(Tokio) In Nagasaki wird ein neues Museum die Geschichte und das Schicksal der „versteckten Christen“ Japans erzählen. Durch die Christenverfolgung waren alle Priester ausgewiesen oder ermordet worden. Bei den priesterlosen Christen ging die Taufe und der Glauben vom Vater auf den Sohn über. Sie wurden Kakure Kirishitan genannt, die versteckten Christen, weil sie 200 Jahre ihren Glauben in Japan nur im Verborgenen und ohne Priester bewahren konnte. Genau 150 Jahre, nachdem sie aus dem Untergrund hervorkommen konnten, wird im Januar 2015 in Nagasaki ein Museum eröffnet, das dem unerschütterlichen Glaubenszeugnis dieser Christen gewidmet ist. Den Anstoß dazu gab die 66jährige Verlegerin Chiyoko Iwanami, die sich besonders mit der Kirchengeschichte in Japan befaßte.
Urakami: Atombombenabwurf 1945 – Erste Begegnung mit Untergrundkatholiken 1865
Das neue Museum entsteht im Stadtteil Heiwamachi von Nagasaki, nahe der Kathedrale von Urakami. Urakami ist für Japan und besonders für die Christen Japans ein symbolträchtiger Ort. Urakami ist der Bodennullpunkt des amerikanischen Atombomenabwurfs über Nagasaki. Die Kathedrale von Urakami, die bis dahin größte katholische Kirche Ostasiens wurde an jenem 9. August 1945 dem Erdboden gleichgemacht. In Nagasaki, dem christlichen Zentrum Japans, wurden 65.000 Katholiken getötet.
In Urakami traf der französische Priester Pater Bernard Petitjean vom katholischen Missionsorden Société des Missions Etrangà¨res de Paris 1865 auf Japaner, die er als katholische Christen erkannte. Nun erst erfuhr man, daß es in Japan mehr als 200 Jahre nach der radikalen Vernichtung des Christentums noch immer Christen gab, die die Verfolgung im Untergrund überdauert hatten.
Der Ort wurde mit Bedacht für das neue Museum gewählt. Bei der Atombombenexplosion starben in der Kathedrale zahlreiche Katholiken. „Hier wagten sich die Kakure Kirishitan erstmals nach mehr als 200 Jahren an die Öffentlichkeit und zeigten sich einem katholischen Priester“, so Iwanami, die den Menschen zeigen will, „wie schwierig es ist, den Glauben unter Bedingungen zu bewahren, in denen es keine Religionsfreiheit gibt“.
Geheimsprache und Tarnmechanismen: 200 Jahre im Untergrund ausgeharrt
Das Museum wird eine Reihe von Andachts- und Kultgegenständen der Untergrundchristen zeigen. Da sie ihren Glauben nur im Verborgenen praktizieren konnten und um sich vor Entdeckung zu schützen, entwickelte sie eine Reihe von Schutz- und Tarnmechanismen. So versteckte sie Kreuze hinter Buddhafiguren. Marienstatuen wurden als sogenannte Maria-Kannon, als Darstellungen der „Göttin“ Kannon, Symbol für den barmherzigen Buddha, getarnt. Die Christen entwickelten eine eigene Tarnsprache und eine eigene Organisationsform innerhalb ihrer Gemeinschaft. Die Taufe wurde von Generation zu Generation jeweils vom Vater den Kindern gespendet. Pater Petitjean beschrieb in seinen Aufzeichnungen sein Staunen und sein überwältigendes Gerührtsein, als ihm am Karfreitag 1865 bewußt wurde, daß er in Nagasaki inmitten von zehntausend Katholiken lebte, die mehr als 200 Jahre lang ihren Glauben ohne Priester und ohne jeden Kontakt zur Außenwelt im Geheimen bewahrt hatten.
1549 Beginn der Evangelisierung, 1587 Beginn der Christenverfolgung
1549 hatte die Evangelisierung Japans mit der Landung des jungen Jesuiten Franz Xaver begonnen. Die Christianisierung im Land der Aufgehenden Sonne war von der Katholischen Kirche getragen. Doch bereits wenige Jahrzehnte später setzte im Zuge innenpolitischer Entwicklungen und der Abwehr der Wirtschaftsinteressen europäischer Staaten die Christenverfolgung ein. Niederländische Calvinisten hetzten das japanische Shogunat gegen die katholischen Missionare auf, um die spanisch-portugiesische Handelskonkurrenz auszuschalten. Tatsächlich provozierten sie damit jedoch eine generelle Verfolgung des Christentums, deren Hauptbetroffene – mangels anderer Christen – allerdings die Katholische Kirche und die katholischen Gläubigen waren. 1587 wurde die Vertreibung aller ausländischen Missionare angeordnet. Immer härtere Gesetze wurden entlassen und 1596 Priester und Ordensleute verhaftet und demonstrativ, zum Teil auf brutale Weise hingerichtet.
