(Rom) Ist in der Katholischen Kirche ein großes Ablenkungsmanöver im Gange? Soll die von Papst Franziskus persönlich entfachte Diskussion über die Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion nur eine ganz andere Operation verdecken? Diese Frage wirft der katholische Publizist und Benediktinerobalte Fabrizio Cannone auf.
Dazu einige Vorbemerkungen. In jüngster Zeit haben wir viel über die irritierende Äußerungswelle von Kardinal Walter Kasper geschrieben, den „guten Theologen“, wie ihn Papst Franziskus bei seinem ersten Angelus nannte, der Theologie „auf den Knien“ betreibe, wie wiederum der Papst beim Kardindalskonsistorium im Februar meinte. Kardinal Kasper hat sich mit Zustimmung des Papstes zum Sprecher der in der Nachkonzilszeit entfesselten anthropozentrischen Richtung inTheologie und Ekklesiologie gemacht.
Kardinal Kasper und Bischof Galantino: zwei Adlaten des Papstes.
Wir haben ebenso die jüngsten Auslassungen von Bischof Nunzio Galantino analysiert, der von Papst Franziskus persönlich zum neuen Sekretär der Italienischen Bischofskonferenz gemacht wurde. Eine Bischofskonferenz die inzwischen den Eindruck macht, als werde sie vom Papst selbst kommissarisch verwaltet.
Wir haben auch die problematischen Wortmeldungen des Wiener Erzbischofs Christoph Kardinal Graf Schönborn nicht überhört, der nur eine jener Stimmen ist, die der Kirche die neue Variante aufdrängen wollen. Die Variante, laut der die kirchliche Lehre in der Theorie nicht verändert wird, in der Praxis aber radikal an die „Lebensrealitäten“ der Menschen „angepaßt“ werden soll.
Schönborns „Conchita Wurst“, Bergoglios grüne Marsmännchen – Und die Vernunft?
Dazu gehören Schönborns unüberhörbare „Öffnungen“ gegenüber der Homosexualität. Einmal betont er, daß die Lehre der Kirche sich nicht ändere, um zwei Mal in der Praxis das Lied der Homosexualisten anzustimmen, die derzeit nicht nur Österreich in eine Geiselhaft der Irrationalität führen wollen. Das Kunstprodukt „Conchita Wurst“ des Homosexuellen Tom Neuwirth, dem auch der Wiener Kardinal mediengerecht und politisch korrekt die Reverenz erwies, ist weder ein Symbol für „Toleranz“ noch für „Frieden“, sondern eben nur ein künstliches Produkt. Es bringt bestenfalls zum Ausdruck, daß dort, wo im zugejubelt wird, die Vernunft abgedankt und das Irrationale die Oberhand gewonnen hat. Irrational ist, wenn „Respekt“ und „Toleranz“ nicht für einen realen Menschen, sondern etwas Künstliches verlangt wird, nicht für Tom Neuwirth, sondern „Conchita Wurst, und dieses Künstliche sogar zum Wertemaßstab erhoben wird. Doch in einer Zeit, in der ein Papst grüne Marsmännchen taufen will, scheint die Vernunft in eine Abstellkammer verbannt.
Kardinal Scherer: Kirche muß schon „irgendwie“ die Worte Jesu bekräftigen, aber…
Und wir haben auch die jüngste Stellungnahme des brasilianischen Kardinals und Papabile beim Konklave 2013, Odilo Scherer, vernommen, der meinte: „Die Kirche muß schon irgendwie die Worte Jesu immer wieder von neuem verkünden und bekräftigen, sie kann die Worte Jesu nicht verleugnen, aber sie muß auch den konkreten Situationen in der Geschichte entgegenkommen, um Hoffnung zu machen und den Weg der Barmherzigkeit zu zeigen, den Weg des christlichen Lebens, auch wenn es bestimmte Einschränkungen geben kann.“
Das ist der Weg, auf den man uns mit Richtungsanweisungen führen will, jenen, die uns der Papst selbst gibt und jenen, die und seine losgelassenen Koryphäen über die verschiedensten Medien geben: Das Wort Jesu sei „irgendwie“ zu bekräftigen, man „muß“ aber den Erwartungen der Menschen entgegenkommen.
