Was für eine Theologie vertrat Papst Franziskus in Yad Vashem?


Papst Franziskis in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem(Jeru­sa­lem) Zur Anspra­che von Papst Fran­zis­kus vom 26. Mai 2014 in der Holo­caust-Gedenk­stät­te Yad Vas­hem in Isra­el ver­öf­fent­lich­te die tra­di­ti­ons­ver­bun­de­ne Sei­te „Mes­sa in lati­no“ den Kom­men­tar eines Prie­sters. Er ver­faß­te eini­ge theo­lo­gi­sche und weni­ger theo­lo­gi­sche Anmer­kun­gen zur Anspra­che des Pap­stes, die wir zur Dis­kus­si­on stel­len. Die voll­stän­di­ge Anspra­che von Papst Fran­zis­kus wur­de in deut­scher Über­set­zung vom Hei­li­gen Stuhl ver­öf­fent­licht, eben­so kann die Anspra­che als Video ange­se­hen wer­den (hier). Die Zwi­schen­ti­tel stam­men von der Redaktion.

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Eine notwendige theologische Präzisierung

Anzei­ge

von einem Priester

Zunächst gilt es, sich der Empö­rung anzu­schlie­ßen, die der Papst über den Mord an den Juden in den Kon­zen­tra­ti­ons­la­gern wäh­rend des Zwei­ten Welt­krie­ges zum Aus­druck brach­te. Jede Form der Gewalt und der ter­ro­ri­sti­schen Unter­drückung egal durch wel­che poli­ti­sche Rich­tung, oder wegen wel­cher dia­bo­li­schen Absicht auch immer, ist vor­be­halt­los zu ver­ur­tei­len. Auch gilt es immer wie­der dar­an zu erin­nern, damit sich Glei­ches nicht wie­der­holt. Soweit die ver­bind­li­che Theo­rie. Die Pra­xis sieht lei­der anders aus. Das Mor­den geht auch heu­te wei­ter in ver­schie­de­nen Tei­len der Welt und sogar mit­ten unter uns im „zivi­li­sier­te­sten“ Teil der Welt. Mor­de­ten die Natio­nal­so­zia­li­sten geheim und ille­gal, geschieht der skan­da­lö­se Mord an unge­bo­re­nen Kin­dern am hellich­ten Tag und ganz „legal“.

Alle Verbrechen verurteilen – Keines schlimmer als das andere

Weder die Ver­bre­chen gegen die Juden, die Ver­bre­chen des Natio­nal­so­zia­lis­mus, die Ver­bre­chen des Bol­sche­wis­mus, die Ver­bre­chen gegen die Chri­sten des Osma­ni­schen Reichs und der Tür­kei, die Ver­bre­chen gegen die Chri­sten in Mexi­ko, die Ver­bre­chen der Mili­tär­dik­ta­tu­ren Latein­ame­ri­kas, die Ver­bre­chen im Fer­nen Osten, die Ver­bre­chen in Liby­en, in Syri­en usw. dür­fen ver­ges­sen wer­den. Es gibt für die Opfer kein Ver­bre­chen, das schlim­mer ist als das andere.
Den­noch bie­ten eini­ge Aus­sa­gen des Pap­stes, mögen sie auch mit noch so guter Absicht aus­ge­spro­chen wor­den sein, viel­leicht auch um bestimm­ten Erwar­tun­gen ent­ge­gen­zu­kom­men, Anlaß zu mög­li­chen Mißverständnissen.
Am Mon­tag sag­te Papst Fran­zis­kus in Yad Vas­hem wörtlich:

„Adam, wo bist du?“ (vgl. Gen 3,9).
Wo bist du, o Mensch? Wohin bist du gekommen?
An die­sem Ort, der Gedenk­stät­te an die Sho­ah, hören wir die­se Fra­ge Got­tes wie­der erschal­len: „Adam, wo bist du?“
In die­ser Fra­ge liegt der gan­ze Schmerz des Vaters, der sei­nen Sohn ver­lo­ren hat.
Der Vater kann­te das Risi­ko der Frei­heit; er wuss­te, dass der Sohn ver­lo­ren­ge­hen könn­te… doch viel­leicht konn­te nicht ein­mal der Vater sich einen sol­chen Fall, einen sol­chen Abgrund vor­stel­len! Jener Ruf „Wo bist du?“ tönt hier, ange­sichts der uner­mess­li­chen Tra­gö­die des Holo­caust wie eine Stim­me, die sich in einem boden­lo­sen Abgrund verliert…

Gewagte heterodoxe Exegese

Ich erlau­be mir demü­tig dar­auf hin­zu­wei­sen, daß Gott, wenn Er im Buch Gene­sis die­se Fra­ge stell­te, sicher weder an die Shoa noch an Yad Vas­hem dach­te. Eine sol­che Exege­se ist mehr als nur ein hete­ro­do­xes Wagnis.

