatssekretär weiter geschwächt

„Stark und frei“ habe sich der Papst auch nicht vor „unan­ge­neh­men“ Fra­gen gedrückt. „Nun ist es offi­zi­ell. Wegen der IOR-Ope­ra­tio­nen Ber­to­nes wird ermit­telt“, so Poli­tik. Wört­lich sag­te der Papst: „Die Sache ist unklar, es wird geprüft.“ Inner­kirch­lich kei­ne Neben­säch­lich­keit. Ber­to­ne war bis Sep­tem­ber 2013 Kar­di­nal­staats­se­kre­tär. Ermitt­lun­gen gegen ihn schwä­chen sei­ne inner­kirch­li­che Posi­ti­on inmit­ten der päpst­li­chen Refor­men erheb­lich. Geht es dar­um? Eine Fra­ge, die Poli­ti aller­dings nicht stellt. Gleich­zei­tig hob der Papst im Flug­zeug sei­ne bereits umge­setz­ten Schrit­te zur Kir­chen­re­form her­vor: Das neue Wirt­schafts­mi­ni­ste­ri­um der Kir­che, das soge­nann­te Wirt­schafts­se­kre­ta­ri­at „wird sehr dabei hel­fen die Skan­da­le und die Pro­ble­me zu ver­mei­den“, so der Papst.

Emeritierte Päpste sollen zur Kirche gehören wie pensionierte Bischöfe

Beein­druckt habe aber vor allem sei­ne Ant­wort über einen even­tu­el­len Rück­tritt. „Es gibt eine Sand­uhr im Pon­ti­fi­kat Berg­o­gli­os. Er selbst hat es nun öffent­lich bestä­tigt. ‚Ich wer­de tun, was der Herr mir sagt. Aber ich glau­be, daß Bene­dikt XVI. nicht ein Ein­zel­fall ist.‘ “ Ein eme­ri­tier­ter Papst, das sei inzwi­schen schon eine „Insti­tu­ti­on“, wie die pen­sio­nier­ten Bischö­fe etwa.

„Es fehl­te nicht eine vor­sich­ti­ge Öff­nung in der Fra­ge der ver­hei­ra­te­ten Prie­ster“, so Poli­ti. Der Papst erin­ner­te dar­an, daß es sol­che in der katho­li­schen Kir­che bereits im grie­chi­schen und kop­ti­schen Ritus gibt. „Der Zöli­bat ist kein Glau­bens­dog­ma, er ist eine Lebens­re­gel, die sich sehr schät­ze und von der ich glau­be, daß sie ein Geschenk für die Kir­che ist. Da es kein Glau­bens­dog­ma ist, ist die Tür immer offen“, so Papst Franziskus.

Wunderlose Heiligsprechung hängt mit dem Datum zusammen

„Und die Selig­spre­chung von Pius XII.?“ fragt sich auch Poli­ti. „Es fehlt das Wun­der“, lau­tet die Ant­wort des Pap­stes. „Was soviel hei­ßen soll wie: So spielt das Leben“, wie der Vati­ka­nist anfügt. Ob Poli­ti dabei auch an die wun­der­lo­se Hei­lig­spre­chung von Johan­nes XXIII. vor einem Monat dach­te, ver­rät er nicht. Der Unter­schied mit dem Wun­der scheint mit dem Kon­zil zusam­men­zu­hän­gen, wes­halb sich Poli­ti als Pro­gres­si­ver jeden­falls nicht dar­an stößt.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Sursum Corda

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6 Kommentare

  1. Noch Fra­gen?
    ardmediathek.de/tv/Reportage-Dokumentation/Die-Vatikanverschwörung/Das-Erste/Video?documentId=21529570&bcastId=799280

  2. Mar­co Poli­ti war und ist ein aus­ge­wie­se­ner Bene­det­to-Feind, der wäh­rend und nach dem Pon­ti­fi­kat kei­ne noch so win­zi­ge Gele­gen­heit aus­ließ, rea­le oder erfun­de­ne Haa­re in der Sup­pe zu suchen und zu fin­den. Pro­gres­sist wie er im Buche steht, der sich von Papst Fran­zis­kus die de fac­to Abschaf­fung des Papst­am­tes erhofft und die abso­lu­te Assi­mi­la­ti­on der Kir­che an den Zeitgeist.
    Sei­ne Beob­ach­tung der aus­ge­feil­ten media­len Kom­mu­ni­ka­ti­ons­kom­pe­tenz ( nicht ganz wahr­heits­ge­mäß unter dem Schlei­er einer angeb­li­chen Nai­vi­tät und Medi­en­fer­ne getarnt) des Pon­ti­fex sind trotz­dem inter­es­sant. Auch für die, die eine ent­ge­gen­ge­setz­te Auf­fas­sung des aktu­el­len Pon­ti­fi­ka­tes zu Poli­ti haben.

    • Poli­ti kann sich völ­lig ent­span­nen. Das Papst­tum wur­de zumin­dest halb­of­fi­zi­ell für been­det erklärt.