Der Vatikanist Tornielli und der Brief der „Priesterfrauen“
Es lohnt zu beobachten, was der Vatikanist Andrea Tornielli aufgreift und was er unbeachtet läßt. Der Vatikanist Andrea Tornielli ist unter diesem Papst zu einer Art persönlichem päpstlichen Pressebeauftragten avanciert. Durch Tornielli, der Papst Franziskus seinen „Freund“ nennt, wurde in den vergangenen Tagen ein Brief von 26 „Priesterfrauen“ an den Papst bekannt. Darin fordern sie, ohne jede Spur von Selbstkritik, die Aufhebung des Priesterzölibats. Ein Brief, der große Beachtung fand, aber wenig glaubwürdig wirkt. Nicht so sehr wegen seines Inhaltes, die Forderungen sind seit Jahrzehnten hinlänglich bekannnt, als vielmehr wegen der zu konstruiert wirkenden Akteusen. Wenn man weiß, daß Tornielli einen direkten Draht zu Papst Franziskus hat, könnte man auf den Gedanken kommen, daß er schreibt, was Papst Franziskus noch nicht so direkt sagen kann. „Lieber Franziskus“, die „Frauen der Priester schreiben dem Papst“, so Tornielli. Und spätestens mit diesem Brief von „Priesterfrauen“ kommen Zweifel auf, ob es sich bei den jüngsten Aufregungen in der Kirche nicht um ein Ablenkungsmanöver handelt. Zweifel, die auch der katholische Publizist Fabrizio Cannone in einem Aufsatz für Libertá e persona (Freiheit und Person) äußert. Cannone, Jahrgang 1974, stammt aus Rom und ist Benediktineroblate. Der Publizist arbeitet mit zahlreichen katholischen Medien zusammen. 2012 veröffentlichte er das Buch Il Papa scomodo (Der unbequeme Papst. Geschichte und Hintergründe der Seligsprechung von Pius IX.) mit einem Vorwort des bekannten Historikers Roberto de Mattei.
Und noch etwas weitergedacht: Nach einer eventuellen Zulassung von verheirateten Priestern käme die Frage der Kommunion für wiederverheiratet Geschiedene erst recht auf die Tagesordnung. Denn auf verheiratete Priester folgen geschiedene Priester und dann wiederverheiratet geschiedene Priester. Und wie würde sich dann ein wiederverheiratet geschiedener Priester in der Frage der Kommunion für wiederverheiratet Geschiedene verhalten?
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Ein Ablenkungsmanöver?
Von Fabrizio Cannone
Das am 12 Mai in mehreren Tageszeitungen veröffentlichte Interview von Bischof Nunzio Galantino, dem Sekretär der Italienischen Bischofskonferenz, enthüllt die wahre Natur der aktuellen Debatte über die sakramentale Kommunion für wiederverheiratet Geschiedene: Es handelt sich um ein Ablenkungsmanöver oder zumindest um den Versuch, ein Problem zu verstecken, indem man ein anderes Problem aufwirft.
Wiederverheiratet Geschiedene oder verheiratete Priester?
Unter diesem Blickwinkel geht es in der Frage plötzlich nicht darum, die wiederverheiratet Geschiedenen zur Kommunion zuzulassen, sondern darum, verheiratete Männer zum Priestertum zuzulassen und somit den Zölibat zu kippen. Es ist unmöglich, wiederverheiratet Geschiedene zur Kommunion zuzulassen, weil dem das göttliche Recht entgegensteht und nicht einmal der Papst die Macht hat, das Gottesrecht zu ändern. Das sollten bereits Erstsemester unter den Seminaristen und Theologiestudenten wissen. Die Bestimmung des Priesterzölibats hingegen ist ein kirchliches Recht und der Papst hätte, theoretisch gedacht, die Macht, es zu ändern. Diese Frage ist für Tausende von progressiven Priestern und Theologen ein ganz persönliches, drängendes Problem. Da viele von ihnen more uxorio im Konkubinat leben, befinden sie sich in offenem Widerspruch zu ihrem Versprechen, ehelos und keusch zu leben. Gemäß Codex des Kirchenrechts Canon 277,1 befinden sie sich im Zustand der Todsünde, woran die Tatsache nichts ändert, daß dies systematisch verschwiegen wird.
Priester im Konkubinat: innere Zerrissenheit und Auflehnungsbereitschaft gegen Gott und Kirche
Ein solcher Zustand führt zu ständiger innerer Zerrissenheit und Auflehnungsbereitschaft gegen die göttliche und kirchliche Ordnung. Zudem kann kein Segen darauf liegen. Mit ein Grund für den Niedergang in nicht wenigen Diözesen Europas und den Niedergang der Priesterberufungen. Denn die Todsünde führt ohne Reue und Buße auch nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil in die Hölle (Katechismus der Katholischen Kirche Nr. 1861). Sie haben die Aufhebung des Priesterzölibats schon auf die verschiedenste Art und unter verschiedensten Stichwörtern versucht, unter Paul VI., Johannes Paul II. und Benedikt XVI. Nun wittern sie Morgenluft und sind der Überzeugung, daß endlich der günstige Moment gekommen ist. Jetzt oder nie mehr. Deshalb wollen sie besonders gerissen vorgehen, um diese einmalige historische Chance nicht zu verspielen.
