Rabbi Skorka: Papst Franziskus und das Judentum – „Haben geträumt, uns vor der Klagemauer zu umarmen“


Papst Franziskus und Rabbi Skorka(Bue­nos Aires/​Jerusalem) Sieht Papst Fran­zis­kus im Juden­tum die „Mut­ter sei­nes per­sön­li­chen Glau­bens“? Das zumin­dest behaup­tet sein argen­ti­ni­scher Freund Rab­bi Abra­ham Skorka in einem Inter­view der Jesui­ten­zeit­schrift Civil­tà  Cat­to­li­ca. Papst Fran­zis­kus reist in weni­gen Tagen mit einem bun­ten Gefol­ge ins Hei­li­ge Land. 

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Das katho­li­sche Kir­chen­ober­haupt wird nicht nur wie gewohnt von Kar­di­nä­len und Bischö­fen der Katho­li­schen Kir­che beglei­tet, son­dern dies­mal auch vom Ehren­vor­sit­zen­den der ortho­do­xen Kir­chen, dem öku­me­ni­schen Patri­ar­chen von Kon­stan­ti­no­pel, Bar­tho­lo­mä­us I. Hin­zu kommt aber vor allem ein per­sön­li­cher Freund Jor­ge Mario Berg­o­gli­os, der argen­ti­ni­sche Rab­bi Abra­ham Skorka. Im Vati­kan mach­te man bald auf ein Risi­ko auf­merk­sam. Die so augen­schein­li­che Anwe­sen­heit eines jüdi­schen Ver­tre­ters in der Entou­ra­ge des Pap­stes, der durch zahl­rei­che Inter­views sich sei­nes direk­ten Zugangs zum Papst rühmt, kön­ne im Nahen Osten Irri­ta­tio­nen in der mos­le­mi­schen Welt aus­lö­sen. Vor allem könn­ten sich die mos­le­mi­schen Palä­sti­nen­ser zurück­ge­setzt füh­len. So mach­te man sich auf die Suche nach einem zusätz­li­chen, mos­le­mi­schen Rei­se­be­glei­ter. Es wird Omar Abboud, als Ver­tre­ter der isla­mi­schen Gemein­schaft in Argen­ti­ni­en sein. Abboud ist ehe­ma­li­ger Gene­ral­se­kre­tär des Isla­mi­schen Zen­trums von Argen­ti­ni­en.

Zwei argentinische Freunde: Rabbi Skorka und der Moslem-Vertreter Abboud

Interreligiöse Tagung in Buenos Aires 2012 (v.l. Omar Aboud, Rabbi Skorka, Erzbischof  Bergoglio)Vati­kan­spre­cher Pater Lom­bar­di sag­te, der Papst wer­de von einem jüdi­schen und einem mos­le­mi­schen Ver­tre­ter beglei­tet, mit denen er bereits in Argen­ti­ni­en in „freund­schaft­li­chem Dia­log“ stand. In der Tat nah­men Erz­bi­schof Berg­o­glio, Rab­bi Skorka und Abboud als Lei­ter des Isla­mi­schen Zen­trums in den ver­gan­ge­nen zehn Jah­ren vor der Papst-Wahl an zahl­rei­chen gemein­sa­men Ver­an­stal­tun­gen teil, die im Zei­chen des inter­re­li­giö­sen Dia­logs stan­den und maß­geb­lich von Kar­di­nal Berg­o­glio initi­iert wurden.

Skorka über Franziskus: „Haben geträumt, uns vor der Klagemauer zu umarmen“

Wäh­rend Abboud erst im April zur Mit­rei­se ein­ge­la­den wur­de und sich bis­her öffent­lich zurück­hält, ent­fal­tet Rab­bi Skorka seit der Wahl von Papst Fran­zis­kus einen inten­si­ven Medi­en­ak­ti­vis­mus. In sei­nem jüng­sten Inter­view für die Jesui­ten­zeit­schrift Civil­tà  Cat­to­li­ca (Heft 3934 v. 17. Mai 2914: Der Papst, der Rab­bi und das Hei­li­ge Land) sag­te er: „Seit der Wahl von Fran­zis­kus haben wir uns drei Mal in Rom getrof­fen.“ Bei einem die­ser Tref­fen „haben wir begon­nen zu träu­men, gemein­sam vor der Kla­ge­mau­er zu ste­hen, uns zu umar­men, um ein Zei­chen zu geben wegen der zwei­tau­send Jah­re der Unstim­mig­kei­ten zwi­schen Juden und Chri­sten und daß ich ihn nach Bet­le­hem beglei­te, um ihm in einem so bedeu­ten­den Moment für sei­nen Geist nahe­zu­sein, als Geste der Freund­schaft und des Respekts, um allen Völ­kern und Natio­nen die­ser Gegend ein unaus­lösch­li­ches Zei­chen des Frie­dens zu geben“.