      Frau Ali­cia Bar­rio, die sich als ein­fluss­rei­che eng­ste Freun­din von P. Bergoglio/​Franz bezeich­net, hat in einem Inter­view (auf dem spa­nisch spre­chen­den News Chan­nel) mit dem jüdi­schen Publi­zi­sten Hen­ri­que Cyme­r­man, der offen­bar eben­falls zur ‚Berg­o­glia­ner Fami­lie‘ gehört, auf die geziel­te Fra­ge, ob denn das ‚mit­tel­al­ter­li­che Papst­tum‘ zu Ende sei, dies nach­drück­lich bestätigt.
      Cyme­r­man wie­der­um soll als erster dem Papst die Rei­se nach Isra­el vor­ge­schla­gen haben und eben­falls das ‚Gebet‘ mit Perez und Ara­fat im Vatikan.

      Der Jesu­it P. Berg­o­glio ist den Latein­ame­ri­ka­nern als gewieft agie­ren­der Medi­en­mann bekannt, also nicht so ganz neu

  3. Man ist wie geblen­det. Natür­lich lief im Vati­kan seit Jah­ren sehr viel sehr schlecht. Seit Jahr­zehn­ten. Man traut als Gläu­bi­ger kei­nem mehr über den Weg. Wenn Don Lui­gi Vil­la neben­bei erwähn­te, Paul VI. habe drei männ­li­che Lieb­ha­ber gehabt, die aus- und ein­gin­gen, dann wun­dert einen gar nichts mehr. Nicht, dass es nicht auch schon vor Jahr­hun­der­ten Dop­pel­mo­ral gege­ben hät­te, stoß­wei­se sogar sehr schlimm, aber die Dop­pel­mo­ral ist eine Dop­pel­mo­ral im wahr­sten Sin­ne des Wor­tes, wenn man Was­ser pre­digt und Wein trinkt. So kann man die „Dop­pel­mo­ral“ selbst der schlimm­sten Päp­ste der Vor­zeit sehen.

    Heu­te ist es aber kei­ne Dop­pel­mo­ral mehr, son­dern die Moral, die aus den moder­ni­sti­schen Leh­ren folgt. Und das ist der Unterschied. 

    Was ist der Grund­feh­ler dar­in? Es ist nicht die Tat­sa­che, dass wir Sün­der sind und in Sün­de fal­len kön­nen. Dar­um geht es nicht. Das kann man bereu­en und umkeh­ren und beich­ten und neu anfangen.

    Es geht um eine Ver­keh­rung der mora­li­schen Kate­go­rien: war zuvor der Wil­le Got­tes etwas Objek­ti­ves und auch objek­tiv For­mu­lier­tes, ist er nun etwas Sub­jek­ti­ves und sub­jek­tiv For­mu­lier­tes. Es mag ja eine win­del­wei­che For­mu­lie­rung im KKK ste­hen zum The­ma Homo­se­xua­li­tät, die irgend­wie homo­se­xu­el­le Akti­vi­tät als „Sün­de“ bezeich­net. Aber letzt­end­lich ist der Ein­zel­ne ein­ge­la­den, nun so zu han­deln, wie es ihm sub­jek­tiv recht vor­kommt – so wie es in der Welt der­zeit auch gese­hen wird.Wenn also F. auf dem Rück­flug aus Rio zu sel­bi­gem The­ma sag­te: „ich bin ein Sohn der Kir­che!“ und „Ich bin nicht der Rich­ter!“, dann muss man das als die moder­ni­sti­sche Ver­ken­nung der Objek­ti­vi­tät zur Sub­jek­ti­vi­tät aus Pap­st­es­mund verstehen.

    Es ist logisch, wenn man nicht mehr bereit ist, von abso­lu­ter und über­ge­ord­ne­ter Objek­ti­vi­tät aus­zu­ge­hen: Klar ist F. ein Sohn der Kir­che und will es sein, aber dass die Kir­che ein objek­ti­ves Lehr­amt hat, und dass er es beklei­den soll – das sagt er nicht. Er ist nur einer der vie­len Kin­der der Mut­ter Kir­che. Was lehrt aber die Kir­che? Neh­men wir an, F. erkennt sich selbst als Papst im tra­di­tio­nel­len Sin­ne nicht an: wer lehrt dann? Ver­schwie­melt redet er von der „Mama“ Maria. Aber auch sie stellt er sich nicht als eine Frau vor, wie sie im Buch Weis­heit beschrie­ben wird (Weis­heit 7+8), deren rei­ne Ver­nunft eben des­halb rein ist, weil sie objek­tiv und nicht sub­jek­tiv denkt, mit enor­mem Charme zwar, weil die rei­ne Ver­nunft schön ist, aber tat­säch­lich total objek­tiv! Bei der vor­geb­li­chen Wei­he an Maria am 13. Okto­ber schwa­fel­te er von einer himm­li­schen Mama, der nichts fremd ist, was im Men­schen viru­lent ist. Kurz: die sub­jek­tiv denkt und aus sub­jek­ti­ven Grün­den am Ende alles durch­ge­hen lässt und für alles Ver­ständ­nis hat.
    Nun spie­gelt aber die Frau in Weis­heit 7+8 das Wesen Got­tes selbst wider, der abso­lut gerecht ist. Sei­ne Barm­her­zig­keit ist nicht der Abbruch die­ser Objek­ti­vi­tät ins Sub­jek­ti­ve, son­dern das Erbar­men über den Sün­der, der in die Sub­jek­ti­vi­tät abge­rutscht ist.

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