Sie gehen wie bei einem Fußballspiel vor: man täuscht einen Schuß nach rechts vor, um nach links auf das Tor vorzustoßen. In der Militärstrategie nennt man das einen Ablenkungsangriff im Süden, um den Feind im Norden zu schlagen. Zunächst aber gilt es den Feind zu schwächen, indem man ihn möglichst weit vom eigentlichen Angriffsort weglockt. So soll in der allgemeinen Aufmerksamkeit für das (unlösbare) Problem der wiederverheiratet Geschiedenen, inmitten des ganzen öffentlichen Aufsehens und der theologischen Gefechte, niemand bemerken, daß klammheimlich eine Öffnung zum verheirateten Priestertum erfolgt.
Wiederverheiratet Geschiedene: programmierte Enttäuschung?
Die weltweite Enttäuschung über die am Ende doch nicht gewährte sakramentale Kommunion für die wiederverheiratet Geschiedenen (wie es die Synode nicht anders entscheiden kann) wird sofort durch die wohlwollende Gewährung des beweibten Priestertums kompensiert. Damit gelangt die Konzilslehre zu ihrem Epilog:
„Die Kirche hat die vollkommene und ständige Enthaltsamkeit um des Himmelreiches willen, die von Christus dem Herrn empfohlen (vgl. Mt 19,12) […] Zwar ist sie nicht vom Wesen des Priestertums selbst gefordert, wie die Praxis der frühesten Kirche (vgl. 1 Tim 3,2–5; Tit 1,6) und die Tradition der Ostkirchen zeigt, wo es neben solchen, die aus gnadenhafter Berufung zusammen mit allen Bischöfen das ehelose Leben erwählen, auch hochverdiente Priester im Ehestand gibt“ (Dekret Presbyterorum Ordinis über Dienst und Leben des Priesters, 16).
Wenn die Dinge in Wirklichkeit wirklich so einfach wären, warum dann die lateinische Kirche der „auch hochverdienten Priester im Ehestand“ berauben?
Die Dinge sind aber nicht so. Wenn der tugenhafte Zölibat angeblich nicht das Wesen des Priestertums ist, dann ist er aber seine herausragende Seite, sein Glanz und seine Vollkommenheit.
Es stimmt aber auch…
Es stimmt, daß in der frühen Kirche viele Priester aus dem Kreis der verheirateten Männer gewählt wurden. Es stimmt aber auch, daß sie, sobald sie geweiht waren, völlig enthaltsam lebten. Man siehe dazu die Arbeit des Jesuiten Christian Cochini: Die apostolischen Ursprünge des Priesterzölibats, Erstausgabe 1981, Neuauflage 2011, Seite 506.
Es stimmt, daß die Ostkirche, leider, das verheiratete Priestertum erlaubt hat, es stimmt aber auch, daß sie es erst am Ende des 7. Jahrhunderts getan hat und nicht früher, und wegen einer Ausnahme- und Notsituation und nicht aus der Normalität heraus.
Es stimmt, daß mehrere zölibatäre Priester der Sünde der Pädophilie verfallen sind, es stimmt aber auch, daß es in der Welt mehr verheiratete als ledige Pädophile gibt.
Es stimmt, daß im Westen viele Priester im Konkubinat more uxorio leben, es stimmt aber auch, daß im Osten viele verheiratete Priester ihren Frauen untreu sind.
Es stimmt, daß es in der Ostkirche auch hochverdiente verheiratete Priester gibt, es stimmt aber auch, daß es ebenso mediokre und sogar schlechteste Priester gibt: schlechte Ehemänner, schlechtere Väter und schlechteste Priester.
Was will man mit dem Sacerdos uxoratus also lösen?
Um des Himmelreiches willen
Wie man es auch dreht und wendet, das angebliche Heilmittel würde einen größeren Schaden anrichten als die Krankheit selbst, die man vorgibt heilen zu wollen. Deshalb sagte der nunmehr Heilige Johannes Paul II. 1979 den Priestern:
„Die lateinische Kirche wollte und wird weiterhin mit Bezug auf das Vorbild Jesu Christi, die Lehre der Apostel und die gesamte Tradition, die ihr eigen ist, wollen, daß alle die das Weihesakrament empfangen, diesen Verzicht um den Himmelreiches willen annehmen.“
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Libertà e persona