Das Inter­view mit Rab­bi Skorka führ­te Chef­re­dak­teur Pater Anto­nio Spa­da­ro, der im ver­gan­ge­nen Herbst ein inzwi­schen berühm­tes, aber auch umstrit­te­nes Inter­view mit Papst Fran­zis­kus führ­te. Skorka sprach auch davon, wie Papst Fran­zis­kus das Juden­tum sehe: „Beim ersten Tref­fen sag­te er, indem er mit der Hand auf sich und mich zeig­te: ‚Unse­re Freund­schaft und unser Dia­log ist das Zei­chen, daß es geht.‘ Und ich füg­te hin­zu: ‚Man kann den Weg anle­gen, der zum Frie­den führt und der Rom und Jeru­sa­lem näher zusammenführt‘.“

Skorka: „Bergoglio sieht im Judentum die Mutter seines persönlichen Glaubens“

Im Gespräch zwi­schen Pater Spa­da­ro und dem Rab­bi wer­den auch meh­re­re Namen als Zeu­gen für den jüdisch-christ­li­chen Dia­log genannt, dar­un­ter der eme­ri­tier­te Erz­bi­schof von Paris, Kar­di­nal Lusti­ger. Es wer­den auch Publi­ka­tio­nen erwähnt, die der Papst für den jüdisch-christ­li­chen Dia­log für grund­le­gend hält. Laut Skorka herrscht in Papst Fran­zis­kus vor allem „eine Erwar­tung der Kir­che auf eine jüdi­sche Ant­wort auf das Doku­ment Nost­ra aet­a­te des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils, ein von der Mehr­heit des jüdi­schen Vol­kes ange­nom­me­nes Mani­fest, das auf die Fra­ge ant­wor­tet: Was bedeu­tet ein Christ für einen Juden?“

Auf die Fra­ge Spa­da­ros, wie Papst Fran­zis­kus die jüdi­sche Reli­gi­on sehe, ant­wor­te­te Skorka: „Die vie­len Din­ge, die ich neben Berg­o­glio gese­hen und erlebt habe, ver­an­las­sen mich zu behaup­ten, daß er das Juden­tum als Mut­ter sei­nes Glau­bens sieht. Das ist nicht bloß eine intel­lek­tu­el­le Wahr­neh­mung, son­dern ein Gefühl, das eine wich­ti­ge Kom­po­nen­te in sei­nem per­sön­li­chen Glau­ben dar­stellt.“  Die Aus­sa­ge ist erklä­rungs­be­dürf­tig. nach katho­li­schem Ver­ständ­nis ist das vor­christ­li­che Juden­tum (Israe­li­ten) im Chri­sten­tum auf­ge­gan­gen und fand dort sei­ne Voll­endung. Das nach­christ­li­che Juden­tum hin­ge­gen, ist jene pha­ri­säi­sche Abspal­tung des ursprüng­li­chen Juden­tums, die Chri­stus als Mes­si­as ablehnt. Wel­ches Juden­tum aber mein­te Skorka?

Liest Papst rabbinisches Schriften und ist davon geprägt?

Der Rab­bi wies zugleich dar­auf­hin, daß „eini­ge Stand­punk­te und Fest­stel­lun­gen Berg­o­gli­os“ offen­sicht­lich mit rab­bi­ni­schen Schrif­ten über­ein­stim­me, womit er andeu­ten will, daß Papst Fran­zis­kus rab­bi­ni­sches Schrift­tum gele­sen habe oder lese und von die­sem geprägt sei.

Wei­te­re Tei­le des Gesprächs bezie­hen sich auf den israe­lisch-palä­sti­nen­si­schen Kon­flikt. Dazu sag­te Skorka: „Ich erwar­te mir nicht, daß Papst Fran­zis­kus alle Pro­ble­me zwi­schen Palä­sti­nen­sern und Israe­lis löst, noch alle Kon­flik­te des Nahen Osten und der Welt.“ Die „wah­re Macht des Pap­stes liegt in der Glaub­wür­dig­keit, die er in den Sei­nen und in den ande­ren zu wecken versteht.“

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Vati­can Insider/​Centro Inter­re­li­gio­so Bue­nos Aires

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