Wer katholisch blieb wurde hingerichtet, wer abschwor wurde für sieben Generationen überwacht
Im Zuge der Abschließung Japans von der Außenwelt wurde 1612 jede Verbreitung der katholischen Lehre verboten. Aufgegriffene Missionare wurden interniert oder hingerichtet. Gegen japanische Katholiken wurde die Todesstrafe verhängt. Um sie aufzuspüren, mußten sich alle Japaner in buddhistischen Tempeln registrieren lassen. Dabei wurden sie gezwungen, auf Relieftafeln mit christlichen Symbolen zu treten. Wer zögerte oder sich verweigerte, galt als Christ. Für sie gab es dann nur mehr zwei Möglichkeiten: hielten sie am Glauben fest, wurden sie hingerichtet; schworen sie ihrem Glauben ab, wurden sie als „abgefallene Christen“ registriert und sie und ihre Familien für sieben Generationen unter Aufsicht gestellt. In den als christlichen Zentren bekannten Orten wie Nagasaki wurde der Test zur Enttarnung von Christen jedes Jahr wiederholt.
Aufstand unter dem katholischen Samurai Shiro Amakusa
Dennoch wagten die Christen im Gebiet von Shimabara 1637 unter der Führerschaft des katholischen Samurais Amakusa Shiro einen verzweifelten Aufstand gegen die staatliche Abgabenlast, vor allem aber gegen die Unterdrückung ihres Glaubens. Rund 30.000 Aufständisch verschanzten sich in der Festung Hara. Nach langem Widerstand und einer aufreibenden Belagerung wurden sie 1638 von einem um ein Vielfaches größeren Heer des Shogun besiegt. Alle aufständischen Christen wurden getötet. Die calvinistischen Niederländer, die sich mit dem Shogun verbündet hatten, beschossen die Stellungen der japanischen Christen. Amakusa, der als „Samurai Gottes“ bekannt, wurde enthauptet und sein Kopf lange Zeit zu Abschreckung in Nagasaki ausgestellt. Als Folge des Aufstandes ordnete der Shogun 1641 die Ausweisung aller Europäer und die Abschließung Japans an.
Japan zählt heute mehr als 40 Heilige und fast 400 Selige
Erst 280 Jahre nach Beginn der Katholikenverfolgung und mehr als 240 Jahre, nachdem jedes Bekenntnis zum katholischen Glauben in den Untergrund verbannt war und Japan sich schließlich von der Außenwelt abgeschottet hatte, kam es 1865 wieder zum ersten Kontakt mit den japanischen Untergrundkatholiken. 1846 hatte die Katholische Kirche wieder erste diplomatische Beziehungen mit Japan herstellen können 1853 erzwangen die USA die Öffnungen der japanischen Häfen für den Handel. Obwohl jede Missionstätigkeit unter Japan weiterhin verboten war, kamen wieder erste Missionare ins Land. 1871 erkannte Japan das Existenzrecht christlicher Gemeinschaften an. Die Verbotsdekrete für Japaner wurden jedoch erst 1912 aufgehoben. Letzte staatliche Einschränkungen für die Christen fielen erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Zwischen 1862 (Pius IX.) und 2008 (Benedikt XVI.) wurden mehr als 300 japanische Märtyrer, die zwischen 1596 und 1639 hingerichtet worden waren, selig- oder heiliggesprochen. Insgesamt zählt Japan heute mehr als 40 Heilige und fast 400 Selige. 1981 besuchte mit Johannes Paul II. der erste Papst das Land im fernen Osten. Die Kathedrale von Urakami wurde übrigens 1959 wiedererrichtet. Die Zahl der Katholiken, die in Japan noch immer an den Untergrundriten festhalten, wird heute auf mehrere Hundert geschätzt. In manchen Familien von Untergrundkatholiken dauert die Angst vor einer neuen Verfolgung bis heute an.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Asianews/Wikicommons
Danke für diesen Artikel, der sehr nachdenklich macht.