Ich erlau­be mir eben­so demü­tig dar­auf hin­zu­wei­sen, daß Gott Sei­ne Fra­ge an den Men­schen rich­tet und nicht an den Sohn (gera­de weil der Sin­gu­lar gebraucht wird), denn der (ein­zi­ge) Sohn des Vaters (die Drei­fal­tig­keit soll­te für einen Papst aus­rei­chend prä­sent sein) ist Chri­stus. Der Mensch aber ist ein Adop­tiv­sohn Got­tes und nicht des Vaters, ver­stan­den als erste gött­li­che Per­son. Der Mensch ist Got­tes Adop­tiv­sohn durch die heil­brin­gen­de Mensch­wer­dung Chri­sti. Für die jüdi­sche Theo­lo­gie ist Gott weder drei­fal­tig noch gilt die Adop­ti­on für alle Men­schen, son­dern nur für ein Volk, näm­lich das ihre. Das aber defi­niert sich seit zwei­tau­send Jah­ren aus der Ableh­nung Jesu Chri­sti und damit Got­tes. Theo­lo­gisch betrach­tet kann aus die­ser Ableh­nung schwer­lich Segen erwach­sen. Ver­trat der Papst in Yad Vas­hem eine jüdi­sche Theo­lo­gie statt der christlichen?

Demonstrative und offenkundige Häresie?

Zu behaup­ten, wie Papst Fran­zis­kus in Yad Vas­hem, daß „viel­leicht nicht ein­mal der Vater sich einen sol­chen Fall, einen sol­chen Abgrund“ der Mensch­heit „vor­stel­len“ konn­te, stellt eine noch demon­stra­ti­ve­re und offen­kun­di­ge­re Häre­sie dar.

Gott weiß alles, was Papst Berg­o­glio zumin­dest aus dem Kate­chis­mus wis­sen soll­te. Zu behaup­ten, daß Gott gar vor­schnell war, dem Men­schen den frei­en Wil­len zu schen­ken, weil Er sich die Kon­se­quen­zen „viel­leicht nicht vor­stel­len konn­te“, ist eine gera­de­zu obszö­ne Häre­sie und vor allem eine Blasphemie.
Durch das moda­le Adverb „viel­leicht“ wird der häre­ti­sche Inhalt der Aus­sa­ge kei­nes­wegs abge­schwächt. Die Behaup­tung, daß es auch nur eine Mög­lich­keit gebe oder eine sol­che nicht kate­go­risch aus­zu­schlie­ßen, daß Gott nicht all­wis­send sein könn­te, öff­net dem Zwei­fel Tür und Tor und ist mit Sicher­heit nicht katholisch.

Die Verganganheit ist vergangen, im Heute aber Leid verhindern

Ich erlau­be mir schließ­lich, wenn auch nur am Ran­de, auch noch dar­auf hin­zu­wei­sen, daß der „boden­lo­se Abgrund“ des Ras­sis­mus und des Staats­ter­rors, den Isra­el gegen die ursprüng­li­che ein­hei­mi­sche Bevöl­ke­rung des Hei­li­gen Lan­des, aber auch gegen die heu­ti­ge Bevöl­ke­rung der besetz­ten Gebie­te, des Gaza-Strei­fens und des West­jor­dan­lan­des betreibt, dem Vater und der gan­zen Aller­hei­lig­sten Drei­fal­tig­keit nicht weni­ger bekannt ist. Aber „viel­leicht“ ist Papst Berg­o­glio dar­über nicht infor­miert, obwohl er an der neu­en „Kla­ge­mau­er“ stand, die der Staat Isra­el errich­tet. Statt ein Wort über die Ver­trei­bung, Unter­drückung und Bedrän­gung der Chri­sten durch Isra­el zu ver­lie­ren, oder ins­ge­samt der Men­schen im Hei­li­gen Land, leg­te der Papst Blu­men auf dem Grab des Grün­ders des Zio­nis­mus nieder.

Auch das ein zwei­fel­haf­ter Akt, den die neu­en Papa­boys aber nicht sehen wollen.

Einleitung/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Mes­sa in Latino

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